Ein Klarinetten-Virtuose, ein Konditor-Autor und ein Theater-Kunstschaffender: Apéro Fahrten 2016 MS Schwan
Am 19. Mai 2016 beginnt die 8. Jahresausgabe der Apéro Fahrten auf der «Schwan» mit dem in Unterägeri aufgewachsenen Musiker Dani Häusler. Einer der virtuosesten Klarinettenspieler der Schweiz brachte zusammen mit anderen Weggefährten, wie Markus Flückiger, die Schweizer Volksmusik in den Neunzigerjahren in «eine andere Liga». Dank ihnen ist heute die Volksmusik im 21. Jahrhundert angekommen und hat mit Elementen aus anderen Kulturen und des Rocks das definierte Korsett von Schottisch, Ländler und Marsch gesprengt. Das Traditionelle wird bei Dani Häusler durchaus geachtet und gepflegt, doch oft neu interpretiert, wie wir an Bord der «Schwan» eindrücklich hören können. Draussen prasselt der Regen gegen die Scheiben, drinnen lauschen die Gäste Dani Häusler und Florian Mächler (Gitarrenbegleitung) zu. Dani Häusler, die heute im Radio und Fernsehen bekannteste Stimme der Volksmusik, erzählt aus seinem vielfältigen Musikerleben.
Dani Häusler
Mitte der Neunzigerjahre hörte ich zufälligerweise am Radio das Hafenkonzert vom Bodensee, das jeweils am Sonntagmorgen auf SRF 1 ausgestrahlt wird. Den Schweizer Beitrag bestritt die Gruppe Pareglish. Ich legte den Frühstücks-Kaffeelöffel beiseite und war fasziniert von dieser Art Volksmusik; sowas hatte ich bislang noch nie gehört. Am andern Tag erzählte ich dies meinem Berufskollegen Geni Häusler und glaubte ihm damit etwas «Brandneues» zu erzählen, weil ich wusste, dass er sehr an Volksmusik interessiert war. Er aber schaute mich an und meinte mit berechtigtem Stolz in der Brust: «Das ist mein Sohn!». Später veränderte und modernisierte Dani Häusler mit den Hujässlern die Schweizer Volksmusik weiter.
Die Klarinette und die Schweizer Volksmusik haben Dani Häusler, seit er elfjährig war, nicht mehr losgelassen. 1994 schloss er das Lehr- und 1996 das Konzertreife-Diplom Klarinette mit Auszeichnung ab und war damit als 22-Jähriger bereits am Ende einer möglichen Musikerausbildung angelangt. Fortan setzte er den Massstab in Sachen Klarinetten-Virtuosität selbst, dies international. Als Interpret, Komponist, Arrangeur und Lehrer für alte und neue, traditionelle und experimentelle Volksmusik lebt er seine Berufung voll aus. Heute ist der zweifache Familienvater Redaktionsleiter Volksmusik bei Schweizer Radio SRF und seit 2007 auch Dozent an der Hochschule Luzern.
Thomas Brändle
Der zweite Event vom 16. Juni ist ebenfalls früh ausgebucht. Er wird erneut begleitet von Regen, steht wieder unter dem Steuer von René Simmen und hat eine wiederum höchst spannende Kulturpersönlichkeit an Bord: der ebenfalls von Unterägeri stammende Schriftsteller Thomas Brändle. Seine Bücher* erzählen Geschichten, die oft eine beklemmende Nähe zu realen Gegebenheiten haben. Aus aktuellem Anlass – parallel zu unserer Apéro Fahrt findet das EM-Fussballspiel Ukraine gegen Nordirland statt – liest er einige Abschnitte aus seinem Buch «Die Rote Karte» vor. Auf seinen ausgedehnten Südamerikareisen lernte er unter anderem auch die Machenschaften der FIFA und den Mechano der Schiedsrichter-Bestechungen kennen, die nun seinem Buch einen spannenden Rahmen geben.
In einer anderen Sequenz bekommen wir amüsante Kolumnen zu hören, die er ursprünglich für die Zeitschrift Panissimo des Schweizer Bäcker- und Konditorenverbandes geschrieben hat. «Kaffeeklatsch mit Koni Bärtschi» sind Kolumnen über einen Gastrokritiker, der jede Woche über Ereignisse schreibt, die er in Cafés, Bäckereien und Konditoreien beobachtet hat. Diese Geschichten haben einen direkten Zusammenhang mit seiner früheren Tätigkeit als gelernter Bäcker, Konditor- und Confiseur: Brändle führte von 2000 bis 2005 sein eigenes Café Brändle in Unterägeri. Seither hat er den beliebten Dorftreff verpachtet. Von 2002 bis 2010 sass Thomas Brändle als FDP-Vertreter im Zuger Kantonsrat: „Freisinnige streben nach freien Sinnen; frei von Ideologie, Doktrin, Vorurteil, Angst, Zwang, Fremdbestimmung und anderen menschlichen Verirrungen. Sie denken, sprechen, schreiben und handeln freisinnig, haben Gemeinsinn, ein positives Menschenbild und natürlich Humor.»
So geht Brändle in seinem Buch «Armaturen aus Plastik» scheinbar kuriosen Fragen nach wie: «Wieso heiraten Scheidungsanwälte? Gibt es genügend Lesende für all die Schreibenden? Was, wenn der Tafelmajor die Braut immer noch liebt? Sollten Seitensprünge nicht frontal angegangen werden? Was kann maskuliner sein als Küchen ohne Frauen? Sollte man Traumfrauen tagsüber aus dem Weg gehen? Was machen Rüstungskonzerne zwischen den Kriegen?» Viele und ähnliche Fragen stellt man sich im Laufe seines Lebens. Brändle: «Nur Humoristen und Satiriker kommen einer Antwort am nächsten.» Auf MS Schwan kommt er nahe ans Publikum, seine Geschichten kommen gut an, auch die sympathische Art des Autors.
