Abge­stellte Dampf­schiffe in Puno auf dem Titicacasee

Die Ent­deckungsreise von Erika und Andreas Wer­ner führte im letz­ten Novem­ber auf dem süd­ame­ri­ka­ni­schen Kon­ti­nent zum und auf den Titi­ca­ca­see. Über ihre nau­ti­schen Ent­de­ckun­gen konn­ten sie im Blog-Bei­trag „Titi­ca­ca­see: höchst gele­gene kom­mer­zi­elle Schiff­fahrt der Welt auf 3812 müM“ bereits berich­ten. Im zwei­ten Teil gehen sie näher auf inter­es­sante Schiffe ein, die in Puno, einer perua­ni­schen Stadt mit 115 000 Ein­woh­nern am süd­west­li­chen Zip­fel des Titi­ca­ca­sees, zu fin­den sind. Andreas Wer­ner: „Sowohl Eisen­bahn wie der Schiffs­ver­kehr nach Boli­vien haben bes­sere Zei­ten hin­ter sich.“ 1999 wurde der regio­nale Bahn­ver­kehr der Anden­bahn ein­ge­stellt; nur noch ein rein tou­ris­ti­sches Ange­bot ver­bin­det Puno mit Cusco ein Mal täg­lich. Die zahl­rei­chen vor­ge­la­ger­ten Inseln wer­den mit Schnell‑, Kata­ma­ran- oder Trag­flü­gel­boo­ten verbunden.

Andreas Wer­ner: „Der Schrau­ben­damp­fer Coya (Bau­jahr 1892) wurde 1984 in Puno bei einem Hoch­was­ser los­ge­ris­sen und stran­dete neben der Werft, wo er heute noch steht. Im Jahr 2001 wurde das ver­gam­melte Wrack wie­der auf­ge­frischt und dient seit 2004 als Restau­rant. Das Schiff ist in die Liste schüt­zens­wer­ter Objekte Perus auf­ge­nom­men wor­den.“ Das Schiff wurde in der schot­ti­schen Werft Wil­liam Denny and Brot­hers erbaut und dürfte heute welt­weit der älteste Zeuge die­ser berühm­ten Werft sein. Lei­der wurde ihm bei die­ser sanf­ten Reno­va­tion der mar­kante Kamin nicht mehr aufgesetzt.

Die „Puno“ ist ein Schiff der BAP (Buque Armada Peru) der perua­ni­schen Streit­kräfte mit Bau­jahr 1862 (ers­ter Ein­satz 1873). Es kam als Dampf­schiff Yapura in Betrieb und ist heute – ver­mut­lich mit einem moder­ne­ren Die­sel­mo­tor aus­ge­stat­tet – als fah­rende Kran­ken­sta­tion und Küs­ten­wach­boot noch immer im Gebrauch.

Gleich hin­ter der „Puno“ liegt beim Besuch von Wer­ners der schöne Schrau­ben­damp­fer Ollanta aus dem Jahr 1930. Andreas Wer­ner: „Das Schiff ver­kehrte das letzte Mal um 1990, seit­her ist es im mili­tä­ri­schen Bereich der ehe­ma­li­gen Schiff­sta­tion abge­stellt. Das Mili­tär macht den nötigs­ten Unter­halt. Eine Besich­ti­gung wurde uns ver­wehrt. 2008, nach­dem der Dampf­win­den-Werft­auf­zug für MS Yavari instand gestellt wurde, kam auch die ‚Ollanta’ für eine Scha­len­kon­trolle und Neu­an­strich des Rump­fes kurz auf die Hel­ling. Es bestehen aber zur Zeit keine Absich­ten, den Damp­fer wie­der in Betrieb zu neh­men.“ Mit einer Länge von 80 Meter und Kabi­nen­plätze für 70 Fahr­gäste hätte das Schiff beste Vor­aus­set­zun­gen für mehr­tä­tige Schiffs­rei­sen auf dem Titi­ca­ca­see, der 15 mal so gross ist wie der ganze Bodensee.

Die „Yavari“ ist zur Zeit die inter­es­san­teste Attrak­tion auf dem See. Sie liegt etwas aus­ser­halb der Stadt und dient als Muse­ums­schiff und Back­pa­ckers-Unter­kunft. Im Inter­net­por­tal Tri­p­Ad­vi­sor schwär­men die Gäste: „Für vier Dol­lar mit dem Taxi vom Markt­platz ent­fernt, ist das Schiff einen Besuch wert. Es ist fast kom­plett restau­riert. Das kleine Museum drin­nen prä­sen­tiert viele Infor­ma­tio­nen über die Schiff­fahrt auf dem Titi­ca­ca­see. Die Bediens­te­ten sind aus­ge­spro­chen kun­dig, spre­chen aber nur Spa­nisch.“ Andreas Wer­ner ergänzt: „Die rüh­rige Besat­zung ist stolz, dass der Bol­in­der-Die­sel­mo­tor von 1914 total revi­diert ist und ab 2015 wie­der Fahr­ten aus­ge­führt wer­den – wäre ja schön!“

Die perua­ni­sche Regie­rung gab im Jahre 1861 in Eng­land bei den James Watt Foundry von Bir­ming­ham den Auf­trag, für den Titi­ca­ca­see zwei kom­bi­nierte Fracht‑, Pas­sa­gier- und Kano­nen­dampf­schiffe für die perua­ni­sche Marine zu bauen. Das erste wurde die „Yavari“, das zweite die „Yapura“ (heute „Puno“ siehe oben). Die Schiffe wur­den 1862 im «knock-down»-Verfahren gebaut. Das heisst, dass jedes der über 2000 Teile so gross kon­zi­piert wurde, damit jedes Stück mit einem Maul­tier getra­gen wer­den konnte. Die Fracht ging vor­her über den Atlan­tik, ums Kap Horn in den Pazi­fik nach Arica/​Peru. Nach­her mit der Bahn 60 km nach Tacna und von dort über 350 km mit Maul­tie­ren zum See. Bis die „Yavari“ in Peru fuhr ver­gin­gen neun Jahre nach dem Bau in England.

