Fahrt auf dem ukrai­ni­schen Dni­pro: von der Lebens­ader zur Kampf­zone (Teil 2)

In Memo­riam an den ers­ten Jah­res­tag des ter­ri­to­ria­len Angrif­fes von Russ­land auf die Ukraine habe ich im ers­ten Teil des (B)Logbucheintrages die wirt­schaft­li­che und tou­ris­ti­sche Bedeu­tung des Flus­ses Dni­pro und des Schwar­zen Mee­res andeu­tungs­weise beschrie­ben. Kurz zusam­men­ge­fasst: 1823 fuhr im Gebiet von Kre­men­chuk ein ers­tes Dampf­schiff im Lokal­ver­kehr. Erst ab 1932 war der Dni­pro-Strom regu­liert und damit schiff­bar. 1978 wurde die letzte der sechs Stau­stu­fen mit Schleu­sen fer­tig­ge­stellt und ab dann auch für grosse Pas­sa­gier­schiffe von Kiew zum Schwar­zen Meer (Krim, Odessa, Donau­delta, Istan­bul) befahr­bar. Auf die Schiff­fahrt hat­ten die Auf­lö­sung der Sowjet­union und die Grün­dung der Ukraine im Jahr 1991 einen gewal­ti­gen Ein­fluss; die anschlies­sende Pri­va­ti­sie­rung zer­schlug die nau­ti­sche Logis­tik im Bereich des Waren- und Per­so­nen­trans­por­tes auf dem Dni­pro und die Flot­ten wur­den mehr­heit­lich in alle Him­mels­rich­tun­gen verscherbelt.

2014, 2018, 2022: Der 24. Februar 2022 geht ins kol­lek­tive Gedächt­nis von uns Euro­pä­ern ein, weil das geschieht, was wir vor­her ver­dräng­ten. Eigent­lich hat der Krieg aber schon im Jahr 2014 mit der Anne­xion der Halb­in­sel Krim durch Russ­land und mit der Sta­tio­nie­rung pro­rus­si­scher Sepa­ra­tis­ten im Don­bas begon­nen. 2018 besuchte ich wäh­rend drei Wochen das Land, im glei­chen Jahr eröff­ne­ten die Rus­sen die Brü­cke zwi­schen der Krim und ihrer Region Kras­no­dar im Osten der Krim. Im zwei­ten Teil des (B)Logbuch-Beitrages beschreibe ich die Schiff­fahrt von Kiew nach Ochakiv (Beginn des Schwar­zes Mee­res, 921 km nach Kiew), übers Schwarze Meer (wei­tere 229 km) bis nach Vyl­kove (Wil­kowa, Chi­lia-Arm der Donau) und ver­binde die dama­li­gen Beob­ach­tun­gen mit Gescheh­nis­sen von heute.

Fahrt süd­wärts

3. August 2018: Nach den ers­ten 148 km erreicht unser Hotel­schiff in Kaniv die erste Schleuse. Unter­halb die­ser Stau­mauer ist der Dni­pro für einige Kilo­me­ter natur­be­las­sen, d.h. er ist weder regu­liert noch in einen Stau­see inte­griert. 200 km nach Kiew ver­bin­det eine erste Brü­cke bei Cher­kasy (Tscher­kassy) die bei­den Fluss­ufer. Unser zwei­ter Schiffs-Rei­se­tag ist ein Fluss­tag. Was ich im Nor­mal­fall liebe, ist heute müh­sam: Die «Print­sesa Dni­pra» fährt mit dem Wind, sodass die schwüle, 32 Grad warme Luft mit uns fährt und den gan­zen Tag kei­nen küh­len­den Effekt erzeugt.

