Besuch in Thun: auf vier Schif­fen zwi­schen Win­ter und Frühling.

Die meis­ten Schiff­fahrts­ge­sell­schaf­ten defi­nie­ren für meine Begriffe den Win­ter zu lange. Auf dem gröss­ten rein schwei­ze­ri­schen See, dem Neu­en­bur­ge­ree, herrscht schiff­fahrts­mäs­sig wäh­rend 200 Tagen „Eis­zeit“, da geht bis Ende April gar nichts. Die Men­schen spü­ren zwar den Früh­ling im März, seh­nen sich nach Sonne und Licht und kön­nen kaum war­ten bis zu den ers­ten Aus­flü­gen, auch mit dem Schiff. Mir kommt das vor wie anfangs Win­ter, wo die Win­ter­sport­ler kaum war­ten kön­nen mit dem Win­ter­sport, obschon meis­tens die Ver­hält­nisse dann noch nicht toll sind auf den Pis­ten. Zurück zum Früh­lings­er­wa­chen: Ich staune, wie lange die Schiff­fahrts­ge­sell­schaf­ten den Win­ter interpretieren.

Den längs­ten Win­ter­schlä­fer habe ich bereits erwähnt. Eben­falls sehr spät beginnt der Äge­ri­see mit sei­nem Fahr­plan, näm­lich am 23. April und am 16. April der Zuger­see. Auf dem Gen­fer­see und Vier­wald­stätter­see* ist am 14. April der Früh­lings­be­ginn ange­sagt. Am andern „Ende der Skala“ las­sen die Auto­fähre Vier­wald­stätter­see und die Kurs­schiffe Ror­schach-Lin­dau bereits am 25. März die Moto­ren lau­fen. Kli­ma­er­wär­mung und ein unge­dul­di­ges Publi­kum könn­ten Gründe sein, den Sai­son­start auf eini­gen Schwei­zer Seen zu überdenken.

Mit fleis­si­gen Inter­net­re­cher­chen fin­det man dann schon ein­zelne und inter­es­sante Ange­bote bereits vor dem offi­zi­el­len Start: Wie vor zwei Wochen beschrie­ben die «Italie»-Rundfahrten ab Genf, ein zusätz­li­ches Zmit­tag­schiff auf dem Zuger­see, die Kurse 4 bis 7 bei war­mem Wet­ter auf dem Hall­wi­ler­see oder Rund­fahrt­an­ge­bote der «Ober­ho­fen» ab Thun. Letz­tere nehme ich zum Anlass, aus dem Win­ter­an­ge­bot der BLS einen Früh­lings­tag zu machen mit dem Besuch von vier Schiffen.

Vor­bei­fahrt an der Kir­che von Scherzligen.

Ich starte mit der «Bea­tus», Kurs 109/110 ab Thun um 9 Uhr 40. Obwohl eine (in die­sem März sel­tene) Kalt­front über der West­schweiz lie­gen bleibt und die äus­ser­li­chen Bedin­gun­gen unwirt­lich sind ist das Früh­stücks­schiff gut belegt. Zurück in Thun nimmt mich die «Ober­ho­fen» ab Thun mit, zusam­men mit rund 40 andern Fahr­gäs­ten. Nach andert­halb Stun­den Fahrt über die wenig bedien­ten Sta­tio­nen Hof­stet­ten und Scha­dau peile ich mein drit­tes Schiff an, die an der Ländte 1 ver­täute «Stadt Thun», wo ich auf dem ste­hen­den Restau­rant ein Mit­tag­essen ein­plane. Obschon das Schiff offen und das Ser­vice-Per­so­nal anwe­send ist, hat mein Plan kein Erfolg. «Brunch oder nichts», lau­tet die Devise. Am Nach­mit­tag um halb zwei ist mir aber nicht mehr nach Brunch zumute. Ein Teil des Brun­ch­an­ge­bo­tes wäre ein gang­ba­rer Kom­pro­miss gewe­sen, z.B. mit einer Schale Bir­cher­müesli oder einem Sand­wich, frisch zube­rei­tet ab Buf­fet. Aber nein, von Sei­ten des Per­so­nals gibt’s da kein Ver­han­deln. Eine Ent­täu­schung, was sich die SVgroup hier leistet.

Dies steht im Gegen­satz zum andern BLS-Gewäs­ser, dem Bri­enz­er­see, der im Schwei­zer Ver­gleich über eine her­vor­ra­gende Küche und einen aus­ge­zeich­ne­ten Ruf ver­fügt. Lei­der geht die­ser Ser­vice auf dem Bri­enz­er­see nun dem Ende ent­ge­gen: Peter Schen­kel, Inha­ber und Gas­tro­nom der Gas­tro-Lac AG hat nach 20 Jah­ren sei­nen Ver­trag auf Ende 2017 gekün­digt. Aus der Presse ent­nehme ich, dass die BLS der SVgroup gekün­digt hat, eben­falls auf Ende Jahr, um alle Optio­nen für eine gute Lösung allen­falls für beide Seen offen zu halten.

