Unter­wegs auf Flüs­sen: das Kreuz­fahr­ten-ABC (2. Teil)

Ein Hand­buch als „Gebrauchs­an­wei­sung“ für Gäste einer Flusskreuzfahrt

Im Jahr 2018 waren allein auf den euro­päi­schen Flüs­sen 350 Fluss­kreuz­fahrt­schiffe unter­wegs, davon rund 150 unter Schwei­zer Flagge. Mil­lio­nen genies­sen diese geruh­same Rei­se­art, wo Kof­fer und Bett gleich mit­reist. In der 2. Folge des Kreuz­fahr­ten-ABC begei­tet uns die «Thur­gau Ultra». Das Schiff ist ein Twin-Crui­ser und war frü­her das ein­zige euro­päi­sche 6*-Schiff der Ree­de­rei Pre­mi­con (unter dem Namen „Pre­mi­con Queen“). Die „Sterne“ sind zwar unter dem Schwei­zer Anbie­ter Thur­gau Tra­vel (Dau­er­char­ter-Ver­trag 2015 bis 2023) etwas weni­ger, aber das Schiff strahlt wie eh und je eine Gross­zü­gig­keit aus, wie man es sel­ten antrifft.

J Jah­res­zeit zum Reisen

Von März bis Dezem­ber ist durch­ge­hend Kreuz­fahr­ten­sai­son, jede Jahe­srzeit hat ihren beson­de­ren Reiz. Im Früh­ling und Spät­herbst sind die Preise nach­fra­ge­be­dingt deut­lich tie­fer. Ich wähle in der Regel im Som­mer­halb­jahr eine Kabine im güns­ti­ge­ren Unter­deck, da ich nur die Nacht in der Kabine ver­bringe und sonst das Bord­le­ben auf dem Son­nen­deck geniesse. Im Win­ter­halb­jahr wähle ich hin­ge­gen eine mit fran­zö­si­schen Bal­ko­nen, weil der Auf­ent­halt auf dem Frei­deck wit­te­rungs­be­dingt weni­ger attrak­tiv ist.

Kabi­nen­wahl

Kabi­nen unter­schei­den sich haupt­säch­lich darin, auf wel­chem Deck sie sich befin­den. Es gilt: Mit jeder höhe­ren Etage (Unter­deck, Haupt­deck, Ober­deck) wird der Preis deut­lich teu­rer. Wegen der Nähe der Moto­ren, resp. Gene­ra­to­ren sind Heck­ka­bi­nen oft güns­ti­ger. Die Grösse der Kabine unter­schei­det sich inner­halb eines Schif­fes in der Regel nicht. Ein­zel­ka­bi­nen sind sel­ten anzu­tref­fen, jedoch gibt es Rabatte beim Bezug einer Dop­pel­ka­bine zur Allein­be­nüt­zung. Es gibt einige Ver­an­stal­ter, die auf einen Auf­schlag für Allein­rei­sende ver­zich­ten, hin­ge­gen nur in der Kabi­nen­ka­te­go­rie des unte­ren Decks. Ein wei­te­res Unter­schei­dungs­merk­mal besteht zwi­schen Kabi­nen mit zu öff­nen­den Fens­tern (meist mit fran­zö­si­schen Bal­ko­nen) und jenen mit nicht zu öff­nen­den Fens­tern (Kli­ma­an­lage mit zurei­chen­der Frisch­luft­zu­fuhr). Ent­schei­dend für die Wahl (Deck und Fens­ter) sind die indi­vi­du­el­len Bedürf­nisse und die Mög­lich­kei­ten des Portemonnaies.

L Landausflüge

Mich erstaunt immer wie­der, wie beliebt Land­aus­flüge sind. Ich bestelle sie jeweils nicht im Vor­aus. Einen ruhi­gen Moment auf dem Schiff zu haben ist sehr wohl­tu­end, weil ich auf der Fahrt immer was zu sehen habe. Oft legen die Schiffe mit­ten in den Städ­ten an, wo man zu Fuss auch alleine die Umge­bung ent­de­cken kann. Und schliess­lich kommt es vor, dass wäh­rend des Land­aus­flu­ges das Schiff wei­ter­fährt und die Land­aus­flüg­ler spä­ter wie­der an Bord kom­men1. Die meis­ten Aus­flüge kön­nen auch an Bord gebucht wer­den. Wer alle Aus­flüge machen will zahlt vor­aus im sog. Aus­flugs­pa­ket weni­ger als bei jedem ein­zel­nen Aus­flug an Bord.

M Mannschaft

Die nau­ti­sche Crew besteht aus einem bis drei Schiffs­füh­rern, wobei einer davon den Sta­tus als Kapi­tän hat. Diese Anzahl ist abhän­gig von der Fahr­dauer, rsp. Län­gen der Pau­sen des Schif­fes pro 24 Stun­den. Meis­tens sind fünf Per­so­nen für die Nau­tik zustän­dig: nebst den Schiffs­füh­rern ein Maschi­nist, der für alles Tech­ni­sche an Bord ver­ant­wort­lich zeich­net und zwei Matro­sen. Der Anteil an Frauen ist hier auf­fal­lend tief.

