10 Jahre Globoship: Entwicklungen und Gedanken über Frachtschiffreisen für Fahrgäste.
Dieser (B)Logbucheintrag sieht auf den ersten Blick aus wie eine „Publireportage“, also ein werbemässiger, bezahlter „Redaktionsbeitrag“. Dem ist aber nicht der Fall; ich habe mich für den öffentlich ausgeschriebenen „Jubliäums-Event 10 Jahre Globoship“ angemeldet (und bezahlt), weil es für mich viele unbekannte Programmpunkte gab und diese Firma ein Partner der Schiffs-Agentur ist. In der Vergangenheit durften wir immer wieder Kooperationen eingehen. Der Leiter von Globoship, der Luzerner Urs Steiner, war ab 2001 für sechs Jahre Leiter des SGV-Reisezentrums in Weggis, von wo ich ihn kannte. Urs Steiner wandte sich 2007 an Globetrotter Tours, um sein Geschäftsmodell „Schiffsreisen auf Frachtschiffen“ vorzustellen. Der damals boomende Markt passte nicht recht ins Potfolio der SGV und so stiess Urs Steiner an seine unternehmerischen Grenzen. Bei Globetrotter Tours rannte er hingegen offene Türen ein.
In den letzten 10 Jahren hat sich das Geschäftsumfeld allerdings stark verändert: die Nachfrage nach Frachtschiffreisen ist weit höher als das Angebot. Steiner: „Die Konzentration der Reederei-Betrieben hin zu Grosskonzernen hat zur Folge, dass für diese die Mitnahme von Passagieren uninteressant wird.“ Waren noch vor wenigen Jahren die Einnahmen von vier mitgereisten Fahrgästen auf den Frachtschiffen eine willkommene Einnahmequelle, so ist dieser Zweig im neuen Business-Denken zu aufwändig. Regulative und verschärfte Sicherheitsvorschriften in den Häfen fördern diese Art von Tourismus ebenso wenig wie die Feststellung, dass die Besatzung immer weniger „Schiffler“ und Nautiker mit Herzblut sind, als vielmehr Technologen und Industriearbeiter, denen es in erster Linie nicht um den Kontakt und das Wohl der mitreisenden Gäste geht. Auch die Aufenthaltsdauer in den Häfen ist vom Stückgutfrachter zum reinen Containerschiff stark verkürzt worden. Standen noch vor wenigen Jahrzehnten die Schiffe mehrere Tage in den Häfen, so sind es heute nur noch einige Stunden. Der am Globoship-Event anwesende Hochseekapitän Erhard Manske sagte: „Ich selber kam während meiner letzten Tour während vier Monaten ein einziges Mal vom Schiff, dies auch nur wenige Stunden, um einer Einladung nach zu kommen.“
Ist dies das Ende der Passagierreisen auf Frachtschiffen? Urs Steiner: „Nein, erfreulich ist ja nach wie vor die Nachfrage und wir sind stets bemüht, neue Schiffe und Redereien zu finden.“ Hingegen reicht der Umfang des Umsatzes wegen der erwähnten Umstände nicht aus, ein Unternehmen ausschliesslich auf dieses Segment abzustützen. Der am Event ebenfalls anwesende CEO der Globetrotter Tours* Mischa Niederl: „Heute macht die Frachtschifffahrt noch 25 % des Umsatzes von Globoship aus; unser Geld verdienen wir zusätzlich mit Nischenangeboten im Kreuzfahrtenbereich.“ Der Umsatz erlaubt es, mit einer Teamgrösse von sechs Personen, die sich fünf Vollzeitstellen teilen, einen kompetenten Service zu bieten. „Wir sind die stärksten Kunden von HAPAG-Lloyd Cruises in der Schweiz – Reisebüros buchen bei uns,“ erzählt Mischa Niederl und das mit berechtigtem Stolz. Am heutigen Jubiläums-Event traf ich unter den anwesenden 80 Gästen aber ausschliesslich „Frachtschiff-Reisende“ an; diese wussten einiges zu erzählen und sie waren sich nach meiner entsprechenden Frage einig, dass sie mit den Leistungen von Globoship sehr zufrieden sind.
