Kli­ma­ver­än­de­rung hat Aus­wir­kung auf Schiff­fahrt: des einen Freud, des andern Leid

Der schöne Som­mer 2018 dau­erte von anfangs April bis Ende Sep­tem­ber, ein hal­bes Jahr mit über­durch­schnitt­li­chen Tem­pe­ra­tu­ren und sehr weni­gen Regen­ta­gen. Er bescherte den meis­ten Schiffs­be­trie­ben Traum­fre­quen­zen. Auf dem Vier­wald­stätter­see und beim Tou­ris­tik­ver­kehr des Gen­fer­sees erwar­tet man rund 10 % mehr Fahrgäste1. Die seit Jah­ren von den Kli­ma­for­schern vor­aus gesagte Erwär­mung der Erd­atom­sphäre, ver­ur­sacht durch den Treib­haus­ef­fekt zuneh­men­der CO2-Gase, hat Aus­wir­kun­gen auch auf unser Leben. Als ers­tes fühlt sich dies gut an: wer mag hier­zu­lande nicht schöne und tro­ckene Som­mer, gute Obst­ern­ten und fei­nen Wein?

Sonst eine grosse Sel­ten­heit, in die­sem Herbst täg­lich zu genies­sen: die Kreu­zung der bei­den sagen­haf­ten, 126- und 134-jäh­ri­gen „Damen“.

Es gibt aber auch Ver­lie­rer. In Europa bekla­gen zum Bei­spiel die Fin­nen zuneh­mend feuchte und kalte Som­mer. Unsere Glet­scher schmel­zen dahin2. Am Süd- und Nord­pol schwin­det das Eis und es lässt den Mee­res­spie­gel bedroh­lich anstei­gen. Und all jene Schiffe, die auf unse­ren Flüs­sen unter­wegs sind, haben Ende 2018 und ten­den­zi­ell auch künf­tig nichts zu lachen. Die Situa­tion in Dres­den bei der aus­ge­trock­ne­ten Elbe ist dra­ma­tisch. Seit dem 4. Juli liegt der Pegel so tief, dass die Schiff­fahrt dras­tisch redu­ziert wer­den musste (vergl. Tabelle). Wochen­weise konn­ten nur noch die Ein­deck­rad­damp­fer Dies­bar und Krip­pen mit ihrem extrem gerin­gen Tief­gang von 1,1 m (beladen3) noch die Stadt­rund­fahr­ten durch­füh­ren. Der Fre­quenz­rück­gang beträgt 61 %. Für 130 Mit­ar­bei­tende des Gas­tro­be­trie­bes „Elbe­zeit“ war Kurz­ar­beit ange­sagt. Die Umsatz­ein­bus­sen von 2,2 Mil­lio­nen Euro wer­den 2019 nicht ohne Fol­gen sein. Preis­er­hö­hun­gen und Ange­bots­kür­zun­gen ste­hen bevor.

Bei uns trifft es in sol­chen Fäl­len jeweils die URh mit ihrer Schiff­fahrt auf dem Rhein zwi­schen Dies­sen­ho­fen und Stein am Rhein. Seit dem 23. Juli führt der grösste Schwei­zer Fluss so wenig Was­ser, dass bereits dann für die durch­ge­hende Ver­bin­dung Schaff­hau­sen nach Kon­stanz Schluss war. Die Ver­ant­wort­li­chen rech­nen mit einer Fre­quenz­ein­busse von 8 %. In frü­he­ren Jah­ren, wo die Stre­cke auch wegen Hoch­was­ser immer wie­der unter­bro­chen war, orga­ni­sierte die URh jeweils einen Bus-Schif­fer­satz. Warum nicht in die­sem Jahr? Remo Rey, Geschäfts­füh­rer der URH dazu: „Die Pas­sa­gier­rück­mel­dun­gen zum Ange­bot des Schiffs­er­satz-Buses waren eher nega­tiv: ‘ich will doch nicht die Hälfte der schöns­ten Strom­fahrt Euro­pas im Bus ver­brin­gen’ hör­ten wir oft kla­gen. Zudem hat­ten wir damit eine grosse finan­zi­elle Belas­tung, wel­che nicht über zusätz­li­che Pas­sa­giere kom­pen­siert wer­den konnte. Wir haben aus der Sanie­rung her­aus die Auf­lage, sol­che Mehr­be­las­tun­gen zu ver­mei­den. Viel­mehr wurde das neue Ange­bot der Rund­fahr­ten ab Schaff­hau­sen bis Dies­sen­ho­fen (und zurück) gelobt und genutzt.“