Der ganze Hotel­be­reich steht unter der Lei­tung des Hotel­ma­na­gers, resp. der Hotel­ma­na­ge­rin. Je nach Anzahl Bet­ten schwankt diese Besat­zung zwi­schen 8 und 20 Gast­ge­ber und Gast­ge­be­rin­nen. Dazu gehö­ren der Küchen-Staff, der Restau­rant- und Bar­ser­vice, das House­kee­ping, die Rezep­tio­nis­tin und ein Nach­wäch­ter. Grund­sätz­lich sind sowohl die nau­ti­sche wie die Gas­tro-Crew mul­ti­kul­tu­rell, bestehend aus bis zu 10 Natio­nen. Aus fis­ka­li­schen Grün­den stam­men viele Arbeitnehmer/​innen aus Ost­eu­ropa oder Asien.

Die Rei­se­lei­tung hat einen Son­der­sta­tus und ist nicht von der Ree­de­rei ange­stellt, son­dern vom Rei­se­ver­an­stal­ter (Char­ter).

N Nachtfahrten

Nacht­fahr­ten sind ein viel dis­ku­tier­tes Thema unter den viel­fah­ren­den Kun­den. Die Einen lie­ben sie, weil sie dadurch viel Zeit haben für die Land­gänge, die nur tags­über statt­fin­den kön­nen. Die Ande­ren has­sen Nacht­fahr­ten, weil sie sich beim Schla­fen an den Schiffs-Geräu­schen stö­ren und sie vor allem wegen der Fluss­land­schaft und dem Schiff­fah­ren an Bord sind. Die Ange­bots­pa­lette von „nur nachts“ bis „nie nachts“ ist breit; ein genauer Blick aufs Pro­gramm lohnt sich.

Es gibt der Fall, wo externe Umstände bestim­men, ob nachts gefah­ren wird oder nicht. Wer in sie­ben Tagen von Pas­sau zur ser­bisch-kroa­ti­schen Grenze bei Mohàcs und zurück fah­ren will, muss nachts fah­ren, da es 1556 km zurück­zu­le­gen gilt! Oder: Auf dem Neckar z.B. wird nachts nie gefah­ren, da dann die Schleu­sen nicht bedient werden.

O Omas und Opas

Der Kreuz­fahrt im All­ge­mei­nen und der Fluss­schiff­fahrt im Spe­zi­el­len haf­tet das Image der fah­ren­den Alters­heime. Die­ses Urteil gilt oft als Vor­wand, auf sol­che Rei­sen ganz zu ver­zich­ten. Ich ent­de­cke eine Gegend per Schiff regel­mäs­sig seit 40 Jah­ren und ich fühlte mich auf kei­ner ein­zi­gen Fahrt ein­ge­schränkt oder gar beläs­tigt durch ältere Leute mit beson­de­ren Bedürf­nis­sen. Rein feri­en­tech­nisch haben in den Neben­sai­sons Rent­ner mehr Zeit für Rei­sen; das Durch­schnitts­al­ter ist an Bord in der Regel hoch. In den Schul­fe­rien fin­det man aber ver­mehrt Fami­lien mit Kinern vor.

Nach einer Erhe­bung von River Cruise waren 2015 im deut­schen Markt 10 % über 76, je 30 % der Kun­den zwi­schen 66 und 75 resp. 56 und 65. 20 % waren jün­ger als 55. Ich sehe den Haupt­grund die­ser Alters­struk­tur in ers­ter Linie in den zeit­li­chen und finan­zi­el­len Mög­lich­kei­ten. Noch nie zuvor ging es im Schnitt älte­ren Leu­ten wirt­schaft­lich so gut wie heute.

P Preise und Kosten

Nebst der Wahl des Fahr­ge­bie­tes und des Schif­fes ist der Preis ein wei­te­res ( – >) Wahl­kri­te­rium. Grob kann man fol­gende Faust­re­gel anwen­den: Wenn ein Ange­bot unter 200 Fran­ken ist pro Tag und pro Per­son gilt das als sehr güns­tig (Neben- oder Win­ter­sai­son, Ein­schrän­kun­gen im Ser­vice oder beson­dere Umstände wie Pan­de­mien). Ein inter­es­san­tes Preis-/Leis­tungs­ver­hält­nis bewegt sich zwi­schen 200 und 300 Fran­ken pro Tag und Per­son. Bei Ange­bo­ten über 300 Fran­ken pro Tag sind gute Leis­tun­gen wie Kabine mit fran­zö­si­schen Bal­ko­nen zu erwarten.

