Vier Jah­res­zei­ten: im Herbst auf den Lac Léman (Teil 2)

Den ers­ten Teil der herbst­li­chen Bericht­erstat­tung vom Lac Léman habe ich mit einer Wür­di­gung der in ande­ren Jah­ren sel­ten ein­ge­setz­ten «Mon­treux» beschlos­sen, auf einer genuss­vol­len Fahrt am Tag des 25. Sep­tem­bers, also mei­nes zwei­ten Léman-Weekends*. Gleich nach die­ser «grosse» Mon­treux-Fahrt gibt’s am Abend einen schlan­ken Anschluss in Lau­sanne-Ouchy zum Dampf­schiff Sim­plon, das in Rich­tung Frank­reich nach Evian les Bains ablegt. Ein­zig­ar­tig fah­ren im Okto­ber wäh­rend 14 Tagen drei Dampf­schiffe und ein die­sel­elek­tri­sches Rad­schiff. Mög­lich macht dies jeweils die jähr­li­che Revi­sion von einem der gros­sen Motor­schiffe, das für den werk­täg­li­chen Grenz­gän­ger­ver­kehr ein­ge­setzt ist. Ein Spek­ta­kel ist jeweils, wenn bis zu 400 fran­zö­si­sche Grenz­gän­ger auf ein­mal am Mor­gen früh innert Minu­ten den Rad­damp­fer in Beschlag neh­men. Wie schon in einem frü­he­ren Blog** beschrie­ben ist kein Pend­ler zu früh auf dem Schiff und auf die Sekunde genau besteigt jeweils der letzte Grenz­gän­ger das Deck. Trep­pen zie­hen, Abfahrt­si­gnal in den Maschi­nen­raum und kei­ner mehr steht am Land.

Die Fahr­ten sind jedes Mal ein spe­zi­el­les Erleb­nis. Auf der Hin­fahrt hun­derte von Grenz­gän­gern an Bord, ein völ­lig ande­res Publi­kum als sonst auf dem Schiff, auf der Rück­fahrt habe ich das 72,5 m lange Schiff mit sei­nen für den Grenz­gän­ger­ver­kehr bereit gestell­ten rund 500 Sitz­plät­zen (Ober­deck-Tische sind aus­ge­räumt) gefühlt für mich allein. Ringsum eine Per­len­kette von Ber­gen: das Jura­pan­orama im Nor­den und Wes­ten, die Waadt­län­der und Wal­li­ser Alpen im Osten und die fran­zö­si­schen Alpen im Süden: kla­rer und trans­pa­ren­ter als sonst im som­mer­li­chen Dunst der gesät­tig­ten Gen­fer­see-Luft. Abend­rot oder Mor­gengelb kün­den schöne Tage an.

Nun heisst es, Abschied zu neh­men. Geht es nach dem Wil­len der CGN-Ver­ant­wort­li­chen könn­ten diese Grenz­gän­ger­fahr­ten mit Dampf die letz­ten sein. Aus­ser, der sport­li­che Zeit­plan der Neu­bau­ten könnte nicht ein­ge­hal­ten wer­den. Denn in einem Jahr soll das erste der bei­den neuen Drei­deck­schiffe mit 700 Per­so­nen Fas­sungs­ver­mö­gen und 60 m Länge von Sta­pel lau­fen, obwohl heute weder die Bau­werft bekannt ist noch die Detail­pläne ste­hen… Ich über­nachte In Evian. Am andern Mor­gen zurück in die Schweiz, wo die „Sim­plon“ in Lau­sanne eine Über­ra­schung bereit­hält: Der Kapi­tän besteigt beschwingt die Aus­sen­treppe zum Kom­man­do­stand und läu­tet gleich anschlies­send nach dem „Ent­la­den“ der vie­len Grenz­gän­ger das Abfahrts­si­gnal in den Maschi­nen­raum. «Das ist doch 20 Minu­ten zu früh», stelle ich kon­ster­niert fest. Wäh­rend ich den Kurs mit Abfahrt um 09.25 Uhr nach Evian auf mei­nem Plan habe komme ich nun in den Genuss des Kur­ses um 09.05 Uhr nach Thonon…