Umso mehr geniesse ich am drit­ten Tag bei einem län­ge­ren Halt im Zapo­rizhz­hia (Sapo­rischschja) ein küh­len­des Bad am herr­li­chen Sand­strand des Dni­pros. Der sie­ben­stün­dige Auf­ent­halt reicht auch für einen Stadt­bum­mel: Uralte Trol­ley­busse, breite Bou­le­vards, sowje­tisch-ori­en­tierte Archi­tek­tur fal­len ins Auge. Ange­spro­chen auf die ver­lot­terte Infra­struk­tur und den gros­sen Unter­schied zur Haupt­stadt erklärt mir die Rei­se­lei­te­rin Gala: «Die Städte- und Regio­nal­re­gie­run­gen haben eine grosse Auto­no­mie. Es gibt durch­aus Geld von der Zen­tral­re­gie­rung aus Kiew, aber oft ver­si­ckert die­ses im Sumpf der Kor­rup­tion und Vet­tern­wirt­schaft.» Sie ermun­tert mich, wei­tere Städte auf unse­rer Route zu beob­ach­ten. «Sie wer­den sehen, dass es auch andere Bei­spiele gibt». Spä­tes­tens auf der Rück­fahrt kann ich dies bestä­ti­gen: Kre­men­chuk zum Bei­spiel ist eine lebens­frohe und gut funk­tio­nie­rende Stadt, dazu spä­ter mehr.

Mir kommt am 6. August 2018, Tag 4 der Schiff­fahrt, eine von andern Gäs­ten mit­ge­brachte NZZ in die Hände, in der sich der ukrai­ni­scher Schrift­stel­ler Ser­hij Zha­dan ernst­hafte Gedan­ken macht zu sei­nem Land, wäh­rend kurz davor in Russ­land die Fuss­ball-WM mit einer Igno­ranz der übri­gen Welt über die Bühne lief, die mich heute erschau­dert: «Der Krieg zwi­schen der Ukraine und Russ­land, der jetzt schon vier Jahre dau­ert, ist längst kein Kon­flikt mehr, der sich auf den post­so­wje­ti­schen Raum beschränkt. Er hat das Gleich­ge­wicht in Europa bereits zer­stört. … Die Welt wird in die­sen Krieg hin­ein­ge­zo­gen, und sei es nur dadurch, dass sie ihn igno­riert. Der Preis für eine der­ar­tige Igno­ranz ist, dem Bösen das Recht ein­zu­räu­men, zu schal­ten, zu wal­ten und zu wach­sen.»1

Am Tag 4 fah­ren wir in Cher­son ab, glei­ten wäh­rend 19 Stun­den zuerst noch über das Dni­pro-Mün­dungs­ge­biet und dann bei Ochakiv über das Schwarze Meer, lin­ker Hand in 180 km Distanz die Krim. Die Brü­cke zu Russ­land ist im Osten der Halb­in­sel am 15. Mai 2014 eröff­net wor­den. Es macht sich eine gewisse Schwer­mü­tig­keit auf dem Schiff breit, als nach der Abfahrt die His­to­ri­ke­rin Vera in der Sky-Bar einen viel beach­te­ten Vor­trag über «Die Krim ges­tern und heute» hält. Die ukrai­ni­sche Bevöl­ke­rung ist poli­tisch hell­wach: «Wir sind alle poli­ti­siert. Daran gibt es kei­nen Zwei­fel. Man­che von uns sehen in der Poli­tik eine Lot­te­rie und hof­fen, dass ein glück­li­cher Wurf im Hand­um­dre­hen all unsere Pro­bleme löst.»

Fünf Jahre spä­ter: Heute ver­läuft auf den unters­ten 360 Fluss­ki­lo­me­tern des Dni­pros die Front zwi­schen der rus­si­schen Besat­zung und der rest­li­chen Ukraine; wie einst die Elbe (auf 94 km) zwi­schen Ost- und West­deutsch­land bil­det erneut ein Fluss eine unüber­wind­bare Grenze, es sei denn, die Rus­sen kön­nen wei­ter nach Wes­ten vor­stos­sen, oder die Ukrai­ner drän­gen sie zurück.

