Vier Jahreszeiten: im Herbst auf den Lac Léman (Teil 1)
Im Winter fahre ich oft und gern Schiff auf dem Vierwaldstättersee. Komfortable Einheiten, den besten Fahrplan weit und breit und fantastische Wetter- und Landschaftsbilder erfreuen mich in dieser Jahreszeit auf diesem abwechslungsreichen See immer wieder. Im Frühling zieht es mich an den Bodensee. Die Schweizer Flotte startet angenehm früh in die Saison, das Frühlingserwachen der Natur erlebe ich an den Ufern mit den zahlreichen Obstanlagen besonders eindrücklich und die traditionelle Flottensternfahrt der vier grössten Schifffahrtsgesellschaften trägt zu den Frühlingsfreuden das Ihre bei. Im Sommer sind meine nautischen Lieblingsdestinationen eher im Ausland, nördlich und östlich der Schweiz – seit Neustem auch ganz im Osten.
Im Herbst heisst mein Geheimtipp das „grosse Wasser“. So haben die Kelten den grössten Binnensee Mitteleuropas genannt: „Lem an“. Noch heute ist der Begriff Lac Léman ebenso gebräulich wie der Name Genfersee. Seit Jahren mache ich die allermeisten Radschiffkilometer in dieser Jahreszeit in der Westschweiz. Das liegt in erster Linie weniger am Fahrplan als vielmehr am Einsatz der attraktiven Radschiffflotte von bis zu vier Schiffen täglich und dies bis in den Oktober hinein. Aber auch die Prachtsfarben an den Rebbergen des Laveaux oder je nach Wetterlage eine Verlängerung des Sommers mit milden Temperaturen und nebelfreier Zeit ziehen mich in diese Gegend. Nur bei der Bise gibt’s Einschränkungen: dann zeigt sich der Léman-Herbst als düster und unwirtlich.
14./15. September 2019: Tag des offenen Werfttores
Am europäischen Tag des Denkmals öffnet die CGN ihre Werfttore in Ouchy und gewährt einen Einblick in die Arbeiten am Raddampfer Rhône. Bis zur Schale ist das Schiff abgebaut; ein neuer Kessel ist bestellt, denkmalpflegerische Elemente wie das Intérieur des Erstklass-Salons in fachgerechter Pflege, die Kurbelwelle zur Revision ausgebaut*, die letzten Details der Planung stehen kurz vor dem Abschluss. Die ABVL, die Dampfrefreunde des Genfersees, beteiligen sich mit grossem Engagement und Fachwissen am Umbau, so auch der Architekt und Projektleiter Nicolas Dupasquier sowie Didier Zuchuat, Dokumentalist des Musée du Léman und Vorstandsmitglied des APL (Association Patrimoine du Léman). Zuchuat: „Wir wollen uns von Schiff zu Schiff bei den Renovationen verbessern und steigern.“ Nach dem gelungenen Refit der Radschiffe La Suisse, Vevey und Italie darf man gespannt auf das Ergebnis «Rhône» sein. Gegen Ende 2020 soll DS Rhône Platz machen für das erste von zwei neuen Motorschiffen, die für den Grenzgängerverkehr nach Frankreich (Evian und Thonon) beschlossene Sache sind. Der erste „Mammutdampfer“ soll auf den Fahrplanwechsel Dezember 2021 in den Einsatz kommen, die Werftvergabe steht aber noch aus.
DS La Suisse bietet ab der Werft an diesem Wochenende stündige Rundfahrten an, die vor allem Premierenpublikum anzieht, das heisst Einheimische, die schon lange nicht mehr oder noch gar nie auf dem Schiff gewesen sind. Es wird verpasst, für die Unterstützung der Radschiffflotte Werbung zu machen – auch das Restaurant bleibt geschlossen. Am gleichen Weekend bedient DS Savoie das Genfer Seebecken, DS Montreux und RMS Vevey den Haut Lac, also das obere Seebecken.
- bis 26. September 2019: ein gutes Wort für den Dampfer Montreux
Herrliches Herbstwetter zog am Sonntag 24. September viel Volk aufs Wasser. In Kombination des bescheidenen Fahrplans machte den Einsatz der „La Suisse“ anstelle der kleineren „Montreux“ notwendig, trotz einer «Verschnupfung» der La-Suisse-Maschine. Der Kolben im Hochdruckzylinder erhitzte sich Mitte in der Hochsaison dermassen, dass das Schiff nur noch schonend eingesetzt werden konnte; im kommenden Winter wird der Zylinder geöffnet und der Kolben wieder neu gerichtet. Am Montag dann geniesse ich dann eine längere Fahrt auf der „Montreux“, die nun dank dem Vorfall der „La Suisse“ im 2019 ein Kilometer-Rekordjahr erreichen wird. DS Montreux fällt durch diverse Eigenheiten und Eigenschaften auf und unterscheidet sich von den übrigen acht Radschiffen.
