Autofähre Tellsprung Beckenried – Gersau vorübergehend eingestellt
Ich fahre nach Gersau, um mit der Autofähre nach Beckenried zu gelangen. Die Autofahrt dorthin führt heute über komplizierte Umwege, weil sowohl die Autobahn A4 als auch die Kantonsstrasse zwischen Arth und Brunnen überschwemmt sind. Sonst ist der Weg nach Beckenried via Autofähre nicht nur eine Abkürzung, sondern hat auch einen schönen Erholungswert. Insgesamt sieben Autos wollen um halb zwei Uhr von Gersau Förstli (SZ) nach Beckenried Niederdorf (NW) übersetzen. Ich lese die Autoschilder SO, BE, SZ, ZG, LU. Von der Fähre Tellsprung fehlt jede Spur. Dann entdecke ich ein Schild mit der Anschrift: “eingestellt“. Im Internet steht (noch) nichts. Ich erkundige mich im Restaurant Fähri nach dem Grund. „Wissen wir nicht; die reden mit uns schon seit Wochen nicht mehr“, lautet die Antwort.
Es hat Anzeichen gegeben, dass das Unternehmen vor dem „Aus“ steht. Deshalb wollte ich nochmals „meine“ Fähre benützen. Ich ärgere mich, dass ich genau einen Tag zu spät komme. In Beckenried aufgewachsen habe ich wie viele Einheimische eine besondere Beziehung zu diesem Schiff. Zum 50-Jahr-Jubiläum durfte ich eine Festschrift* verfassen, die 1980 erschien. Ich blättere darin und entdecke ein Bild, wo ich als Ministrant bei der Eröffnung der neuen Fähre am Pfingstsamstag, 16. Mai 1964 „offiziell“ am grossen Eröffnungsfest dabei sein durfte. Pfarrer Aschwanden segnete die „Tellsprung“ II ein. Nebst den Hochzeiten im Riedli, wo es jeweils einen willkommenen Sackgeld-Zustupf gab, war das der Höhepunkt in meiner Ministrantenlaufbahn. Die Jungfernfahrt der Fähre führte bei warmem Frühlingswetter bis zur Leuchtenstadt. Kurz vor der Inbetriebnahme herrschte noch grosse Aufregung, weil die Bodanwerft bedingt durch die verspätete Ablieferung von MS Général-Guisan für die Expo 1964 in Lausanne die Arbeiten im Rotzloch an der „Tellsprung“ hinauszögerte. Nach der Fertigstellung der Schale entzog der damalige Inhaber der Fähre, Otto Gander, der Werft den Auftrag und liess dann die Aufbauten durch Nidwaldner Unternehmen fertig erstellen.
Schwierige Erbschaft
Am 29. März 2013 nun, rechtzeitig auf Ostern, war die diesjährige Saisoneröffnung angekündigt; ein Rechtsstreit verhinderte dieses Vorhaben, weil die Landeerlaubnis juristisch blockiert wurde. Hintergrund ist ein seit zwei Jahren dauernder Streit über einen noch nicht vollzogenen Landabtausch. Nach einigen Tagen Verzögerung konnte dann die Fähre trotzdem starten, ein Gersauer Einzelrichter entzog am 17. April die superprovisorische Wirkung des Verbotes. Seit dem 1. Juni steht die Fähre nun aber wieder still.
Ursprünglich gehörte der Fährbetrieb inklusive Landestellen, die Hotelbetriebe Sternen in Beckenried und Fähri in Gersau sowie eine Schnapsbrennerei und eine gewerbliche Fischerei Otto Gander sen. Nach dem Tod des Patrons wurde das Erbe aufgeteilt: die Fähre erhielt Tochter Carmela, die Hotels ursprünglich Sohn Otto jun. Inzwischen gehören sie wie auch der Landungssteg in Gersau dem österreichischen Bauunternehmen Porr. Betreiber der Fähre ist Zarko Vujovic-Gander, der Ehemann von Carmela. Die Fähre, die sowohl Einheimische wie auch Touristen nutzen, hat im vergangenen Jahr von März bis Oktober laut Presseberichten rund 19 000 Personen und 16 500 Autos befördert. Dazu kamen 140 Busse. Es wäre schade, wenn wegen diesem Rechtsstreit die älteste Autofähre der Schweiz ganz verschwinden würde.
Nachtrag: Seit dem 11. Juni ist die Autofähre wieder unterwegs. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Suspendierung des BAV aufgehoben mit der Begründng, dass die Einstellung unverhältnismässig sei. Der Streit ist zwischen den Parteien ist indes noch nicht gelöst.
In Gersau informiert eine Tafel über das „Aus“, …
… in Beckenried herrscht gähnende Leere.
Letztmals war die „Tellsprung“ im November 2008 auf dem Trockendock.
Die heutige Fähre ist seit 1964 unterwegs. Sie ist auch für Velotouren ein beliebtes Verkehrsmittel und liegt direkt an der Route 3 und 4 von Schweiz Mobil.
Schalenteile der heutigen Fähre wurden von der ersten „Tellsprung“ (Baujahr 1930) übernommen. Auf dem Bild verlässt die «Tellsprung» I Beckenried, wo der Hafen damals im Boden (Ausgangs Dorf Richtung Emmetten) lag.
Die «Tellsprung» I an der Anlegestation in Gersau, damals an der Wehri im Dorfzentrum.
Text und Bild 1, Archivbild 5, 6 H. Amstad, Bilder 2, 3 M. Bisegger, Bild 4 A‑L. Amstad (korr. 19.01.2021)
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