Der SGV-Nauen Rüte­nen mit ein­zig­ar­ti­gem Antrieb nur noch als Güter­schiff unterwegs

Auf vie­len Gewäs­sern der Schweiz wer­den Nauen oder Ledi­schiffe nebst dem Güter­trans­port auch für Fest­an­lässe, Per­so­nen­trans­port, Hoch­zei­ten oder als Dis­co­schiff ein­ge­setzt. Statt Kies oder Sand zu trans­por­tie­ren kann man auf die­sen Güter­schif­fen auch fröh­li­che Feste fei­ern. Die für 40 Ton­nen Mate­rial oder 60 Pas­sa­giere zuge­las­sene „Rüte­nen“ hat sich her­vor­ra­gend für Fest­an­lässe geeig­net. Selbst ein Grill war an Deck und der Wel­len­ge­ne­ra­tor gab gerade genü­gend Strom für 2 Kühl­ge­räte, Fest­be­leuch­tung und eine Kaf­fee­ma­schine ab. Die 1930 erbaute „Rüte­nen“ wurde auch für die belieb­ten Nauen-Wan­de­run­gen ein­ge­setzt. Das Schiff war zum Anle­gen nicht auf die übli­chen Kurs­schiff-Lan­dungs­brü­cken ange­wie­sen, es konnte fast über­all mit dem Bug zum Land hin fest­ge­macht wer­den. Damit konn­ten unbe­kannte Wan­der­rou­ten am See, wie etwa von der Unte­ren Nas nach Ennet­bür­gen oder die Ris­le­ten­schlucht bei Becken­ried ideal erschlos­sen wer­den. «Die zurück­keh­ren­den Wan­de­rer wur­den dann mit einem in gros­sen Kes­seln gekonnt gekoch­ten Risotto emp­fan­gen», schwärmt Emil Zuber, der die Nauen-Wan­de­run­gen zusam­men mit Peter Rüeg­ger ein­ge­führt und das 15-köp­fige Nauen-Team ehren­amt­lich orga­ni­siert hat. «Ich habe alle 80 Nauen-Wan­de­run­gen sel­ber geleitet.»

Ab dem 1. Januar 2015 hat sich nun aber lei­der die Bun­des-Gesetz­ge­bung für Güter­schiffe, wel­che vor­wie­gend zum gewerbs­mäs­si­gen Trans­port von über 12 Pas­sa­gie­ren benutzt wer­den, ver­schärft. Diese Schiffe, wel­che anstelle von Gütern mehr­heit­lich gemüt­li­che Gesell­schaf­ten trans­por­tie­ren haben sich nun gesetz­mäs­sig an die Auf­la­gen von Fahr­gast­schif­fen zu rich­ten. Um den stren­ge­ren Vor­schrif­ten Rech­nung zu tra­gen, müs­sen bei vie­len Güter­schif­fen nun ver­schie­dene Anpas­sungs­ar­bei­ten gemacht wer­den, zum Bei­spiel der Ein­bau von zusätz­li­chen Schott­wän­den. Die SGV-Geschäfts­lei­tung hat ent­schie­den, dass sich die Nach­rüs­tung bei der „Rüte­nen“ nicht mehr rech­net, zu viel Geld müsste inves­tiert werden.

Schade, damit ver­schwin­det ein ein­zig­ar­ti­ges Schiff vom See! Das Schiff wurde 1930 in der Has­ler Werft im Rotz­loch am Vier­wald­stätter­see für die Säge­rei Remigi Murer Becken­ried* erbaut und wurde nach der Ver­le­gung des Betriebs reno­va­ti­ons­be­dürf­tig an die SGV ver­schenkt. Nach einem Umbau 1985 wurde es bis 2014 auch für Per­so­nen­trans­porte benutzt. Das Schiff ist his­to­risch sehr wert­voll. Es ist das ein­zige Schwei­zer Fahr­gast­schiff mit einem Kit­chen-Antrieb. Die­ser ein­zig­ar­tige Antrieb wurde 1916 durch den bri­ti­schen Admi­ral Kit­chen erfun­den. Ohne Getriebe oder Ruder­an­lage kann bei gleich­blei­ben­der Moto­ren­dreh­zahl die Fahr­rich­tung wie auch Vor- und Rück­schub ver­än­dert wer­den, indem zwei Küchen­pfan­nen ähn­li­che Gebilde hin­ter dem Pro­pel­ler ver­scho­ben bezie­hungs­weise ver­schlos­sen wer­den kön­nen. Wenn diese ganz ver­schlos­sen sind, bil­det sich darin eine Umkehr­strö­mung, ähn­lich der Schub­um­kehr bei Jet-Antrieben**.

