DS Kras­no­jarsk: der letzte Lena-Damp­fer war­tet auf sein wei­te­res Schicksal

Das mediale Echo auf die Dreh­ar­bei­ten des rus­si­schen Fil­mes „A Sun­stroke“ (Ein Son­nen­stich) am und auf dem Gen­fer­see weckt das Inter­esse auf rus­si­sche Rad­damp­fer. Andreas Wer­ner kennt die Damp­fer Russ­lands und recher­chierte für uns: „Der letzte Per­so­nen­damp­fer auf der Wolga, die ‚K.M. Stan­ju­ko­witsch’ ver­kehrte von 1956 bis 1983. Auf einer Werft nahe Nizhny Novo­grad wur­den zwar ab 2008 Revi­si­ons­ar­bei­ten samt Ein­bau eines neuen Kes­sel begon­nen. Der jet­zige Sta­tus ist mir aber unbe­kannt. Und der letzte Lena-Damp­fer, die „Kras­no­jarsk“ (1959), been­dete den Dienst Ende 2007, obwohl das Schiff sich in einem guten Zustand befand. Seit­dem ist das Schiff zusam­men mit bereits frü­her aus­ge­mus­ter­ten Damp­fern in Kirensk an der obe­ren Lena auf­ge­legt.» Gemäss Wer­ner ist die 1911 in Betrieb genom­mene „Gogol“ auf dem Fluss Dwina bei Arch­an­gelsk noch das ein­zige ver­keh­rende Dampf­schiff in ganz Russland.

Im Früh­som­mer vor fünf Jah­ren hatte ich Gele­gen­heit, nach der Eis­schmelze mit die­sem Lena-Dampf­schiff eine mehr­tä­gige Fluss­reise von Ust‘-Kut in den Nor­den nach Jakutsk zu unter­neh­men. Ob Mas­sen­un­ter­kunft in der Kajüte des Schif­fes oder die kom­for­ta­blen 1. Klasse-Kabi­nen im Ober­deck mit flies­send Was­ser: Das Schiff war für mehr­tä­gige Rei­sen voll aus­ge­rüs­tet. Die Dampf­schiff­mann­schaft vom Maschi­nis­ten bis zum Kapi­tän arbei­tete in drei Schich­ten, da die „Kras­no­jarsk24 Stun­den am Tag auf Fahrt war. Die Trans­port­wege Sibi­ri­ens sind vor allem durch die Trans­si­bi­ri­sche Eisen­bahn bestimmt, wel­che im süd­li­chen Teil in der West-Ost-Rich­tung quer durch Sibi­rien läuft. Recht­wink­lig dazu ver­lau­fen drei grosse Flüsse von Süd nach Nord: Ob, Jenissei und nörd­lich des Bai­kal­sees die Lena. Über 100 Tage im Jahr sind die Flüsse zuge­fro­ren und die Eis­flä­chen die­nen dann als „Auto­bah­nen“ für Last­wa­gen­trans­porte. Die Lena mün­det nörd­lich des Polar­krei­ses und nörd­lich der pola­ren Baum­grenze in die Lap­tew-See (Nörd­li­ches Eismeer).

Ent­spre­chend ruht im Früh­ling zur Schnee­schmelze und spä­ter im Herbst bei der Eis­bil­dung das Trans­port­sys­tem auf Sibi­ri­ens Flüs­sen gänz­lich. Das Eis ist zu brü­chig, um noch mit Last­wa­gen befah­ren zu wer­den, aber auch zu mäch­tig, um mit den Schif­fen durch­zu­kom­men. Wir waren an Bord der ers­ten plan­mäs­si­gen Fahrt, wel­che dazu diente, die Bevöl­ke­rung im Nor­den wie­der mit Gütern zu ver­sor­gen. Da und dort wur­den Wodka-Kar­tons aus­ge­la­den, Tier­felle ein­ge­la­den, Lebens­mit­tel­vor­räte ver­schifft. Da auf der Lena Ende Mai im Durch­schnitt etwa 15 Mal so viel Was­ser fliesst wie im Vor­mo­nat gibt es nur an grös­se­ren Orten Schwimm­stege, die im Hoch­win­ter gut gegen das Ein­frie­ren geschützt wer­den müs­sen. An klei­ne­ren Orten drehte das Schiff im Fluss bei und die Waren wur­den mit dem Ret­tungs­boot an Land gebracht oder von den Anwoh­nern in ihren Schif­fen abgeholt.