Roger Waller baute 2000/01 für dieses Schiff eine neue Dampfmaschine ein, nachdem er entsprechende Neubauten für die Brienzer Rothornbahn realisierte. Die „Montreux“ war weltweit der erste und seither der einzige Raddampfer der Schweiz mit einer Maschinen-Fernsteuerung. Das heisst, dass der Schiffsführer vom Steuerstand aus (Steuerhaus oder Nocken) die Maschine bedienen kann wie auf einem Motorschiff. DS Montreux bildete den Startpunkt einer immensen und beachtlichen Neugestaltung der weltweit einzigartigen Belle Epoque-Flotte auf dem Lac Léman; es war also das erste Schiff, das die historische Silhouette wieder erhalten hat. Erstmals wurden nicht nur rein ökonomische Treiber eines Umbaues berücksichtigt, sondern dank der Initiative des damaligen VR-Präsidenten Edgar Styger (der auch MOB-Direktor war) auch denkmalpflegerische, werbe– und kundenorientierte Aspekte stark gewichtet.
Auch der damalige Projektleiter Ueli Colombi kennt die „Montreux“ als besonderes Schiff: «Die ‘Montreux‹ ist das eleganteste Schiff der CGN-Flotte. Der filigrane Bug ist anders als bei den restlichen Radschiffen und besonders das niedrige Freibord verleiht dem Schiff eine aussergewöhnliche Eleganz.» Das Schiff fristete seit jeher ein «Aschenputtel»-Dasein und wird das Etikett bis heute nicht ganz los. Obschon ein wunderschönes Schiff, ist es bis heute beim Betreiber eher unbeliebt*. Dass ausgerechnet jenes Schiff, das am schlechtesten unterhalten war, als erstes revitalisiert und sogar revaporisiert worden ist, verdankt das Schiff einem glücklichen Umstand: VR-Präsident Edgar Styger kam aus Montreux und äusserte den Wunsch, damit seinem Heimatort und seiner MOB (Montreux-Oberland-Bahn) die Ehre zu erweisen.
Colombi: «Auch der Salon war weg und zerstört. Der Vorschlag der Denkmalpflege, den Salon des ausrangierten Raddampfers Valais (Abbruch 2003) in die ‘Montreux’ einzubauen, fand Gefallen und passte perfekt ins Schiff.» Die Rekonstruktion der Innenräume wurde stark auf die Bedürfnisse des Restaurateurs Beau Rivage Palace ausgerichtet. So wurde auch der Rauchsalon 1. Klasse verbreitert. Ueli Colombi: «Ich wollte das Oberdeck attraktiv machen und fand entsprechende Vorbilder auf den englischen Dampfschiffen der damaligen Zeit.» Die einzigartige Lucke ermöglicht es, vom Oberdeck aus der Maschine zuzuschauen. Mich zieht es auf der «Montreux» stets aufs Oberdeck zum Essen, während sonst die Salons meine beliebten Essensplätze sind.***
Generalplan des Refit DS Rhône
Vom Raddampfer Rhône ist nicht mehr viel zu sehen; doch der Eindruck täuscht: alle historisch wertvollen Elemente wie die Salontäferung werden restauriert und im Original wieder eingebaut.
Die Visualisierung der neuen zwei Schiffe für den Pendlerverkehr auf dem Genfersee; der noch zu bestimmenden Werft obliegt es, das Erscheinungsbild zu optimieren.
Kontrapunt «La Suisse»; Heimkehr des Flaggschiffes am letzten Kurstag der Saison 2019 am 24. September zum Winterlager – noch stehen einige Extrafahrten auf dem Programm.
DS Montreux wird 2019 rekordmässige Fahrleistungen aufweisen: seit August täglich im Einsatz.
Der Salon der «Montreux» stammt von DS Valais.
Mir gefällt der Blick durch zwei Decksöffnungen auf den Maschinenstand.
Bilder Textteil: Faszination Lac Léman aus dem Blickwinkel von DS Montreux
Text und Bilder H. Amstad
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Hinweise
*) Lt. Dampferzeitung 198 vom Sept. 2019 werden folgende Elemente original beibehalten: «Die Lüfter, die Kranen, die Davits der Rettungsboote, die Oberdeck-Dachträger, die Leitern und Aufgänge, das Ruderblatt und die Anker.» Alles andere ausser der Schale und dem Salon wird neu gebaut.
**) Zur Ehrenrettung der «Montreux»-Kritiker sei erwähnt, dass Maschine und Generator tatsächlich laut sind – hier ist bei der nächsten Renovation sicher ein Augenmerk darauf zu legen. Das Beispiel der renovierten „Oesterreich“ zeigt, dass dank neuster Technologien ein wirksamer Schallschutz möglich ist.
***) Den zweiten Teil meiner herbstlichen Léman-Betrachtungen lesen Sie im nachfolgenden Blog (Link).
Ich teile die ästhetische Einschätzung der «Montreux» durch Uli Colombi – allerdings war mir das Schwesterschiff «General Dufour» (natürlich zu den jeweiligen Dampf-Epochen) noch eine kleine Spur lieber. Dies aus dem einfachen Grund, dass dieses Schiff weit weniger eingesetzt wurde .…. Die Originalmaschinen dieser beiden Einheiten verfügten (bei deutlich leistungsfähigeren Kesseln) über das Zylindermodul von «Schiller» und «Wilhelm Tell», die Architektur war jedoch noch «althergebracht» mit stehender Luftpumpe und Mitnehmerkurbeln auf der ND-Seite (à la «Uri»).