Geheimtipp Máchasee nördlich von Prag: Ein Teich, zwei Inseln, vier his­to­rische Schiffe.

Win­ter­monate eignen sich, mög­liche Schiffs­reisen für die kom­mende Saison zu planen und… auf die ver­gangene Schiff­fahrts­saison zurück­zu­blicken. Die Reise der Schiffs-Agentur im süd­lichen Teil der Tsche­cho­slo­wakei zum Bei­spiel bleibt mir in bester Erin­nerung. Ein Tages­ausflug führte unsere Rei­se­gruppe am 10. Juli 2017 zwei Zugs­stunden von Prag ent­fernt nach Doksy an den Máchasee. Von der Bahn­station waren es wenige Minuten zu fuss bis zum „Hafen“ der Máchasee-Flotte. Nebst unserem Kenner der tsche­chi­schen Schiff­fahrts­szene und Rei­se­leiter Fran­tišek Vichta gesellte sich hier ein anderer Bekannter der Szene zu uns: Michael Bor*. Er war u.a. anfangs der Neun­zi­ger­jahre Betriebs­leiter der PPS Prag und somit auch zuständig für die Máchasee-Schiff­fahrt. Er erzählt im Fol­genden die Geschichte dieser Schifffahrt:

Der Máchasee, auf tsche­chisch ‚Macho­vo­jezero’ genannt, wurde ursprünglich ganz lapidar als ‚grosser Teich’ benannt. Dies ist sehr treffend, denn es handelt sich tat­sächlich um eine Art Teich, mit zwei Bächen als Zuflüsse und einem künstlich ange­legten Abfluss (Bild). Angelegt wurde der Teich im Jahre 1366, wobei die Legende erzählt, dass der Auf­trag­geber Kaiser Karl IV selbst Hand angelegt haben soll beim Bau des kleinen Dammes.

Mit dem Auf­kommen des Tou­rismus wurde der ‚grosser Teich’ dann zum ‚Hirsch­ber­gersee’ befördert, benannt nach der nahe lie­genden könig­lichen Stadt Hirschberg, heute Doksy. Nach der bru­talen Aus­sie­delung der Deut­schen wurde der See ab August 1945 mit dem tsche­chi­schem Namen ‚Machovo Jezero’ bezeichnet. Der Namens­geber war Karel Hynek Macha, ein Genie und Poet der Romantik, einer der berühm­testen böh­mi­schen Dichter über­haupt. Er ver­brachte hier am See seine Urlaubs­auf­ent­halte und fand dabei die Motive für sein wohl bedeu­tendstes Werk, für das Gedicht „Maj“ (Mai). Diese span­nende Lie­bes­ge­schichte hat als Figuren die Jarmila, den Hynek, Rudolf und Vilem (Wilhelm). Die Schiffe auf dem See trugen und tragen auch heute noch diese Namen.

Der See hatte ursprünglich eine Fläche von 350 ha, heut­zutage ist er wegen zuneh­mender Ver­landung noch 278 ha gross. Seine maximale Breite beträgt nahezu 3 km, seine tiefste Stelle ist mit 12 m ange­geben und seine Was­ser­ober­fläche liegt 266 m über der Adria. Das Wasser hat Trink­was­ser­qua­lität. Der mar­kan­teste Punkt des Sees ist die in der Mitte der Was­ser­fläche domi­nie­rende Sand­stein­fels­for­mation, die sog. Möwen-Insel. Am Ostufer ist der Berg Borin sichtbar, am Horizont im Süden die alte böh­mische Rit­terburg Bezoes. Rund um den See sind unzählige Sand­strände, Bade­an­stalten, Picknick- und Cam­ping­plätze, Bun­galows, noble Villen, Restau­rants und Hotels situiert. All das ist umrahmt von dichten Kie­fern­wäldern und idyl­li­scher Land­schafts­sze­nerien. Geo­lo­gisch gesehen handelt sich bei dem Máchasee um ein Was­ser­becken inmitten des böh­mi­schen Kreide-Pla­teaus, geo­gra­phisch betrachtet am süd­lichsten Zipfel der ehe­ma­ligen deutsch­spra­chigen Sudeten bzw. um ein popu­läres Erho­lungs­gebiet ca. 25 km nördlich von der Indus­trie­stadt Mlada Boleslav (Jung­bunzlau, mit den VW-Skoda-Autowerken).

Das exaktes Grün­dungsjahr der Per­so­nen­schiff­fahrt am dama­ligen ‚Hirsch­ber­gersee’ ist trotz meiner inten­siven Nach­for­schungen leider bis heute nicht bekannt. Mit höchster Wahr­schein­lichkeit spielte sich der Anfang der öffent­lichen Fahr­gast­schiff­fahrt um das Jahr 1900 ab. Das erste Schiff war das Dampfboot Greif, als zweites Schiff folgte ein schnit­tiges Motorboot namens ‚Ida’. Ausser eibigen Bildern ist leider über diese zwei Boote nichts Näheres bekannt. Belegt ist, dass die ‚Greif’ zum ‚Rudolf’ unbe­nannt wurde und das Schiff bis in die 50-er Jahre dampfte. Mit der Belebung des Tou­rismus’ um 1920 genügte die Kapa­zität von der ‚Greif’ und ‚Ida’ bald nicht mehr und so kam als nam­hafte Ver­stärkung im Jahre 1924 das Motorboot Marie dazu (Bild). Dieses Schiff, erbaut auf der Dekumag Werft in Berlin, fährt nach 93 Jahren immer noch – als ‚Jarmila’. Weitere Neu­bauten folgten 1930 von der Rum­mels­burger Anker-Werft die ‚Tista’ (heute ‚Hynek’). Umbe­nen­nungen sind die Folge der Aus­treibung der ursprüng­lichen deutsch­spra­chigen Bewohnern dieses Gebiets im August 1945.

