MS Dia­mant ver­mit­telt Kreuz­fahrt­fee­ling und ergänzt die Rad­damp­fer als Touristenattraktion.

Der 4. Mai 2017 kann ein Mei­len­stein in der Schiff­fahrts­ge­schichte auf dem Vier­wald­stätter­see wer­den. Das flä­chen­mäs­sig grösste (mit 1400 m² begeh­ba­rer Flä­che) und das teu­erste Schiff (15,5 Mio Fran­ken) bekommt an die­sem Tag der Schiffs­taufe den Namen „Dia­mant“. Dem Rad­damp­fer Stadt Luzern über­lässt die SGV andere Rekorde, ver­mut­lich hat man den Bogen nicht über­span­nen wol­len. VR-Prä­si­dent Hans-Rudolf Schurter betont an der Pres­se­kon­fe­renz, dass die „Stadt Luzern“ das Flagg­schiff der SGV bleibe: „Der Rad­damp­fer ist das längste, brei­teste und schwerste Schiff der Flotte“.

Laut Geschäfts­be­richt 2016 beträgt die Länge der “Stadt Luzern“ 63.65 m, laut Pres­se­mappe jene der „Dia­mant“ 63,50 m. Die Breite ist beim Damp­fer mit 15,20 m, jene beim Neu­bau mit 13,50 m ange­ge­ben. 415 t ver­drängt DS Stadt Luzern leer, laut Aus­kunft vom shiptec-Chef Rudolf Sta­del­mann macht dies MS Dia­mant mit 340 t. Die Höhe ab der Was­ser­li­nie bis Ende Kamin beträgt beim Dampf­schiff laut der Luzer­ner Zei­tung 13 m, jene vom Neu­bau 11,55 m. Zur ange­neh­men Über­ra­schung der SGV ist der Neu­ling der­mas­sen gewichts­spa­rend gebaut (mit zusätz­lich sehr tie­fem Schwer­punkt), dass das Ziel von 1000 Per­so­nen Fas­sungs­ver­mö­gen wegen der hohen Sta­bi­li­tät um 100 über­trof­fen wird und dem­nach gleich viel Fahr­gäste auf­neh­men darf wie DS Stadt Luzern, näm­lich 1100.

Der Geschäfts­füh­rer der Shiptec AG, Rudolf Sta­del­mann, erläu­tert sie­ben Beson­der­hei­ten der „Dia­mant“, was ihm und sei­nem Team beson­ders am Her­zen gele­gen ist: „Da wären mal span­nende Fea­tures zu erwäh­nen wie die nach dem Kom­pass dre­hende Ober­deck-Sitz­ge­le­gen­heit, das Fuss­bad am Heck oder der Nau­ti­lus-Raum im Unter­deck mit Fens­ter­lu­ken unter­halb und (knapp) ober­halb der Was­ser­li­nie.“ Den Erbau­ern ist es ein Anlie­gen gewe­sen, die Form des Rump­fes so zu opti­mie­ren, dass das Schiff wenig Wel­len macht. Denn: „Wel­len machen braucht Ener­gie, statt sie für den Vor­trieb zu ver­wen­den: zu grosse Wel­len sind Zei­chen für unnütze Ener­gie­ver­luste.“ Dazu wurde der Schiffrumpf im Mass­stab 1 : 8 nach­ge­baut und das acht Meter lange Modell in auf­wän­di­gen Schlepp­ver­su­chen in Hol­land geprüft. „Als drit­tes möchte ich den Hybrid-Antrieb erwäh­nen; die zwei Die­sel­ag­gre­gate sind bewusst schwach moto­ri­siert. Bei Spit­zen­ver­brauch wer­den dann zwei Elek­tro­mo­to­ren dazu geschal­ten. Die Bat­te­rien wer­den vor­her durch die Pro­pel­ler­welle auf­ge­la­den oder bei hohem Ener­gie­be­darf (z.B. Küche) durch zusätz­li­che Die­sel­ge­ne­ra­to­ren auf­ge­la­den. Somit kön­nen wir 15 bis 20 % Die­sel gegen­über einem kon­ven­tio­nel­lem Sys­tem sparen.“

