MS Rigi Vier­wald­stätter­see: ein Schiff und sein Schiffs­füh­rer neh­men Abschied.

Sil­ves­ter ist der Tag am Ende eines Jah­res. Der Sil­ves­ter 2016 ist gleich­zei­tig auch das Ende der Kursschiff­fahrt vom MS Rigi und zugleich das Ende der beruf­li­chen Tätig­keit sei­nes ver­ant­wort­li­chen Schiffs­füh­rers der letz­ten 20 Jahre, Kurt Hun­zi­ker. „Der Zeit­punkt mei­ner Pen­sio­nie­rung war wohl über­legt,“ sagt der Schiffs­füh­rer, der 42 Jahre bei der SGV arbei­tete. Er geht mit 62, das Schiff mit 61. „Das Schiff wird ‚zurück­ge­baut’, wie das heute so schön heisst, ich aber habe noch vie­les vor. Zum Bei­spiel Damp­fer­fah­ren im Som­mer auf den Seen Skan­di­na­vi­ens,“ meint Kurt Hun­zi­ker mit einem zuver­sicht­li­chen und einem weh­mü­ti­gen Auge. Ich konnte ihn zusam­men mit über 1500 Fahr­gäs­ten – so viel zählte die „Rigi“ am Abend als Tages­fre­quenz – an die­sem denk­wür­di­gen Tag begleiten.

Eine erste Über­ra­schung brachte der Mor­gen­kurs 13 (Luzern ab 11.12 Uhr), wo das 600-Per­so­nen­schiff mit rund 470 Fahr­gäs­ten Luzern ver­liess. Laut SGV-Anga­ben hat das Schiff 142 soge­nannte „Ban­kett­plätze“ (Innen­sitz-Plätze); draus­sen war es um den Gefrier­punkt, der Hoch­ne­bel lag tief und eine leichte Biese sorgte für unan­ge­nehme Aus­sen­be­din­gun­gen. Die SGV reagierte schnell und setzte kurz­fris­tig die „Weg­gis“ auf den nach­fol­gen­den „Rigi“-Kurs 21 (Luzern ab 1312 h) ein, dies als „Sup­ple­men­ter“ bis Becken­ried. Zurück diente dann die „Weg­gis“ als Ver­stär­kungs­kurs der „Gott­hard“. Über­haupt: die SGV hatte in die­sen Fest­ta­gen Traum­fre­quen­zen, fast alle Haupt­kurse muss­ten im unte­ren See­teil ver­stärkt wer­den. Über dem Nebel lockte ein wol­ken­lo­ser Him­mel, sodass die Schiffs­zu­brin­ger von Rigi und Kle­wen­alp – beide im GA-Gel­tungs­be­reich! – mit Heer­scha­ren von Wan­der­vö­gel und Son­nen­an­be­ter bevöl­kert wur­den. Dazu kam, dass weit und breit kein Schnee bis 2000 m ü M lag, sodass die Leute als Alter­na­tive statt auf die Pis­ten auf den See kamen. Der Lei­ter Fahr­dienst Roger Mau­rer: „Auch in der Syl­ves­ter-Nacht sind sämt­li­che sie­ben Schiffe ausgebucht.“

Der aller­letzte Schiffs­kurs 21 – 30 der „Rigi“ begann feucht. Die See­feu­er­wehr Luzern brachte das Kunst­stück fer­tig, dass die „Rigi“ nach über 42 Tagen ohne Trop­fen Regen nass wurde… Fah­nen­schwin­ger, Alp­horn­blä­ser, Geschenk­körbe, Reden, Wein­ge­schenke in fast jedem Anle­ge­ort sorg­ten für ver­län­gerte Sta­ti­ons­auf­ent­halte. Doch die gute alte „Rigi“ gab dann dazwi­schen „Gas“ und brachte über 30 km/​h aufs Was­ser, so dass das Schiff trotz zahl­rei­chen Unter­brü­chen und der Wende bei der See­brü­cke pünkt­lich in Luzern um 18.41 Uhr ankam. Das war Kurt Hun­zi­ker ein Anlie­gen, schliess­lich lie­gen ihm der öV und damit rei­bungs­lose Anschlüsse beson­ders am Her­zen – selbst an die­sem beson­de­ren Tag.

