MS Oes­ter­reich: Am Kar­sams­tag nimmt das erste Salon­mo­tor­schiff vom Boden­see wie­der Fahrt auf

Das Jahr 2018 war hier­zu­lande nau­tisch das Jahr der Neu­bau­ten: Seit 1913* kamen nie mehr so viele zusätz­li­che Schiffe auf unsere Seen wie im letz­ten Jahr, näm­lich die „Rhy­stärn“ für den Bas­ler Rhein, die „Engel­berg“ für den Bie­ler­see, die „Bür­gen­stock“ für den Vier­wald­stätter­see und die „Del­phin“ für den Hall­wi­ler­see als Neu­bau­ten sowie die „Airone“, „Fenice“ und „Rex“ auf dem Luga­n­er­see als Übernahmen.

Das 2019 könnte eben­falls ein beson­de­res Jahr wer­den: das Jahr der gros­sen Revi­vals alter Motor­schiffe! Das letzt­mals als Motor­schiff im Jahr 2007 gefah­rene Schiff Spiez (1901) soll gegen Ende Jahr auf dem Thu­ner­see unter Dampf wie­der in Betrieb kom­men. Das eben­falls 1996 letzt­mals gefah­rene MS Munot (1936) der URh wird in die­sem Som­mer wie­der flott gemacht für den tsche­chi­schen Novom­lýnský-Stau­see am Zusam­men­fluss der Flüsse Thaya, Jih­lava und Svratka. Die „Etzel“ (1934) erstrahlt nach län­ge­rer Pause in neuem Glanz und soll an Ostern den Zürich­see wie­der befah­ren. Das Boden­see-Schiff Oes­ter­reich (1928) – seit 2009 aus­ser Dienst ­– hat nun diese Woche die ers­ten Pro­be­fahr­ten erfolg­reich bestan­den. Auf viele die­ser Schiffe hätte ich vor Jah­ren keine Wette abge­schlos­sen, dass sie je wie­der fah­ren wür­den. Doch wenn Men­schen enga­giert „ihr“ Pro­jekt mit Hart­nä­ckig­keit ver­fol­gen, dann kann „der Glaube Berge ver­set­zen“ und das Unmög­li­ches wird mög­lich – in jedem ein­zel­nen Fall.

MS Oes­ter­reich – ein Art-Déco-Schiff mit vie­len Superlativen

Am Kar­sams­tag, 20. April, ist es soweit: nach rund 10 Jah­ren Fahr­ab­senz fährt die alt­ehr­wür­dige «Oes­ter­reich» wie­der mit Fahr­gäs­ten aus. Die Rekon­struk­tion kos­tet 8,5 Mil­lio­nen Euro.Das Schiff gehört einem Ver­ein mit eini­gen hun­dert Mit­glie­dern sowie einer GmbH mit 12 Gesell­schaf­tern und einem Kapi­tal von ins­ge­samt 4,5 Mil­lio­nen Euro. Der Ver­ein MS Oes­ter­reich ist dabei mit 600 000 Euro der grösste Gesell­schaf­ter. Die andere Hälfte der Inves­ti­ti­ons­summe kommt von Fir­men, aus den Kom­mu­nen, dem Land Vor­arl­berg und von INTER­REG-För­der­gel­dern der EU. Betrie­ben wird das Art-Deco-Schiff von der glei­chen Ree­de­rei wie das DS Hoh­ent­wiel. Zusam­men bauen sie nun in Hard eine neue Basis­kü­che, zumal auch MS Oes­ter­rech vom glei­chen Gas­tro­no­men Heino Huber betreut wird wie der Damp­fer. Um sich ganz den bei­den Schif­fen zu wid­men wird der aus­ge­zeich­nete Gault Mil­lau Ster­ne­koch sein Gast­haus Mau­rach­bund in Bre­genz aufgeben.

So plau­si­bel die Zusam­men­ar­beit der nau­ti­schen «Ver­wand­schaft­schiffe» erschei­nen mag, so schwie­rig war der Pro­zess zu die­ser Zusam­men­ar­beit**. Zum einen befürch­te­ten ein­ge­fleischte Hoh­ent­wiel-Fans eine Kon­kur­renz, ja sie monier­ten, der Damp­fer müsste dann das Motor­schiff künf­tig quer­sub­ven­tio­nie­ren. Sol­che Argu­mente kom­men mir bekannt vor – aber mit umge­kehr­ten Vor­zei­chen, als man in den Sieb­zi­ger­jah­ren in Luzern, Zürich und Thun von den Schiffs­be­trie­ben nicht müde wurde zu behaup­ten, die Motor­schiffe müss­ten die Damp­fer sub­ven­tio­nie­ren… Zum andern wehrte sich die Schwei­zer Sek­tion des Hoh­ent­wiel-Ver­eins gegen ein Zusam­men­ge­hen aus (wirt­schafts-) poli­ti­schen Grün­den: Die Annahme von 1,1 Mil­lio­nen EU-För­der­gel­der seien ein Miss­brauch von Steu­er­gel­dern, war ihr Argument.