Beat O. Iten
Beat Iten gibt es viele im Kanton Zug, wie zum Beispiel den SP-Politiker aus dem Ägerital, weshalb unser heutige Schwan-Gast zu seinem Namen noch ein «O» wie Oskar einschiebt: Beat O. Iten. Der bald 75-jährige ist im Zugerland bekannt als Galerist, Kunstschaffender und Rahmenmacher. Aber eigentlich wäre Iten am liebsten Schauspieler geworden: «Viele Jahre spielte ich auf der Bühne mit, führte Regie und baute Bühnenbilder.» Bereits in der Jungwacht sammelte er bei Aufführungen erste Theatererfahrungen. In der Sekundarschule folgte dann 1958 die erste tragende Rolle im Stück «Zwei Königskinder». Er hätte gerne die Schauspielschule besucht. Seine Eltern waren aber der Meinung, dass Schauspieler ein brotloser Beruf sei. Deshalb begann Beat O. Iten eine Lehre als Maschinenzeichner in der Landis & Gyr. «Mich heds aber a‑gschiesse», stellt Iten beherzt rückblickend fest. So tat er alles, um davon loszukommen. Ausgerechnet sein «Lehrlingsvater» konnte Itens Eltern überzeigen, dass Beat nach einem Jahr L&G in den Vorkurs der Kunstgewerbeschule Luzern eintreten konnte. Danach hiess es wieder «Endstation», da ihm die Fortsetzung in den Hauptkurs verwehrt blieb. Beat O. Iten nutzte ein Zwischenjahr, um im Auftrag des bekannten Zuger Künstlers Johnny Potthof zwei Mosaike im Schulhaus Städtli in Cham und an der Gewerbeschule Zug zu realisieren.
Seinen Fähigkeitsausweis zum Grafiker erlangte Beat O. Iten dann 1964 in Zürich, wo er sein künstlerisches Können 13 Jahre lang in einem Atelier am Limmatquai auslebte. 1977 kehrte in den Kanton Zug nach Baar zurück und eröffnete gleichzeitig in Zug die Galerie Kolin. «Meine erste Ausstellung zeigte Werke der Zuger Grafiker-Grösse Walter Haettenschweiler. Bis 1991 präsentierte ich dort über 80 Künstlerinnen und Künstler.» Dann kam eine Neuorientierung; die Kolin-Galerie in Zug schloss. Beat O. Iten führt seither im Parterre ein Rahmenatelier, also seit genau 25 Jahren. «Und Annemie ist in mein Leben getreten,» erwähnt er verschmitzt. 2003 eröffnete er mit Bruno Scheuermeier zusammen erneut eine Galerie, die Kunststube A4.
Immer wieder zog es ihn zur Schauspielerei. «Drei Jahre lang war ich auf Tournee mit dem Gastspieltheater Zürich.» Seit 25 Jahren engagiert er sich am Kinder- und Jugendtheater Zug, dies in wechselnden Funktionen, heute im Leitungsteam. Auch als Bühnentechniker im Burgbachtheater Zug machte sich Beat O. Iten einen Namen. Dazwischen folgte ein Schauspieler-Gastspiel am Theater Luzern: «Dr. Faust». Iten: «Ab 2000 spielte ich im Zweijahre-Rhythmus Freilichttheater.» An die Höhepunkte wie «D Franzos im Ybrig» im Zurlaubenhof in Zug oder «Puck» im Chiemen am Zugersee erinnert er sich gut und gerne. Auch an Bord kommt auf unserer Fahrt vom 8. September 2016 sein schauspielerisches Talent voll zur Geltung: Er erzählt aus seinem Leben engagiert, fesselnd, gestikulierend und verständlich. Auf Wunsch des Gastes fährt Kapitän Marco Bisegger vor die Zuger Altstadt, so dass wir das Haus sehen können, wo Beat O. Iten aufgewachsen ist.
Schiffsführer René Simmen fährt die Gäste und die zwei Musiker Dani Häusler und Florian Mächler Richtung Chiemen.
Musikgenuss auf höchstem Niveau: Häusler vermag auch unser Publikum zu begeistern.
Er weiss viel aus seinem (auch musikalischen) Leben zu erzählen.
Der Autor Thomas Brändle liest aus seinem Roman «Die Rote Karte», während draussen der Regen aufs Schiff und auf die Scheiben prasselt.
MS Schwan bildet einen intimen Kleintheater-Rahmen, um Kulturpersönlichkeiten näher kennen zu lernen, wie hier Thomas Brändle.
Der Herbstanlass der Apéro Fahrten mit Zuger Kulturpersönlichkeiten fand dann unter Kaiserwetter stattt.
Beat O. Iten erzählt aus seinem Leben mit engagierter Körpersprache; nebst Kunstschaffender und Galerist ist er auch ein begnadeter Schauspieler.
«Dort in der Unteraltstadt von Zug bin ich aufgewachsen.»
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Hinweise
*) Unter anderem sind von ihm erschienen: «Das Geheimnis von Montreux» (2008), «Armaturen aus Plastik» (2009), «Präsenz markieren» (2010), «Vatikan City» (2011), «Die Rote Karte“ (2014), www.thomas-braendle.ch.
Impressum
Bild 6 A. Busslinger, Text und übrige Bilder H. Amstad
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