Die Ver­ab­schie­dung von MS Rigi, aus einer ande­ren Per­spek­tive, vor Beckenried.

Drei Höhe­punkte unter­schied­li­cher Erleb­nisse möchte ich her­aus­he­ben: Eine Mini­flot­ten­pa­rade vor Becken­ried, wo von MS Gott­hard aus Kurt Hun­zi­ker und das Schiff mit ein­fühl­sa­men Wor­ten von „Stadt-Luzern“-Kapitän Kuno Stein ver­ab­schie­det wur­den. Auf den Schif­fen war er mugs­mäus­chen still, Kuno wählte die rich­ti­gen Worte und manch einer putzte sich die Trä­nen ab, auch der bal­dige Pen­sio­nist. In Flüelen ertönte das welt­weit grösste Typhon von 12 Metern Durch­mes­ser* und liess Schiff und Leute vibrie­ren, hör­bar bis Brun­nen. Schliess­lich gelei­tete die „Uri“ – man mochte am Schluss fast sagen – die Trau­er­ge­meinde in den Hafen von Luzern: die „Rigi“ legte ein letz­tes Mal als Kurs­schiff in Luzern an. Mit ihren über 2,2 Mil­lio­nen zurück­ge­leg­ten Kilo­me­tern hätte die „Rigi“ 55-mal die Erde umrun­den kön­nen. Sie war im Schnitt über 100 km jeden Tag unter­wegs, Chapeau.

Meine ältes­ten Erin­ne­run­gen an die „Rigi“ gehen auf das Jahr 1965 zurück, als ich als Sechs­kläss­ler mit mei­nem vier Jahre jün­ge­ren Bru­der mit einer Herbst­ta­ges­karte den See befuhr und am Schluss mit der „Rigi“ den dama­li­gen Kurs 19 (14.25 Uhr ab Luzern) nach Becken­ried bestieg. Das Schiff war hoff­nungs­los zu klein; ich erin­nere mich, dass wir schliess­lich im Trep­pen­haus des Auf­gan­ges der 1. Klasse Platz fan­den… Eine zweite prä­gende Erin­ne­rung war mein Ein­satz als Kell­ner wäh­rend der Semi­zeit anfangs der Sieb­zi­ger­jahre. Für die SGV war ich noch zu jung, doch Edwin Enk, der dama­lige Restau­ra­teur der Schiffe, nahm mich als Kell­ner in den Sai­son­dienst. Regel­mäs­sig war ich dann „Ablö­ser“ auf der „Rigi“, wenn die Frieda einen freien Tag hatte. Frieda war Jahr­zehnte die „Gas­tro­no­min“ der „Rigi“ und war mit dem Schiff ver­bun­den wie in den letz­ten 20 Jah­ren Kurt Hun­zi­ker als Schiffs­füh­rer. Ich erin­nere mich auch gut an den dama­li­gen Ser­vice­ge­hil­fen von Frieda, der heu­tige Schil­ler-Kapi­tän Roger Mau­rer. Mau­rer ver­bin­det mit MS Rigi in sei­ner Jugend ein Stück Zuhause und mit Frieda eine zweite Mut­ter. „Die­ser Arbeits­ein­satz führte mich defi­ni­tiv zur SGV“, blickt er heute zurück. Beim Ver­las­sen des MS Rigi lese ich im Mit­tel­deck einen Zet­tel, der auf einem Schiffs­bank geklebt ist: „Für Frieda im Tessin“.

Eine Schön­heit tritt ab: die letzte Abfahrt des Kurs­schif­fes Rigi in Flüelen am 31. Dezem­ber 2016. Noch nie wurde auf dem Vier­wald­stätter­see ein so gros­ses Motor­schiff ver­schrot­tet. Mit auf der Abschieds­fahrt war auch der ehe­ma­lige Vize­werft­chef und Mit­er­bauer Josef Gwer­der; auf die Schön­heit des Schif­fes ange­spro­chen meinte er: „Ich musste sie wegen der Acher­egg-Brü­cke lei­der verunstalten.“

Mit dem Schiff geht auch der ver­ant­wort­li­che Schiffs­füh­rer Kurt Hun­zi­ker von Bord und in Pension.

