150 Jahre öffentliche Schifffahrt Untersee und Rhein: auf zu neuen Ufern
Der Schiffsbetrieb auf dem Untersee und Rhein (URh) ist fit unterwegs. Das Team unter dem neuen CEO Remo Rey nutzt die Gunst der Stunde, um ihre Jubiläen 150 Jahre Dampfschifffahrt und 50 Jahre MS Thurgau mit tollen Angeboten in Szene zu setzen. So organisierte die URh die diesjährige internationale Flottensternfahrt in Kreuzlingen (25. April), eine Flottenparade folgt am 6. Juni, zwei dreitägige Bodensee-Kreuzfahrten sind schon fast ausverkauft und vieles mehr. Themen wie die Kooperation mit dem Verein Pro Dampf, der Ausbau des Fahrplanes mit einem fünften Umlauf, die Modernisierung der Flotte und die Entkoppelung vom Busbetrieb Schaffhausen sind für mich Zeichen des Aufbruches.
50 Jahre MS Thurgau* ist nicht einfach ein Jubliäum unter vielen. MS Thurgau schreibt URh-Geschichte, wie Beat Zumstein recherchiert hat: «Mit diesem Schiff wagte die URh den Schritt zu einem grossen Motorschiff auf dem Rhein, das in Bezug auf die Länge und die Breite ungefähr die Abmessungen des Dampfschiffs Schaffhausen erreicht. Wesentlich andere Abmessungen lässt der Rhein bis heute nicht zu und die nachher gebauten URh-Motorschiffe weichen wenig von der ‚Thurgau’ ab. Dem Schiff ist der Typ ‚Lugano’ zugrunde gelegt: Die Bodan-Werft hat die ‚Thurgau’ von den vier grossen Motorschiffen, die sie für den Luganersee gebaut hat, abgeleitet und für die Verhältnisse auf dem Rhein weiterentwickelt. Der Salon wurde von Architekt Walter Henne gestaltet, der sich neben Bauten an Land auch mit der Inneneinrichtung von SBB-Fahrzeugen einen Namen gemacht hat. Die Renovation der ‚Thurgau’ im Winter 2010/11 war dann das letzte Projekt der Bodan-Werft.“ Dabei passierte die Insolvenz noch vor Abschluss der Arbeiten, sodass die URh auf ihrer eigenen Werft den Umbau beenden musste. Heute gibt es die Bodanwerft nicht mehr: die Halle ist abgerissen, der Platz für lukratives Wohnen steht zum Überbauen bereit.
Ich besuchte gestern die Generalversammlung der URh. VR-Präsident ist in diesem Unternehmen an ein politisches Amt gebunden. Regierungsrat Reto Dubach (FDP) ist Baudirektor des Kantons Schaffhausen. Er führte trocken aber speditiv durch die statuarischen Geschäfte, die allesamt unbestritten waren. Unter dem Traktandum 4 berichtete Unternehmensleiter Remo Rey über die zukünftige Strategie und nannte drei Herausforderungen: „Erstens ist Wasserstands- und Wetterabhängigkeit zu erwähnen: zwischen dem schlechtesten und besten Fall liegt ein Wertschöpfungsunterschied von einer Millionen Franken. Zweitens haben wir noch ein zu ‚leises’ Marketing und drittens eine ungenügende Eigenwirtschaftlichkeit mit einem stark saisonalen Betrieb und kapitalintensiver Infrastruktur.“ Über die Konsequenzen liess Rey nur wenig durchblicken. Immerhin ist geplant, ab 2017 einen neuen Fahrplan mit fünf Schiffen zu lancieren und verstärkt Angebote zu schaffen, die auch kürzere Fahrten (mit optimalem Umsteigen) möglich machen. Brachliegende Synergien mit den BSB-Kursen im Untersee sind bereits zur Sprache gekommen und sollen dem Kunden ein Mehrangebot bringen; schliesslich sitzt Petra Pollini als Geschäftsführerin der BSB im Verwaltungsrat der URh. Die touristische Perle Stein am Rhein soll eine Morgenverbindung erhalten; heute legt das Schiff erst um 11.15 Uhr an. Lobend erwähnte Rey, dass die URh sehr effiziente Strukturen hat.
VR-Präsident Reto Dubach erwies sich beim Traktandum „Verschiedenes und Wortmeldungen aus dem Kreis der Aktionären“ als Demokrat und liess der Diskussion um das Thema neues Dampfschiff viel Zeit und Raum. Dabei erfuhr man von Seiten des Vereins Pro Dampf, dass die Mittel für die Planung des Dampfschiffes beisammen sind. Optisch soll sich der Neubau zwar an die alte „Schaffhausen“ anlehnen, aber ein transparenter Hauptdeck-Salon soll ein Allwettereinsatz für 300 bis 400 Personen ermöglichen. Die befürwortenden Stimmen waren in der Diskussion in der Mehrzahl. Auf eine entsprechende Frage eines Aktionärs, das Geld für einen geplanten Neubau eines Motorschiffes für den Dampfer zur Verfügung zu stellen, antwortete Remo Rey, dass dieses Projekt aus finanziellen Gründen in der Zeitachse nach hinten verschoben wurde. Reto Dubach vertrat die Meinung des VR: „Die Idee des Dampfschiffes ist eine positive. Die URh ist offen gegenüber dem Projekt. Der Verein soll jetzt das Projekt weiter vorantreiben. Wer das Dampfschiff betreibt bleibt offen“. Ein Aktionär wollte am Schluss wissen, ob die URh das Dampfschiff bauen würde, wenn er im Lotto 15 Millionen gewinne und dieses Geld einschiesse. Da meinte der Verwaltungsratspräsident: „Dann schon.“
MS Thurgau feiert 50 Jahre: es war das erste Grossmotorschiff der URh, adaptiert vom Typ Lugano des Luganersees.
Ich reise mit dem neu renovierten Schiff Arenenberg zur GV an, Blick an die Decke des völlig neu gestalteten Hauptsalons.
Remo Rey (links) und VR-Präsident Reto Dubach stellen sich an der Generalversammlung den kritischen Fragen zum Thema Dampfschiff.
Zum Jubiläum eine neue Uniform: Für den Kursbetrieb gibt es eine Alltagsuniform im locken legeren Stil, während die Galauniform für aussergewöhnliche Anlässe in einer modernen, repräsentativen Form daherkommt; im Bild die Munot-Mannschaft Konstantinos Nikou (Kassier), Patrick Stoll (Kapitän) und Matti Betz (Maschinist).
Das GV-Schiff Schaffhausen steuert die Rheinbrücke Stein am Rhein an.
Ein solches Bild wünschen sich die Touristiker vermehrt: ein reger Schiffsverkehr vor Stein am Rhein (von vorn nach hinten: MS Schaffhausen, MS Munot, MS Arenenberg).
Text und Bilder H. Amstad
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Hinweise
*) Das MS Thurgau hat seit 1965 bereits 777 531 km zurückgelegt. In der vergangenen Saison 2014 war das MS Thurgau mit 191 Einsatztagen und 17 345 km das am häufigsten eingesetzte URh-Schiff. Das Schiff feierte am 5. Mai 2015, seinen 50. Geburtstag.
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