Das Dampf­schiff-Denkmal Wilhelm Tell: 50 Jahre schwim­mendes Restaurant in Luzern

DS Wilhelm Tell ist ein sym­bol­träch­tiges Schiff: Es erinnert an den Start der Volks­be­wegung „Rettet die Vier­wald­stät­tersee-Rad­dampfer“ von 1970 nach der über­ra­schenden Aus­ser­dienst­stellung des Dampfers. Die damalige regionale Zeitung LNN (Luzerner Neuste Nach­richten) brachte innert eines Monates 15 146 Protest-Unter­schriften zusammen, die am 18. Oktober, am letzten Damp­fertag der Saison, der SGV über­reicht wurden1. Auch ich wei­belte im Freundes- und Bekann­ten­kreis und war in erster Linie begeistert, dass endlich auch die Schiff­fahrt in den Fokus des öffent­lichen Inter­esses gelangte. Die damalige SGV-Führung unter ihrem Direktor Emil Schacher nahm zwar das Unter­schrif­ten­paket ent­gegen, war sich aber ihrer eigenen Argu­men­tation sicher und ver­wei­gerte für längere Zeit einen ernst­haften Dialog2. Gleich­zeitig legten sie einen wei­teren Neubau, die „MS 44“, auf Kiel, die wie die „Gotthard“ (der Ersatz für DS Tell) 1 200 Per­sonen auf­nehmen soll… Das Signal war klar: Ein wei­terer Rad­dampfer wird daran glauben müssen.

Ursprünglich ging es der Dampfer­ret­tungs-Bewegung darum, explizit alle sechs Rad­dampfer zu erhalten. Im April 1971 wurde unter dem Prä­si­denten Dr. Hermann Heller zu diesem Zweck ein breit abge­stütztes Akti­ons­ko­mitee gegründet3. Anfänglich ver­suchte man es mit poli­ti­schen Mitteln in Form von Motionen und Inter­pel­la­tionen4. Diese kamen aber für die «Wilhelm Tell» zu spät, denn Ende 1971 hiess es, dieser Rad­dampfer werde ein schwim­mendes Restaurant am Schwei­zer­hofquai in Luzern. Um diesen Miss­erfolg etwas abzu­schwächen, schrieb die LNN in ihrem Lead: „Beim Umbau sollen am Schiff selber nur die not­wen­digsten Ver­än­de­rungen vor­ge­nommen werden. Damit wird DS Wilhelm Tell gleich­zeitig zum Dampf­schiff-Restaurant und Dampf­schiff-Denkmal“. Käufer war der ehe­malige SGV-Ange­stellte Eduard Räber (*1935 – 2014), der bis anhin das Restaurant Regatta am Rotsee betrieb.

Umso klarer war es dann für Hermann Heller, sich mit „Kopf und Kragen“ für den Erhalt des nächsten „Todes­kan­di­daten“ ein­zu­setzen. So wurde die „Unter­walden“ zum “Kampf­objekt“ der Damp­fer­freunde, denn auch dieser Rad­dampfer wurde zwei Jahre später aus­ran­giert und das MS 44 auf den Namen „Unter­walden“ getauft. Die „Wilhelm Tell“ mussten die 1972 gegrün­deten Damp­fer­freunde also „auf­ge­geben“, doch für den „Rost­haufen“ (Zitat Anton Räber, Schiff­fahrts­kenner und CVP-Par­tei­gänger) Unter­walden setzte der damalige liberale Lokal­po­li­tiker Herrmann Heller alles in die poli­tische, finan­zielle und emo­tionale Schale. Zwi­schen­zeitlich sah es 1976 aber schlecht aus: Damp­fer­freunde und SGV einigten sich auf den Erhalt von vier Rad­dampfern. Anhal­tende Pro­teste ermun­terten aber Herrmann Heller, ein Jahr später mit einem Husa­ren­stück die Aus­gangslage kom­plett zu kehren: Eine anste­hende SGV-Akti­en­er­höhung zur Finan­zierung des Werft­neu­baues wurde mit der Mög­lichkeit gekoppelt, diese Finanz­be­schaffung finan­ziell zu über­ziehen5. Diese Taktik wurde von der CVP-domi­nierten SGV-Führung6 unter­schätzt. Dem libe­ralen (heute FDP-) Poli­tiker Heller ging es dabei aber nicht nur um die schönen Rad­dampfer, sondern auch darum, die CVP-Dominanz des Unter­nehmens SGV mit­tel­fristig zu stürmen.

