Mit DS Stadt Rapperswil das letzte Mal auf Kursfahrt in den Zürcher Obersee
Wer Ende September Dampferferien auf Schweizer Seen machte, hatte doppelt Glück: Zum einen konnte man jeden Tag mit einem anderen Raddampfer* fahren und zum andern war das Wetter viel besser als man gemäss Prognose und Blick auf die Wetterkarte mit ihrem Frontengewirr erwarten konnte. So hatte ich Gelegenheit mit Raddampfern zu fahren, die normalerweise zu dieser Jahreszeit bereits im „Winterschlaf“ sind: Auf dem Genfersee dampfte DS Montreux anstelle der kränkelnden „La Suisse“ und wegen Revisionsarbeiten am Motorschiff Léman kreuzte DS Simplon ans französische Ufer; DS Unterwalden kam dank der Revision der „Stadt Luzern“ auf dem Vierwaldstättersee zum Zuge und DS Lötschberg verlängerte ihre Saison auf dem Brienzersee um zehn Tage, weil MS Jungfrau einen Motorenschaden erlitten hatte und MS Interlaken bereits in der Werfthalle einer grösseren geplanten Revision unterzogen wurde. Den Höhepunkt einer intensiven Dampferwoche bildete für mich zweifelsohne eine Prachtfahrt mit DS Stadt Rapperswil in den Obersee nach Schmerikon und zurück.
Die “Stadt Rapperswil“ feiert dieses Jahr ein kleines Jubiläum: Das Schiff steht seit 105 Jahren im Einsatz und fährt seit 1977 zusammen mit dem Schwesterschiff Stadt Zürich kursmässig in den Obersee. Nun kommt das „Aus“: Im veröffentlichten Fahrplanentwurf für das Jahr 2020 ist für die Kurse nach Altendorf und Lachen im Kanton Schwyz und nach Schmerikon im Kanton St. Gallen leider kein Raddampfer mehr vorgesehen. Die Erwähnung der Kantone macht in diesem Zusammenhang durchaus Sinn, denn es hat vorab politische Gründe, warum der Obersee selbst in der Hochsaison 2020 von Montag bis Freitag gar nicht mehr mit Schiffen bedient wird.
Bekanntlich fahren die Kursschiffe auf dem Zürichsee im Auftrag des ZVV, des Zürcher Verkehrsverbundes. Das hat den Vorteil, dass sämtliche ÖV-Tickets des Tarifverbundes auch auf den Schiffen gültig sind. Der Nachteil ist, dass die ZSG unternehmerisch nicht frei agieren kann und sich an den Zentrumskosten beteiligen muss. Das bedeutet auch, dass der ZVV von jenen Kantonen, die vom Verkehrssystem der Zürcher bedient werden, ebenfalls zur Kasse bittet. Im Rahmen der Neugestaltung des gesamten Schiffsfahrplanes auf dem Zürichsee wurden sämtliche Abgeltungen neu geregelt. Künftig erwartet der ZVV von den St. Galler und Schwyzer Gemeinden jährlich eine Million Franken an Unterstützungsbeiträgen. Als dann der ZVV auch von der Stadt Rapperswil (Kanton St. Gallen) jährlich 750 000 Franken forderte, damit die Schiffe die Rosenstadt auch künftig bedienen, platzte der Stadt „der Kragen“. Da der jetzige Vertrag aber noch für zwei Jahre in Kraft sein wird, kann diese Forderung des ZVV erst für das Jahr 2022 geltend gemacht werden.
Die Konsequenz kann sein, dass die ZSG den Fahrplan für die Jahre ab 2022 neu bauen wird. Laut Medienberichten drohte die ZSG der Stadt Rapperswil-Jona im Mai 2019, «dass ein redimensioniertes Angebot Auswirkungen auf alle beteiligten Gemeinden haben wird». Es sei zum jetzigen Zeitpunkt zudem unklar, ob eine Umsetzung des Fahrplans, «und insbesondere die grosse Rundfahrt von Zürich nach Rapperswil», überhaupt noch möglich sei. Da die Schwyzer Gemeinden Lachen und Altendorf den vom ZVV aufgebrummten, neuen Betrag nicht zahlen wollen, werden bereits im kommenden Sommer sämtliche Angebote von Montag bis Freitag wegfallen.
