IBT 2019: in Bre­genz begann’s – Grün­dungs­mit­glied Hel­mut Schöpf hat das Schlusswort

Zum 6. Mal seit der Grün­dung des inter­na­tio­na­len Bin­nen­schiff­fahrts-Tref­fens (1956) war die Vor­arl­ber­ger Lan­des­haupt­stadt Bre­genz in die­sem Jahr Aus­trags­ort des Stell­dich­eins von Schiffs­leu­ten aus dem mit­tel­eu­ro­päi­schen Raum. Obwohl das erste Tref­fen in Radolf­zell statt­fand geht die Geschichte des IBT auf eine Aktion zurück, die zwi­schen Luzern und Bre­genz nach dem 2. Welt­krieg statt­fand. Grün­dungs­mit­glied und ÖBB-Alt­ka­pi­tän Hel­mut Schöpf (89) erin­nert sich: „Die Wirt­schaft am deut­schen und öster­rei­chi­schen Boden­see litt schwer unter den Fol­gen des Krie­ges. Für die deut­schen und öster­rei­chi­schen Schiffs­leute gab es kaum Dienst­klei­der, und Mate­ri­el­les wie Werk­zeuge waren grosse Man­gel­ware.“ Die Initia­tive kam von den bei­den DGV-Schiffs­füh­rern und Gewerk­schafts-Obmän­ner Paul („Päuli“) Waser und Peter Hänsli vom Vier­wald­stätter­see. Sie orga­ni­sier­ten Sam­mel­ak­tio­nen und unter­stütz­ten so soli­da­risch den Auf­bau der kriegs­ge­schä­dig­ten Boden­see­schiff­fahrt in den nörd­li­chen und öst­li­chen Nach­bar­län­dern. Ihr ers­ter Besuch galt 1947 Bre­genz mit Klei­dern und Lebens­mit­teln in den Koffern.

Als Zei­chen des Dan­kes haben dann die öster­rei­chi­schen und deut­schen Kol­le­gen im Jahr 1956 in Radolf­zell das erste Mal den lang geheg­ten Gedan­ken eines Tref­fens umge­setzt. Ein Jahr dar­auf war dann Bre­genz der Aus­tra­gungs­ort und 1958 Luzern. In der Zei­tung „Freie Inner­schweiz“ vom 10. Novem­ber 1958 ist zu lesen*: „OK-Prä­si­dent Peter Hänsli hatte alles auf das beste vor­be­rei­tet und den nüch­ter­nen Löwen­gar­ten­saal auf das Schönste her­ge­rich­tet und aus­de­ko­riert.“ Einige der 250 Teil­neh­me­rin­nen und Teil­neh­mer sind „sogar tau­send Kilo­me­ter weit her­ge­fah­ren, um die­sem Freund­schafts­tref­fen bei­zu­woh­nen. Man beging den klei­nen Fest­akt, der dem Zusam­men­tref­fen erst seine Tie­fen­wir­kung gab, denn erst das gute Wort fasst zusam­men, was unaus­ge­spro­chen an Ein­drü­cken und beglü­cken­den Erleb­nis­sen in der Luft liegt.“

61 Jahre spä­ter fand der Fest­akt in Bre­genz an Bord der „Son­nen­kö­ni­gin“ statt, aufs Schönste her­ge­rich­tet, auf drei Decks gedeckt für 430 Gäste**. Die öster­rei­chi­sche Gast­freund­schaft und Herz­lich­keit sind auch an die­sem Abend (und wäh­rend der gan­zen Tage) sprich­wört­lich, nebst zahl­rei­chen Gruss­wor­ten singt der Shan­ty­chor Graf Zep­pe­lin aus Fried­richs­ha­fen und musi­ziert das Armee­spiel Vor­arl­berg, mode­riert vom bekann­ten Fern­se­mo­de­ra­tor Roberto Kalin.