Eine öde Insel im Fokus der West-/Ost-Poli­tik

Nur wenige Kilo­me­ter, bevor die «Print­sesa Dni­pra» das Schwarze Meer ver­lässt und bald in einen Donau-Sei­ten­arm des Kilija-Zuflus­ses ein­fährt, pas­sie­ren wir die Schlan­gen­in­sel. Um das Eiland, wel­ches 10-mal klei­ner ist als Hel­go­land, wird seit 1948 inter­na­tio­nal gestrit­ten. Nach dem Zer­fall der Sowjet­union wird die Insel nach jah­re­lan­gen Ver­hand­lun­gen 2009 der Ukraine zuge­spro­chen. Schnitt 2022: Hier beginnt die neue Offen­sive der Rus­sen; sie neh­men am 24. Februar 2022 als Ers­tes mit dem Kreu­zer Moskwa und dem Patrouil­len­boot Was­si­lij Bykow diese stra­te­gi­sche Insel in Beschlag2. Nach­dem die Ver­bin­dung zu den ukrai­ni­schen Grenz­schutz- und Mili­tär­kräf­ten auf der Insel abge­bro­chen war, wurde am Abend ihre Erobe­rung durch Russ­land gemel­det. Ende Juni 2022 gelang es dem ukrai­ni­schen Mili­tär, die Insel wie­der zurückzuerobern.

Sze­nen­wech­sel 6. August 2018: Pira­ten­schmaus im Restau­rant mit ver­klei­de­ten Pas­sa­gie­ren, Nep­tun­fest in der Sky-Bar mit Pro­duk­tio­nen des Publi­kums. Wider­sprü­che gehö­ren zum Leben, man muss sie aus­hal­ten kön­nen, beson­ders auf die­ser Reise, wo so viel Schö­nes auf viel Leid, Prunk (Odessa) auf grosse Armut (Wil­kowa), unbe­rührte Natur auf tech­ni­schen Gigan­tis­mus, mensch­li­che Wärme auf Men­schen­han­del3 und starke ukrai­ni­sche Frei­heits­liebe auf bru­tale rus­si­sche Macht­an­sprü­che trifft. Trotz die­sem emo­tio­na­len Schlin­ger­kurs gelingt es den elf anwe­sen­den Schwei­ze­rin­nen und Schwei­zern sogar, eine Pro­duk­tion für das Nep­tun­fest ein­zu­stu­die­ren. An zwei Aben­den wird (unter­stützt mit je einer Fla­sche Wodka, spen­diert vom Italo-Wal­li­ser Moreno Sp.) auf dem Heck-Aus­sen­deck das «Buure­büebli» ein­stu­diert. Obwohl wir uns vor­her nicht kann­ten, gelang nicht nur eine unschwei­ze­risch-spon­tane Grup­pen­bil­dung, son­dern auch die Auf­füh­rung, sodass wir anschlies­send gefragt wur­den, ob wir auf dem Dni­pro einen Chor-Aus­flug machen würden…

Nun errei­chen wir auf der Rück­fahrt die berühmte Mil­lio­nen­stadt Odessa4. Ihr Image wird geprägt durch ihr kul­tu­rel­les Erbe (mit ent­spre­chen­den, wun­der­schö­nen Bau­ten) und durch end­los schei­nende Besat­zun­gen, Kriege und Gefan­ge­nen­la­ger. 2014 gab es hier blu­tige Stras­sen­kämpfe zwi­schen pro­rus­si­schen Anhän­gern und der ukrai­ni­schen Armee. Über die fast 200 Stu­fen der monu­men­ta­len potem­kin­schen Treppe gelangt man vom Hafen in die Stadt. Wegen Feri­en­ab­we­sen­heit des Bähn­lers fährt die dane­ben füh­rende Stand­seil­bahn heute nicht. Von Odessa aus lie­fen vor allem zur sowje­ti­schen Zeit sehr viele Urlaubs­schiffe aus. 2022: Wie kaum eine andere Stadt war Odessa vor dem Krieg pro­rus­sisch geprägt. Seit Putins Angriff ist alles anders: In der Stadt am Schwar­zen Meer wen­den sich auch die Rus­sisch­stäm­mi­gen von Russ­land ab.