Als einer der weni­gen SGV-Schiffs­füh­rer, wel­che auf dem Schiff aus­ge­bil­det wur­den, freute ich mich jeweils sehr auf die­sem exo­ti­schen Schiff ein­ge­teilt zu wer­den. Auch wenn gele­gent­lich der Würst­chen­duft vom Grill an ein gemüt­li­ches Fest erin­nerte, war das Schiff sehr anspruchs­voll zu navi­gie­ren. Ein Blick ins Steu­er­haus des Schif­fes (Bild) zeigt, dass jeweils zwei Steu­er­rä­der bedient wer­den muss­ten. Das äus­sere Holz­rad bestimmte die Fahr­rich­tung und das innere Mes­sing­rad war für den Öff­nungs­win­kel der Kit­chen-Kap­pen und damit für den Vor­wärts- bzw. Rück­wärts­schub zustän­dig. Bedingt durch die Schub­um­kehr und den schwa­chen 110 PS Sau­rer Motor hatte das kleine Schiff einen lan­gen und über 45 Sekun­den dau­ern­den Brems­weg. Gerade bei gros­sem Ver­kehrs­auf­kom­men in der Luzer­ner See­bucht, wie etwa dem Blue Balls Fes­ti­val, wo manch­mal noch mor­gens um 2 Uhr fröh­li­che Motor­boot­fah­rer in Par­ty­laune knapp vor dem Bug vor­bei­kreuz­ten, kam ich an den bei­den mecha­ni­schen Steu­er­rä­dern ab und zu ziem­lich ins Schwitzen.

Die 30-jäh­rige Ära mit Fahr­gast­trans­por­ten ist nun vor­bei. Das Schiff wird auch in naher Zukunft bei der SGV benützt: Es ist jeweils in den Win­ter­mo­na­ten in der Werft mit einem gros­sen Tank aus­ge­rüs­tet und fährt von einem Kurs­schiff zum ande­ren. Die­ser Tank nimmt das Abwas­ser aus der Bilge auf, wel­ches bei der Schiffs-Scha­len­rei­ni­gung ent­steht. Die­ses kann anschlies­send fach­ge­recht ent­sorgt werden.

Der Nauen Rüte­nen, nach einem Wiler zwi­schen Becken­ried und der Ris­le­ten­schlucht benannt, hat als Per­so­nen­schiff ausgedient.

Zum Glück bleibt der heute ein­zig­ar­tige Nauen als SGV-Dienst­schiff erhalten.

Das Schiff hat zwei Steu­er­rä­der: mit dem äus­se­ren steu­ert der Schiffs­füh­rer, mit dem inne­ren öff­net und schliesst er die sog. Pfan­nen, die den Vor­wärts- und Rück­wärts­schub bestimmen.

Bil­der aus alten Zei­ten: Für die Säge­rei Murer ent­lädt die «Rüte­nen» ihre Pro­dukte in Füelen und lädt Stämme an einer Böschung.

Bil­der 1 und 3 T. Lot­ten­bach, Bil­der 6 und unten Ver­kehrs­haus der Schweiz/​R. Gwer­der, Text und übrige Bil­der M. Bisegger.

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Quel­len

*) Quelle Rolf Gwer­der „Nauen auf dem Vier­wald­stätter­see“ 2011

**) Funk­ti­ons­skiz­zen sind auf Wiki­pe­dia ersicht­lich: http://​en​.wiki​pe​dia​.org/​w​i​k​i​/​K​i​t​c​h​e​n​_​r​u​d​der

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