Um 1958 kam zum Máchasee ein klei­neres Motorboot, genannt ‚Racek’ I (Möwe, ex-Dampf­fähre Augusta auf der Elbe). Das Boot exis­tiert noch heute als ‚Ohre’ in Prag (im Pri­vat­besitz). 1959 kam zum Máchasee von der Werft Navika in Stechovice an der Moldau per Tief­lader das grösste Schiff, das je auf dem See gefahren ist: die ‚Maj’ und avan­cierte prompt zum Flagg­schiff der Flotte. 1966 folgte die ‚Racek’ II, erbaut in Ungarn in Vac (Waitzen) an der Donau. Dieser Schifftyp, ursprünglich für den Plat­tensee kon­zi­piert, wurde in fast alle dama­ligen Comecon-Ländern geliefert, ins­gesamt 26 Exem­plare. Auch im Westen sah man diesen Schiffstyp ab und zu: z.B. auch auf der öster­rei­chi­schen Donau und auf dem Wolf­gangsee. Die „Unga­rinnen“, wie diese ele­ganten Schiffe vom Per­sonal lie­bevoll benannt werden, bewährten sich dank der pfle­ge­armen Alu­minium-Bau­weise, Schnel­ligkeit und Manö­vrier­barkeit hervorragend.

Die Fahr­gast­schiff­fahrt „Regata Máchavo Jezero“ bietet am beliebten Erho­lungsort Máchasee Rund­fahrten rund um den ganzen See mit MS Maj (Fahr­dauer ca. 1.5 Std.), sechs Lini­en­fahrten nach festem Fahrplan rund um den See mit Halt an acht Sta­tionen, Fahrt­dauer ca. 1¾ Std. mit MS Hynek. MS Racek ist prä­de­sti­niert für Char­ter­fahrten mit grös­seren Gruppen, MB Jarmila für kleinere Gruppen. Die Per­so­nen­schiff­fahrt am Máchasee ist mit mode­raten Preisen ganz der Öffent­lichkeit ver­pflichtet. Sie ist sehr populär und erfolgreich.“

MS Hynek bedient auf seiner Kurs­fahrt acht Sta­tionen, meist Bade­plätze, Restau­rants oder Hotels.

MS Jarmila ist für Char­ter­fahrten beliebt.

MS Hynek im Quer­profil, im Hin­ter­grund die Rit­terburg Bezoes.

Die „Maj“ kommt einem auf diesem “grossen Teich“ als „Oze­an­riese“ vor, im Hin­ter­grund die beliebten Sand­strände des Máchasee.

Die „Ungarin“ Racek stand bei unserem Besuch als ein­ziges Schiff nicht im Einsatz.

Die his­to­ri­schen Schiffe finden im Tro­ckenem Schutz vor der Witterung.

Die heutige „Jarmila“ sah Ende der Zwan­zi­ger­jahre als „Marie“ mit der Heck­kabine und der Fest­be­flaggung sehr chic aus; die Scha­lenform ist noch gut zu erkennen.

Abfluss-Stelle des „grossen Teichs“. Quelle (Link).

Karte Quelle: ( Link ).

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Hin­weise

*) Michael Bor nennt sich „Kapitän der Fern­schiff­fahrt im Ruhe­stand“. Er war u.a. bei der PPS Prag Betriebs­leiter für Nautik und Gas­tro­nomie, war anschliessend in der säch­si­schen Schweiz mit der Flotte von Bernd Frenzel unterwegs und 12 Jahre Schiffs­führer auf dem Traunsee bei der Schiff­fahrt Eder. Zum Abschluss seiner Berufs­kar­riere stand er als Kapitän bei der PPS noch 7 Jahre im Einsatz – alles in allem ins­gesamt 22 Jahre am Steuerrad.

Tech­nische Daten:

• Jarmila: Baujahr 1924, L 12,62 m, B 2,84 m, T 0,7 m, Pas­sa­giere 60, Motor ČKD 3L110 – 33kW

• Hynek: Baujahr 1930, L 15,7 m, B 2,9 m, T 0,9 m, 70 Pas­sa­giere, Motor ČKD 4L110 – 39 kW

• Maj: Baujahr 1959, L 29,55 m, B 5,77 m, T 1 m, Pas­sa­giere 250, Motor 2 x LIAZ M634 648 kW bei 2 200 U/​Min

• Racek: Baujahr 1966, L 26,55 m, 5,32 m, T 1,14 m, 160 Pas­sa­giere, Motor 2 x ČKD Hořovice 6L110 – 132,5 kW

Quellen

Text und Bild 7 M. Bor,

Redaktion und übrige Bilder H. Amstad.

Weiter im Text

• Rei­se­be­richt (Link).

• Homepage der Máchasee-Schiff­fahrt (Link).

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