Blick hin­ter die Kulisse

Der Schiffs­tag 8 ist ein Fluss­tag mit Kom­man­do­brü­cken- und Moto­ren­raum-Besich­ti­gung; Musse und Zeit, um in die Geschichte unse­res Schif­fes ein­zu­tau­chen. Schiff und Maschi­nen wur­den in Boi­zen­burg (vor­mals DDR), im Unter­lauf der Elbe, gleich an der Grenze zu Lau­en­burg gebaut. 2000 Arbei­ter waren in der dor­ti­gen Werft beschäf­tigt, sol­che gigan­ti­schen Schiffe für alle «Bru­der­staa­ten» der DDR zu bauen und zu lie­fern, vorab für die UdSSR. Die Trans­porte muss­ten jeweils über BRD-Gebiet erfol­gen; dies geschah jeweils nachts Rich­tung Ham­burg und Cux­ha­ven. Es konnte gut und gerne zwei Jahre dau­ern, bis jeweils ein Hotel­schiff sein Ziel­ge­wäs­ser erreicht hatte, vor allem, wenn die Reise über den Hohen Nor­den erfolgte und jeweils nur das eis­freie Som­mer­halb­jahr zur Ver­fü­gung stand. Die Ziele waren die Flüsse Wolga, Kama, Don, Amur und Dni­pro.4

Der Chef­ma­schi­nist erklärt sein weit­räu­mi­ges und lau­tes Reich, in dem rund um die Uhr drei Mann für das Bedie­nen und für den Unter­halt der ins­ge­samt 7 Die­sel­ma­schi­nen beschäf­tigt sind. «Jeder von uns ist 4 Stun­den im Dienst, gefolgt von 8 Stun­den Pause.» Das ergibt auf den Tag aus­ge­rech­net 8 Stun­den Arbeit, 8 Stun­den «Aus­gang» und 8 Stun­den Schlaf bei einem Mann­schafts­be­stand von 9 Mann plus Chef­ma­schi­nist. «Jeder der drei 1000-PS-Haupt­mo­to­ren braucht bei 16 km/​h5 Fahr­ge­schwin­dig­keit 110 l Die­sel in der Stunde.» Des­halb ist es nicht ver­wun­der­lich, dass das Schiff einen Kraft­stoff-Tank von 250 000 Litern braucht. Dazu kommt noch ein Trink­was­ser­tank von 200 000 Litern, wobei der Tages­ver­brauch bis zu 40 000 Litern betra­gen kann. So erstaunt es nicht, dass die Masse des Schif­fes rund 5 000 Ton­nen beträgt (Dépla­ce­ment 5 000 m3, im Ver­gleich DS Stadt Luzern 400 m3)

Hof­fen auf bes­sere Zeiten

Am 9. Rei­se­tag erreicht die «Print­sesa Dni­pra» die Stadt Kre­men­chuk (deutsch Kre­ment­schuk). Ich erin­nere mich an die Aus­sage der Rei­se­lei­te­rin, die Augen offen zu hal­ten und die gewal­ti­gen Unter­schiede der Orte zu erken­nen. Hier in Kre­men­chuk flies­sen offen­bar die Steu­er­gel­der nicht in irgend­wel­che Pri­vat­ta­schen, son­dern dort­hin, wo sie hin­ge­hö­ren. Moderne Trol­ley­busse brin­gen mich zum Bahn­hof. Ich fla­niere in der ein­la­den­den Lenin­strasse zur byzan­ti­ni­schen Kir­che und zurück durch sehr gepflegte Grün­an­la­gen und die gross­zü­gig ange­leg­ten, zehn Meter brei­ten, kilo­me­ter­lan­gen Quai-Anla­gen am Fluss über­ra­schen mich. Eine Stunde nach der Abfahrt beginnt nach der Schleuse Kre­men­chuk der gleich­na­mige Stau­see, der grösste sei­ner Art am Dni­pro. 150 km lang sowie bis 30 km breit ist der See und mit 2 200 km2 fast vier­mal so gross wie der Gen­fer­see. Der See wird für eine gewal­tige Strom­erzeu­gung genutzt, ist reich an Fischen und aus­ser­dem ein enor­mer Was­ser­spei­cher für die wei­ten Dür­re­ge­biete im Süden des Landes.