Hei­zung, Küh­lung und Belüf­tung sind von Grund auf neu kon­zi­piert wor­den. Dazu bei­getra­gen hat ein von der Shiptec zusam­men mit der Hoch­schule Luzern durch­ge­führ­ten For­schungs­auf­trag, der vom Bund mit­fi­nan­ziert wor­den ist. Da kommt sicher auch sein gutes Netz­werk zum Tra­gen, ist Sta­del­mann doch Prä­si­dent des ITZ (Inno­va­ti­ons­Trans­fer Zen­tral­schweiz). Wei­ter neu bei der „Dia­mant“ ist die tech­ni­sche Fern­über­wa­chung per PC oder Handy. Sämt­li­che rele­van­ten tech­ni­schen Sys­teme kön­nen so von aus­sen kon­trol­liert wer­den. Von einem Jour­na­lis­ten ange­spro­chen, ob sich der Kapi­tän nicht unter Kon­trolle fühle, meint Georg Rit­ter: „Ich emp­finde das eher als Unter­stüt­zung. So kön­nen Shiptec-Fach­leute bei Unre­gel­mäs­sig­kei­ten dem nau­ti­schen Per­so­nal ziel­ge­rich­tet einen Tipp geben oder schnell Alter­na­ti­ven auf­zei­gen.“ Als nächste Inno­va­tion hat man auf die­sem Schiff auch das Gas­tro­sys­tem neu über­dacht und für die Tavo­lago neue Lösun­gen inte­griert**. Schliess­lich führt Rudolf Sta­del­mann aus, sei sehr gros­sen Wert auf das Aus­sen­de­sign gelegt wor­den ist: „Am meis­ten freut mich das stim­mige Ganze. Antrieb, Tech­nik, Design, Funk­tio­na­li­tät, Aus­se­hen, alles greift inein­an­der über und bil­det eine har­mo­ni­sche Einheit.“

SGV-Direk­tor Ste­fan Schul­t­hess setzt in sei­nen Aus­füh­run­gen den Schwer­punkt auf das erste kli­ma­neu­trale Kurs­schiff der Schweiz: „Das Schiff pro­du­ziert rund 870 t CO2 pro Jahr. Die SGV leis­tet ent­spre­chende Aus­gleichs­zah­lun­gen und unter­stützt auf diese Weise wirk­sa­men Kli­ma­schutz“*. Die auf MS Dia­mant in die Luft aus­ge­stos­se­nen CO2-Emmis­sio­nen wer­den an einem andern Ort auf der Welt im glei­chen Umfang redu­ziert.“ Im Gegen­satz zur Swiss, wo der Flug­pas­sa­gier sel­ber ent­schei­den muss, ob er beim Ticket­kauf die Kom­pen­sa­tion bezah­len will oder nicht, leis­tet die SGV an mycli­mate in jedem Fall die Kom­pen­sa­ti­ons­zah­lun­gen. Kon­kret wird damit in ein Kli­ma­schutz­pro­jekt in Uganda inves­tiert. Die­ses Pro­jekt redu­ziert den CO2-Aus­stoss um ins­ge­samt 61 400 t pro Jahr, 185 000 Men­schen pro­fi­tie­ren von sau­be­rem Was­ser, das mit einem redu­zier­ten CO2-Aus­stoss mit moder­nen Anla­gen auf­be­rei­te­ten wird.

Der Tauf­akt fin­det an der Brü­cke 7 in Luzern statt. Etwa 2000 Leute wol­len sich die­ses Spek­ta­kel nicht ent­ge­hen las­sen. Die Match­ess Dancers aus Hünen­berg insze­nie­ren opti­sche Wort­spiele zu mög­li­chen Namens­va­ria­tio­nen, unter­stützt durch die Luzer­ner Band Dada ante Por­tas, die vor und nach der Taufe den Euro­pa­platz akus­tisch zum Vibrie­ren bringt. Die Stadt­lu­zer­ner Bau­di­rek­to­rin Manuela Jost hat die Ehre, das Schiff zu tau­fen – sie zeigt sich begeis­tert und gerührt zugleich sowohl über die­sen Moment wie über das Schiff.

Beglei­tet wird die anschlies­sende Jung­fern­fahrt – wohl kaum bewusst aber immer­hin ein schö­ner „Zufall“ – durch zwei Schiffe, die einen Bezug zum heu­ti­gen Anlass haben: MS Schwyz gilt bis heute als das klas­si­sche Motor­schiff mit Luzer­ner Design-Wur­zeln. Sta­del­mann: «Die SGV-Kon­struk­teure und das Archi­tek­tur­büro Otto Dreyer haben sich dabei ange­lehnt an ita­lie­ni­sche Design­li­nien von Fahr­zeu­gen der Fünf­zi­ger­jahre.» Ein ähn­li­cher Anspruch könnte auch MS Dia­mant erhal­ten, stil­mäs­sig ver­setzt in die Zeh­ner­jahre die­ses Jahr­hun­derts (Shiptec Inge­nieure und Desi­gner von Judel&Vroljik, Bre­mer­ha­ven, ange­lehnt an den mari­tinen Yacht­bau). Und MS Europa ist 18 Stun­den spä­ter vor genau 32 Jah­ren in Her­ten­stein in Anwe­sen­heit von Mar­ce­lono Oreja, dem Gene­ral­se­kre­tär des Euro­pa­ra­tes, von „Unter­wal­den“ auf „Europa“ unbe­nannt wor­den und erlebte so seine zweite Jungfernfahrt.***

