Rei­se­be­richt: Nau­ti­sche und kuli­na­ri­sche Safari auf dem Ägerisee

Zwi­schen zwei aus­gie­bi­gen Regen­fron­ten zeigte sich auf dem Äge­ri­see für unsere «Safari» die Sonne und sorgte für einen spie­gel­glat­ten See mit herr­li­cher Fern­sicht auf die bei­den Mythen, den Fron­alp­stock und je nach Posi­tion des Schif­fes gar auf das Uri­rot­stock-Mas­siv. Tief ver­schneit hing der Schnee auch noch an den Tan­nen der umlie­gen­den Hügel – das Äger­ital ist ein Hoch­tal auf 725 Meter über Meer. Der Prä­si­dent des Ver­eins «MS Mor­gar­ten III», Fritz Zbin­den, und der Schiffs­füh­rer Hans Zehn­der begrüs­sen uns an Bord der rund 100-jäh­ri­gen alten Lady in Oberä­geri zum Start eines Äge­ri­see-Events, der im ers­ten Teil darin bestand, das Kurs­schiff Äge­ri­see zu beglei­ten in Rich­tung Unterä­geri. Rei­se­teil­neh­mer Jakob Bli­ckenstor­fer fragt sich ver­wun­dert: «Ein so altes Schiff, das bereits die Num­mer 3 im Ver­eins­na­men trägt, wie kommt denn das?»

Die erste «Mor­gar­ten» war das erste Pas­sa­gier­schiff auf dem Äge­ri­see über­haupt: 1890 von Escher Wyss erbaut fuhr der Schrau­ben­damp­fer, wegen sei­nes Aus­se­hens im Volks­mund «Holz­schueh» genannt, bis 1919. Die zweite «Mor­gar­ten» war dann ein Ham­bur­ger Motor­schiff, das von 1923 bis 1927 den Zuger Vor­al­pen­see befuhr, dann zum Thu­ner- und spä­ter zum Bri­enz­er­see kam und heute auf dem Zuger­see als MS Schwan* fährt.

Erbaut in Melide

Wir genies­sen nun die Fahrt mit der drit­ten «Aus­gabe», einem Holz­bau-Bijoux im Bau­stil ober­ita­lie­ni­scher Mach­art. Das Bau­da­tum ist unbe­kannt, der frü­here Äge­ri­see-Betriebs­lei­ter Hans Meier schätzt sein Bau­jahr auf 1910. Ein Schild ver­rät immer­hin die Bau­werft Vidoli fratelli in Mel­ide und das Schiff soll nach unbe­stä­tig­ten Quel­len «Basi­lea» geheis­sen haben. Wann das Schiff zuerst auf den Zürich­see kam, ist mir nicht bekannt. Im Fahr­zeug­aus­weis steht als Tag der «Inver­kehrs­set­zung» der 1. Januar 1926. Dies könnte die Inbe­trieb­nahme auf dem Zürich­see bedeu­ten. Josef Nuss­bau­mer, von Beruf Wag­ner in Oberä­geri, konnte die auf dem Zürich­see genannte «Anne­ma­rie» 1930 von sei­nem Lehr­meis­ter Kurt Eix­ner aus Zürich abkau­fen und damit nach drei­jäh­ri­ger Pause, wo gar kein Kurs­schiff auf dem Äge­risse öffent­lich fuhr, wie­der eine Schiff­fahrt eröffnen.

Josef Nuss­bau­mer baute das Schiff 1931 um, ver­setzte den Motor in die Bug­par­tie, die er auf einer Länge von 2,90 Meter über­deckte. Der Füh­rer­stand kam von der Seite mit­tel­schiffs nach vorne. Das Kabi­nen­dach wurde dabei nach hin­ten ver­län­gert, wodurch das Schiff sein Aus­se­hen änderte. Das Boot fuhr fortan unter dem Namen «Mor­gar­ten» III. 1972 kaufte die Ein­woh­ner­ge­meinde Oberä­geri die Bootshütte, die Peda­los und die Schiffe Mor­gar­ten und die von Nuss­bau­mer 1953 sel­ber gebaute «Ägeri» vom bis­he­ri­gen Eig­ner ab. Hans Meier, der damals bei Nuss­bau­mer ange­stellte Boots­bauer, wurde nun Gemein­de­an­ge­stell­ter und als Kapi­tän auch für den Unter­halt der Flotte zustän­dig. Um das all­jähr­li­che, müh­same Pro­ze­dere der Abdich­tung der Schale zu ver­mei­den, beschich­tete er den Rumpf der «Mor­gar­ten» im Jahr 1988 mit Poly­es­ter. War das Boot die ers­ten Jahre mit einem Ben­zin­mo­tor aus­ge­rüs­tet, baute Hans Meier 1992 einen Die­sel­mo­tor der Marke «Yan­mar» ein, der vor­her in einem Boot auf dem Zürichsee sei­nen Dienst geleis­tet hatte. Mit die­sem Motor, so die Aus­sage der Kapi­täne, könne man den gan­zen Äge­ri­see mit nur zwei Litern Die­sel umrunden…

2003 über­nah­men die Zuger Ver­kehrs­be­triebe ZVB die Schiff­fahrt auf dem Äge­ri­see und liess MS Äge­ri­see neu erbauen. Nun hatte der See also drei Fahr­gast­schiffe. Die «Mor­gar­ten» war bis 2014 auf der Flot­ten­liste, 2015 wurde sie wegen ver­schärf­ter BAV-Regeln (Feu­er­schutz, Behin­der­ten­zu­gang, …) still­ge­legt und im gemeind­li­chen Boots­haus vor­läu­fig ver­täut. Am 16. März 2016 grün­de­ten Albi Iten, Marc Meyer und Klaus Bil­ang die «IG MS Mor­gar­ten III» mit dem Ziel, «das ehr­wür­dige Schiff und Bijou für das Äger­ital zu erhal­ten». Kurz dar­auf wurde der Ver­ein MS Mor­gar­ten III gegrün­det. Am 31. August 2016 konnte die­ser das Schiff von der Äge­ri­see-Schiff­fahrt AG, bzw. von den ZVB über­neh­men und in der Folge gründ­lich renovieren.