Beim letz­ten Stopp in Kaniv, 148 km vor Kiew, füh­ren 365 Stu­fen hin­auf zur Gedenk­stätte des ukrai­ni­schen Schrift­stel­lers Taras Schewtschenko. Das dor­tige Museum mit mehr als 2 500 Kunst­wer­ken ist ein schö­ner Aus­flugs­hü­gel mit Sicht auf den Dni­pro. Noch am glei­chen Abend errei­chen wir am 11. Rei­se­tag die ukrai­ni­sche Haupt­stadt und es gibt Gele­gen­heit, Rück­schau zu hal­ten: Wir waren 2 326 km mit der «Print­sesa Dni­pra» unter­wegs, wofür wir 140 Fahr­stun­den brauch­ten. Die Rei­se­ge­schwin­dig­keit von 16,6 km/​h ent­spricht ziem­lich dem mir vom Maschi­nis­ten erklär­ten Ziel. Weit ein­drück­li­cher als diese Zah­len sind die blei­ben­den Erin­ne­run­gen an Erleb­nisse und an ein Land, das sich nach Frie­den sehnt und in die­ser Zeit seine Iden­ti­tät fin­det. Hof­fen wir, es möge gelin­gen. Ich möchte es die­sem fas­zi­nie­ren­den Land von Her­zen gönnen.

MS Print­sesa Dni­pro im Hafen von Cherson

Der in der Archi­tek­tur defi­nierte Post­mo­der­nis­mus der 70er-Jahre prägte auch den Bau die­ser Schiffe. Dabei ver­band die prmäre Funk­tio­na­li­tät eine inter­es­san­ten Ästhe­tik, auf dem Bild eines der drei Trep­pen­häu­ser auf dem Vierdeckschiff.

Diese Form­spra­che zieht sich auch in den Gesell­schafts­räu­men durch: das Karge wird durch Herz­lich­keit der Besat­zung mehr als nur kompensiert.

Die Chef­kö­chin (Mitte) schart ein jun­ges Team um sich. Wer von ihnen ist heute im Krieg, geflüch­tet, ist arbeits­los oder bereits tot? Eine andere Mög­lich­keit sieht die ukrai­ni­sche Jugend zur­zeit nicht.

Die Dni­pro-Land­schaft ist geprägt durch breite Was­ser­flä­chen, frucht­bare Ufer­bö­den und einer medi­ta­ti­ven Weite.

Umso leben­di­ger und abwechs­lungs­rei­cher sind die Städte, die am Was­ser lie­gen. Heute aller­dings sind auch diese oft ent­völ­kert, durch Bom­ben beschä­digt oder blu­tig umkämpft. Das Sailor’s wife Monu­ment im Hafen von Odessa vom Bild­hauer Olek­sandr Tokarev erin­nert an alle gefal­le­nen See­leute, die nie mehr zurückkehren.

DDR-Tech­no­lo­gie der Sieb­zi­ger­jahre wirkt optisch museal, funk­tio­niert aber tadel­los und ist wegen der 100%-iger Mecha­nik reparaturfähig.

Drei sol­cher manns­ho­hen Lang­sam­läu­fer leis­ten 1000 PS pro Maschine, was einen Die­sel­ver­brauch von 110 l pro Stunde und Maschine nach sich zieht. Ab 20 km/​h über­tra­gen sich die Vibra­tio­nen aufs ganze Schiff.