Seit April lie­gen die Nie­der­schlags­men­gen unun­ter­bro­chen deut­lich unter dem lang­jäh­ri­gen Mit­tel. Dafür gehö­ren die Tem­pe­ra­tu­ren und die Son­ne­schein­dauer zu den höchs­ten seit Mess­be­ginn. Nach einer so lan­gen Tro­cken­pe­ri­ode bekom­men auch andere Schiff­fahrts­be­triebe dies zu spü­ren. So musste die BLS ihr Ange­bot auf dem Bri­enz­er­see ein­schrän­ken. Die BLS schreibt: „Auf­grund der gerin­gen Zuflüsse aus dem Ein­zugs­ge­biet (Lüts­chine, Has­liaare) wird der Bri­enz­er­see den not­wen­di­gen Pegel­stand von 563.60 m ü. M. bis auf wei­te­res nicht errei­chen. Für die Aare­fahr­ten zwi­schen Inter­la­ken Ost und der See­mün­dung ist der Pegel­stand für die ein­ge­setz­ten Kurs­schiffe MS Bri­enz und MS Jung­frau nicht mehr aus­rei­chend.“ Anders als bei der URh hat die BLS für die Rei­sen­den ein Bus­er­satz­be­trieb zwi­schen Inter­la­ken Ost und Böni­gen (und umge­kehrt) eingerichtet.

Seit dem 19. Okto­ber fah­ren auch auf dem Rhein keine Con­tai­ner­schiffe mehr. „So was habe er noch nie erlebt,“ sagte Heinz Ama­cker, Lei­ter der Dan­ser Schweiz gegen­über Radio SRF. Die acht Schiffe die­ser Trans­port­firma ste­hen nun im Hafen, die Güter müs­sen auf die Schiene oder die Strasse ver­legt wer­den. Dies ver­teu­ert den Trans­port­weg beson­ders für Güter, die für den Schiffs­trans­port geeig­net sind. 10 Pro­zent der Import­gü­ter erreicht die Schweiz über den Rhein. Remo Rey kann dies bestä­ti­gen: „Was uns und die ande­ren Schiff­fahrts­ge­sell­schaf­ten sehr trifft, sind die erhöh­ten Die­sel­öl­preise, weil die Trans­port­ka­pa­zi­tä­ten redu­ziert wer­den muss­ten und die Trans­port­kos­ten auf dem Rhein der­mas­sen ange­stie­gen sind.“ Mit 181 Fran­ken pro Tonne Trans­port­kos­ten lag die­ser Wert am 24. Okto­ber zehn­mal Mal so hoch im anfangs 2018.

Die Bas­ler Per­so­nen­schiff­fahrt BPG konnte seit Län­ge­rem Rhein­fel­den nicht mehr anfah­ren. Auch bei der KD sind ab dem 15. Okto­ber 2018 keine Fahr­ten mehr zwi­schen Köln und Mainz mög­lich: der Rhein wird zuse­hends zu einem Rinn­sal4. Die Fluss­kreuz­fah­rer sind noch zwi­schen Ams­ter­dam und Köln unter­wegs, dann ist rhein­auf­wärts Schluss. Auch auf ande­ren Gewäs­sern sind zuneh­mend Ein­schrän­kun­gen fest­stell­bar. So fällt der beliebte Advents­markt auf dem Atter­see heuer aus. Die Atter­see-Schiff­fahrt schreibt anfangs Novem­ber: „Der Pegel­stand hat sich in den letz­ten Wochen nicht erholt, son­dern hat gar den Wert von 1994 mit 91 cm unterschritten.“

Auf dem Lac des Bre­nets liegt der Was­ser­sand seit 1906 nicht mehr so tief, man darf den Super­la­tiv vom Jahr­hun­dert-Tief­was­ser­stand also gebrau­chen. Seit Sep­tem­ber fiel hier sein Was­ser­stand jeden Tag um 16 Zen­ti­me­ter. Der Grund dafür ist ein Leck im See. Weil der Doubs kein Was­ser mehr bringt, ent­leert sich der Lac des Bre­nets wie eine Bad­wanne, bei der man den Stöp­sel gezo­gen hat. Ab Mitte Sep­tem­ber muss­ten die drei Schiffs­be­triebe ihre Fahr­ten ganz ein­stel­len. Senior-Chef Jean-Claude Durig von der schwei­ze­ri­schen NLB: „Wir fah­ren seit mehr 16. Sep­tem­ber 2018 nicht mehr; unsere drei Schiffe lie­gen auf Grund.“ Selbst die Mes­sung des nied­ri­gen Pegels wurde an der Mess­sta­tion bei Les Bre­nets unmög­lich, da die Mess­in­stal­la­tion nicht auf ein so tie­fes Niveau ein­ge­stellt ist…

Ein­drück­li­che Auf­nah­men von der Elbe in Dres­den. Nur noch wenige Zen­ti­me­ter hat die „Krip­pen“ auf der Elbe mit ihrem rund met­ri­gen Tief­gang noch bis zum san­di­gen Unter­grund: die Säch­si­sche Dampf­schiff­fahrt macht das Beste dar­aus und lässt die bei­den Ein­deck-Rad­schiffe Krip­pen und Dies­bar so lange es noch geht fah­ren (18. Sep­tem­ber von der Wald­schlöss­chen­brü­cke aus).