Zurück in die Anfän­gerzeit der Damp­fer­be­wegung: Als Chef­re­daktor des Luzerner Tag­blattes hatte Heller auch aus­ge­zeichnete Bezie­hungen zu den natio­nalen Medien und setzte nun für das Erreichen seiner Ziele auf die mediale Macht. Am 5. Sep­tember 1972 wird „sein“ Verein der Damp­fer­freunde gegründet und bereits wenige Wochen später ver­zeichnete er einen wei­teren medialen Höhe­punkt: Die beliebte Samstag-Abend-Sendung des Schweizer Fern­sehen «Grüezi Mit­enand» mit Ros­marie Pfluger und Kurt Felix wurde zum „Stras­sen­feger“ und tags darauf am 1. Oktober wurden die Vier­wald­stät­tersee-Dampfer trotz dichtem Nebel und kühlen Tem­pe­ra­turen rich­tig­gehend gestürmt. Spe­ziell die „Schiller“ war drei Mal mit «der Ladung» (von damals noch 1000 Per­sonen) ab Küss­nacht losgefahren.

  1. Mai 1972: Eröffnung des Denk­mal­dampf­schiffes Wilhelm Tell

Luzern wähnte sich trotz der „bit­teren Kröte“, dass nun die «Tell» ohne Kessel und mit 40 Tonnen Beton im Bauch nicht mehr zum Fahren kam, in Fest­laune, als der damals erst 64-jährige Rad­dampfer sich nach 13 800 Umbau-Arbeits­stunden in ein schwim­mendes Restaurant ver­wandelt hatte und am 12. Mai 1972 ein­ge­weiht wurde. Der feder­füh­rende Architekt Hans Bussmann sagte gegenüber den Medien: „Im Wilhelm Tell haben 500 Gäste Platz, unter­teilt in vier Restau­rants, dar­unter eine Dis­kothek mit 80 Plätzen und dem Belle-Époque-Salon mit 90 Sitz­plätzen.“ Und der Inhaber Eduard Räber erwähnt am Eröff­nungstag, in Kapi­täns­uniform gekleidet, nicht ohne Stolz eine damals (noch) nicht selbst­ver­ständ­liche Errun­gen­schaft: „Sämt­liche Abwasser werden direkt dem ARA-Sam­mel­kanal zuge­führt.“ Die LNN titelt: „Wilhelm Tell dampft nur noch in der Küche“. Das „Vaterland“ meint unter dem Titel „Luzern hat seinen Kotelett-Dampfer“, die Spei­se­karte falle „abson­der­licher Weise nicht aus dem Rahmen üblicher Luzerner Restau­rants“. Der Kor­re­spondent «go» lobt aber, dass „das Hoch­dorfer Bier nicht teurer ist als anderswo“ und dass der Kaffee „nicht nach Salz­wasser schmeckt“. Ob er wusste, dass der Vier­wald­stät­tersee ein Süss­wasser-Gewässer ist?

In den ver­gan­genen 50 Jahren hat sich das schwim­mende Restaurant stetig ver­ändert. Die Dis­kothek ist heute ein Fondue-Stübli, das herr­liche Vordeck-Son­nendeck mit Zeltb­lachen völlig ein­ge­haust und das Schiff wirkt mit den Wer­be­bannern (die auf der kürzlich statt­ge­fun­denen Werft-Über­fahrt alle weg waren) etwas ver­un­staltet. Dabei hat alles viel ver­spre­chend ange­fangen: Im Kauf­vertrag der SGV an Eduard Räber steht die Ver­pflichtung, dass das Schiff äus­serlich mit Aus­nahme einer «gut gestal­teten Oberdeck-Ver­glasung unver­ändert» und die Maschine in ihren sicht­baren Teilen erhalten bleiben soll7 . Der Architekt Hans Bussmann schrieb in einer Public-Reportage anlässlich des Damp­fer­tages vom 1. Oktober 1972: «Herr Räber hofft, mittels eines spe­zi­ellen Antriebes die Maschine mit ihren Schaufeln und Kolben wieder in Betrieb setzen zu können. Das Laufen der Maschine in der natür­lichen alten Funktion ist sicher eine Attraktion.»