Bil­der im Text­teil: Im Som­mer herrscht hier kon­ti­nen­ta­les Klima, wes­halb die Abend- und Mor­gen­stim­mun­gen zu den impo­san­ten Bor­d­er­leb­nis­sen gehören.

Das berühmte Opern­haus von Odessa ist ein opti­sches wie akus­ti­sches High­light der Reise und bie­tet Platz für 1633 Per­so­nen. Nebst dem noch heute funk­tio­nie­ren­den Kul­tur­be­trieb flüch­ten bei Bom­ben­alarm Schutz­be­dürf­tige ins Kulturhaus.

Die tech­ni­schen Daten der sechs Dni­pro-Schleu­sen nach Wikipedia

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Hin­weise

1) Darf man, soll man in Kriegs­län­der rei­sen? Diese Frage musste ich mir auch stel­len und die Ant­wort muss pri­mär unter mora­li­schen Gesichts­punk­ten betrach­tet wer­den und weni­ger aus dem Sicher­heits­aspekt. Wie dazu­mal im Jugo­sla­wi­en­krieg in den 1990er Jah­ren konnte man aus rei­nen Sicher­heits­grün­den nicht über­all hin­fah­ren, aber doch die meis­ten Bal­kan­län­der berei­sen. Ähn­lich ver­hielt es sich 2018, als es nicht emp­feh­lens­wert war, die Krim und den Don­bas zu besu­chen, das übrige Land aber sicher­heits­mäs­sig ohne Pro­bleme zu berei­sen war. Ethisch hin­ge­gen könnte die Ant­wort etwas kom­ple­xer aus­fal­len, aus­ser man ist, wie ich, prag­ma­tisch unter­wegs. So schrieb ich mir ins Rei­se­ta­ge­buch: «Es ist für mich gut, ein Land zu berei­sen, das meine und unsere Soli­da­ri­tät braucht und auf Devi­sen drin­gend ange­wie­sen ist. Täg­lich wird man mit dem Thema Krieg kon­fron­tiert und das ist gut so: Refle­xion hilft, Zusam­men­hänge zu erken­nen, sie macht sen­si­bel und schafft Ver­ständ­nis für ein Land und ein Volk, das immer wie­der hart gebeu­telt wurde, wie z.B. als 1932 bei einer Hun­gers­not, eine Folge von Miss­wirt­schaft und Lenins Bru­ta­li­tät, 6 Mil­lio­nen Ukrai­ner starben.»

3) Das ukrai­ni­sche Volk weiss Bescheid und macht sich Sor­gen: Es ver­schwin­den lt. offi­zi­el­len Anga­ben 100 000 Men­schen pro Jahr, unter ihnen viele Kin­der. Pro­sti­tu­tion, Organ­han­del und Adop­tion von Kin­dern für kin­der­lose Paare im Wes­ten sind die Gründe für die­sen Men­schen­han­del. Rei­se­lei­te­rin Gala: «Seit 20 Jah­ren müs­sen Eltern oder legi­ti­mierte Erwach­sene ihre Kin­der bis zum Alter von neun Jah­ren auf dem Schul­weg begleiten.»

4) Am 6. Rei­se­tag geniesse ich einen Bal­lett­abend im Opern­haus von Odessa (Bil­der im Text­teil). Der erste Teil mit «Les Syl­phi­des» vom rus­sisch-ame­ri­ka­ni­schen Cho­reo­gra­fen Michel Fokine (1880 – 1942), der als Musik Kla­vier­stü­cke von Fré­dé­ric Cho­pin aus­wählte, hat zwar viele gän­gige Melo­dien, mag mich aber nicht zu über­zeu­gen. Die Car­men-Suite nach der Pause ist dann umso gran­dio­ser: exo­tisch inter­pre­tiert, mit sehr viel Haut und sicht­ba­ren Mus­keln, schö­nem Büh­nen­bild und Welt­klasse-Tän­zer/in­nen. Die Wie­ner Archi­tek­ten Fell­ner und Hel­mer bau­ten 1884 bis 1887 die­sen Pracht­bau wie auch schon die Mai­län­der Skala. Der Saal bie­tet 1633 Plätze und ist berühmt für seine gute Akus­tik. Bei Bom­ben­alarm flüch­ten nun viele in die­ses Opern­haus, in der Hoff­nung, der Angrei­fer habe ein kul­tu­rel­les Gewissen…

