150 Jahre Schiff­bau­in­ge­nieur Gun­nar Hammershaimb

Heute wie frü­her ste­hen Men­schen hin­ter dem, was die Welt ver­än­dert, prägt, ent­wi­ckelt. Soziale Werke, Wirt­schafts­sys­teme, Bau­ten, Infra­struk­tu­ren…, hin­ter allem ste­hen schliess­lich Per­sön­lich­kei­ten, die ihre Krea­ti­vi­tät und Tat­kraft für etwas ein­set­zen, wovon sie über­zeugt sind. Einer davon war Gun­nar Ham­mers­haimb, der vom Dezem­ber 1887 bis Neu­jahr 1930 mit weni­gen Unter­brü­chen bei den Gebrü­dern Sul­zer in Win­ter­thur für den Schiff­bau ver­ant­wort­lich war. Ich habe von Beat Zum­stein, Schiff­fahrts­ken­ner aus Basel, ein Essay über die­sen Mann erhal­ten. Der Inhalt über­rascht mich, weil ich von die­sem Namen zum ers­ten Mal höre und fas­zi­niert bin über des­sen Wirken.

Anlass die­ser Wür­di­gung ist der 150. Geburts­tag des am 16. Mai 1862 auf einer Färöer-Insel zur Welt gekom­me­nen Gun­nar Ham­mers­haimb. Der Vater wirkte als evan­ge­li­scher Pfar­rer und ist mit sei­nen For­schungs­ar­bei­ten zur Spra­che auf den Färöer-Inseln heute noch ein wich­ti­ger Phi­lo­loge. Er gilt als der Begrün­der der neuen färöi­schen Schrift­spra­che. Sohn Gun­nar bekam eini­ges mit von die­sem Pio­nier­geist im Hause Ham­mers­haimb. Auch die Schiffe und die raue See des Nord­at­lan­tiks präg­ten den Lebens­weg des jun­gen Gun­nar. Seine «Lehr­firma» zum Schiffs­bau­in­ge­nieur war die bekannte Werft Bur­meis­ter & Wain, gegrün­det 1843 in Kopen­ha­gen. Dort sind sicher seine Inspi­ra­ti­ons­quel­len zu fin­den für sein spä­te­res Schaf­fen, das ihn zuerst nach Schott­land und dann Nor­we­gen führte.

Gun­nar Ham­mers­haimbs Weg führt dann 1887 in die Schweiz zu den Gebrü­dern Sul­zer in Win­ter­thur, wo er für den Nau der „Gott­hard“ für den Vier­wald­stätter­see im Jahr 1889 ver­ant­wort­lich zeigte. Nach wei­te­ren Tätig­kei­ten in Nor­we­gen, liess sich Ham­mers­haimb schliess­lich 1895 fest in Win­ter­thur nie­der, um wei­ter als Schiff­bau­in­ge­nieur für Sul­zer tätig zu sein. Er lei­tet die Schif­bau-Abtei­lung der Gebr. Sul­zer. Eine statt­li­che Flotte ent­steht wie z.B. die 12 Léman-Rad­damp­fer Genève, Lau­sanne, Mon­treux, Géné­ral Dufour, Vevey, Ita­lie, La Suisse, Valais, Savoie, Sim­plon, Hel­vé­tie, Rhône. Davon sind sind neun noch heute zu bewun­dern; nur die «Lau­sanne», «Géné­ral Dufour» und «Valais» ver­schwan­den unter dem Schnei­de­bren­ner. Wei­tere Werke Ham­mers­haimbs sind die „Uri“, „Schil­ler“ und „Wil­helm Tell“ für Luzern, die „Spiez“ für Thun, die „St. Gott­hard“ und „Stadt Meers­burg“ für den Boden­see oder die „Schaff­hau­sen“. Für den Luga­n­er­see schuf er den bemer­kens­wer­ten Halb­sa­lon­damp­fer Sempione.

Im Sul­zer-Bul­le­tin «Lebens­bil­der ver­die­ner Mit­ar­bei­ter»* ist zu lesen, dass Gun­nar Ham­mers­haimb «als ein­zi­ger Spe­zia­list in unse­rer Firma» dem «tech­ni­schen Büro unse­res Betrie­bes Schif­fau» vor­ge­stan­den sei. «Eine statt­li­che Zahl von ihm erbau­ten Salon­damp­fer, von klei­nen Abmes­sun­gen bis zu den gröss­ten, durch­kreu­zen unsere Seen. … Alle diese Schiffe legen von dem schöp­fer­schen Geiste Gun­nar Ham­mers­haimb Zeug­nis ab. Durch sein Anpas­sungs­ver­mö­gen gelang es ihm, den Wün­schen der Bestel­ler Rech­nung zu tra­gen.» Edu­ard Meystre, ehe­ma­li­ger Direk­tor der CGN, hatte mit Gun­nar Ham­mer­haimb viel zu tun. Er schrieb in einem Nekro­log**: «Mit sei­nem vor­sich­ti­gen Ver­hal­ten, einer gros­sen Finesse des Gefühls, dis­kret und tief in sei­ner Freund­schaft, war Ham­mers­haimb eine lie­bens­werte Per­sön­lich­keit. Er beglei­tete den ange­bo­re­nen Respekt vor Tra­di­tio­nen mit einem Humor, der immer prä­sent war. ‹Sie star­ten am Mon­tag kein Boot», sagte er, ‹das bringt Pech!› – Aber­glaube? Nein und erklärte mit einem Lächeln und blin­zelte mit sei­nen blauen Augen unter dem blon­den Pin­sel sei­ner buschi­gen Augen­brauen: ‹Weil es der Tag nach Sonn­tag ist …!› Ver­ständ­nis für andere, Fes­tig­keit in sich selbst, gedul­di­ges Ver­trauen in die Suche nach dem Bes­ten im Zei­chen eines sehr mensch­li­chen Ide­als, so zeigte er sich sei­nen Freun­den und Kol­le­gen, die eine leuch­tende Erin­ne­rung an ihn behal­ten weden.» (Frei über­setzt, fran­zö­si­scher Ori­gi­nal­text siehe Rand­spalte «Hin­weise»)