Die „Son­nen­kö­ni­gin“ im nau­ti­schen Fokus

Nau­tisch von Inter­esse war eine tech­ni­sche Füh­rung mit Blick unter und hin­ter die Kulis­sen des Megal­i­ners Son­nen­kö­ni­gin. Kurz zur Geschichte der „Son­nen­kö­ni­gin“: Bau­un­ter­neh­mer Wal­ter Klaus kaufte 2005 die Schiffe der öster­rei­chi­schen Boden­see­flotte von der ÖBB ab, die sich im Zuge einer Pri­va­ti­sie­rungs­welle von ihren Schif­fen auf dem Wolf­gang­see (2006 ver­kauft) und Boden­see poli­tisch bedingt lösen muss­ten. Bereits ein Jahr dar­auf hatte Klaus Gros­ses vor: er gab bei der Bodan­werft in Kress­bronn den Auf­trag, ein damals auf 8,5 Mil­lio­nen Euro ver­an­schlagte Vier­deck­schiff zu bauen. Ver­schie­dene Unstim­mig­kei­ten zwi­schen dem Auf­trag­ge­ber und der Werft führ­ten zu gros­sen Ver­zö­ge­run­gen, sodass das Event­schiff erst am 18. Sep­tem­ber 2008 in Betrieb und schliess­lich auf 13 Mil­lio­nen Euro kam. Bald war klar, dass die Amor­ti­sa­tion des Schif­fes durch die Vor­arl­berg Lines nicht zu stem­men war. Des­halb wurde das Schiff im Sep­tem­ber 2009 für zunächst drei Jahre an das Vor­arl­ber­ger Unter­neh­men Mo Cate­ring GmbH ver­pach­tet und die 2007 gegrün­dete Mar­ke­ting­ge­sell­schaft „Son­nen­kö­ni­gin AG“ mit Sitz in St. Gal­len auf­ge­löst. Im Okto­ber 2009 gab Klaus krank­heits­be­dingt sei­nen Rück­zug bekannt und über­trug seine Fir­men­an­teile an sei­nen Hol­ding-Geschäfts­füh­rer Wer­ner Net­zer. Nach dem Tod von Wal­ter Klaus 2012*** wurde das Schiff abgeschrieben.

Kapi­tän Michael Mathies kennt die „Son­nen­kö­ni­gin“ wie kein ande­rer bei der Vor­arl­berg Lines: “Ich war schon beim Bau­pro­zess dabei und kenne mich des­halb bis zum hin­ters­ten Win­kel aus.“ Drei Gene­ra­to­ren zu je 330 kW ver­sor­gen das Schiff mit Strom. Mathies: «Nur bei einer Kli­ma­ti­sie­rung der Räume und vol­lem Küchen­be­trieb braucht es zwei; der dritte ist stets in Reserve.» Wir sehen auf dem Rund­gang die See­was­ser­auf­be­rei­tungs­an­lage («Der Boden­see ist ja ein rie­si­ges Trink­was­ser-Reser­voir für halb Süd­deutsch­land.»), die impo­san­ten Treib­stoff­tanks für 10 000 l Die­sel, die zwei MAN-Marine Haupt­mo­to­ren zu je 990 kW («Das brau­chen wir schon, um auch bei Wind sicher navi­gie­ren zu kön­nen.») oder die Hydrau­lik im gros­sen Heck­be­reich des Schif­fes, die eine Klappe öff­nen kann, um ein ande­res Schiff an Bord auf­neh­men zu kön­nen. Mathies: «Der Bau die­ses Zubrin­ger­schif­fes wurde im letz­ten Moment aus finan­zi­el­len Grün­den gestri­chen.» Kapi­tän Moritz Nesen­sohn ergänzt, dass spä­ter ein Ret­tungs­boot dort gebun­kert wurde, «das man aber vor weni­gen Jah­ren aus prak­ti­schen Grün­den ver­kauft hat. Zur See­not-Ret­tung ist so ein Manö­ver viel zu kom­pli­ziert. Bis die Heck­klappe geöff­net ist und das Ret­tungs­boot fahr­be­reit wäre, ist jeder Not­fall längst vor­bei. Des­halb wurde im Bug­be­reich einen Ber­ge­kran instal­liert.» Den Raum braucht man heute als Lagerhalle.

Heute ren­tiert die «Son­nen­kö­ni­gin». Mit 40 bis 50 Ver­an­stal­tun­gen ist das Schiff gut aus­ge­las­tet. Mathies: «Das Pro­blem ist, dass die Bre­gen­zer das Schiff nicht mögen und das Gefühl haben, es stehe ja nur rum.» Dabei muss man wis­sen, dass eine Char­ter­fahrt unter Umstän­den meh­rere Tage Vor­be­rei­tungs­zeit braucht, je nach­dem, ob live eine neue Auto­marke an Bord prä­sen­tiert wer­den soll oder wäh­rend der Fahrt ein Heli­ko­pter ein Hoch­zeits­ge­schenk auf dem Son­nen­deck ablädt. «Fährt das Schiff am Abend dann aus und kommt um zwei Uhr in der Früh heim, sieht das kein Mensch», gibt Michael Mathies zu beden­ken. Je nach Auf­wand beträgt der Char­ter­preis zwi­schen 20 000 und 150 000 Euro, was sich dann in Anbe­tracht der Anzahl Ver­mie­tun­gen als sehr attrak­ti­ves Geschäft für die Vor­arl­berg Lines erweist.