Wie in der übri­gen Archi­tek­tur ist es üblich, in der Pro­jekt­phase die Pläne zu visua­li­sie­ren und in einer 3‑D-Dar­stel­lung zu zei­gen. Oft sieht dann die Wirk­lich­keit ernüch­tern­der aus, bei Häu­sern bis­lang ent­täu­schend, weil die Wir­kung nun durch den rea­len Kon­text bestimmt wird. Nicht so bei MS 2017 – da habe ich oft kri­tisch auf die Visua­li­sie­run­gen geschaut und ich habe mich selbst mit die­ser Unter­stüt­zung nicht ganz anfreun­den kön­nen mit der Bug­par­tie oder den Pro­por­tion zwi­schen Breite, Höhe und Länge. In der Rea­li­tät nun sieht MS Dia­mant für mich viel bes­ser aus, als ich dachte. Der hohe Bug ver­län­gert optisch das Schiff und die Höhe von vier Decks wird durch eine geniale Aus­buch­tung des Quer­pro­fils sanft abge­fan­gen, was beson­ders der Anblick von hin­ten ein­drück­lich auf­zeigt. Der weite Abschwung des Schanz­klei­des vom drit­ten Deck, das bis aufs Haupt­deck im fla­chen Win­kel her­un­ter gezo­gen ist, gibt dem Schiff viel Ele­ganz. Ich kann vom Begleit­schiff Schwyz, das wie erwähnt 1959 für ähn­li­che eupho­ri­sche Schlag­zei­len sorgte, aus kei­nem Blick­win­kel am MS Dia­mant eine irri­tie­rende Gestal­tung fest­stel­len. Wie der Desi­gner Jan Kuh­nert mir bestä­tigt, ist an der Gestal­tung von der Pro­jekt­idee bis zu Aus­füh­rung hart gear­bei­tet wor­den – das Ergeb­nis macht nicht nur die Shiptec und die Auf­trag­ge­be­rin SGV glück­lich, son­dern auch Judel/​Vrolijk aus Bre­mer­ha­ven, die nun auch den Shut­tle-Kata­ma­ran für den Zubrin­ger der Bür­gen­stock­bahn und das geplante Bie­ler­see-Schiff gestal­ten wird.

Die Cham­pa­gner­fla­sche zer­schellt, der Name ist nun offi­zi­ell und blau-weisse Luzer­ner Bän­der reg­net es vom Himmel.

Rudolf Sta­del­mann strahlt heute mit Recht: sei­nem Team ist ein „Wurf“ gelungen.

Die drei Per­so­nen waren nun fast fünf Jahre mit dem Pro­jekt beschäf­tigt: Jan Kuh­nert, CEO und Ann Cath­rein Jacob­sen von Judel/​Vrolijk sowie David Mül­ler, der Pro­jekt­lei­ter MS 2017 von Shiptec.

Als CEO der SGV war auch er ein gefrag­ter Mann des Abends: Ste­fan Schulthess.

Inter­views am „Lauf­me­ter“ auch für Georg Rit­ter, der mit Urs Zemp als Bei­mann zukünf­tig der ver­ant­wort­li­che Schiffs­füh­rer der „Dia­mant“ ist.

Per­fekte Sze­ne­rie für die Jung­fern­fahrt mit einem Wech­sel­spiel von Regen, Sonne, blauem Him­mel und raben­schwar­zen Wolken.

Der edle und rela­tiv kleine Schrift­zug Dia­mant gefällt mir.

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Hin­weise

*) CO2 ist ein Gas, das bei der Ver­bren­nung fos­si­ler Roh­stoffe aus­ge­stos­sen wird. Im Gegen­satz zur Ver­bren­nung von Holz wird die­ser Anteil nicht mehr in den Natur­kreis­lauf zurück­ge­führt. Dadurch nimmt der CO2-Gehalt in unse­rer Atmo­sphäre zu und ver­ur­sacht den Treib­haus­ef­fekt, der für den welt­wei­ten Tem­pe­ra­tur­an­stieg ver­ant­wort­lich ist.

**) Mit Rege­ne­rier­ge­rä­ten, einem beheiz­ba­ren Trans­port­lift und Schick­sta­tio­nen auf allen Decks will man die Qua­li­tät der Spei­sen steigern.

***) Für MS Europa gab es dann noch eine dritte Jung­fern­fahrt: näm­lich am 24. Okto­ber 1995, nach dem das Schiff am 20. Februar 1993 in einer Reno­va­ti­ons­phase in der Werft abbrannte.

Quel­len

Text und Bil­der H. Amstad.

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