Sai­son­schluss­fahrt für DS Wil­liam C Daldy im neu­see­län­di­schen Auckland

Am Frei­tag früh, 29. März 2019, bekomme ich von der Wil­liam C Daldy Pre­ser­va­tion Society eine Mail, dass sie mor­gen Sams­tag mit ihrem Schrau­ben­damp­fer für eine Sai­son­schluss­fahrt ab Auck­land aus­lau­fen. Mehr als Jux sende ich die Mail eine Stunde spä­ter wei­ter an unse­ren Kol­le­gen Marco Biseg­ger, weil ich weiss, dass er im Moment in Rich­tung Neu­see­land aufbricht.

Am Sams­tag-Mor­gen nach 8 Uhr bekomme eine Whats­app-Mel­dung mit Bild: „Bin spon­tan zum Hafen spa­ziert, wusste aber, dass ich für die offi­zi­el­len Fahr­ten zu spät komme. Doch ich habe Glück: um 16 Uhr fin­det noch eine aller­letzte Fahrt der Sai­son 2018/19 statt.“ Die Zeit­ver­schie­bung um 12 Stun­den (noch Win­ter­zeit) und das World Wide Web (www) machen die­ses Erleb­nis für ihn möglich.

Sein Ein­druck vom Schiff und von der Fahrt: „Als ich sehr zügig zum Steg lief und winkte, hat man extra für mich die Lan­dungs­brü­cke noch­mals bedient. Super hat das geklappt. Ich bedankte mich und wollte für die Fahrt bezah­len. Die Kasse sei schon geschlos­sen, aber an der Bar gebe es Bier, meint ein Mann­schafts­mit­glied. Vom sport­li­chen Mar­schie­ren durch den Hafen von Auk­land hatte ich tat­säch­lich Durst. Hier wollte man auch kein Geld von mir. Man hat mich end­lich auf­ge­klärt: Dies ist die letzte Fahrt des Damp­fers in der Sai­son 2019 und so dür­fen alle frei­wil­li­gen Hel­fer die Fahrt und die Getränke von der Bar als Dank genies­sen. Da ich ja nichts gehol­fen hatte, machte ich an der Bar eine Spende fürs Schiff.

Das hat sich dann bis zum Kapi­tän her­um­ge­spro­chen und so wurde ich noch für die kom­mende Grill­party bei Rück­kehr im Hei­mat­ha­fen ein­ge­la­den. Was für ein herr­li­cher Abend. Neben den saf­ti­gen Würs­ten vom Grill fei­erte man bei Musik, Anspra­chen des Kapi­täns, Show- und Gesangs­ein­la­gen der Crew und einer klei­nen Tom­bola (wie­derum zu Guns­ten des Schif­fes) das Sai­son­ende 2019 und ich als „Tou­rist“ durfte mit­fei­ern. So darf ich in die­sem Jahr zwei Mal ein Sai­son­ende fei­ern, denn am 20. Okto­ber ist auf dem Vier­wald­stätter­see Sai­son­schluss, auf der Nord­halb­ku­gel halt eben ein hal­bes Jahr spä­ter. Ob auch hier die Crews mit einem schiffs­be­geis­ter­ten Tou­ris­ten den Sai­son­ab­schluss verbringen?»

Frage ich inter­na­tio­nal inter­es­sierte Damp­fer­freunde oder Schiffs­lieb­ha­ber nach der „Wil­liam CDaldy“ bekomme stets die Ant­wort, der Damp­fer sei bekannt, aber sie seien noch nie mit dem koh­len­be­feu­er­ten Schrau­ben­damp­fer gefah­ren. Das ist erklär­bar, weil er kaum an einem hal­ben Dut­zend Tage im Jahr auf Fahrt geht. Rei­nes Glück ist des­halb, wenn ein nicht all­täg­li­cher Auf­ent­halt in Auck­land sich ter­min­lich deckt mit einer der sel­te­nen Aus­fahr­ten. Ich hatte die­ses Glück am 20. Novem­ber 2016 eben­falls, als ich von Napier aus an einem Weekend Auck­land besuchte. Dazu­mal lief die „Wil­liam C Daldy“ im Auf­trag der natio­na­len Fei­er­lich­kei­ten zum 75. Geburts­tag der Royal New Zea­land Navy aus. Die für die­sen Anlass ein­ge­trof­fe­nen 30 Kriegs­schiffe aus aller Welt sorg­ten trotz farb­li­cher Mono­to­nie für Action, vor allem in den Stras­sen von Auck­land, da die Besat­zun­gen nur im Nau­tik­te­nue in den Aus­gang durf­ten. Für mich aber waren die zwei Damp­fer­aus­fahr­ten der „Daldy“ und mit dem ältes­ten Dampf­schiff Neu­see­lands, der „Puke“ (1904), der Höhe­punkt des Besu­ches in der Mil­lio­nen­stadt Neuseelands.