Am glei­chen Weekend fand der Lin­dauer Jahr­markt statt. Die «Aus­tria», die 80-jäh­rige Jubi­la­rin, besorge an bei­den Tagen einen Schiffs-Shut­tle, der gut besucht war. Der Gala­abend fand wie erwähnt an Bord der «Son­nen­kö­ni­gin» statt und an der ordent­li­chen Dele­gier­ten­ver­samm­lung an Bord der «Vor­arl­berg» stell­ten sich die drei kom­men­den Aus­tra­gungs­orte des Schif­fer-Kon­gres­ses vor: Rap­pers­wil und Pfäf­fi­kon (Zürich­see) vom 26. bis 29. Nov. 2020, der Brom­b­ach­see (Nähe Nürn­berg, Inha­ber Lux-Werft) mit Zusatz­pro­gramm in Kel­heim-Wel­ten­bur­g/­Do­nau vom 11. bis 14. Novem­ber 2021 und die «Spange» Murten/​Solothurn (BSG) im 2022.

Der Gala­abend auf dem Boden­see-Gala­schiff Sonnenkönigin

Nächt­li­che Aus­fahrt der «Son­nen­kö­ni­gin» mit dem Hafen Bre­genz im Hintergrund

Aus­flug zum Lin­dauer Jahr­markt mit MS Austria

Dele­gier­ten­ver­samm­lung an Bord der «Vor­arl­berg» mit einem Teil des OK: Moritz Nesen­sohn, Michael Mathies, Roger Bauer, Diet­mar Schnet­zer (vlnr, nicht auf dem Bild: Willy Slapp­nig, Heinz Murauer, Alois Wüstner)

Der bald 90-jäh­rige Hel­muth Schöpf ist noch der ein­zig Über­le­bende, der 1956 zu den Grün­dungs­mit­glie­dern des IBT zählt.

Auch bei den Vor­arl­berg Lines gibt es musi­ka­li­sche Kapi­täne wie fast über­all, hier u.a. Willy Slapp­nig an der Gitarre, der uns beim sonn­täg­li­chen Früh­schop­pen unterhält.

Die SBS-Crew reiste zusam­men mit der LMN-Dele­ga­tion und der Schiffs-Agen­tur stan­des­ge­mäss mit der «Rhy­spitz» in die Vor­arl­ber­ger Metropole.

Bil­der im Text­teil: Herbst­stim­mung beim Hafen Bregenz

Über den Zusam­men­hang der bei­den Logos der SED (gegrün­det 1946, Ende mit dem Mau­er­fall vor genau 30 Jah­ren) und des IBT, gegrün­det 1956, ist mir nichts bekannt.

Text und Bil­der H. Amstad

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Hin­weise

**) Wovon 365 ange­mel­dete Gäste und 65 Ehren­gäste und Ange­hö­rige der Vor­arl­berg Lines.

***) Am 17. April 2012 schied der Unter­neh­mer Wal­ter Klaus, der seit 30 Jah­ren an Par­kin­son litt, frei­wil­lig aus dem Leben. Der Wahl-Loch­auer wurde am 27. April 1934 in Augs­burg gebo­ren und schuf sich ein Tou­ris­mus-Impe­rium, dem die Sil­vretta Berg­bah­nen, das Korn­mes­ser in Bre­genz, 600 Woh­nun­gen in Ham­burg, ein Wein­gut in Kitz­eck und vie­les andere gehör­ten. Wal­ter Klaus über­nahm 1968 das Bau­un­ter­neh­men sei­ner Fami­lie und baute es zu einer Hol­ding aus. 1969 betei­ligte er sich in Gaschurn (Mon­ta­fon) erst­mals an einer Vor­arl­ber­ger Seil­bahn­ge­sell­schaft, wei­tere in Schruns (Hoch­joch), in Blu­denz (Mut­ters­berg), im Bre­gen­zer­wald (Diedams­kopf) und in Süd­ti­rol (Sul­den) folg­ten. Im März 2006 betei­ligte er sich im Rah­men einer Eigen­tü­mer­gruppe an der ÖBB-Schiff­fahrt auf dem Boden­see, das Unter­neh­men heisst heute “Vor­arl­ber­ger Lines”. Er hielt auch 40 % Anteile an der Schwei­zer Boden­see­schiff­fahrt SBS.

Quel­len

*) K. Hun­zi­ker, M. Gavazzi «100 Jahre Schiffs­per­so­nal­ver­band 1898 – 1998» Ver­lag Dampferzeitung

Wei­ter im Text

63. IBT 2018 (Link), 62. IBT 2017 (Link), 61. IBT 2016 (Link), 60. IBT 2015 (Link), 59. IBT 2014 (Link), 58. IBT 2013 (Link), 57. IBT 2012 (Link).

TV-Bei­trag IBT 2019: Link

(B)Logbucheintrg Kon­zert auf MS Son­nen­kö­ni­gin: Link

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