Auf der Seine von Paris zum Ärmel­ka­nal per Schiff

Rhein und Donau sind die gros­sen Ren­ner unter den Fluss­kreuz­fahrt-Ange­bo­ten. Klei­nere Flüsse gel­ten aber zuse­hends als Geheim­tipp. In die­sem April lau­tete mein Ziel die Seine, die ab Paris für Hotel­schiffe bis 110 Meter Länge und 11,45 m Breite fluss­ab­wärts zuge­las­sen sind. Am Ende der wöchi­gen Reise war über­rascht über die Viel­falt, die die­ser Fluss und seine Städte bie­ten: Paris, Rouen, Hon­fleur, Le Havre, um nur einige zu nennen.

Die aus­ge­präg­ten Mäan­der der Seine sind ein­zig­ar­tig für einen euro­päi­schen Fluss mit Hotel­schiff­fahrt. Das Schiff fährt in stän­di­gem Wech­sel in alle Him­mels­rich­tun­gen. Zwar geht es tal­wärts ten­den­zi­ell gegen Nord­wes­ten zum Ärmel­ka­nal und paris­wärts gegen Süd­os­ten. Lie­ge­stuhl­pas­sa­giere las­sen aber schnell das Aus­rich­ten nach der Sonne sein – es gibt zwi­schen Paris und Hon­fleur auf 350 km fast keine gera­den Stre­cken, dafür ein Dut­zend Dop­pel­schlau­fen. Ich geniesse die Annehm­lich­kei­ten der „Excel­lence Royal“, die lei­der wie die meis­ten der 18 Schiffe nur bis Code­bec-en-Caux fährt und 45 km vor dem Mün­dungs­ge­biet der Seine in den Atlan­tik umkehrt. Die Ree­de­rei Croi­sie Europe hin­ge­gen und wenige andere Schiffe für den ame­ri­ka­ni­schen Markt fah­ren bis Hon­fleur und im Advent zum span­nen­den UNSECO-Kul­tuterbe-Ort Le Havre. Wäh­rend des zwei­tä­gi­gen Auf­ent­hal­tes in Cau­de­bec setze ich mich von der Rei­se­gruppe ab und ent­de­cke mit dem öffent­li­chen Bus Le Havre, was sich sehr lohnt (100 Minu­ten Fahrt zum Preis von zwei Euro).

Glaubt man der Besat­zung und den zahl­rei­chen humor­vol­len Sujets von Ansichts­kar­ten muss es hier in der Nor­man­die sehr viel reg­nen. Ein Hoch­druck­ge­biet über dem Ärmel­ka­nal beschert uns ent­ge­gen jeden Unken­ru­fes eine Woche wol­ken­lo­sen Him­mel. Ein stei­fer Ost­wind wirkt trotz den 20 Grad ab und zu sehr unan­ge­nehm, wenn die «Excel­lence Royal» wie­der ein mal nach Osten schwenkt. Fährt sie hin­ge­gen gegen Wes­ten flie­gen Woll­de­cken und Win­ter­män­tel rasch auf die Seite. Das Tal der Seine ist lieb­lich und abwechs­lungs­reich, ich habe mir die Land­schaft mono­to­ner vor­ge­stellt. Am jewei­li­gen sog. Prall­hang des Mäan­ders erhe­ben sich bis 80 Meter hohe Krei­de­fel­sen, die tek­to­nisch auch am Ärmel­ka­nal sowohl in Frank­reich wie in Eng­land vor­kom­men. Nur hat hier nicht das Meer die skur­ri­len Fel­sen her­aus­ge­wa­schen son­dern eben die Seine. Man erkennt den frü­he­ren Fluss­lauf an den Ril­len, wo die här­te­ren Stel­len als dunkle Strei­fen sicht­bar dem Was­ser Stand hiel­ten und der wei­chere Kalk weiss sicht­bar aus­ge­wa­schen wurde.