Zur Geschichte des Schleppdampfers

Gerade wegen sei­ner Unbe­kannt­heit stelle ich den Schrau­ben­damp­fer etwas aus­führ­li­cher vor, zumal deutsch­spra­chige Unter­la­gen nicht zu fin­den sind. Die Anga­ben habe ich aus Schau­ta­feln, die an Bord auf­ge­hängt sind. Die „Wil­liam C Daldy“ ist ein zwei­schrau­bi­ger, koh­le­be­feu­er­ter Dampf­schlep­per, der 1935 in Ren­frew im schot­ti­schen Clyde von Lob­nitz & Com­pany für den Auck­land Har­bour Board gebaut wurde. Nach einer 82-tägi­gen See­reise von Schott­land nach Neu­see­land trat sie im Februar 1936 in Dienst und über­nahm den Schlepp­dienst im Hafen von Auck­land. Sie stand 41 Jahre lang im Ein­satz und war 1977, als sie aus­ran­giert wurde, einer der letz­ten in Betrieb befind­li­chen koh­le­feu­er­ten, im Arbeits­dienst ste­hen­den Schlep­per der Welt.

Es gab zwar immer wie­der Pläne, das Schiff auf Ölfeue­rung umzu­rüs­ten oder mit zwei Die­sel­mo­to­ren zu bestü­cken. Die Umbau­ten schei­ter­ten aus der Über­le­gung her­aus, die dazu nöti­gen Auf­wen­dun­gen lie­ber in neue Schlep­per zu inves­tie­ren. Im „Ruhe­stand“ fand der Damp­fer dann nicht den Weg zum Schrott­platz, son­dern ging für 1 Dol­lar in die Hände der Erhal­tungs­ge­sell­schaft Wil­liam C Daldy Pre­ser­va­tion Society. Doese führt seit­her not­wen­dige Repa­ra­tu­ren aus und ist für den Betrieb verantwortlich.

Die „Daldy“ hat eine Länge von 38,4 m, eine beacht­li­che Breite von 9,75 m und einen Tief­gang von 4,5 m. Mit 13,4 Kno­ten (25 km/​h) gehört sie zu den schnells­ten Schlepp­schif­fen der Welt. Die Schlepp­kraft beträgt im sog. Pfahl­zug 17 Ton­nen – selbst das Nach­fol­ger­schiff der 1977 gebau­ten „Daldy“ II kommt bloss auf 24 Ton­nen Pfahl­zug.* Der Schlep­per hat immer noch seine zwei ursprüng­li­chen „schot­ti­schen“ Koh­le­kes­sel mit je drei Öfen. Die Hei­zer haben also sechs Feuer zu bedie­nen. Zwei Hei­zer sind am Schau­feln und wei­tere zwei an der fri­schen Luft, wo sie sich alle 30 Minu­ten ablö­sen. Bis zu 50 Ton­nen Kohle befin­det sich in Bun­kern auf jeder Seite des Schif­fes neben den Kes­seln. Wenn die Bun­ker voll sind, gelangt die Kohle mühe­los ins Schacht­loch. Wenn sich die Bun­ker ent­lee­ren, muss ein Hei­zer in den Bun­ker gehen und die Kohle zuerst in die Öff­nung schau­feln, ein Vor­gang, der im Eng­li­schen als „coal trim­ming” bezeich­net wird. Aus­ser­dem gibt es einen Ach­ter­bun­ker, der wei­tere 80 Ton­nen Kohle für lange Rei­sen auf­neh­men kann.