Diese Faust­re­gel beinhal­tet die Voll­pen­sion sowie die Über­nach­tungs­ka­bine mit Voll­ser­vice und gilt mit der An- und Rück­reise zum und vom Schiff auf der Basis Bus oder Bahn. Bei teu­re­ren Ange­bo­ten han­delt es sich in der Regel um beson­dere Leis­tun­gen wie inklu­dierte Flüge (z.B. Duoro in Por­tu­gal, rus­si­sche oder Flüsse im fer­nen Osten), sehr luxu­riöse Schiffe oder klei­nere, indi­vi­du­el­lere Schiffe mit bloss 30 Per­so­nen (z.B. kroa­ti­sche Küste, Götaka­nal oder das Kanal­sys­tem von Edingburgh).

Wer indi­vi­du­ell anrei­sen oder an Ort län­ger blei­ben möchte bie­ten die Ver­an­stal­ter in der Regel Preisnachlässe.

Die Grund­leis­tun­gen wer­den im Vor­aus bezahlt. Eine Rei­se­ver­si­che­rung ist in jedem Fall zu emp­feh­len (oft obli­ga­to­risch), falls man kurz­fris­tig auf das Erleb­nis ver­zich­ten muss. An Bord kom­men per­sön­li­che Aus­la­gen, die Kos­ten der Aus­flüge (falls nicht vor­gän­gig gebucht) und die Getränke dazu und wer­den per Kre­dit­karte bezahlt. Dazu kom­men –> Trink­gel­der, die einen fes­ten Lohn­be­stand­teil für die Besat­zung sind.

Fort­set­zung 3. Teil (Link)

Auch im Win­ter sind Fluss-Kreuz­fahr­ten span­nend. In die­ser Jah­res­zeit lohnt es sich, eher luxu­riö­sere Schiffe zu wäh­len, wie z.B. die „Thur­gau Ultra“. Hier ver­las­sen wir das abend­li­che Basel und unter­que­ren bei Son­nen­un­ter­gang die Fuss­gän­ger­brü­cke zwi­schen dem deut­schen Weil am Rhein und dem fran­zö­si­schen Huni­n­gue. Im Hin­ter­grund links ist das Drei­län­der­eck zu sehen mit der Bas­ler Personenschifffahrt.

Auf dem 10 Are gros­sen Son­nen­deck erwar­tet ein Schach ent­spre­chende Spieler.

Ein hol­län­di­scher Par­ti­ku­lier begeg­net uns vor der Kulisse einer win­ter­li­chen Allee des ober­rhei­ni­schen Seitenkanals.

Der attrak­tivste Platz auf der „Thur­gau Ultra“ ist der grosse Salon, der sich über zwei Stock­werke stu­fen­ar­tig vom Bug zum Mit­tel­schiff auf­baut und für jede Loun­ge­reihe freie Sicht nach aus­sen gewährt.

Das Restau­rant ist edel materialisiert.

Ein Blick ins abend­li­che Schiff zeigt auf dem Mit­tel­deck das Ende des abge­stuf­ten Salons und auf dem Haupt­deck die Sauna und den Fitnessraum.

Die „Thur­gau Ultra“ ist ein Twin­crui­ser, auch wenn man das auf den ers­ten Blick nicht sieht. D.h. die gan­zen Ener­gie- und Antriebs­ag­gre­gate befin­den sich in einem 25 m lan­gen, sepa­ra­ten Schiff am Heck. Die blaue Ver­ti­kale kaschiert den Über­gang zum Schub­ver­band mit dem Hotelteil.

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Hin­weise

1) Aus­nah­men bestä­ti­gen die Regel, wo ich Aus­flüge eben­falls buche. So ist zum Bei­spiel das Aus­flugs­pa­ket beim Ange­bot des Donau­del­tas emp­feh­lens­wert: fast alle Aus­flüge wer­den mit einem klei­ne­ren Schiff unter­nom­men. Macht mich ansons­ten ein Land­gang trotz­dem „glusch­tig“, so sind Ein­zel­bu­chun­gen auch an Bord noch mög­lich, wie z.B. auf der Loire mit dem Ange­bot, eine der gröss­ten Schiffs­werf­ten der Welt zu besich­ti­gen (St-Nazaire).

Tech­ni­sche Anga­ben zur «Thur­gau Ultra»: 2008 („Pre­mi­con Queen“ bis 2011, „Tui Queen“ bis 2013, „Queen Maxima“ 2014, „Thur­gau Ultra“ ab 2015 – 2023, ab 2024 «River Crown» für die bri­ti­sche, 1991 gegrün­dete Noble Cale­do­nia), Nep­tun Werft Ros­tock, Erstel­lungs­kos­ten 28 Mio EUR, L 135,00 m, B 11,40 m, T 1,6 m, 2 x MTU 8 V 4000M60, P 1 600 kW, 21 km/​h, 120 pax (und ca. 40 Crew), Inha­ber: Pre­mi­con Mün­chen, Ree­de­rei: River­Ad­vise Basel, Char­ter: zZ. Noble Cale­do­nia unter dem Namen River Crown (2024).

Wei­ter im Text

Teil 1 des Kreuz­fahr­ten-ABC (Link), Teil 3 (Link)

Impres­sum

Text und Bil­der H. Amstad (red. aktua­li­siert 18.02.2024)

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