Ziel: Wieder eine Augenweide

Wer ist 50 Jahre später zuständig für die denk­mal­pfle­ge­ri­schen Anliegen von DS Wilhelm Tell? Wie könnten «emo­tional-wir­kende» Inter­ven­tionen finan­ziert werden? Ich fragte zuerst den Inhaber des Schiffes, Eduard Räber (jun.). Er ant­wortet: «Mit den uns zu Ver­fügung ste­henden finan­zi­ellen Mitteln, die einzig aus der Gas­tro­nomie stammen, sind wir bestrebt, das Schiff so gut wie möglich im Schuss zu halten. Wir haben das ganze Jahr eine Voll­zeit­kraft ange­stellt, die nur für den Unterhalt zuständig ist.» Er wäre offen für optische Ver­bes­se­rungen, die extern finan­ziert würden. Die Denk­mal­pflege des Kantons Luzern sieht sich indes nicht in der Pflicht. Die Denk­mal­pfle­gerin Cony Grü­nen­felder schreibt dazu: «Auf­grund ihrer beschränkten finan­zi­ellen und per­so­nellen Res­sourcen ist die kan­tonale Denk­mal­pflege gefordert, Prio­ri­täten zu setzen. Sie kon­zen­triert sich bei ihrem Enga­gement auf die noch fahr­tüchtige Dampf­schiff-Flotte der SGV. Die fünf Dampf­schiffe Uri, Unter­walden, Schiller, Gallia und Stadt Luzern sind als Kul­tur­denkmal von natio­naler Bedeutung ein­ge­stuft. Das ehe­malige DS Wilhelm Tell hin­gegen ist nicht auf­ge­führt, da der Denk­malwert (durch die Umbauten, Anm. HA) stark redu­ziert ist. Diese Tat­sache recht­fertigt die Prio­ri­tä­ten­setzung der kan­to­nalen Denk­mal­pflege auf die fünf noch fahr­tüch­tigen Dampfschiffe.»

Ein Blick ins Schwei­ze­rische Kul­tur­gü­ter­schutz­in­ventar des Bun­desamts für Bevöl­ke­rungs­schutz zeigt aller­dings ein anderes Bild. Dort ist DS Wihelm Tell als B‑Objekt (B = regionale Bedeutung) auf­ge­führt7 und somit vor­rangig einen Schutz­status besitzt. Müsste nicht auch die Stadt­bau­kom­mission Luzern ein Interesse haben, dass an dieser pro­mi­nen­testen Lage der Stadt auch die äus­ser­liche Erscheinung sich har­mo­nisch ins Stadtbild optimal ein­passt? Roman Brunner, Team­leiter der Denk­mal­pflege und des Kul­tur­gü­ter­schutzes der Stadt Luzern drückt sich diplo­ma­tisch aus: eine Ver­bes­serung des Stadt­bildes sei nicht nur eine Frage äus­ser­licher Ele­mente sondern der Lage des Schiffes grundsätzlich.

2023 wieder auf Fahrt

Am 11. März 2023 erreichte die «Wilhelm Tell» nach ihrem 32-tägigen Werft­auf­enthalt auf dem Schwimmdock der Shiptec wieder ihren seit 50 Jahren ange­stammten Platz. Aus­ge­rechnet jenes Schiff, das den Rad­dampfer 1970 aus dem Verkehr ver­drängte, ermög­lichte der fahr­un­fä­higen «Tell» die See­über­querung – ob dabei das MS Gotthard allen­falls Schuld­ge­fühle habe, fragte sich beim Betrachten des Geschehens ein damp­fer­freund­licher Zuschauer… Auf der Hin­fahrt nahm MS Wald­stätter den Rad­dampfer an seine «Brust» und manö­vrierte während rund ein­einhalb Stunden auch diese Fahrt ohne Zwi­schen­fälle. Auch Benj Schacht, heu­tiger Betriebs­leiter der Schiff­fahrt auf den Zuger Seen, war früh­morgens unter den Zuschauern und erinnert sich gut an das letzte solche Manöver vor 14 Jahren, weil er damals als ver­ant­wort­licher SGV-Schiffs­führer das Manöver leitete.