Der Schrau­ben­damp­fer war 100 Fuss lang (30,5 m) und hatte eine 60 PS Zwei­zy­lin­der-Dampf­ma­schine. 1914 wurde das Schiff ver­län­gert. Gleich­zei­tig ver­schwand der Dampf­be­trieb und machte einem schwe­di­schen Bol­in­der-Vier­zy­lin­der­mo­tor mit 320 PS (240 kW) Platz. Die­ser sog. Heiss­glüh­mo­tor ist heute noch in Betrieb und stellt welt­weit eine der letz­ten Zeu­gen die­ses Typs dar. Vom Prin­zip her ist es ein Zweitakt-Nie­der­druck­mo­tor, der mit Rohöl läuft*. Im Jahr 1975 ver­staat­lichte Peru die bis­her pri­vat geführte Schiff­fahrts­ge­sell­schaft und somit gehör­ten die „Yavari“ und „Yapura“ den Staats­bahn ENA­FER. Im Jahr 1976 ging das Schiff Yapura zurück in die perua­ni­sche Marine wie vor 100 Jah­ren, die „Yapura“ wurde wie beschrie­ben in ein Laza­rett­schiff umge­baut. Im Jahr 1987 nahm sich ein gemein­nüt­zi­ger Ver­ein der „Yavari“ an stellte sie wie­der in Stand.

Ab Puno fah­ren unzäh­lige Tou­ris­ten-Boote in der Grösse bis 60 Per­so­nen zu den „welt­be­rühm­ten“ Schilf­in­seln der Uros.

Von Puno aus fah­ren zahl­rei­che Motor­schiffe zu den schwim­men­den Inseln der Uros. Auch wir mach­ten die­ses tou­ris­ti­sche Pflicht­pro­gramm mit. Die Inkas konn­ten die Uros nie besie­gen; immer wenn ein Angriff drohte, zogen sie sich mit die­sen Inseln auf das Innere des Sees zurück. Einige Bewoh­ner leben tat­säch­lich noch heute auf den Inseln – es hat dort auch eine Schule. Ohne Tou­ris­ten aber gäbe es die­ses his­to­ri­sche Relikt nicht mehr“, weiss Erika Wer­ner zu berich­ten. Die Inseln sind ganz aus Totora-Schilf gebaut, der Unter­grund, die Hüt­ten und die Boote. Dazu braucht es eine Boden­fes­tig­keit von zwei Meter auf­ge­schich­te­tem Schilf. Die Inseln müs­sen nach zwei Jah­ren neu gebaut wer­den, da das Schilf von unten weg­fault. Wer­ner: „Es ist ein eigen­ar­ti­ges Gefühl auf dem schwan­ken­den Schilf­bo­den zu lau­fen.“ Auch eigen­ar­tig ist für mich, dass der Titi­ca­ca­see vom inter­na­tio­na­len Schiffs­tou­ris­mus noch nicht in Beschlag genom­men wurde.

Wäh­rend dem Hoch­was­ser 1984 stran­dete im Hafen von Puno die „Coya“ (1892), wo sie seit 2004 als Restau­rant dient.

Blick auf das Muse­ums-MS Yavari, im Hin­ter­grund SS Ollanta im Hafen von Puno.

Fast wie eine Dampf­ma­schine: der Bol­in­der-Vier­zy­lin­der-Motor aus dem Jahr 1914 braucht auch einen Maschi­nis­ten zum Bedie­nen und Schmieren.

Die ehe­ma­lige Schiff­sta­tion von Puno ist seit Jah­ren Mili­tär­ge­lände und foto­gra­fie­ren ist nur von aus­sen mög­lich. Der grosse Dop­pel­schrau­ben­damp­fer Ollanta (1930) ist seit Jah­ren aus­ran­giert, BAP Puno (ex „Yapura“ 1862) liegt davor.

Als die „Ollanta“ noch damp­fend unter­wegs war, Bild anfangs Ach­zi­ger Jahre.

Um 1995 hiess die „Ollanta“ unter dem Mili­tär­re­gime Perus „Gran Maris­cal And­res de Santa Cruz“.

Bil­der 1 bis 4 A. Wer­ner, Bild 6 aus Dampf­er­zei­tung 1/1996, Text und übrige Bil­der Samm­lung H. Amstad.

Durch Klick aufs Bild erscheint die­ses im Grossformat.

Am Schluss des Blogs ist Ihr Kom­men­tar willkommen.

Hin­weise

*) Nähere Infor­ma­tio­nen zum Thema Bolinder-Motor:

- Moto­ren­typ der „Yavari“ (Link)

- Funk­ti­ons­weise (Link)

Video über DS Ollanta (Link)

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