Das zweite Auf­fal­lende ist der Tiden­hub, also der sechs­stün­dige Wech­sel zwi­schen Ebbe und Flut. Die Gezei­ten wir­ken bis zur ers­ten Schleuse Amfre­ville, wo der Tiden­hub nach 155 km Seinever­lauf an der Schleuse immer noch 2,60 m betra­gen kann. So kommt es zwei Mal täg­lich vor, dass die Seine mit gros­sem Tempo hin­auf fliesst. Ab Rouen gleicht die Seine fluss­ab­wärts einem Strom; ein Lotse kommt an Bord und weist die Route wegen sich ver­än­dern­den Sand­bän­ken. Bis in die Indus­trie­ge­biete der 400 000 Ein­woh­ner­stadt Rouen mit vie­len goti­schen Bau­denk­mä­lern und tau­send Fach­werk­häu­sern fah­ren Meer­schiffe mit 10.5 m Tief­gang 120 km ins Landesinnere.

Unser Schiff bie­tet viel Über­durch­schnitt­li­ches. Seine Bau­weise ist sehr kun­den­freund­lich: die Fahr­gäste kön­nen sich draus­sen an sechs Orten auf­hal­ten: auf dem Ober­deck vorne vor dem Steu­er­haus, dann etwas erhöht in einem mit Glas wind­ge­schütz­ten Teil hin­ter dem Steu­er­haus, wei­ter in einem Teil mit Lie­gen mit­tel­schiffs und am Heck ein wei­te­res Seg­ment mit einem Spru­del-Sitz­bad. Auf dem Haupt­deck geniesst der Gast draus­sen am Bug freie Sicht in Fahr­rich­tung und am Heck das­selbe wind­ge­schützt wie auf den Schwei­zer Tages­aus­flug­schif­fen. Dies ist bei Fluss­kreuz­fahrt­schif­fen nicht selbst­ver­ständ­lich; bei den meis­ten blei­ben diese von mir gelieb­ten Plätze der nau­ti­schen Mann­schaft vor­be­hal­ten oder sind mit Kabi­nen belegt. Auf unse­rem Schiffs­typ hat das die ange­nehme Folge, dass alle der 144 Fahr­gäste immer ein freies Plätz­chen finden.

Das Aus­flug­s­an­ge­bot ist viel­fäl­tig. Für den Fein­schme­cker gibt es in Cau­de­bec-en-Caux einen Mit­tags­aus­flug im Gour­met­tem­pel „Ga“, für Opern­lieb­ha­ber steht am Frei­tag-Abend ein Bus bereit für die Zau­ber­flöte. Ich lasse die welt­be­rühm­ten Impres­sio­nis­ten mit­samt dem Wohn­haus Monets in Giverny links lie­gen und geniesse wäh­rend­des­sen die Tages­fahrt auf dem Schiff. Täg­lich ste­hen Aus­flüge und Stadt­be­sich­ti­gun­gen auf dem Pro­gramm. Fran­zo­sen sind höf­li­che Men­schen: nicht sel­ten rufen sie von Brü­cken und Ufern «bon voyage» hin­über und in den klei­ne­ren Städ­ten wer­den auch die Tou­ris­ten mit einem „bon­jour“ gegrüsst. Jeder vierte Fran­zose wohnt im Ein­zugs­ge­biet der Seine, die Seine ver­sorgt 14 Mil­lio­nen Men­schen mit Trinkwasser.

In Paris auf dem Was­ser zu näch­ti­gen ist ein spe­zi­el­les Erleb­nis, inklu­sive Sicht auf den beleuch­te­ten Eiffelturm.

Bis 2012 fuhr das Schiff auf Rhein und Donau, seit 2013 auf der Seine.

Typi­sche Seine-Land­schaft bei Andelys.

Kapi­tän Claude Grard (mitte) und Steu­er­mann Tho­mas Marais waren vor­bild­li­che Gast­ge­ber; ihr Steu­er­haus stand aus­ser bei Schleu­sen­ma­nö­vern immer offen für Interessierte.

Die Metall­auf­bau­ten der „Excel­lence Royal“ wur­den 2009 in der Tür­kei (Werft Shi­py­ard Kara­de­niz) erbaut und in Hol­land erfolgte der Innenausbau.

Blick auf die Gotik­stadt Rouen bei der Abfahrt Rich­tung Vernon.

Text und Bil­der H. Amstad

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Hin­weise

  • Sechs Schleu­sen über­win­den zwi­schen Hon­fleur und Paris 26 Höhenmeter.
  • Die Luft­li­nie beträgt 166 km, die Schiff­fahrts­li­nie ab Paris Île St-Louis 355 km.

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