DS Leip­zig (hier in Bla­se­witz) konnte am 18. Okto­ber leicht bela­den einige Run­den ausführen.

Schöne Herbst­far­ben mit unun­ter­bro­che­nen schö­nem Wet­ter: die „Dies­bar“ vor dem Schloss Albrechts­berg (17.10.18).

Ein sel­te­ner Anblick: die Topo­gra­fie des Aus­fluss eines Sees. Dort, wo die Senke sicht­bar ist, fliesst nor­ma­ler­weise 19 m³ Was­ser pro Sekunde aus dem See.

Das Schiff L’Echo von der NLB sucht wie ein Fisch im aus­ge­trock­ne­ten Tüm­pel nach Was­ser; der Kapi­tän muss fit sein, das ordent­li­che Ufer zu errei­chen. Auf dem Bild ersicht­lich auch die Mess­sta­tion des Bun­des­am­tes für Umwelt, die eben­falls im Tro­cke­nen liegt.

Die rote Kurve sackt ab, die Nied­rig­was­ser-Ver­laufs­gra­fik zwi­schen 1964 und 2017 des BAFU kann seit dem 20. Sep­tem­ber keine Werte mehr anzeigen.

Bil­der 1 bis 3 und Text­teil R. Hor­la­cher, Bild 5 Quelle, Text und übrige Bil­der H. Amstad

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Bemer­kun­gen

1) Diese Zah­len sind dif­fe­ren­ziert zu betrach­ten. Weil sich der Berufs­ver­kehr auf dem Gen­fer­see 2018 zum ers­ten Mal etwas abge­schwächt hat und diese Fre­quen­zen 2/3 der jähr­li­chen Pas­sa­gier­zah­len aus­ma­chen, resul­tiert ins­ge­samt ein Plus von ca. 2.5 %. Auch der Zuwachs der SGV ist nicht bloss auf das Traum­wet­ter zurück zu füh­ren: Erst­mals schlägt die stünd­li­che Direkt­ver­bin­dung des Bür­gen­stock-Shut­tles für das ganze Jahr zu Buche. Zählt man diese Pas­sa­gier­zah­len ab, so ist der wet­ter­be­dingte Zuwachs im ein­stel­li­gen Prozentbereich.

2) Alex­an­der Imholz, Lei­ter Amt für Umwelt­schutz Uri in der Luzer­ner Zei­tung: „Bis Ende die­ses Jahr­hun­derts wer­den die Glet­scher bei uns bis auf wenige Reste ver­schwun­den sein“.

3) DS Dies­bar Tief­gang leer: 69 cm, DS Krip­pen leer: 85 cm

4) Die Tiefst­stände am Rhein vom Mon­tag 22.10.2018 5 Uhr betru­gen: Worms 0,04 m (Rekord 0,02 m am 21.10.18), Koblenz 0,20 m (alter Rekord von 0.27 m aus 2003), Ander­nach 0,26 m (alt 0,36), Ober­win­ter 0,09 m (alt 0,27), Bonn 0,82 m (alt 0,90), Köln 0,70 m (alt 0,81), Emme­rich 0,11 m (alt 0,28). Der Pegel­stand sagt aller­dings nichts über die effek­tive Was­ser­tiefe aus. Die aus­bag­ger­ten Fahr­rin­nen sind näm­lich tie­fer. In Emme­rich lag am 22.10. die aktu­elle Fahr­rin­nen­tiefe noch bei 2,20 m, bei Köln bei 1,77 m.

Könnte man bei einem der Pegel von 77 cm (resp. bei 1,77 m) durch den Fluss lau­fen? „Durch­zu­lau­fen, wäre lebens­ge­fähr­lich“, warnt Gerald Fuchs von den Stadt­ent­wäs­se­rungs­be­trie­ben der Stadt Köln (StEB). „Denn die Fliess­ge­schwin­dig­keit des Flus­ses ver­rin­gert sich mit sin­ken­den Pegeln nicht.“

5) Am 453 Kilo­me­ter lan­gen Doubs bil­det der Saut du Doubs unter­halb des Lac des Bre­nets mit 27 m Fall­höhe nach dem Rhein­fall den zweit­mäch­tigs­ten Was­ser­fall der Schweiz.

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