Kes­sel und Maschine

Der Dampf aus den Kes­seln wird nach hin­ten in den Maschi­nen­raum gelei­tet zu zwei neben ein­an­der ste­hen­den Drei­zy­lin­der­dampf­ma­schi­nen „of the clas­sic marine design which became popu­lar in the 1880s”, wie an Bord zu lesen ist. Jede Maschine hat 1000 indi­zierte PS, die je auf einen Pro­pel­ler mit 3,5 m Durch­mes­ser wir­ken. Nor­ma­ler­weise sind 3 Maschi­nis­ten im Maschi­nen­raum – einen an der Steue­rung jeder Maschine mit blauen Dienst­klei­dern und einen am Ölen, den Was­ser­stand kon­trol­lie­ren und so wei­ter in weis­sen Kleidern.

Alle Hilfs­ma­schi­nen (wie z.B. die See­was­ser-Umwälz­pumpe, eine Bil­gen­pumpe, eine all­ge­meine War­tungs­pumpe, die den Kon­den­sa­tor bei Aus­fall der Umwälz­pumpe ver­sor­gen kann, eine Frisch­was­ser­pumpe und einen Gene­ra­tor an Bord) funk­tio­nie­ren noch mit Dampf und alle sind dop­pelt vor­han­den oder ver­fü­gen über alter­na­tive Aggre­gate, da Lloyds dies auf­grund der lan­gen Lie­fer­an­reise nach Neu­see­land als Ver­si­che­rungs­be­din­gung vor­schrieb. Der ursprüng­li­che Gene­ra­tor wurde 1956 durch eine stär­kere 15-kW-Ein­heit ersetzt, die aus dem Minen­su­cher Kiwi stammt.

Auf dem Haupt­deck hat es noch mehr Dampf: eine Hilfs­steue­rung mit einem sog. «Donkin’s Patent» unter­stützt das Ruder. Die Kes­sel haben einen Zwangs­zug, der von einem Dampf­ven­ti­la­tor gelie­fert wird. Es gibt zwei Dampf­win­den an Deck, eine am Bug und eine ach­tern für die Lei­nen. Schliess­lich ist die Kom­büse mit einem dampf­be­trie­be­nen Kocher für die Zube­rei­tung von Tee aus­ge­stat­tet. Der Name des Schif­fes kommt vom Kapi­tän und Poli­ti­ker Wil­liam Crush Daldy, 1816 in Rain­ham Essex (Eng­land) gebo­ren und 1903 in Auck­land gestorben.

Aus­fahrt der „Wil­liam C. Daldy“ aus dem Hob­son Wharf in der Nähe des New Zea­land Mari­time Museum.

Der Prä­si­dent bedankt sich bei allen Hel­fe­rin­nen und Hel­fer des Dampf­schle­pers am Ende der dies­jäh­ri­gen Saison.

Seit sei­ner Stil­le­gung 1977 ver­gin­gen drei Jahre, bis am 30 Januar 1980 der Dampf­schlep­per zum ers­ten Mal mit Fahr­gäs­ten wie­der in Betrieb kam. Ober­halb des Steu­er­hau­ses gibt es einen zwei­ten, sog. Schö­nen­wet­ter-Steu­er­stand; im Bild links mit Kapi­tän Nigel Foster.

Auch die Steue­rung ist in dop­pel­ter Aus­füh­rung an Bord, eine Vor­gabe der Ver­si­che­rung Lloyd für die Über­stel­lungs­fahrt von Schott­land nach Neu­see­land im Jahr 1935.

Vier Hei­zer und drei Maschi­nis­ten (Bild) gehö­ren zur Besat­zung „unter Deck“.

Die sechs Feu­er­lö­cher sind fast unun­ter­bro­chen „hung­rig“.

Die „Wil­liam C Daldy“ im Arbeits­ein­satz in den Vierzigerjahren.

Bild 2 M. Biseg­ger, Bild 8 Daldy Pre­ser­va­tion Society, Text und übrige Bil­der H. Amstad.

Durch Klick aufs Bild erscheint die­ses im Grossformat.

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Bemer­kun­gen

*) Der Pfahl­zug (eng­lisch bol­lard pull) steht für die Zug­mes­sung zur Ermitt­lung der Zug­kraft von Schif­fen, spe­zi­ell bei Schleppern.

Wei­ter im Text

Nähere Infos zu DS Wil­liam C Daldy Link

(B)Logbuchbeiträge zu andern neu­see­län­di­schen Dampf­schif­fen: DS Wai­ma­rie in Whan­ganui Link, DS Ear­nslaw auf dem Lake Waka­tipu Link

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