Der Obersee – ein Genuss
Die Oberseefahrten waren beliebt und bis vor kurzem gab es in der Hauptsaison gar zwei Verbindungen pro Tag. Zum einen traf der Fahrgast hier auf eine sehr liebliche und abwechslungsreiche Landschaft, die – im Gegensatz zum übrigen Zürichsee – wenig bebaute Ufer kennt. Zum andern waren hier die Kursschiffe nicht so überfüllt wie im unteren Seeteil. Diese angenehme Fahrgastsituation auf dem Obersee wurde dem Angebot zum Verhängnis. Der schöne Obersee nimmt mit rund 20 km2 Fläche fast ein Viertel des bananenförmigen Zürichsees ein, die Uferlinie macht mit 30 km wegen den vielen Buchten gar einen Drittel des gesamten Seeumfanges aus. Ich begreife die Bevölkerung und die touristischen Kreise von Rapperswil und von den Gemeinden des Obersees, dass für sie der Wegfall der Schiffsverbindungen schmerzlich ist und die Standortattraktivität mindert. So freuen wir uns umso mehr auf die Obersee-Fähre, die auch im Sommer 2020 nochmals während 14 Tagen die beiden Kantone St. Gallen und Schwyz auf dem Obersee verbinden wird, bevor dann vielleicht der ZVV ein besseres Angebot den Kantonen Schwyz und St. Gallen unterbreitet.
Das Fahrplanangebot in den Obersee ist allerdings in der 150-jährigen Geschichte der Zürichsee-Schifffahrt ein verhältnismässig „junges“ Angebot, wie Kurt Brägger für uns recherchiert hat: „Bis 1974 gab es sporadisch an zwei verschiedenen Werktagen in der Hochsaison Fahrten in den Obersee, immer ohne Halt ab Stäfa, Richterswil oder Bächau (!) nach Altendorf, Lachen und Schmerikon. Erstmals in den offiziellen Fahrplan kam die Verbindung erst im 1975, die jeweils an Sonntagen angeboten wurden. Vor 43 Jahren dann fährt erstmalig ein Dampfschiff fahrplanmässig nach Lachen, dies war jeweils DS Stadt Rapperswil an Sonntagen, im Juli und August auch am Mittwoch. 1981 teilte man nach einem Umbau der ‚Stadt Zürich‘ (Winter 1980/81) auch diesen Dampfer erstmalig zur Oberseefahrt ein. Für die Dampfschifffreunde waren die Jahre 2009 bis 2011 die attraktivsten: in dieser Zeit verkehrte das Dampfschiff sogar auf dem Morgenkurs, dies von Montag bis Samstag, Zürich ab um 08.30 Uhr (zurück um 15.50 Uhr).“
Die Schifffahrt auf dem Zürichsee bietet immer wieder, und dies seit Jahren, Angriffsfläche für Kritik, auch wenn nicht in jedem Fall die ZSG alleinige Verursacherin ist. Stichworte neuerem Datums sind: Der Schiffs-Fünfliber (zwar seit Frühling 2018 abgeschafft, die Wirkung ist aber nach wie vor als Negativwerbung präsent), scheinbare Lärmbelästigungen von Disco- und Tanz-Abendfahrten, Totalausfall des Publikumslieblings DS Stadt Zürich während des ganzen Jahres, erneute juristische Horn-Klagen bis zum „Geht-nicht-mehr“, Reinigungsmittel der Solothurner Reinigungsfirma Stampfli, die gegen die Gewässerschutzvorschriften verstossen und ein neuer, ausgedünnter Fahrplan mit längeren Fahrzeiten, der bereits heute einige Schwachstellen offenbart und einzelne Stationen nicht mehr bedient. Ein stürmischer See zur Zeit, auch wenn kein Wind bläst…
Das Schluss-Festival