Bei den Gebrü­dern Sul­zer der prä­gende Konstrukteur

Beat Zum­stein hebt die geniale Viel­sei­tig­keit Ham­mers­haimbs her­vor, indem er als Schiff­bau­in­ge­nieur auch eine beacht­li­che Ahnung vom Maschi­nen­bau, der Strö­mungs­theo­rie, der Archi­tek­tur und den öko­no­mi­schen Zusam­men­hänge haben musste, um für Sul­zer so erfolg­reich Schiffe zu bauen. Zum­stein: «Sul­zer konnte zwar mono­pol­ar­tig mit regel­mäs­si­gen Bestel­lun­gen für den Gen­fer­see rech­nen, wäh­rend das Kon­kur­renz­un­ter­neh­men Escher Wyss den Zürich­see belie­fern konnte, aber auf den ande­ren Seen ergab sich trotz der Auf­tei­lung des Mark­tes eine Wett­be­werbs­si­tua­tion, so dass er auf die Qua­li­tät und Öko­no­mie sei­ner Pro­jekte ach­ten musste.» Die Gebrü­der Sul­zer waren als erst­klas­sige Her­stel­ler von Dampf­ma­schi­nen (und spä­ter von Die­sel­mo­to­ren) welt­be­kannt und so ergab es sich, dass im „Neben­ge­schäft“ Schiff­bau die Schiffe von Gun­nar Ham­mers­haimb Antriebs­an­la­gen auf einem sehr hohen tech­ni­schen Stand aus­ge­stat­tet wurden.

Beat Zum­stein: „Der Rück­blick auf das Werk von Gun­nar Ham­mers­haimb offen­bart einen grund­le­gen­den Unter­schied zwi­schen Bau­in­ge­nieu­ren und Archi­tek­ten, die Bau­ten an Land errich­ten, und Schiff­bau­in­ge­nieu­ren, die ihre Werke in der Regel in der Anony­mi­tät erstel­len, die bloss in Fach­krei­sen gelüf­tet wird. Ein Bau­in­ge­nieur oder Archi­tekt mit einem ver­gleich­ba­ren Leis­tungs­aus­weis würde als Ver­tre­ter des bau­li­chen Erbes der Schweiz ein­ge­stuft. Gun­nar Ham­mers­haimb hat mit sei­nem Lebens­werk die­sen Rang eben­falls ver­dient.“ Gun­nar Ham­mers­haimb lei­tete die Sul­zer Schiffs­ab­tei­lung bis 1930. Sei­nen Lebens­abend ver­brachte der Färöer in Win­ter­thur und ver­starb am 1. Juni 1947.

Gun­nar Ham­mers­haimb brachte seine Erfah­run­gen aus sei­nem Wer­de­gang in Däne­mark, Schott­land und Nor­we­gen mit nach Winterthur.

Ham­mers­haimbs Erst­lings­werk DS Gott­hard (Vier­wald­stätter­see) hatte noch nicht jene Ele­ganz spä­te­rer Einheiten.

Bei den 12 Gen­fer­see-Schif­fen von Ham­mers­haimb gelei­te­ten Bau­ten ist das schnit­tige Design nicht zu überbieten.

Gun­nar Ham­mers­haimb lei­tete 1902/03 zusam­men mit Chef­inge­nieur Fried­rich Cour­tin der Deut­schen Bahn (Direk­tion Karls­ruhe) auch den Umbau des DS Stadt Kon­stanz, sowie die Ver­län­ge­rung von DS Zäh­rin­gen 1903/04. Die «Zäh­rin­ger» aus dem Hause Maf­fei Mün­chen bekam auch eine neue Sul­zer Dampfmaschine.

Selbst Flach­de­cker wie DS Schaff­hau­sen (1913) sprü­hen Ele­ganz aus, die «Hand­schrit» des «Archi­tek­ten» Gun­nar Hammershaimb.