Dies war die fünfte Revision seit 1972. Schiffs­in­haber Eduard Räber zur Schiffs-Agentur: «Am Rumpf werden im Unter­wasser-Bereich an gewissen Stellen Bleche ersetzt, aus­ge­wechselt und anschliessend wieder gestrichen. Im Innen­be­reich wird nur hinter den Kulissen reno­viert. Aussen gibt es keine sicht­baren Ver­än­de­rungen.» Wie sieht die Zukunft aus? Die nächste Räber-Gene­ration sei bereits in den „Start-Löchern“, zeigt sich Räber opti­mis­tisch: «Die ältere Tochter macht nun eine Aus­bildung in der Gas­tro­nomie.» Etwas Sorgen macht Eduard Räber hin­gegen der Bau des Durch­gang­bahn­hofes Luzern, wobei das Schiff ver­setzt werden müsste. Stand heute wird die Zufahrt zum neuen Bahnhof im Tagbau9 erstellt und direkt unter dem Standort des DS Wilhelm Tell (und der SGV-Brücke 3 am 350 m gegen­über­lie­genden Ufer) zu liegen kommen. Der geplante Bau­start ist frü­hestens für das Jahr 2031 vor­ge­sehen. Räber: «Ein mög­licher Ersatz­standort ist die Lan­dungssteg 10 vor dem Pavillon am Natio­nalquai; dieser Steg gehört der Stadt.».

Die „Wilhelm Tell“ ist am Vor­abend des Transfers bereit für die Über­fahrt ans andere Ufer. So ohne Rekla­me­bänder und ‑schriften sieht das Schiff hübsch aus; man stelle sich noch die dunklen Masten in Ori­gi­nal­grösse vor…

Aus eigener (Dampf-) Kraft war die „Tell“ bis zum 4. Oktober 1970 unterwegs.

Nach dem Umbau in ein Restaurant verlor das Schiff den Dampf­kessel; Maschine, Schau­fel­räder und dampf­schiff­ty­pische Acces­soires blieben erhalten.

Am 8. Februar 2023 schiebt die „Wald­stätter“ die „Wilhelm Tell“ von ihrem ange­stammten Platz am Schwei­zer­hofquai zur Shiptec-Werft der SGV.

Eine günstige Foto­grafier-Position ermög­licht eine spe­zielle Sicht auf den 6. Rad­dampfer und erweckt so den Ein­druck, dass dieser selb­ständig über den Vier­wald­stät­tersee fahre…

Idyl­lisch gleitet der Dampfer im Tandem über das Luzerner Seebecken.

Für einige Wochen auf dem Schwimmdock im Tro­ckenen: Scha­len­kon­trolle, Unter­was­ser­re­vision und behörd­liche Abnahmen ermög­lichen im Anschluss wieder rund 10 Jahre Schwimm­fä­higkeit des beliebten Seerestaurants.

Am 11. März 2023 heisst es für den ex-Dampfer Wilhelm Tell: «Zurück zum Stand­platz», begleitet durch MS Gotthard.

Bilder im Textteil: 1. Klass-Salon vom Dampfer Wilhelm Tell in heu­tiger Aus­führung / Die ehe­malige düstere Kajüte prä­sen­tiert sich heute als ein­la­dendes Fonduestübli.

Zwei ele­gante Schiffe am 8. Februar 2023 im Luzerner See­becken unterwegs, einmal backbord‑, einmal steu­er­bord­seits betrachtet.