Wie kam Steiner zu dieser Leidenschaft? „Mein Vater lebte eine Zeitlang in den USA und war bereits in den Fünfzigerjahren mit Frachtschiffen zwischen den Kontinenten unterwegs. Bei Auslandferien ‚mussten’ wir bei jeder Gelegenheit in den Häfen die Frachtschiffe anschauen gehen – das hat geprägt.“ Nach der Lehre bei einer Bank konnte Urs Steiner die auf Frachtschifffahrt spezialisierte Einzelfirma von Hans Wagner übernehmen, der altershalber kürzer trat. „Welches ist das typische Publikum?“ wollte ich von ihm wissen. Steiner: „Die einen sind 60plus, Individualisten, unabhängig und ein bisschen abenteuerlustig. Die andern sind zwischen 25 und 35 und machen mit Frachtschiffen Reiseetappen von A nach B, also einfache Passagen bei der Welterkundung.“ Willi von Arb (60plus) war schon über ein Dutzend Mal auf Frachtschiffen unterwegs. Was reizt ihn an der Sache?
Von Arb: „In den frühen 60-iger Jahren bin ich aktiv als Maschinist und Elektriker auf Hochsee-Frachtschiffen gefahren. Es war damals die einzige Möglichkeit, eine aufgezwungene Offizierslaufbahn im Militär zu umgehen. Diese Zeiten mit schwankenden Planken haben eine Leidenschaft in mir für die Seefahrt und Frachtschiffe geboren. Leider fuhr ich damals nie durch den Panamakanal, was ich später nachholen wollte. So kam ich vor gut 10 Jahren mit Urs Steiner in Kontakt, der mir die erste Passagierreise auf einem Frachtschiff, durch eben diesen Kanal, organisierte. Es blieb nicht bei dieser einen Reise. Urs Steiner ermöglichte mir später einen Einblick in das Leben der Partikulierer auf den Binnengewässern von Nordeuropa.
Mit zunehmendem Alter war ich froh, nicht mehr wochenlang, tausende von Meilen von zu Hause weg zu sein. So habe ich nun die Hochsee- mit Flussschiffsreisen getauscht. Seit acht Jahren verbindet mich eine enge Freundschaft mit zwei Schifferfamilien in Deutschland, die mir einen tiefen Einblick in das harte, heutige Los von Binnenschiffern ermöglichen. Die Probleme in diesem Geschäft sind die gleichen wie bei der Hochseeschifffahrt. Die Dimensionen sind kleiner, dafür familiärer und haben durchaus auch ihren Reiz, man muss in nur sehen. Das versuche ich in meinen Filmen auf YouTube von den Reisen mit den Schiffen MS Plochingen, MS Kiesfracht und MS Seestern den interessierten Leuten zu vermitteln“.
Der Jubiläumsanlass 10 Jahre Globoship fand auf dem Zürichsee statt und bescherte mir wie erwähnt einige Premieren. So das Zürcher Theaterschiff Herzbaracke, das schwimmende Salon Theater, das zur Zeit in Thalwil vor Anker liegt. Unter der Führung von Federico Pfaffen und seinem rührigen Team gelingt es, das schwimmende Theaterschiffes während acht Monaten auf Tournee zu bringen, „meist ausverkauft“, wie der Betreiber sagt. „Es macht Halt in Zürich Bellevue, Thalwil, Stäfa und Rapperswil. Wir verschieben es jeweils mit dem Schlepper Möve der KIBAG.“ Während den andern vier Monaten wird repariert, aufgefrischt und die neue Saison geplant. Die Küche wird besonders gelobt, die Kulturaufführungen werden kulinarisch begleitet.