Sai­son­schluss mit Wehmut

An mei­nem drit­ten Gen­fer­see-Weekend vom 19./20. Okto­ber ist auch auf dem Lac Léman Sai­son­schluss. Für alle CGN-Leute war es eine tur­bu­lente Sai­son, so auch für den VR-Prä­si­den­ten der CGN Belle Epo­que SA Mau­rice Decop­pet, wie er in der Dampf­er­zei­tung 198 aus­führt. Das rund alle 20 Jahre statt­fin­dende Win­zer­fest in Vevey brachte die CGN an ihre Kapa­zi­täts­gren­zen. Dann brach am 5. August die Back­bord­welle der «Ita­lie» (das Schiff hat für beide Schau­fel­rä­der unab­hän­gige Antriebs­wel­len), was das Sai­son­ende für das Schiff bedeu­tete. Wie bereits erwähnt erhitzte sich wei­ter der Kol­ben im Hoch­druck­zy­lin­der der «La Suisse», sodass das Schiff nur noch scho­nend ein­ge­setzt wer­den konnte. «Dank» die­ser bei­den Stör­fälle kam es in die­sem Herbst zu einer sehr sel­te­nen Kom­bi­na­tion zweier Schiffe auf dem Haut Lac: DS Mon­treux und RMS Vevey stan­den täg­lich im Ein­satz! Die Aus­schrei­bun­gen für die zwei neuen Drei­deck-Motor­schiffe waren auf­wän­dig. Aus­ser­dem muss die Werft auf Hin­blick der Neu­bau­ten tech­nisch moder­ni­siert wer­den, wo auch der rol­lende Schie­nen­kran ver­län­gert wird, damit man die ange­lie­fer­ten Güter direkt vom Last­wa­gen erfas­sen und auf das Schiff brin­gen kann. Wei­ter wird Gas­tro­no­mie neu ausgeschrieben.

Schliess­lich musste der CGN-Direk­tor Luc-Antoine Baehni gesund­heits­hal­ber einem Nach­fol­ger den Platz über­las­sen. Der Ver­wal­tungs­rat wählte den Ber­ner Andreas Berg­mann als sein Nach­fol­ger; er kommt vom Hotel­fach und lei­tete u.a. Gate-Gour­met und die SBB-Toch­ter Lyria. Der neue Direk­tor emp­fängt ein gerüt­tel­tes Mass an Arbeit und Her­aus­for­de­run­gen. So lange Mau­rice Decop­pet die Fäden in den Hän­den hält steht die Flot­ten­po­li­tik auf soli­den Bei­nen. Die Vor­gabe lau­tet auch für den neuen CEO, sich für das USP der welt­gröss­ten Belle-Epo­ques Flotte mit acht Ein­hei­ten erfolg­reich zu küm­mern. Die Kom­plett­sa­nie­run­gen der «Sim­plon“ und „Hel­vé­tie“ stel­len finan­zi­ell eine Her­aus­for­de­rung für den neuen Direk­tor dar. Nicht zu ver­ges­sen ist der Aus­bau des Fahr­plan­an­ge­bo­tes* – zur­zeit in mei­nen Augen der grösste Nach­hol­be­darf, will man mehr Ein­nah­men gene­rie­ren. Eine offene Frage bleibt für mich, wel­che Stra­te­gie die CGN fah­ren will mit dem neuen See-GA, das für bloss CHF 149.- für die 1. Klasse fürs ganze 2020 ana­log den Dum­ping-Ski­päs­sen in Sass Fee zu haben ist.

An mei­nem Abschluss-Weekend hatte noch­mals alle vier Rad­schiffe zum Ziel. So eine gedie­gene Fahrt mit DS Sim­plon von Lau­sanne nach Nyon mit einer Son­der­ein­lage in Yvoire, wo es zusam­men mit DS Savoie uns Pas­sa­gie­ren eine Bal­lett­ein­lage bie­tet. Geplant ist, dass das 78.5 m‑Schiff, erbaut 1915, zwi­schen 2023 und 2025 gene­ral­re­vi­diert wird. Ein­drück­lich ist seine kraft­volle und sehr «reak­tive Dampf­ma­schine» (Zitat ABVL), die viele Fans hat. Von Nyon bis Genf dann eine Fahrt in das nächt­li­che Genf mit DS Savoie. Das von 2004 bis 2006 gene­ral­über­holte 68.0 m‑Schiff, erbaut 1914, hat eine aus­ge­spro­chen ele­gante Sil­hou­ette, nachts eine rote Fest­be­leuch­tung und fili­grane Holz­in­tar­sien im Salon. Als foto­gra­fi­sches «Tages­des­sert» fährt die «Sim­plon» mit Okto­ber­fest- Bier­lieb­ha­ber von Genf ab.

Am Sonn­tag geniesse ich im «Vevey»-Erstklasssalon die Atmo­sphäre des best­erhal­te­nen Jugend­stil-Salons, der nahezu auf das innen­ar­chi­tek­to­ni­sche Niveau von DS Schil­ler kommt. Das 2012/13 total­re­no­vierte 66.0 m‑Schiff aus dem Jahr 1907 fährt drei­mal den Haut Lac. Die «Mon­treux» (1904) mit der welt­weit jüngs­ten Dampf­ma­schine auf einem Rad­damp­fer bringt mich nach Lau­sanne. Das von 1998 bis 2001 total­re­no­vierte 68 m‑Schiff fährt zwei­mal von Lau­sanne zum Châ­teau de Chillon.