Der letzte Zeuge einer impo­san­ten Flotte

DS Kras­no­jarsk (Bau­jahr 1959) gehört zu einer Serie von über 60 Rad­damp­fern des Typs 737, die zwi­schen 1952 und 1959 auf der Obuda-Werft in Buda­pest für die Sowjet­union gebaut wur­den. 72,8 Meter Länge und 15,2 Meter Breite sind doch ein­drück­li­che Dimen­sio­nen für ein Fluss­schiff. Bei der Kon­struk­tion wurde auf einen spe­zi­ell gerin­gen Tief­gang (1.25 m) geach­tet, da die Unter­schiede des Was­ser­stan­des im Ver­lauf des Som­mers beträcht­lich sind; wo eben das Was­ser noch zwei Meter tief war, kann bereits Tage spä­ter eine Sand­bank sein.

Unter­wegs der Ein- und Aus­lad von Pas­sa­gie­ren und Ware mit dem Rettungsboot

Uns ein­zi­gen Tou­ris­ten an Bord hat man das Schiff gerne gezeigt. Trotz Ver­stän­di­gungs­schwie­rig­kei­ten konn­ten wir uns sel­ber über­zeu­gen, wie in der Bord­kü­che Spei­sen frisch zube­rei­tet wur­den, wie das Schiff auf der ein­fach ein­ge­rich­te­ten Kom­man­do­brü­cke durch die ein­drück­li­che, nahezu men­schen­leere Natur navi­giert und wie an Bord wäh­rend der Fahrt das Schiff reno­viert wurde. Eben war die Mann­schaft daran, in der Nähe des Dampf­kes­sels mit den ja genü­gend vor­han­de­nen heis­sen Lei­tun­gen und sel­ber geschrei­ner­ten Holz­bän­ken eine kleine Sauna her­zu­rich­ten, tolle Idee! Wäre viel­leicht auch für die Schwei­zer Dampf­schiff­fahrt noch eine Marktlücke…

Ein Blick ins Steu­er­haus zeigt die ein­fa­che Einrichtung.

Von den über 60 erbau­ten Rad­damp­fern die­ses Typs sind heute fast keine mehr übrig, die hier abge­bil­dete «Kras­no­jarsk» ist seit Ende 2007 eben­falls abge­stellt. Auf dem Bild fährt der Rad­damp­fer in Jakutsk ein.

An den meis­ten Ort­schaf­ten legt der Rad­damp­fer direkt an der Böschung des Lena-Ufers an.

Die Lena­fel­sen sind land­schaft­lich ein Höhe­punkt der Fahrt.

Zwi­schen­stopp im Nir­gendwo. Der Rad­damp­fer ist an Bäu­men fest­ge­bun­den. Der Kapi­tän berei­tet rus­si­sche Schasch­lik vor.

Blick vom Komando-Deck über den weit­läu­fi­gen Fluss

Musi­ka­li­scher Emp­fang des ers­ten Damp­fer des Jah­res in Jakutsk

Durch Klick aufs Bild erscheint die­ses im Grossformat.

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Hin­weise

Wis­sen Sie mehr zu den ver­blie­be­nen Damp­fern in Russ­land? Wir freuen uns auf ent­spre­chende Blog-Kommentare!

Im Jahr 2019 ist ein vier­tei­li­ger Rei­se­be­richt über eine Lena-Schiff­fahrt erschie­nen: Mit dem Schiff auf Ent­de­ckungs­fahrt – auf der Lena, am Ende der Welt Link / Von der Taiga in die Tun­dra und Ark­tis, Schiffs­er­leb­nisse auf der Lena Link / MS Michail Svet­lov erreicht auf der Lena das Eis­meer Link

Impres­sum

Bild 1 und 4 A. Wer­ner, Text und übrige Bil­der M. Bisegger

Über­ar­bei­tung 2.2021

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