DS Stadt Rapperswil steuert unter Kapitän (und jungem Vater) Michi Schäfer bei besten meteorologischen Verhältnissen nun ein letztes Mal den Obersee an. Der Dammdurchstich ist die grössere der beiden Verbindungen** vom unteren Zürichsee in den Obersee. Der künstlich geschaffene Kanal ist rund 500 m lang und führt unter Bahnlinie und Strasse hindurch. Aufgrund der geringen Durchfahrtshöhe von neun Metern müssen grössere Segelyachten und die «Stadt Rapperswil» den Mast kippen und das Dampfschiff den Kamin einziehen. Zwei beherzte Hornstösse, einmal mit dem Nebelhorn und einmal mit dem Signalhorn, werden an Deck mit Applaus quittiert. Der Kapitän muss deswegen nicht befürchten, am Abend in Zürich verhaftet zu werden, da die für uns Passagiere schönen und emotionalen Töne im Kanton Schwyz abgegeben worden sind…
DS Stadt Rapperswil erreicht festlich beflaggt Thalwil. Das Schiff feiert heute Abschied: Maschinist Paul Betschart hat seinen letzten Arbeitstag und ein Raddampfer fährt zum letzten Mal öffentlich in den Obersee.
Der Durchstich von Hurden ist rund 500 m lang und knapp 20 m breit.
Nach über 40 km Fahrt ab Zürich heisst es: „letzter Halt“ in Schmerikon mit einem Raddampfer.
Abschiedsbild mit der St. Galler Gemeinde Schmerikon im Hintergrund.
Ein letztes Mal die Unterquerung der Strassen- und Eisenbahnbrücke via Hurdenkanal, der erstmals 1878 erbaut und letztmals 1951 erneuert.
Kapitän Michi Schäfer freut sich mit den zahlreichen Fahrgästen, diese historische Fahrt erleben zu dürfen.
Nach sechs Stunden Fahrt verlässt die „Stadt Rapperswil“ Thalwil in Richtung Heimathafen Zürich.
Bilder Textteil: 1) Flyer aus dem Jahr 1967, wo in der Saison zwei Schiffe in den Obersee fuhren. 2) Die letzten Sonnenstrahlen werfen lange Schatten aufs Schiff.
Durch Klick aufs Bild erscheint dieses im Grossformat.
Hinweise
*) Am Montag, 23.9.19 stand auf dem Genfersee die „Montreux“ zwischen Lausanne und Château de Chillon und ein Tag darauf die „Simplon“ zwischen Lausanne und Evian und Thonon (!) auf dem Programm (Blogtext folgt Ende Oktober). Am Mittwoch 25.9.19 beglückte die „Unterwalden“ auf dem Vierwaldstättersee mit der Urnerseerundfahrt. Am Donnerstag dampfte die „Blümlisalp“ auf dem Thunersee und am Freitag dank dem Ausfall der Motorschiffe Interlaken (Revision in der Werfthalle) und Jungfrau (Motorenschaden) die „Lötschberg“ auf dem Brienzersee. Sie verlängerte ihre Dampfersaison auf dem Brienzersee (ungeplant) bis und mit dem 1. Oktober. Am Samstag, 28.9.19 lockte die „Neuchâtel“ an ihrem letzten Betriebswochenende in dieser Saison mit einer Fahrt nach Biel. Am Sonntag dann als krönenden Abschluss eine Fahrt, die ins Schiffer-Geschichtsbuch kommt: der letzte Obersee-Kurs mit Dampf für die nahe und nächste Zukunft.
**) Es gibt noch einen zweiten Durchstich zwischen unterem Zürichsee und dem Obersee: Das sogenannte Ledigatter in der Nähe von Rapperswil. Es liegt im natürlichen Verbindungsbereich zwischen den beiden Seeteilen. Aufgrund der sehr geringen Durchfahrtshöhe unter der Strasse und der Bahnlinie ist es für Segelboote und Kursschiffe ungeeignet für eine Passage.
Impressum
Flyer: K. Räss, Text und Bilder: H. Amstad (aktualisiert 3.2021)
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