Die „Wil­helm Tell“ über­zeugte durch die gross­zü­gi­gen Platz­ver­hält­nisse und das gedie­gene Erschei­nungs­bild. Das heu­tige See­r­au­stau­rant am Schwei­zer­hof­quai in Luzern, wo die «Wil­hem Tell» seit 1972 abge­stellt ist, hat durch diverse Umbau­ten die urspring­li­che Ele­ganz verloren.

Bild Text­teil: Der schot­ti­sche Rad­damp­fer Gre­na­dier (1885) ähnelt durch­aus der «La Suisse» vom Gen­fer­see, wie Beat Zum­stein recherchierte.

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Hin­weise

Au début du mois de juin, le monde de la con­s­truc­tion navale et celui du ski ont perdu, à Win­ter­thur, un de leurs vétérans parmi les plus distingués.

Ham­mers­haimb, ingé­nieur naval, vivait retiré depuis une dou­zaine d’an­nées, après une féconde car­ri­ère. Il naquit en 1862, fils d’un pas­teur luthé­rien, dans un petit port des Froeoé, ces îlots rocheux per­dus au seuil de l’O­céan arc­tique, sur la route de l’Is­lande. Tout enfant, c’est la mer qui l’at­ti­rait. A l’âge de dix ans, il est à Copen­ha­gue, à mille kilo­mè­tres de la mai­son pater­nelle, dans une école qui prépare à la car­ri­ère mari­time. Puis il se con­s­acre à la con­s­truc­tion navale et il est app­renti dans les grands chan­tiers danois de Bur­meis­ter et Wain. Après des stages pra­ti­ques en Ecosse et en Nor­vège, c’est de Trond­hjem, en 1889, qu’il part pour la Suisse où il tra­vaille au pro­jet d’un bateau destiné au lac des Quatre-can­tons. Ren­tré peu après en Nor­vège, à Ber­gen, il revi­ent en Suisse en 1895, à Win­ter­thur, chez Sul­zer Frè­res où il se fixe défi­ni­ti­ve­ment. Il y con­struit cette année-là, le bateau « Genève » pour le lac Léman. Suc­ces­si­ve­ment, en trente et quel­ques années, il donne le jour à une foule de bateaux grands et petits qui ani­ment aujour­d’hui tous les lacs de la Suisse. Le Léman avait sa pré­dil­ec­tion. A l’ex­cep­tion de deux unités anci­en­nes, toute la flotte actu­elle de la Com­pa­gnie Géné­rale de Navi­ga­tion, à Lau­sanne, est son œuvre. Il voua ses soins à créer là ce type élé­gant du grand bateau à roues qui est si carac­té­ris­tique des lacs suis­ses. Pen­dant quel­ques mois, en 1925, il fut direc­teur intéri­ma­ire du ser­vice tech­ni­que de cette compagnie.

Dans un autre domaine, celui du ski, G. Ham­mers­haimb s’est distin­gué en Suisse. En 1889 déjà, il avait apporté de Nor­vège ses lat­tes à neige et si l’a­s­cen­sion lui était péni­ble (on n’a­vait pas encore ima­giné l’em­ploi des peaux de pho­ques) plus qu’à ses amis du Club alpin qui chaus­sai­ent des raquet­tes cana­di­en­nes, il fou­droyait l’i­ma­gi­na­tion par des «tschuss» ver­ti­gi­neux à la descente!

D’un com­merce déli­cat, d’une grande finesse de sen­ti­ment, dis­cret autant que pro­fond dans son ami­tié, G. Ham­mers­haimb était une per­son­na­lité attach­ante. Il accom­pa­gnait le respect inné des tra­di­ti­ons d’un humour tou­jours en éveil. – «On ne lance pas un bateau le lundi dis­ait-il, «cela porte mal­heur !» – Supers­ti­tion? Non: il expli­quait dans un sourire, en cli­gnant de ses yeux bleus sous la brous­saille blonde de ses sourcils: «Parce que c’est le len­de­main du dimanche… !»

Com­pré­hen­sion pour autrui, fer­meté en soi, pati­ente foi dans la recher­che du mieux sous le signe d’un idéal très humain, tel il se mon­trait à ses amis et col­lè­gues qui con­ser­vent de lui un sou­ve­nir lumineux.

Quel­len

*) Gebrü­der Sul­zer, Akti­en­ge­sell­schaft, Win­ter­thur (Hrsg.): Lebens­bil­der ver­dien­ter ver­stor­be­ner Mit­ar­bei­ter, Win­ter­thur, 1960

**) Bul­le­tin tech­ni­que de la Suisse romande, 16.8.1947, Band (Jahr): 73 (1947), Heft: 17, S. 239

Wei­ter im Text

Über den Umbau der «Zäh­rin­ger» durch die Gebrü­der Sul­zer hat Karl F. Fritz einen Beicht ver­fasst (Link)

Impres­sum

Bild 1 Sul­zer Werk-Mit­tei­lun­gen 15.06.1930, Bil­der 4 und 5 Samm­lung K.F. Fritz, Bild Text­teil Samm­lung B. Zumstein

Text und übrige Bil­der Samm­lung H. Amstad

(aktua­li­siert 15.02.2021)

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