Beide streit­ba­ren Oppo­si­tio­nen konn­ten dann in einem jah­re­lan­gen Pro­zess mehr oder weni­ger umge­stimmt wer­den. Die Frei­gabe von För­der­gel­dern war näm­lich an die Bedin­gung geknüpft, dass meh­rere Län­der vom neuen Ange­bot pro­fi­tie­ren müss­ten. Der Ver­ein Hoh­ent­wiel ist bereits inter­na­tio­nal auf­ge­stellt mit Sek­tio­nen in allen drei Boden­see-Län­dern und hat aus­ser­dem ein beach­tens­wer­tes Know-How auf­ge­baut beim Ver­mark­ten sol­cher Fahr­ten. Sym­bol­haft wer­den nun am 20. April die unter öster­rei­chi­scher Flagge fah­ren­den Schiffe Hoh­ent­wiel (ab Was­ser­burg) und Oes­ter­reich (ab Bre­genz) mit den Ehren­gäs­ten star­ten, um sich vor der deut­schen Insel Lin­dau zu tref­fen und im dor­ti­gen Hafen die zweite Taufe der «Oes­ter­reich» vor­zu­neh­men. Wir von der Schiffs-Agen­tur wer­den am Sonn­tag, 7. Juli 2019 eben­falls mit bei­den Schif­fen exklu­sive Fahr­ten erleben.

MS Oes­ter­reich war 1928 eine Sensation

Beat Zum­stein recher­chierte zur „Oes­ter­reich“ einen span­nen­den Bei­trag, der auf die bevor­ste­hende Inbe­trieb­nahme des Schif­fes in der Vor­arl­ber­ger Lan­des-Zei­tung vom 27. Juli 1928 abge­druckt wurde. Aus­schnitte dar­aus las­sen 90 Jahre nach der Jung­fern­fahrt die Bedeu­tung des MS Oes­ter­reich deut­lich erken­nen: „Auf ges­tern mit­tags hatte die Gene­ral­di­rek­tion der Oes­ter­rei­chi­schen Bun­des­bah­nen die Presse zur Besich­ti­gung des neuen Die­sel-Dop­pel­schrau­ben­schiffs Oes­ter­reich, ein­ge­la­den. … Es wird das erste grosse Motor­schiff auf dem Boden­see sein und auch das erste grosse Schiff die­ses Sees, das kei­nen Rad­an­trieb, son­dern Schrau­ben­an­trieb erhält. Es ist auch mit sei­ner Höchst­ge­schwin­dig­keit von 26 km pro Stunde das der­zeit schnellste Schiff auf dem Bodensee.“

Das Schiff soll ganz im Zei­chen der „Gol­de­nen Zwan­zi­ger Jahre“ erschei­nen, durch­ge­stylt im Moderns­ten vom Moder­nen, dem „Style Modern“, spä­ter als „Art déco“-Stil bezeich­net, wel­cher den Jugend­stil abge­löst hatte.*** „Das Schiff erhält eine rei­che Aus­rüs­tung an Deck­ses­seln und Lie­ge­stüh­len, um den Auf­ent­halt auf dem von kei­nen Trep­pen unter­bro­che­nen Deck beson­ders ange­nehm zu gestal­ten. Für den Win­ter­ver­kehr hat das Schiff eine ent­spre­chende Hei­zungs­an­lage, und schliess­lich eine sehr voll­kom­mene Radio-Emp­fangs­ein­rich­tung. Die Erpro­bun­gen haben gezeigt, dass das Schiff ganz her­vor­ra­gende nau­ti­sche Eigen­schaf­ten besitzt.“

Gleich nach dem Vor­trag ver­liess die ‚Oes­ter­reich‘ den Hafen. In rascher, ruhi­ger Fahrt, bei herr­lich kla­rer Sicht stach das schlanke, voll­be­wim­pelte Schiff in See und steu­erte Meers­burg zu. Wäh­rend der Fahrt bot die Direk­tion den Gäs­ten ein Mit­tag­essen, das der bewähr­ten Küche der Witwe Fruth alle Ehre machte. Bei der Ankunft in Meers­burg erregte das impo­sante Schiff die Auf­merk­sam­keit der vie­len Frem­den. Nach kur­zem Auf­ent­halt stach die „Oes­ter­reich“ wie­der in See und unter der kun­di­gen Füh­rung des Kapi­täns Tar­pitsch mit sei­ner freund­li­chen Schiffs­mann­schaft ging die Rück­fahrt am schö­nen deut­schen Boden­see­ufer fast zu rasch der Hei­mat zu.“