Von 12 Salon­rad­schif­fen wer­den 8 gerettet

Auf mei­ner Damp­fer­fahrt mit DS Savoie nach Genf habe ich schön Zeit, die Flot­ten­struk­tur der acht Rad­schiffe etwas genauer zu betrach­ten und sie in einen Zusam­men­hang aller gros­sen Salon-Rad­damp­fer der CGN-Flotte zu stel­len. Dazu dient mir ein Flot­ten­ver­zeich­nis aus dem Jahr 1948 (durch Dop­pel­klick wird die Tabelle les­bar). Es gab vor 70 Jah­ren 12 sol­cher Salon-Schiffe, alle erbaut zwi­schen den Jah­ren 1896 und 1928 durch die Gebr. Sul­zer aus Win­ter­thur, also inner­halb von nur 32 Jah­ren. Trotz des ers­ten Welt­krie­ges, wo die Tou­ris­ten zwi­schen 1914 und 1918 der Schweiz fern­blie­ben, sind im Schnitt alle zwei bis drei Jahre ein neuer Rad­damp­fer auf den See gekom­men, eine uner­hörte Leistung.

90 Jahre nach dem letz­ten Damp­fer­neu­bau (Rhône) durch­pflü­gen immer noch acht Schiffe den Lac Léman. Bloss vier der gros­sen Salon-Rad­schiffe sind von der Liste ver­schwun­den: • DS Géné­ral Dufour (Koh­len­feue­rung, aus­ran­giert 1967, Abbruch 1977, Schwes­ter­schiff von DS Mon­treux) • DS Valais (Koh­le­feue­rung, aus­ran­giert 1962, 1964 wäh­rend der Expo schwim­men­der Laden, ab 1966 als Restau­rant und Büro für die CGN in Genève Jar­din-Ang­lais, Abbruch 2003) • DS/RMS Genève (1973 aus­ran­giert, seit 1974 öffent­lich zugäng­lich in Genf Déb­ar­ca­dère des Mou­ches – neben den Pier­res-du-Niton) und • DS/RMS Lau­sanne (aus­ran­giert 1977, abgebrochen).

DS Sim­plon ver­lässt Genf zum Okto­ber­fest mit dem Jet d’Eau im Hintergrund.

Ab mor­gens ab 04.55 Uhr (!) bis um 21.20 Uhr fährt die «Sim­plon» als Pend­ler­schiff vor allem in den Nachtstunden.

Herbst­li­che Dampf­szene in Evian: DS Sim­plon ent­lässt 400 Pendler.

Die «Vevey» vor his­to­ri­scher Kulisse, foto­gra­fiert vom abdamp­fen­den DS Montreux.

Die aus­ran­gierte «Valais» (Abbruch 2003) dient als sym­pa­thi­sche Lie­fe­ran­tin diver­ser Lücken bei der Reno­va­tion ande­rer Rad­schiffe. Der Salon befin­det sich in DS Mon­treux, eine Fuss­leiste hier an Bord der «Vevey».

DS Savoie vor impo­san­ter Herbst­ku­lisse auf dem Weg nach Yvoire

Antoine Jaquenoud von der ABVL erklärt das impo­sante Tableau, auf dem alle unter Schutz gestell­ten Rad­schiffe ersicht­lich sind.

Bild Text­teil oben: Mit gros­ser Wahr­schein­lich­keit das letzte Mal: sollte der Neu­bau plan­mäs­sig Ende 2021 in Betrieb kom­men, gehö­ren die stim­mungs­vol­len Grenz­gän­ger-Schiffs­kurse mit den gros­sen Rad­damp­fern Sim­plon und La Suisse der Ver­gan­gen­heit an. Hier DS Sim­plon bei der Abfahrt in Evian.

Bild Text­teil unten: DS Savoie war­tet in Yvoire auf einen Landeplatz.

Text und Bil­der H. Amstad

Durch Klick aufs Bild erscheint die­ses im Grossformat.

Am Schluss des Blogs ist Ihr Kom­men­tar willkommen.

Hin­weise

*) Den 1. Teil mei­ner herbst­li­chen Léman-Betrach­tun­gen konn­ten Sie im vor­he­ri­gen (B)Logbucheintrag lesen (Link)

***) Ein paar Bei­spiele: Den gan­zen Früh­ling bis Mitte Juni und ab Sep­tem­ber fah­ren keine Schiffe von Lau­sanne nach St-Gin­go­loph; die ein­zi­gen zwei (je nach Sai­son drei) Schiffs­kurse ab Lau­sanne wen­den beim Châ­teau de Chil­lon. In der glei­chen Peri­ode ver­keh­ren zwi­schen den Kan­tons­haupt­städ­ten Lau­sanne und Genf von Mon­tag bis Frei­tag gar keine Schiffe; in der Hoch­sai­son bloss drei (eine Ver­bin­dung davon mit Umstei­gen in Yvoire). Mit Aus­nahme von Yvoire wer­den sämt­li­che fran­zö­si­sche Orte und Städte mit der tou­ris­ti­schen Belle-Epo­ques­flotte seit eini­gen Jah­ren nicht mehr angefahren.

Wei­ter im Text

**) Bericht Okto­ber 2018 Link

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