Woher der Fisch auf dem Tel­ler kommt

Nach einer Stunde Fahrt nimmt uns das Äge­ri­see-Flagg­schiff, das aus unse­rer Sicht der «Mor­gar­ten» einem Oze­an­rie­sen gleicht, in den geheiz­ten Salon auf, wo uns ein zwei­ter Apéro erwar­tet. Die Fahrt geht zügig nach Mor­gar­ten Eier­hals, wo uns Hans­pe­ter Merz, Hote­lier und Berufs­fi­scher aus Lei­den­schaft, mit einem war­men Süpp­chen an Land emp­fängt und unsere Gruppe in die loka­len Gefilde der Fische­rei ein­führt. Er ist mit dem Fisch­be­stand im Äge­ri­see sehr zufrie­den. In die­sem Jahr gibt es aber ein spe­zi­el­les Pro­blem, führt Merz aus: «Wir haben zum heu­ti­gen Tag eine Was­ser­tem­pe­ra­tur von bloss 7 °C. Dies ist für den Hecht zu kalt, um im Schilf abzu­lai­chen. Somit habe ich einen sehr schlech­ten Laich­fisch­fang auf den Hecht, was wie­derum zur Folge hat, dass in unse­rer Zucht weni­ger Hechte aus­brü­ten und wir auch weni­ger Hechte aus­set­zen können.»

Die Rei­se­aus­schrei­bung „Äge­ri­see-Safari“ haben wir dem Abend­fahrt-Thema der Äge­ri­see-Schiff­fahrt ent­lehnt, die von einer „Schiff-Safari“ spricht. Nach Wiki­pe­dia kommt das Wort Safari aus der ost­afri­ka­ni­schen Swa­hili-Spra­che und steht dort für eine Reise jeg­li­cher Art. So kann in die­ser Spra­che auch ein län­ge­rer Spa­zier­gang oder auch eine Schiff­fahrt eine Safari sein. Erst seit der Kolo­ni­al­zeit fand der Aus­druck Ein­gang in die euro­päi­schen Spra­chen und wurde damals vor allem zur Bezeich­nung einer Jagd­reise ver­wen­det, bei der Gross­wild erlegt wurde. Im nächs­ten Teil unse­res Events geht nun MS Äge­ri­see unter dem Käp­ten Mar­tin Wal­ter und der Mat­ro­sin Anita Meier, einer der Töch­ter des oben erwähn­ten Hans Meier, auf Jagd nach kuli­na­ri­schen Köst­lich­kei­ten. Für jeden Gang wird ein ande­res Restau­rant ange­fah­ren, wo jeweils eine Bri­gade von Ange­stell­ten den jewei­li­gen Gang über Fuss­gän­ger­strei­fen oder durch Tun­nels direkt von der Hotel­kü­che auf den Tisch der Gäste bringt – schweiz­weit ein Uni­kum. Der Wett­be­werb unter den Köchen beflü­gelt sie zu Spit­zen­leis­tun­gen und sie wer­den dem guten Ruf, den die Restau­rants im Äger­ital genies­sen, voll und ganz gerecht. Die drei Stun­den Fahrt ver­ge­hen im Nu.

Nur noch auf dem Lac de Joux, dem Pfäf­fi­ker- und Äge­ri­see sind sol­che ele­gan­ten Holz­boote im öffent­li­chen Ein­satz: die „Mor­gar­ten“ III ist kan­to­nal kon­zes­sio­niert und trägt die Imma­tri­ku­la­ti­ons­num­mer 1315 – in Anleh­nung an das Jahr der Schlacht bei Morgarten.

Der Ver­eins­prä­si­dent Fritz Zbin­den liess es sich nicht neh­men, uns an Bord der „Mor­gar­ten“ per­sön­lich zu begrüs­sen. Im Hin­ter­grund MS Äge­ri­see in Unterä­geri und ein Bus der ZVB-Linie 1, der uns vor­gän­gig ins Äger­ital brachte.

Gut gelaunte Fahr­gäste im fah­len Abend­licht des Ägeritals.

Ein Blick in die Schiffs­hütte zeigt auch noch das dritte Per­so­nen­schiff, die „Ägeri“.

Zwi­schen­stopp im Eier­hals bei Berufs­fi­scher Hans­pe­ter Merz.

Die Che­fin des Hotels Mor­gar­ten, Gaby McCalla-Schürpf, ser­viert den zwei­ten Haupt­gang – die Freude der bei­den See­wirte an der Safari lässt die Hoff­nung zu, dass sie das Ange­bot trotz immensem Auf­wand im 2020 wie­der anbie­ten. Uns würde es freuen.

Bild 4 P. Gast, Text und Bil­der H. Amstad

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Wei­ter im Text

Ver­ein MB Mor­gar­ten III (Link); Bemer­kung zu *) www​.motor​schiff​.ch)

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