Gen­fer­see: Parade navale 2018 erst­mals in Frankreich.

Den bei­den gros­sen Grenz­seen der Schweiz, jenem des Léman und Bodan, ist es gelun­gen, mit all­jähr­lich statt­fin­den­den Gross­an­läs­sen ihre Schiff­fahrt im kol­lek­ti­ven Bewusst­sein zu ver­an­kern. Seit 47 Jah­ren eröff­net sym­bo­lisch die Flot­tens­tern­fahrt der vier gros­sen Schiff­fahrts­ge­sell­schaf­ten URh, SBS, BSB und VL die Sai­son auf dem Boden­see. Rund einen Monat spä­ter folgt seit 1995* die Rad­schiff-Parade auf dem Gen­fer­see – ana­log dem Fahr­plan, der bei der CGN jeweils spä­ter auf ein grös­se­res Ange­bot umstellt als in der übri­gen Schweiz.

Erst­mals fand die „Parade navale“ in Frank­reich statt. Evian erwies sich dabei als tol­ler Gast­ge­ber. Wie schon letz­tes Jahr in Cully, wo ein tra­di­tio­nel­les Volks­fest – das Win­zer­fest zum „Epes­ses nou­veau“– mit der Parade ver­bun­den wurde, kam die­ses Erfolgs­re­zept auch die­ses Jahr zum Tra­gen. „Festilé­man“ ist in Evian ein zwei­tä­gige Ver­an­stal­tung zum Thema Natur­schutz, Tou­ris­tik und Gas­tro­no­mie sowie Schiff­fahrt. Ich benutzte jene zwei Schiffe, die fran­zö­si­sche Orte anfah­ren. Diese wer­den heute im Fahr­plan nicht mehr bedient. Die „Vevey“ holt Fahr­gäste in Meil­le­rie und Tour­ronde ab. Ich schwelge in Erin­ne­run­gen aus den Sieb­zi­ger­jah­ren, wo in der Hoch­sai­son täg­lich bis zwei CGN-Damp­fer auf der Fahrt von Evian nach St- Gin­golph und einer in umge­kehr­ter Rich­tung die Orte Meil­le­rie und Tour­ronde bedien­ten. Beson­ders die Abend­fahrt von Ville­neuve nach Evian über diese zwei char­man­ten Dör­fer war wun­der­schön, wenn jeweils die Sonne lang­sam die schrof­fen Schat­ten­hänge des steil­ab­fal­len­den­Meil­le­rie-Gebir­ges** beleuch­tete. Die­ser Ser­vice wurde im Jahr 2000 auf­ge­ge­ben. Zumin­dest bei Spe­zi­al­fahr­ten erin­nert man sich bei der CGN wie­der an diese Orte, wie letz­tes Jahr bei der Abschieds­fahrt der „Rhône“ oder an er heu­ti­gen Parade mit der „Vevey“.

Das glei­che Schick­sal erlit­ten die fran­zö­si­schen Orte Amphion, Mar­gen­cel, Sciez und Excen­eveux. Die letz­te­ren drei wur­den anläss­lich der Parade durch die „Savoie“ bedient, Amphion (nebst den andern, oben erwähn­ten Orten) durch die „Vevey“. Diese fran­zö­si­schen Feri­en­orte, gele­gen zwi­schen Evian und Yvoire,sind seit 2016 vom Fahr­plan­an­ge­bot der CGN ganz ver­schwun­den. Davor gab es ein ein­zi­ges Kurs­paar und dies auch nur wäh­rend weni­gen Wochen im Hoch­som­mer. Noch im Jahr 2000 wur­den diese Orte bis sie­ben Mal ange­fah­ren; es gab sogar ein eige­nes Fahr­plan­feld dafür (3154). Im Jahr 2006 bedien­ten CGN-Schiffe in fünf Rund­fahr­ten­kur­sen je ein Mal diese Orte. Die Gründe sind nicht nur an beschei­de­nen­Fre­quen­zen fest­zu­ma­chen, son­dern auch an der Finan­zie­rung. Wäh­rend das Defi­zit auf Schwei­zer Seite die Kan­tone tra­gen, macht das fran­zö­si­sche Dépar­te­ment Haute-Savoie nach ent­spre­chen­den Anträ­gen der CGN lei­der keine Anstal­ten, einen Bei­trag an die land­schaft­lich und damit tou­ris­tisch inter­es­san­ten Längs­fahr­ten zwi­schen Yvoire und Evian sowie zwi­schen Evian und St-Gin­golph zu leis­ten. Seit­her gibt es nach Frank­reich aus­schliess­lich Pend­ler­kurse zwi­schen Lau­sanne und Evian, Lau­sanne und Tho­non sowie Nyon und Yvoire mit z.T. für den Nicht-Berufs­ver­kehr unat­trak­ti­ven Schiffen.