6 Kamine hat das Bild: für kurze Zeit lebt die ursprüng­liche Absicht der Damp­fer­freunde aus der Grün­derzeit wieder auf…

Win­ter­dampf auf dem Vier­wald­stät­tersee: Schnee­ge­stöber beim Wechsel vom linken zum rechten Ufer des Luzerner Seebeckens

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Hin­weise

1) Bereits einen Tag später ver­meldete die LNN den neuen Stand der Unter­schriften: 18 250. Am 24. Oktober kam die zwan­zig­tau­sendste Unter­schrift, sie kam aus Holland. Bis zum Frühling 1971 waren es dann 25 000, danach wurde auf­gehört zu zählen. Die Presse berichtete weltweit über diese Aktion.

2) Im Geschäfts­be­richt der SGV von 1969 ist unter dem Titel „Die Zukunft gehört dem Motor­schiff“ zu lesen, dass bis in 15 Jahren fünf weitere Motor­schiffe von der Grösse der „Gotthard“ (Ersatz­schiff für die „Wilhelm Tell“) gebaut werden und „die beiden Vete­ranen Gallia und Stadt Luzern sollen als Zeit­zeuge ver­gan­gener Dampf­schif­fro­mantik auch künf­tigen Gene­ra­tionen erhalten bleiben.“ Der Geschäfts­be­richt macht auch einen Blick in die Zukunft, ins Jahr 2000 oder gar 2020: „Werden Trag­flügel- oder Luft­kis­sen­boote dazu gehören? Oder atom­ge­triebene Schiffe?“

3) Als dann 1976 das MS 44 mit dem Namen Unter­walden getauft wurde, gab es in der Taktik der Dampf­rer­freunde einen Dämpfer: Der Name wurde in gegen­sei­tiger Absprache zwi­schen dem Ver­wal­tungsrat der SGV (Alphons Egli) und der Damp­fer­freunde (Herrmann Heller) fest­gelegt, wie ein Zei­tungs­be­richt vom 23. April 1976 offen­legte. Eine zwi­schen­zeitlich gel­tende Abma­chung zwi­schen den Par­teien war nun, dass die SGV vier (statt zwei) Dampfer behält und die Damp­fer­freunde im Gegenzug auf das Dampf­schiff Unter­walden ver­zichten. Es kam dann anders, wie die Geschichte zeigt.

4) An einer aus­ser­or­dent­lichen Session des Luzerner Grossen Rates stand am 6.6.1971 die Inter­pel­lation von Alfred R. Becker (LdU) zu Fragen der Damp­fe­rer­haltung zur Behandlung. Dabei sagte er: „Der tou­ris­tische Stel­lenwert der Rad­dampfer muss besser akti­viert werden. Dies stellt natürlich gewisse Anfor­de­rungen an die Fan­tasie der SGV-Manager und ihrer pro­pa­gan­dis­ti­schen Berater.“ SGV-Direktor E. Schacher (Volks­partei, später CVP und heute „Die Mitte“ genannt) kon­terte: „Eine Attraktion ist umso grösser, je sel­tener das Objekt ist.“ Worauf Migros-Direktor Rudolf Weber (LdU) meinte: „Über­geben Sie uns den Laden für ein Pro­bejahr und gehen Sie in der Zwi­schenzeit an den Mis­sis­sippi, dort weiss man, was die Dampfer wert sind.“

Auch die städ­tische Politik beschäf­tigte sich am 21.2.1972 mit der Damp­fe­rer­hal­tungs­frage, wozu die beiden Sozi­al­de­mo­kraten Julius Schmid und Franz Lötscher eine ent­spre­chende Motion ein­reichten. Obwohl der damalige Stadt­prä­sident HRM (Hans Rudolf Meyer) wie Hermann Heller der libe­ralen Partei ange­hörte, schlug sein Herz für die (CVP-nahe) SGV: „Es ist unbe­streitbar, dass die Betriebs­kosten eines Dampfers rund doppelt so hoch zu stehen kommen wie die­je­nigen der Motor­schiffe. Schliesslich haben sich die SGV bereit erklärt, jedes aus­ran­gierte Dampf­schiff als Restaurant in die See­ge­meinden zu ver­äussern.“ Mit dem war R. Kopp (inter­es­san­ter­weise von der Volks­partei) nicht ein­ver­standen: „Wir werden in zehn Jahren wissen, wie wertvoll diese Rad­dampfer sind.“ Heller ver­stand die Welt nicht mehr und es zeigte sich einmal mehr, dass er und HRM Rivalen in der eigenen Partei waren.