Die zweite Neuentdeckung war eine Transferfahrt auf der „Frösch“, einem sog. Backdeckkreuzer, der ein Dutzend Gäste von Thalwil nach Horgen brachte. Mit dem Aufkommen der privaten Ausflugschifffahrt um 1900 begannen einige Werften, inspiriert vom Yachtbau in den USA, Boote für die „Freude der Bürger“ zu bauen. Die Stiftung Historische Zürichsee Boote sammelt seit einigen Jahren Zeugen von Werften an den Zürcher Seen, restauriert und hält sie in einem “mobility“-änlichen Sharingsystem nachhaltig in Betrieb. Die “Frösch“, 1921 erbaut bei Suter & Portier in Meilen und die am Event ebenfalls eingesetzte „Ajax“ aus dem Jahr 1936 (Werft John Faul Horgen) mit ihren Fahrgästen trotzten dem Regenwetter.
Schliesslich war ich noch nie auf dem 1974 für den Personentransport umgebauten Ledischiff Ufnau mit dem stolzen Jahrgang 1908. Dieses Motorlastschiff der Kibag stand von 1908 bis 1974 für den Kies- und Sandtransport auf dem Zürichsee im Einsatz. Für 100 Personen zugelassen ist es eine fahrende Festhütte; mit festen Aufbauten versehen schützt es die 80 Gäste am heutigen Jubeltag „10 Jahre Globoship“ vor dem Regen.
Start bei Kaffee und Gipfelis im Salon Theater Herzbaracke.
Während rund 20 Gäste mit der „Ajax“) (links) und der „Frösch“ nach Horgen fahren …
… bringt die „Ufnau“ die andern Gäste von Rapperswil her zum Einstiegsort des ZSG-Schiffes Uetliberg.
An Bord von MS Uetliberg nehmen wir das Mittagessen ein.
Hier die Führungscrew von Globoship:
von links Urs Steiner, seine Stellvertreterin Alexandra Gräff-Bauer und sein Chef Mischa Niederl (CEO der Globetrotter Tours).
Kapitän Erhard Manske brachte mit seinen Ausführungen das Hochsee-Gefühl auf den Zürichsee.
Verabschiedung von der «Ufnau» in Rapperswil.
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Hinweise
*) Globoship, Globotrain, Globotrek, Music Cruise und Background Tours sind zusammengefasst zur „Globetrotter Tours AG“. Diese wiederum ist Mitglied der Holding Globetrotter Group. Die unterschiedlichen Unternehmen sind alle eigenständig und operieren mit eigenen Geschäftsleitern. Gegründet wurde die Globetrotter Group im Oktober 2009 von Walter Kamm, Gründer Globetrotter Travel Service und André Lüthi, CEO Globetrotter Group. Somit ist Globoship älter als die Holding, was Urs Steiner, Leiter von Globoship, in seiner Begrüssungsrede mit „einem in der Reisebranche hohen Alter“ kommentierte. Die Globetrotter Group umfasst 14 Unternehmen, beschäftigt insgesamt 432 Mitarbeitende und erwirtschaftete 2016 einen Umsatz von 265 Mio. Franken.
**) Federico Pfaffen hat Regie studiert und ist leidenschaftlicher Schauspieler. Er hatte 1995 die Idee zum schwimmenden Theater, die er dann 1997, also vor 20 Jahren umsetzte. Am Werkplatz in Tiefenbrunnen bei der Firma Stäubli legte er beim Bau selber Hand an. Seit 10 Jahren leitet er das Salon Theater Herzbaracke gemeinsam mit Nicole Gabathuler. Die Verdrängung der „Herzbaracke“ beträgt 85 t, der schwimmende Kulturpalast hat die Masse 21.8 m (l), 8.4 m (b) und 4.8 m (h ohne Türme) (Link).
Quellen
Text und Bilder H. Amstad.
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