Come­back von MS J.J.Rousseau: Via Bie­ler­see und Hol­land zurück auf den Zürichsee

MS J.J. Rous­seau ist seit fünf Jah­ren zurück in der Schweiz und wird in die­sem Som­mer sein gros­ses Come­back fei­ern. Das Schiff kommt auf jenen See zurück, an dem es einst gebaut wurde! 1950 sieht das Flot­ten­er­neue­rungs­pro­gramm der Bie­ler­see Schiff­fahrts­ge­sell­schaft BSG vor, den alten Schrau­ben­damp­fer J.J. Rous­seau zu erset­zen*. Der Auf­trag für den Ersatz­bau ging an die Zür­cher Schiffs­bau­werft Por­tier in Mei­len, die das Schiff im Stil der dama­li­gen seit 1939 ver­keh­ren­den Lan­di­schiffe Speer, Halb­in­sel Au und Möve nach den Plä­nen von Ing. F. Bosch (Basel) erbaute. Am 3. Dezem­ber 1952 absol­vierte das Motor­schiff seine Pro­be­fahr­ten auf dem Zürich­see, bevor es dann am 9. Dezem­ber auf dem Stras­sen­weg nach Biel über­führt und drei Tage spä­ter bereits als «J.J. Rous­seau» getauft wurde. Wäh­rend vier Jah­ren ver­kehr­ten bei­den «Rousseau»s auf dem See, der ehe­ma­lige Damp­fer wurde dann direkt nach sei­nem letz­ten Betriebs­tag am 17. Dezem­ber 1956 abgewrackt.

Gar man­cher, heute gestan­de­ner Kapi­tän erlernte in jun­gen Jah­ren sein Métier auf die­sem Schiff. Ganz­jäh­rig vor allem zwi­schen Erlach und La Neu­veville ein­ge­setzt war es zum Erler­nen der nau­ti­schen Künste beliebt. 1969 wur­den erst­mals die Fahr­gast­räume reno­viert und zehn Jahre spä­ter der Haupt­mo­tor ersetzt. Nach der Ein­stel­lung der Quer­fahr­ten von La Neu­veville kam die «J.J. Rous­seau» 1993 in den Quer­ver­kehr zwi­schen Twann, St. Peter­s­in­sel und Lüscherz zum Ein­satz**. Drei Jahre spä­ter musste diese Linien wegen zu gerin­ger Fre­quen­zen ein­ge­stellt wer­den und das Schiff wurde «über­flüs­sig». Schiffs­mak­ler Leo Ull­mann ver­kaufte im Novem­ber 1996 das Schiff nach Hol­land, wo es bei der Ree­de­rei Toman in Ams­ter­dam vor allem als Char­ter­schiff wei­ter im Ein­satz stand.

Von Terra Nova zu Aqua Nova

Im Juni 2014 gelan­gen Bea und Daniel Lan­dös, Inha­ber und Schul­lei­ter der Pri­vat­schule Terra Nova in Küs­nacht, an die Schiffs-Agen­tur mit der Idee, als Ergän­zung zu ihrer erfolg­rei­chen Schule und als USP ein Schul­schiff zu lan­cie­ren. Anfäng­lich sah das Kon­zept vor, am Mor­gen die Schü­le­rin­nen und Schü­ler vom gegen­über­lie­gen­den Zürich­see-Ufer abzu­ho­len, wäh­rend dem Tag einen Teil des Unter­rich­tes an Bord zu gestal­ten und am Abend sowie an den Weekends die­ses auch als Char­ter­schiff ein­zu­set­zen. Unsere Ana­lyse zeigte auf, dass vier zwin­gende Vor­aus­set­zun­gen nötig waren, damit das Pro­jekt umge­setzt wer­den konnte: es brauchte ein dazu geeig­ne­tes Schiff, einen Stand­platz, eine ent­spre­chende Finan­zie­rung und einen Betreiber.

Das Schiff J.J. Rous­seau war inzwi­schen in Hol­land wie­der zum Ver­kauf aus­ge­schrie­ben und es schien allen Betei­lig­ten ideal für die Absich­ten und Ziele der Schule Terra Nova. Der glei­che Mann, der das Schiff bereits nach Hol­land ver­kaufte, konnte es wie schon bei MS Ober­ho­fen vom Thu­ner­see wie­der in die Schweiz zurück­ho­len. Es war ein spe­zi­el­ler Moment, als am 9. Dezem­ber 2014 die «Rous­seau» nach zwei Tagen Fahrt auf einem Tief­la­der nachts um elf Uhr in Baar ankam. Lei­der war das Schiff in einem schlech­te­ren Zustand als beschrie­ben. Zum Glück fand die «J.J. Rous­seau» in den Per­so­nen von Koni und Adrian Risi zwei gedul­dige Gewer­be­trei­bende, die dem Schiff lange Zeit Asyl boten, denn es soll­ten meh­rere Jahre dau­ern, bis die­ses das Werk­ge­lände ver­las­sen kann. Die Schiffs-Agen­tur war bereit, den Betrieb zukünf­tig sicher zu stel­len, wobei zwei der vier erwähn­ten Vor­aus­set­zun­gen erfüllt waren.