5) Der legendäre Akti­en­dampfer Schiller legte am Samstag, 6. Juni 1977 in Flüelen los und sam­melte von Gemeinde zu Gemeinde die gezeich­neten Aktien ein, begleitet durch eine mediales Gross­auf­gebot, das unter anderem darin bestand, dass das damalige 1. Pro­gramm des Schweizer Radios während Stunden live berichtete. Als der Dampfer Schiller in Luzern anlegte, waren die Aktien der­massen über­zeichnet, dass die Damp­fer­freunde die Akti­en­mehrheit bekamen. Ein Schock für die damalige SGV-Crew. Bald darauf gab die SGV-Führung den Kampf auf und aner­kannte die neuen Machtverhältnisse.

6) Mir haben alt­ge­diente SGV-Ange­stellte in den Sieb­zi­ger­jahren erzählt, dass, wer Vier­wald­stät­tersee-Kapitän werden wollte, demons­trativ sonn­täg­liche Got­tes­dienste in jener Stadt Luzerner Kirche zu besuchen hatten, in der auch der Direktor ein- und ausging.

9) Es ist vor­ge­sehen, die See­querung mittels Senk­brun­nen­ver­fahren (Caisson) zu rea­li­sieren. Dabei werden die Tun­nel­ele­mente in Etappen innerhalb von Fan­ge­dämmen auf dem tro­cken­ge­legten See­grund erstellt, abge­senkt, nach­träglich mit­ein­ander ver­bunden und anschliessend mit einer Innen­schale ver­kleidet. Zwi­schen den Tun­nel­ele­menten und der Ver­kleidung wird eine Abdichtung verlegt. Die See­querung kommt auf vor­gängig erstellte Pfähle zu liegen.

Quellen

7) J. Meister/​J. Gwerder, Die Geschichte der Schiff­fahrt auf dem Vier­wald­stät­tersee, 2022, S. 333

8) Inventar 2021: Link

Weiter im Text

Ein paar Zitate aus den Tages­zei­tungen von damals: „Tell, mit der ruhigsten Maschine des ganzen Sees, soll sterben, während die ‘Titlis’ und ‘Wald­stätter’ den Fahr­gästen Kopfweh machen?“, Leser­brief von K. St. aus Luzern vom 9.10.1970. „Für die Damp­fer­freunde ist das Dampf­schiff ein Wunder, das man nicht dem Kugel­schreiber des Buch­halters opfern darf.“ h.f vom Badener Tag­blatt vom 18.10.1970

Ein paar Wirte möchten das Schiff (gemeint die „Tell“, HA), freilich mit her­aus­ge­schweisstem Kessel und somit kas­triert, am Luzerner Seeufer anbinden und als Restaurant benützen“ A.R. Wepf im Luzerner Tag­blatt vom 30.4.1971

Falls eines Tages doch auch die letzten Dampf­schiffe nicht mehr fahren sollten, bliebe wenigstens die ‚Wilhelm Tell‘ als Denkmal jener Damp­fer­epoche übrig!“ B. in der LNN vom 23.12.1971

Muss man da noch fragen, wieso das Volk sich zu den stim­mungs­vollen Rad­dampfern hin­ge­zogen fühlt, wenn das Pan­zerboot Wald­stätter ver­schämt neben der stolzen „Stadt Luzern“ steht?“ Werner P. Wyler LNN vom 2.10.1972

Impressum

Text H. Amstad

Bilder: 1 Emanuel Ammon/​AURA, 2 Sammlung H. Amstad, 3 S. Cat­taneo, 4 und 6 M. Fröhlich, 5 und 7 H. Amstad, 8 H. Eichenberger

Bilder im Textteil: 1 und 2 E. Räber, 3 H. Amstad, 4 Y. Schei­willer, 5 H. Eichenberger

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