Die Rigi­bah­nen ver­ab­schie­de­ten ihr namen­ge­ben­des Schiff mit einem Spa­lier vor der Schnee­schleu­der. Dank der Abschieds­fahrt kam die­ses Gefährt zum ers­ten Mal in die­sem Win­ter in den Ein­satz, wenn auch zweckentfremdet.

Vor Becken­ried (siehe auch Bild links im Text­teil) erwei­sen die Kapi­täne Kuno Stein und Beat Kal­len­bach mit der übri­gen Crew und allen Fahr­gäs­ten eine „Stan­ding-Ova­tion“; von MS Gott­hard aus ver­ab­schie­de­ten sie sich im Namen der SGV-Mann­schaf­ten von Schiff und Schiffs­füh­rer mit rüh­ren­den Wor­ten. Kapi­tän Roger Mau­rer stand dabei mit der „Weg­gis“ Spa­lier. Andere Kapi­täne wie Hans­pe­ter Mosi­mann, Hans Wipfli und ehe­ma­lige wie Alois Kauf­mann und Peter Hüs­ler waren mit an Bord der „Rigi“.

Zwi­schen­zeit­lich ging es an Bord der Abschieds­fahrt recht leb­haft zu und her: sämt­li­che Sitz­plätze waren auf der gan­zen Fahrt belegt und die Musik­ka­pelle Würth-Zihl­mann spielte mit drei Mann auf. Die Fahr­gäste auf den Aus­sen­decks pack­ten sich mit Woll­de­cken ein. Rekla­ma­tio­nen wegen den vie­len Steh­plät­zen wird es keine geben, dafür war die Stim­mung zu gut.

DS Uri beglei­tete die „Rigi“ auf ihren letz­ten Kilo­me­tern als Kurs­schiff. Was der „Uri“ mit Jahr­gang 1901 gelun­gen ist, wird der „Rigi“ mit Jahr­gang 1955 ver­wehrt blei­ben: sie wird nach der Kunst­aus­stel­lung „kunst­a­heu“ verschrottet.

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Hin­weise

Mit dem Begriff Typhon wird ein akus­ti­sches Gerät benannt, das auf Schif­fen als Schiffs­horn ein­ge­setzt wird. Die Bezeich­nung geht auf die Marke „Tyfon“ des schwe­di­schen Her­stel­lers Kockum Sonics zurück. Das welt­grösste Typhon wurde im Jahr 2015 anläss­lich der 750-Jahr-Feier der Gemeinde Flüelen im Hafen der Urner Gemeinde instal­liert. Der OK-Prä­si­dent des Jubi­lä­ums und Initi­ant der Tyhon-Instel­la­tion, Franz­sepp Arnold, ist ein begeis­ter­ter Nau­ti­ker und Unter­neh­mens­lei­ter der Arnold Kies- und Sand­un­ter­neh­mung. Mit 14 Schif­fen besitzt die Frma einer der gröss­ten Nau­en­flot­ten der Schweiz. Er ist auch zusam­men mit Samih Sawiris Besit­zer der ehe­ma­li­gen SGV-„Reuss“. Flüelen ist also so etwas wie eine nau­ti­sche Hoch­burg der Zentralschweiz.

Hin­weis: MS Rigi kann vom 7. Januar bis zum 9. April 2017 als schwim­mende Kul­tur- und Kunst­bühne ein letz­tes Mal besucht wer­den. Das Pro­gramm und die Öff­nungs­zei­ten sind ersicht­lich unter www​.kunst​a​heu​.ch.

Video: Rede des Abschieds von Kurt Hun­zi­ker an Bord MS Rigi’s letz­ter Fahrt (Link).

Quel­len

Bild 1 M. Fröhlich,

Bild 3 E. Mischler,

Bild im Text­teil J. Fankhauser,

Text und übrige Bil­der H. Amstad.

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