Mit dem Postschiff übers Meer durch Norwegens Fjorde: Hurtigruten
Seit etwas mehr als 50 Jahren, nämlich am 17. Dezember 1964 wurden an Bord von MS Winkelried auf der Linie Stansstad – Luzern in der Schweizer Schifffahrt letztmals Postsendungen mit dem offiziellen Schiffspoststempel versehen. Es gibt zwar auf vielen Schweizer Seen noch Briefkästen und gelegentlich – je nach Laune des anwesenden Personals – werden die dort eingeworfenen Postkarten auch mal mit einem Schiffssouvenirstempel im Textfeld versehen, bevor diese von der nautischen Besatzung abermals in einen offiziellen Post-Briefkasten an Land eingeworfen werden.
Nicht so in Norwegen: Entlang der Atlantikküste zwischen Kirkenes und Bergen verkehren auch heute noch täglich Postschiffe. Sie bedienen teilweise vom Strassenverkehr abgelegene Fjorde und Inseln. Eine erhaltene Schiffspostkarte mit Schiffsbriefmarke und Schiffsstempel versehen hat mich auf die Idee gebracht, die Strecke selber mal zu bereisen: In Kirkenes – ganz in der Nähe der Grenze zu Russland – bestieg ich voller Erwartungen die „Nordkapp“ für eine Vorsommerfahrt mit den Hurtigruten-Postschiffen Richtung Süden über den Polarkreis nach Bergen.
Die Postschiffe haben einen genauen Fahrplan, sie fahren jeden Tag um dieselbe Uhrzeit von jedem Ort der Strecke: Unsere „Nordkapp“ verlässt Kirkenes pünktlich um 12.30 Uhr. Es ist fast Mai und immer noch sind in der Bucht von Kirkenes einzelne Eisschollen zu sehen. Im Hochwinter wird diese Bucht von Eisbrechern für die Postschiffe freigehalten, die übrige Strecke an der Westküste Norwegens ist aufgrund des warmen Golfstroms eisfrei. Überall unterwegs werden neben Postsendungen auch andere Güter, Autos und fangfrischer Fisch ein- und ausgeladen. Dies auch in der Nacht, wie beispielsweise am kleinen Anleger von Mehamn mit 690 Einwohnern, den wir um 0.45 Uhr erreichen. Geplant wollte ich bereits im Bett sein, um die Umrundung des Nordkapps an Bord der MS Nordkapp nicht zu verpassen, der sichtlich engagierte Reisleiter hat aber an der Bar auf der Gitarre und am Piano noch für einen gemütlichen Tagesausklang gesorgt, weit über Mehamn hinaus.
Am Hurtigrouten-Shop gibt es einen schönen Warmhaltebecher, der während der ganzen Reise stets mit Kaffee und Tee nachgefüllt werden kann. In Hammerfest der nördlichsten Stadt der Welt macht das Schiff einen längeren Halt und wir nutzen die Zeit für einen Spaziergang, bevor wir am Abend den Tag mit einem Konzert in der Eismeerkathedrale von Tromso abschliessen. Konzert und Transfer hat uns unser Bordreiseleiter organisiert, eines von vielen interessanten Zusatzangeboten, die an Bord gebucht werden können: Seeadler-Safari, Königskrabben-Expedition, Besuche beim Fischer und Stadtbesichtigungen, um nur einige zu nennen.
Damit wir auch die Schönheiten an Land nicht verpassen, überspringen wir gelegentlich ein Schiff und fahren jeweils einen oder zwei Tage später um die gleiche Uhrzeit mit einem anderen Schiff wieder weiter. Für die Weiterfahrt zu den Lofoten erwischen wir die „Finnmarken“. Das moderne Postschiff hat sogar einen geheizten Swimming-Pool auf dem „Sonnendeck“. Baden mit Blick auf die schneebedeckten Berge nördlich des Polarkreises ist wunderbar. Bei der Gründung der Postschifflinie am 2. Juli 1893 waren diese Annehmlichkeiten nicht vorhanden. Richard With, der Gründer und zugleich erste Kapitän, war auf der Brücke Wind und Wetter ausgesetzt und hatte weder GPS, Radar noch moderne Seekarten. Die Navigation durch die mit vielen Untiefen und Felsen durchsetzten Fijorde war eine grosse Herausforderung. „Hurtig routen“ bedeutet schnelle Route, es war damals die schnellste Verbindung in den abgelegenen Norden Norwegens. Auf unserer Fahrt in den Süden, vorbei an Bodo, wo sich der Saltstraumen (stärkster Gezeitenstrom der Welt) befindet, kreuzen wir auch die MS Lofoten. Sie stammt aus dem Jahre 1964 und steht seit 2001 unter Denkmalschutz. Es ist das letzte Schiff der Linie, welches noch über einfache Kabinen und keinerlei Stabilisatoren gegen Wellengang verfügt. Bei der Überfahrt über den Polarkreis offeriert die Crew einen Schluck Lebertran. Nach fünf Tagen, vielen schönen Erlebnissen und 2481 Kilometer Seefahrt erreicht unser Postschiff Bergen. Post und Passagiere verlassen das Schiff, welches bereits am Abend wieder nordwärts in See sticht. Ich frage mich wie sich diese Schifffahrtslinie weiterentwickelt, die Gratwanderung zwischen Touristenschiff und Post-/Frachtschiff ist sicher weiterhin herausfordernd.
Gerne habe ich von dieser vorsommerlichen Schiffsreise Postkarten verschickt… und wer weiss vielleicht animiert es ja den einen oder anderen Empfänger zur Fahrt mit dem Postschiff …
MS Nordkapp ist eines der 11 Postschiffe, die im 11-Tagesrhythmus unterwegs sind.
Die Fahrstrecke ist nautisch anspruchsvoll mit vielen Felshindernissen versehen.
Badefreuden an Bord der „Finnmarken“ inmitten schneebedeckter Landschaften.
Am frühen Morgen an Bord der „Vesteralen“ …
… mit der nachfüllbaren Kaffeetasse.
Der Briefkasten an Bord jedes Postschiffes ist Symbol und gelebter Alltag.
Text und Bilder M. Bisegger
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