Der Ver­wal­tungs­rats­prä­si­dent Mau­rice Decop­pet zum Thema Finan­zie­rung erklärt gegen­über der SA: „Die CGN ope­riert im Rah­men von­Leis­tungs­auf­trä­gen, wie dies z.B. bei den SBB im Regio­nal­ver­kehr funk­tio­niert. Frank­reich (das Dépar­te­ment und die Region Auver­gne-Rhône Alpes) bezahlt ca. 1,5 Mio Euro jähr­lich für die Bedie­nung der fran­zö­si­schen Anle­ge­stel­len durch die CGN. Die Summe wird haar­ge­nau berech­net auf Grund der ver­lang­ten, resp. gefah­re­nen Kilo­me­ter und dazu noch mit wel­chem Schiffs-Typus, wel­cher die Anzahl Besat­zungs­mit­glie­der an Bord bedingt. Lei­der hat eben die­ses Dépar­te­ment gegen­wär­tig kein Inter­esse am Längs­ver­kehr zwi­schen Yvoire und St-Gin­golph. Des­halb haben wir diese (bedau­er­li­che) Situa­tion, dass diese Kurse zur Zeit nicht ange­bo­ten wer­den.“ Daran wird auch 2019 nichts ändern. „Für das Zwei­jah­res-Pro­gramm 2020/21 kann es wie­der dis­ku­tiert werden …“.

Die dies­jäh­rige Parade in Evian hatte den Vor­teil, dass die Damp­fer sich im bes­ten Licht prä­sen­tie­ren, wäh­rend in den ver­gan­ge­nen Jah­ren am Schwei­zer Ufer stets Gegen­licht herrschte, dies aus Sicht der Zuschau­en­den am Ufer. Nach­dem die sechs Schiffe Sim­plon, La Suisse, Savoie, Mon­treux, Ita­lie und Vevey die rund 2000 Fahr­gäste von ins­ge­samt 20 Gen­fer­see-Ufer­or­ten ein­ge­sam­melt hat­ten, ver­sam­meln sie sich vor Evian zu fünf For­ma­ti­ons­fahr­ten. Zuerst durch­fuh­ren die „Gros­sen“ („Sim­plon“ zuerst, dann „La Suisse“) eine Gasse, die durch die Paare „Mon­treux“ und „Ita­lie“ sowie „Savoie“ und „Vevey“ gebil­det wur­den. Als zwei­tes „dampf­ten“ die Schiffe in Pfeil­for­ma­tion in Rich­tung Tho­non. Nach einer (als lang emp­fun­de­nen) Pause gab es als drit­tes Bild die erste Vor­bei­fahrt im Gän­se­marsch vor rund 10 000 Zuschau­en­den in Evian. Nach einem gros­sen Bogen fuhr nun die impo­sante Flotte auf der Innen­seite der Hafen­mole im Schlän­gel­kurs see­ab­wärts dem Ufer ent­lang, um schliess­lich einer neben dem andern auf­ge­stellt Evian die Ehre zu erwei­sen und mit Bug zum Land vors Publi­kum zu fah­ren. Die „Ver­nei­gung“ geschah in Form eines Horn­stos­ses aus den Dampfpfeifen.

Wie Mau­rice Decop­pet im Edi­to­rial von „A toute vapeur“ schreibt, hat der Gen­fer­see die bedeu­tendste Belle Epo­qie-Flotte der Welt: „Die acht Schiffe, von ein­zig­ar­ti­ger Ele­ganz und Homo­ge­ni­tät, wur­den 2011 als Kul­tur­gut von natio­na­ler und seit 2014 sogar von euro­päi­scher Bedeu­tung aner­kannt und unter Schutz gestellt.“ In die­sem Jahr feh­len die „Rhône“ und die „Hel­vé­tie“. Für DS Rhône ist Ende 2017 die Betriebs­be­wil­li­gung aus­ge­lau­fen. Das Schiff war­tet nun auf den Start­punkt der Reno­va­tion. Decop­pet: „Die Reno­va­tion von DS Rhône (1927) wird gegen­wär­tig vor­be­rei­tet und wir hof­fen, den stol­zen Damp­fer im Spät­herbst 2020 und ein paar Jahre spä­ter auch die ‚Hel­vé­tie’ (1926) voll­stän­dig über­holt wie­der in Betrieb neh­men zu kön­nen.“ Es braucht also ein biss­chen Geduld, alle acht Rad­schiffe an einer Parade zu erle­ben. Aber dies ist „Jam­mern auf hohem Niveau“, denn bereits die heute prä­sen­tier­ten sechs Rad­schiffe sind eine wahre Freude. Wahr­schein­lich wer­den es anschlies­send jeweils weni­ger sein. Denn: „Haupt­re­no­va­tio­nen – unter der Auf­sicht der Denk­mal­pflege und mit Ein­be­zug der Exper­tise der Asso­zia­tion Patri­moine du Léman – erfol­gen alle 30 Jahre“, gibt Decop­pet zu Beden­ken. Bei acht Schif­fen heisst das, dass rund alle vier Jahre eine Gesamtren­no­va­tion bei einem der Rad­schiffe fäl­lig ist. Aber soweit hin­aus will ich nicht „in die Sterne gucken“. Nach Jah­ren einer eupho­ri­schen Auf­bruch­stim­mung am Léman könn­ten auch wie­der andere Zei­ten fol­gen. Ich erin­nere mich an die Ach­zi­ger- und fol­gende Jahre, wo ein Aus­flug auf den Gen­fer­see wegen der Flot­ten­qua­li­tät nicht mehr loh­nens­wert erschien. Ich freue mich dar­über, was nun am Gen­fer­see in den letz­ten 20 Jah­ren pas­siert ist.