Mit den andern zwei «musts» als Vor­aus­set­zun­gen für einen erfolg­rei­chen Betrieb harzte es dann abwechs­lungs­weise. Anfäng­li­che Ver­spre­chun­gen betref­fend Stand­platz in Küs­nacht ver­flüch­tig­ten sich, nach­dem die Eig­ner «Nägel mit Köp­fen» machen woll­ten. Zudem stellte die Finan­zie­rung des Pro­jek­tes eine grös­sere Hürde dar als ursprüng­lich gedacht. Inzwi­schen, unab­hän­gig vom «Pro­jekt Schul­schiff», hat­ten sich die Eigen­tü­mer der Schule Terra Nova ent­schlos­sen, diese zu ver­kau­fen, womit die Sinn­frage des Schif­fes weg­fiel. Seit dem 14. Februar 2019 stand fest: Die «J.J. Rous­seau» wird ihren Hei­mat­ha­fen im Zie­gel­hof in Schme­ri­kon der Firma JMS haben. Das Schiff ist inzwi­schen reno­viertund wird am 7. Juni 2019 erst­mals seit 66 Jah­ren und 6 Monate wie­der Zürich­see-Was­ser unter dem Kiel haben. In Zusam­men­ar­beit mit der Hoch­schule Rap­pers­wil (HSR) soll künf­tig der alte Motor durch einen umwelt­ver­träg­li­che­ren Antrieb ersetzt wer­den. Momen­tan erstellt die HSR ent­spre­chende Machbarkeitsstudien.

Als Ober­see-Fähre unterwegs

Was lange währt wird end­lich gut“, diese Rede­wen­dung trifft nun auf das Pro­jekt «J.J. Rous­seau» zu. Es brauchte einen Hau­fen Ner­ven, einen lan­gen Atem und eine dicke Haut. Davon kön­nen auch andere Eigen­tü­mer, Schiff­bau­in­ge­nieure, Finan­zie­rungs­gre­mien und Schiffs­be­trei­ber ein „Lied­chen sin­gen“, die „J.J. Rous­seau“ ist da kein Ein­zel­fall. In die­sem Jahr fei­ern legen­däre Schiffe nach vie­len Jah­ren Still­stand ein ful­mi­nan­tes Come­back. Das ehe­ma­lige OeBB-Schiff Oes­ter­reich mit Bau­jahr 1929 kam am Kar­frei­tag wie­der in Betrieb, dies nach 10 Jah­ren «Betriebs­pause». Das BLS-Schiff Spiez (Bau­jahr 1901) soll nach 12 Jah­ren Aus­ran­gie­rung wenn nichts dazwi­schen kommt Ende 2019 wie­der in Dienst kom­men. Das ehe­ma­lige URh-Schiff Munot (1936) wird im kom­men­den Jahr (nach fünf Jah­ren Still­stand) in der Tsche­chei sein Come­back fei­ern. Eben­falls seit fünf Jah­ren ist nun das legen­däre BSG-Schiff J.J.Rousseau wie­der in der Schweiz und sieht nun bald wie­der Was­ser unter dem Kiel. Ende Juli soll ein Test­be­trieb zei­gen, wie eine in Zukunft geplante Ober­see-Fähre funk­tio­nie­ren könnte.

Der Schrau­ben­damp­fer J.J. Rous­seau war das Vor­gän­ger­schiff der heu­ti­gen «J.J. Rous­seau» II.

In die­ser Form ver­kehrte das Zür­cher Por­tier-Schiff wäh­rend 44 Jah­ren auf dem Bielersee.

Im hol­län­di­schen Exil war die «J.J. Rous­seau» wäh­rend 18 Jah­ren mit Hei­mat­ha­fen Mui­den, öst­lich von Ams­ter­dam am IJmeer.

Ankunft des Schif­fes im Zuger­land am 14. Dezem­ber 2014.

Die Eig­ner Bea und Dani Lan­dös haben noch gut lachen, noch nichts ahnend, wel­che ner­ven­auf­rei­bende Pro­zesse sie nun wäh­rend fünf Jah­ren erwar­ten werden.

MS J.J. Rous­seau «fliegt durch die Luft» in der Mor­gen­däm­me­rung des 15. Dezem­bers mit Föhn­fens­ter über der Rigi.

Abla­dung des Schif­fes in Baar

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Hin­weise

1) Die Reno­va­tion beinhal­tet fol­gende Arbei­ten: Sanie­rung des Schiffs­rump­fes: Stahl-Aus­sen­haut Repa­ra­tur, Kon­ser­vie­rung Rumpf und Innen­räume-Sanie­rung / Antriebs­tech­nik: Welle, Antrieb, Ruder-Anlage, Bug­strah­ler / Tech­nik: neuer Gene­ra­tor, neue elek­tri­sche Ver­tei­lung, Erneue­rung Lenz­an­lage, Erneue­rung Trink- und Abwas­ser­an­lage, neue Hei­zung, Brand­schutz und Iso­la­tion auf neu­es­tem Stand, neue Anker­an­lage / Sanie­rung Auf­bau und Dach: Sanie­rung Fens­ter, Sanie­rung Dach, GFK-Auf­bau / Steu­er­haus-Deck: Erneue­rung Holz­deck, Wet­ter­schutz Wind­stieg, neue WC-Anlage / Neuer Farb­an­strich gesam­tes Schiff / Aus­rüs­tung: neue Navi­ga­ti­ons­ge­räte, neues Radar­sys­tem, neue Audioanlage.

Quel­len

*) Liechti, Meis­ter, Gwer­der „Die Geschichte der Schif­fahrt auf den Jura­ge­wäs­sern“ (1982) Link

**) Inäb­nit „Bie­ler­see-Schiff­fahrts­ge­sell­schaft – Die Geschichte der Schiff­fahrt auf dem Bie­ler­see und der Aare“ (2015) Link

***) Video zur Ankunft des Schif­fes in der Schweiz: Link

Impres­sum

Bild 3 L. Ullmann

Text und übrige Bil­der H. Amstad (Bil­der 1 und 2 Samm­lung H. Amstad, aktua­li­siert 3.2021)

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