Hoffnung kommt auf: Fährt das Bodensee-Schiff Oesterreich bald wieder?
Wenn jemand klassische Motorschiffen mag, wähnt sich am Bodensee wie in einem Paradies. Eine grosse Anzahl formschöner Motorschiffe verkehren zwischen Schaffhausen und Bregenz. Mit MS Stein am Rhein hat die URh 2013 das letzte Passagierschiff der Schweiz mit alten Sulzer Zweitaktmotoren des Typs TW in Betrieb. Die Schiffe der BSB erfreuen mich immer wieder, angefangen von der einzigartigen „Baden“ bis zur neuen „Überlingen“. Der BSB ist es mit MS Überlingen gelungen, ein neues Schiff zu bauen, welches formschön und komfortabel für die Fahrgäste ist. Und die VL (Vorarlberg Line Bregenz) verkehrt mit der historischen „Austria“ und der klassischen „Vorarlberg“ in der Saison täglich über das „Schwäbische Meer“.
Beim Gedanken an die österreichische Bodensee-Flotte werde ich aber wehmütig: mir fehlt die einzigartige, elegante „Oesterreich“. Am 4. Oktober 2009 kam mit Kurs 121 unverhofft das (vorläufige?) Ende des Schiffes. An diesem herrlichen Oktobertag fuhr die alte Lady für das MS Austria die klassischen Kurse 132 427 – 430 121 nach Konstanz und zurück. Seit dem wartet das Schiff abgestellt auf eine bessere Zukunft: es müsste saniert werden. Dabei begann die Saison 2009 so positiv: bereits im April und im Mai war die „Österreich“ regelmässig im Kursverkehr, sie kam den ganzen Sommer über immer wieder zu Kurseinsätzen als «Retterin in der Not».
Das Schiff könnte viel erzählen
Die 54,5 Meter lange Einheit feiert am 11. Juli 1928 ihren Stapellauf, am 29. Juli Taufe und Indienststellung. In seinen ersten Jahren wird das neue Schiff gar als Eisbrecher eingesetzt. Die Kriegsjahre läuten eine traurige Epoche ein, welche darin gipfelt, die „Österreich als Torpedo-Versuchsschiff einzusetzen. Nur mit viel Glück überlebt das MS Oesterreich die verheerende Bombennacht vom 26. auf den 27. April 1944. Ein Jahr später wird das Schiff aus dem Kriegsdienst entlassen. Allerdings ist das Leiden noch längst nicht zu Ende, erst am 18. Juni 1948 kehrt die „Oesterreich“ schwer beschädigt in den Heimathafen Bregenz zurück. Der Zustand ist erbärmlich und trotzdem wird beschlossen, einen Wiederaufbau in Angriff zu nehmen. Denn nach dem Krieg sind Mangeljahre angesagt, jedes Blech und jedes Deck ist da hoch willkommen.
Zu dieser Zeit ist das Material wertvoll und die Löhne tief. Am 25. Juli 1953 startet das in neuem Glanz erstrahlende Schiff feierlich zur zweiten Jungfernfahrt. Mit an Bord damals übrigens auch der österreichische Bundespräsident. Fortan steht das Schiff über viele Jahre im teilweise intensiven Kursdienst und führt im Mai 1957 für kurze Zeit gar Kurse ab Konstanz aus. Die Motorenleistung vermag allerdings nie ganz zu überzeugen, 1961 werden neue Motoren eingebaut und die jährliche Kilometerleistung steigt dann sprunghaft an. Die höchste Kilometerleistung wird 1964 mit 17 277 Kilometer erreicht. Erst in der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre reduzieren sich die Einsätze merklich, interessante Spezialitäten kommen aber immer wieder vor: 2006 fährt das Schiff in der Hochsaison regelmässig die morgendlichen Kurse 301 – 304 von Lindau nach Rorschach.
Ein Rettungsschimmer
Nun zur traurigen Gegenwart: die „Österreich“ wartet in Fussach auf bessere Zeiten. Hoffnung weckt die „Initiative Bürgerstiftung Vorarlberg“. Der Verein setzt sich aktiv für den Erhalt des Schiffes ein, am 7. September 2012 ist mit MS Stadt Bregenz eine Ausfahrt zu Gunsten der „Österreich“ geplant. Ablegen im Hafen von Bregenz ist um 18.30 Uhr, die Rückkehr ist auf 21.00 Uhr angesetzt. Bereits 2011 fand eine ähnliche Fahrt mit beachtlichem Erfolg statt. Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Und dese besteht: Ich träume bereits davon, wieder mit diesem Lieblingsschiff über den herrlichen Bodensee zu fahren. Ob nun im Bauzustand von 1928 oder von 1953 spielt für mich dabei eine untergeordnete Rolle. Vergessen wir nicht, aus der Dampfschiff-Erhaltungswelle der Siebzigerjare zu lernen: Genau wie damals, als eine Hand voll Enthusiasten sich für die alten Raddampfer einsetzten braucht es auch hier Menschen, die sich für den Erhalt von alten Motorschiffen stark machen. Oftmals bemerkt man ihren Wert erst viel zu spät… Dann nämlich, wenn sie nicht mehr da sind!
29.07.2008: MS Österreich festlich beflaggt zum 80. Geburtstag auf Kurs 147 unterwegs
Innenansicht vom letzten Bauzustand (Salon Oberdeck, 7. Mai 2009)…
… und Impressionen vom herrlichen Rauchsalon aus dem Jahr 1928
1928 als erstes Grossmotorschiff auf dem Bodensee, mit Recht trägt es den Namen Oesterreich.
1953 Umbau und dem Zeitgeist angepasst – geblieben ist die Eleganz der Schalenform.
Blick wir nach vorne: Es gibt Hoffnung für eine Zukunft des Schiffes.
Bilder im Textteil: MS Oesterreich wartet auf eine unbestimmte Zukunft, Bild vom 7. September 2012
Durch Klick aufs Bild erscheint dieses im Grossformat.
Impressum
Text St. Hellstern
Bilder 1, 2 und 6 St. Hellstern, Bild 3 Amt der Landeshauptstadt Bregenz aus dem Bordbuch MS Österreich (1998), Bilder 4, 5 und 7 sowie im Textteil Sammlung H. Amstad
Überarbeitet 11.2022
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