Über­schwäng­lich schliesst dann der Bericht ab mit: „Der öster­rei­chi­sche Schiff­bau hat in der ‚Oes­ter­reich‘ ein herr­li­ches Werk öster­rei­chi­scher Schiff­bau­tech­nik geschaf­fen und öster­rei­chi­sche Fir­men haben dem Schiff eine Aus­stat­tung ver­lie­hen, die in jeder Bezie­hung künst­le­risch genannt wer­den muss. Die ‚Oes­ter­reich‘ singt ein Lob­lied auf unsere hei­mi­sche Tech­nik und Arbeit und sie darf auf ihren Ver­bin­dungs­fahr­ten zwi­schen den Städ­ten am Boden­see den Namen „Oes­ter­reich» mit Stolz führen.“

Diese Pro­pa­ganda passte in die dama­lige Zeit. Mar­tin Uhlig beschreibt in sei­ner Fest­schrift*** zur 90-Jahr-Feier des Schif­fes auf ein­drück­li­che Weise, in wel­chem Zeit­geist MS Oes­ter­reich ent­stand: „Öster­reich stand in Flam­men. Ein Gerichts­ur­teil vom 14. Juli 1927, wonach die nazi­nahe‚ Front­kämp­fer­ver­ei­ni­gung Deutsch-Öster­reich‘ nach einem Mord an einem acht­jäh­ri­gen Kind und einem kriegs­in­va­li­den Hilfs­ar­bei­ter aus Kro­ta­tien frei­ge­spro­chen wurde, löste gewalt­same Mas­sen­pro­teste aus. Der Wie­ner Jus­tiz­pa­last stand in Voll­brand, die Poli­zei wurde mit Waf­fen aus Hee­res­be­stän­den aus­ge­rüs­tet. Die Pro­teste for­der­ten 89 Tote, über 1 600 Ver­letzte und bil­de­ten quasi den Auf­takt zum spä­te­ren Bür­ger­krieg.“ Manch­mal liegt Freud und Leid sehr nahe.

Die mäch­ti­gen Buch­sta­ben sind bereits mon­tiert; nachts wer­den sie mit LED ele­gant hinterleuchtet.

Der son­nige Februar brachte gute Fort­schritte in den Bau­ver­lauf, das Schiff wird bis Ostern start­klar sein,“ sagt Mar­tin Uhlig, der ver­sierte Bau­lei­ter der „Oesterreich“-Rekonstruktion.

Blick in den Maschi­nen­raum mit den bei­den Antriebs­mo­to­ren (rot) und einem von zwei Strom­ag­gre­ga­ten. Das zweite befin­det sich im vor­ders­ten Schot­traum, zusam­men mit der Maschine für das 360° dre­hende Bugstrahlruder.

Jür­gen Zim­mer­mann als Initi­ant der Ret­tung und Hugo Rog­gi­ner als Alt­bür­ger­meis­ter von Hard und Mode­ra­tor beim 90. Geburts­tag der „Oes­ter­reich“ im Juli 2018 freuen sich auf das gelun­gene Werk.

Die Aus­gabe der heu­ti­gen „Oes­ter­reich“ basiert haupt­säch­lich auf der Bau­phase von 1933 mit zusätz­li­cher Ver­brei­te­rung der Innenräume.

Das 1928 erbaute Schiff wurde 1932/33 nach einer Liste mit 132 Män­gel­punk­ten umge­baut und die Gale­rien auf jeder Seite um je 1,20 m ver­brei­tert. Text und Bilder/​Sammlung H. Amstad

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Bemer­kun­gen

*) Siehe Link,

**) Die bei­den Schiffe gehö­ren zwei ver­schie­de­nen Fir­men. In einem Brief vom Februar 2019 schreibt der Prä­si­dent Josef Büchelmeier an die Mit­glie­der des „Ver­eins inter­na­tio­na­les Boden­see-Schiff­fahrts­mu­seum“, dass „immer ohne eine gemein­same GmbH“ gewirt­schaf­tet werde. „Denn beide Gesell­schaf­ten der Schiffe blei­ben getrennt,“ steht da ein­dring­lich, ver­mut­lich, um den Ver­eins­frie­den zu wah­ren. Inzwi­schen hört man unter vor­ge­hal­te­ner Hand bei den „Oesterreich“-Gesellschaftern, man sei über diese Ent­wick­lung nicht unglück­lich. Ich kann das nach­voll­zie­hen: im Ver­ein der „Hoh­ent­wiel sind 2 100 Mit­glie­der „Exper­ten“, die GmbH der „Oes­ter­reich“ ist mit 12 Gesell­schaf­ter fexibler.

***) Quelle Mar­tin Uhlig Link

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