Bevor ich den Tag mit dem Kurs 119 nach Spiez beende und dabei den vier­ten „Damp­fer“ des Tages (MS Stock­horn) besteige, nutze ich die Gele­gen­heit, das „Ober­hof­nerli“, wie es die Ber­ner nen­nen, noch ein­mal etwas genauer zu betrach­ten. Das letzte Mal, als ich an Bord war, waren die Umbau­ar­bei­ten näm­lich noch nicht abge­schlos­sen. Ich sitze im woh­lig geheiz­ten Salon, schaue um mich und frage mich, wel­che Stil­ele­mente wohl aus wel­cher der vier Epo­chen** stam­men könn­ten. Das Inté­ri­eur wirkt nicht „aus einem Guss“ und es scheint, dass jeder Eig­ner sich finan­zi­ell zur Decke stre­cken musste, wes­halb er vom Vor­gän­ger jeweils alles über­nahm, was noch intakt war.

Ein Blick in den Salon mit einem Fisch­au­gen­ob­jek­tiv aufgenommen.

Unter­schiede zwi­schen der ers­ten (1940 bis 1999) und der 2. BLS-Epo­che (ab 2014) las­sen sich dank akri­bi­scher Doku­men­ta­tio­nen von Jürg Meis­ter beschrei­ben: „Ori­gi­nal ist die Decke, aber nicht die Leuch­ten, das waren vor­her ‚gewöhn­li­che’ Milch­glas­glo­cken. Weit­ge­hend ori­gi­nal ist auch die Täfe­rung seit­lich und an den Stirn­sei­ten, auch die Decks­plan­ken wer­den aus der Zeit von 1940 stam­men. Hol­län­disch ist sicher die Möblie­rung (Bestuh­lung und Tische), vor­her waren im Salon Holz­lat­ten­bänke in Coupé-Anord­nung wie auf der ‚Nie­sen’ und den Zür­chern Geschwis­tern anzu­tref­fen. Die an SBB-Dritt­klass-Wagen erin­nern­den Bänke aus Esche wur­den dann um 1964 herum ver­edelt, indem die BLS eine rote Kunstleder-‚Teilbeplankung’ dar­über mon­tierte. Ich mag mich gut erin­nern, dass bei den Über­gän­gen (Kni­cken) das Holz noch sicht­bar war. Hol­län­disch sind natür­lich auch all diese äus­se­ren Zusatz-Blachen.“

Gross­be­trieb» im Win­ter­fahr­plan in Thun: MS Ober­ho­fen steht bereit für die 2. Rund­fahrt, MS Bea­tus beginnt den Kurs 13, MS Buben­berg ist seit Dezem­ber wegen dem tie­fen Was­ser­sand «gefan­gen» und im Hin­ter­grund ist die „Stadt Thun“ als ver­meint­li­ches Restau­rant geöffnet.

Die „Ober­ho­fen“ ist hier im Aare­be­cken unter­wegs, links das Kleist Inseli.

Nächste Sta­tion: Scha­dau, das Schloss als Aus­gangs­punkt von Stadtspaziergängen.

Able­ge­ma­nö­ver in Hof­stet­ten, nahe gele­gen am schön reno­vier­ten Bie­der­mei­er­haus Restau­rant Dampf­schiff Bateau à vapeur, rechts im Bild. (Frü­her hiess diese Sta­tion Thun Kursaal.)

Bord­le­ben mit Edmon­son­sche Bil­lette und Bier in der Kühle.

Diese Auf­nahme ist eine Rari­tät: Das Schiff (noch unter dem Namen Vri­endschap) fährt mit eige­ner Kraft vom Bas­ler Hafen­be­cken 1 in Klein­hü­nin­gen durch Basel (hier an der mitt­le­ren Brü­cke) nach Birs­fel­den, wo es dann Ende Novem­ber 2013 aus­ge­was­sert und medi­en­wirk­sam nach Thun geholt wurde.

Durch Klick aufs Bild erscheint die­ses im Grossformat.

Am Schluss des Blogs ist Ihr Kom­men­tar willkommen.

Hin­weise

*) Zu erwäh­nen ist, dass der Vier­wald­stätter­see einen aus­ge­zeich­ne­ten Win­ter­fahr­plan hat und bei star­kem Ver­kehrss­auf­kom­men grosse Schiffe ein­setzt. So sind am 31. März 13 Schiffe auf der Fahr­ord­nung: als Kurs‑, Son­der- und Aus­stel­lungs­schiffe, und das im Winterfahrplan!

**) 1. Epo­che auf dem Zürich­see als „Ente“ 1939 (Lan­des­aus­stel­lung) / 2. Epo­che auf dem Thu­ner­see als „Ober­ho­fen“ 1940 – 1999 / 3. Epo­che auf den Bin­nen­ge­wäs­sern um Ams­ter­dam als „Vri­endschap“ 2000 – 2013 / 4. Epo­che auf dem Thu­ner­see als „Ober­ho­fen“ ab 2014.

Quel­len

Bild 1 P. Gast,

Bild 6 J. Meister,

Text und übrige Bil­der H. Amstad.

Wei­ter im Text

Vierte Jung­fern­fahrt der „Ober­ho­fen“ vom 2. Mai 2014 (Link); eine Rei­se­be­richt mit MS Ober­ho­fen vom 25. Okto­ber 2014 (Link).

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