Tour de France: Schiffs­per­spek­tive auf Meil­le­rie an Bord der «Vevey».

DS Mon­treux in Evian, dem Aus­ra­gungs­ort der Parade navale 2018 mit Loge­plät­zen direkt am Ufer.

Zahl­rei­che Stände von vie­len nau­ti­schen Vetei­nen, so auch vom Modell­bau­club «Vapor Alp», lock­ten Tau­sende von Besu­chen­den an auf der ver­kehrs­freien Ufer­strasse von Evian.

For­ma­ti­ons­fahr­ten vor dem fran­zö­si­schen Ufer …

… so auch durch die Hafen­mole bei Evian.

Rück­fahrt mit DS Savoie nach Genf mit Halt in Margencel …

… und am Steg von Excenevex.

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Hin­weise

*) Die „parade navale“ gibt es seit 1995, am Anfang mit Unter­brü­chen. Die Parade in Evian war in die­sem Jahr die 22. Aus­gabe, zählt man beide Para­den aus dem Jahr 1998 als zwei. Es waren dies fol­gende Aus­tra­gungs­orte: 1995 Lau­sanne, 1996 und 1997 keine Parade, 1998 je eine in Vevey und Nyon, 1999 keine Parade. Dann ohne Unter­bruch: 2000 Nyon, 2001 Mon­treux, 2002 Rolle, 2003 Lau­sanne, 2004 Nyon, 2005 Mor­ges, 2006 Rolle, 2007 Mor­ges, 2008 Vevey, 2009 Rolle, 2010 Mor­ges, 2011 Rolle, 2012 Mor­ges, 2013 Nyon, 2014 Vevey, 2015 Rolle, 2016 Mor­ges, 2017 Cully, 2018 Evian.

**) Die Fel­sen von Meil­le­rie sind unter Geo­lo­gen berühmt: hier ereig­nete sich im Jahr 563 eine Natur­ka­ta­strohe. In der sog. vier­ten Kette der Kalk­stein­fel­sen zwi­schen St. Gin­golph und Meil­le­rie gab es einen ver­hee­ren­den Fels­sturz, des­sen 14 m hohe Flut­welle des Gen­fer­sees die gegen­über lie­gen­den Orte zer­stör­ten und dabei „viele Men­schen und Vieh­heer­den ersäuft wur­den“, wie in alten Ana­len zu lesen ist. Auch Lau­sanne beklagte Schä­den und selbst in Genf spülte es die höl­zerne Rhone­brü­cke weg. Seit­her stei­gen die schwar­zen Fel­sen vom Meil­le­rie fast senk­recht aus dem Was­ser empor. Für die His­to­ri­ker sind diese Fel­sen eben­falls von Inter­esse: im deutsch-fran­zö­si­schen Krieg 1815/16 spreng­ten die Fran­zo­sen einige die­ser Fel­sen, um den Vor­marsch der Öster­rei­cher, die die Deut­schen unter­stürz­ten, mit zer­stör­ten Ver­kehrs­we­gen zu bremsen.

Quel­len

Bil­der im Text­teil: Stim­mun­gen an der Parade und aus Sicht der Zuschau­en­den in Evian.

Bild 7: E. Misch­ler, Bild Text­teil unten: CGN

Text und übrige Bil­der H. Amstad.

Wei­ter im Text

Bericht Parade 2017 (Link), 2015 (Link) und 2014 (Link)

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