5) Unsere «Print­sesa Dni­pra» wurde 1976 für die Wolga erbaut und hiess ursprüng­lich «Yev­geny Vuch­etich». Die Ortho­dox Cruise Com­pany ver­legte das Schiff 1991 auf den Dni­pro, Hei­mat­ha­fen Cher­son, wo es bis 1998 im Ein­satz stand. Dann stand das Schiff zwei Jahre still. Im Jahr 2000 wurde die heu­tige Ree­de­rei Cher­vona Ruta gegrün­det und das Schiff noch unter dem Ori­gi­nal­na­men Yev­geny Vuch­etich wie­der in Betrieb genom­men. 2003 kam eine erste grosse Reno­va­tion und das Schiff wurde in «Print­sesa Dni­pro» umge­tauft. Mit dem Kriegs­be­ginn und der Krim­krise 2014 blie­ben die Gäste aus, das Schiff wurde auf die Donau gebracht und das Enga­ge­ment von Hans Kauf­mann (Thurgau­Tra­vel) ret­tete die Ree­de­rei vor dem Kon­kurs. Seit 2017 wird der Dni­pro wie­der ganz befah­ren, ohne jedoch die Krim anzu­fah­ren. Ab 2022 geht gar nichts mehr. Die «Print­sesa Dni­pro» liegt in Kiew und war­tet auf bes­sere Zeiten.

6) Die drei Die­sel­mo­to­ren trei­ben bei 350 Umdrehungen/​Minute je eine Schiffs­schraube von 1,5 m Durch­mes­ser an. Es kann bis 25 km/​h7 gefah­ren wer­den, doch die Rei­se­ge­schwin­dig­keit setzt man auf 16 km/​h, um den Ener­gie­ver­brauch eini­ger­mas­sen im Griff zu haben. Andere techn. Daten: Bau­jahr 1976 als Bau-Nr. 328, 125 m L, 16,70 m B, 2,70 m T, 260 pax Tragkraft

7) Nachts fährt der Kapi­tän in vol­len Tou­ren, was er ver­mut­lich nicht dürfte, aber er meint, nachts sehe und merke es nie­mand. Dann beginnt das Schiff so zu vibrie­ren, dass man aus dem Schlaf gerüt­telt wird. Die tür­ki­sche Rei­se­gruppe ist an Bord der­mas­sen domi­nant, laut und schwie­rig, dass es die übri­gen Fahr­gäste irri­tiert. Zum Glück stei­gen sie am 6. Rei­se­tag aus und es kehrt erhol­same Ruhe ein. Die schönste Schleuse, jene von Nowaja Kachowka, pas­sie­ren wir lei­der auf bei­den Rou­ten nachts. Mir fal­len die über­durch­schnitt­lich guten Infor­ma­tio­nen auf dem Tages­pro­gramm auf. Das Schiff ist sehr sau­ber, es wird auf­fäl­lig viel gereinigt.

Quel­len

2) https://​de​.wiki​pe​dia​.org/​w​i​k​i​/​S​c​h​l​a​n​g​e​n​i​n​sel

Wei­ter im Text

Bericht aus dem Jahr 2015 über eine andere Fahrt mit der «Print­sesa Dni­pra»: Eine Woche Schiff­fahrts- und Natur­ge­nuss am Donau-Delta (Link)

Bericht über das Schiff «Print­sesa Dni­pra» (2015): MS Print­sesa Dni­pra – ein Mons­ter­schiff mit viel Charme (Link)

1. Teil des Rei­se­be­rich­tes 2018: Link

Impres­sum

Text und Bil­der H. Amstad

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