Quer durch Deutschland: mit dem Hotelschiff auf Saar, Mosel, Rhein und Neckar.
MS Casanova pendelt in der ganzen Saison zwischen Stuttgart und Saarbrücken. Im vorherigen (B)Logbucheintrag beschrieb ich Impressionen vom Start dieser besonderen Schifffahrt, der uns durch die Saar und Mosel führte. Hier der zweite Teil.
Der Rhein.
Die Rennstrecke zwischen Koblenz und Mannheim ist – trotz 20 Mal befahren – immer wieder imposant. Seien es die über 25 Burgen am Horizont, die schmucken, in den letzten Jahren renovierten Orte mit den prägnanten Kirchen oder der intensive Verkehr auf dem Wasser. Der Pegelstand ist heute 2.2 m bei Kaub. Unser Tiefgang beträgt 1.5 m. Sollte die Trockenheit anhalten wird’s eng, zumal der Sommer erst richtig begonnen hat. Das Thermometer übersteigt in dieser Woche regelmässig die 30-Grad-Marke. So wird die klimatisierte Kabine immer wieder zum abkühlenden Fluchtort an Bord.
Die vier Täler gelten klimatisch zu den wärmsten und niederschlagsärmsten Gegenden Deutschlands. Entsprechend gedeiht der Rebstock prächtig und Weinberge sind unser stetiger Begleiter auf der wöchigen Reise auf allen vier Flüssen. Auch die Schattenseite dieser an sich sympathischen Industrie bekommen wir präsentiert: um halb sechs morgens wird die «Casanova» unsanft durch Helikopter-Lärm geweckt. Noch vor Sonnenaufgang werden die Rebberge mit Schädlingsbekämpfungsmitteln eingenebelt. Auch unser Schiff kriegt eine Portion ab, da die Rebstöcke bis ans Schiff reichen.
In Mainz wird unser Schiff vierzehntäglich gebunkert und dabei bis zu 60 000 Liter Diesel getankt. Auf der wöchentlichen Fahrt von Saarbrücken nach Stuttgart verbraucht die «Casanova» rund 25 000 Liter Kraftstoff, was pro Person etwa 240 Liter ausmacht (entspricht 30 l pro Tag). Ökologisch wie ökonomisch liegt da ein gewaltiges Sparpotential beim Bau zukünftiger Schiffe. Die Vorstellungen vom einstigen Schiffseigner Peter Deilmann über die Materialisierung der Innenräume und die währschafte Stahlbauweise der Tangermündener Werft liessen 2001 ein Schiff erbauen, das 1 500 Tonnen Verdrängung hat. Auf meine entsprechende Frage an den Kapitän, ob dies mit oder ohne Fahrgäste ist, meint er augenzwinkernd: „Das kommt nicht mehr drauf an, da alle Fahrgäste zusammen rund 7,5 Tonnen ausmachen…“
Der Neckar.
Szenenwechsel. Vom wuselnden Rhein geht’s vor Mannheim hinein in den ruhigen Neckar, vorbei am Museumsschiff Mannheim, dem ehemaligen KD-Raddampfer Mainz im herrlichen Morgenlicht. Die wasserzugekehrte Seite des Dampfschiffes zeigt wahrlich keine Herrlichkeit. Faceliftings werden offenbar nur auf jener Seite gemacht, wo das Publikum das Schiff sieht. Nach wenigen Stunden legt die „Casanova“ In Heidelberg an und ich packe die Gelegenheit, mit der alt-neuen «Liselotte von der Pfalz» eine Runde zu drehen. Dieses Schiff kam vom Hallstättersee und die alte «Liselotte» gelangte als «Murten» in die Schweiz. Was hier der Reeder Karl Hofstätter macht, ist weit herum einzigartig: jede Stunde verbindet die sog. Fähre die fünf Ortsteile von Heidelberg: die alte Brücke, Stadthalle, Neuenheim, Campus und Mariott Hotel. Das kleinräumige aber trotzdem grosse Zweideckschiff eignet sich als Heidelberger-Fähre ausgezeichnet.
Der Name Neckar ist keltischen Ursprungs und bedeutet «wildes Wasser». Die Schifffahrt spielte bis 1878 eine eher unbedeutende Rolle. Das änderte sich dann durch das Verlegen einer Kette im Neckar, an der sich dann Schiffe mit dampfbetriebenen Seilwinden den Fluss heraufzogen. Dies reduzierte die Fahrzeit zwischen Mannheim und Heilbronn von bis zu acht Tagen auf zwei bis drei Tage. Das Treideln mit Pferden wurde dadurch abgelöst. 1922 begann die Kanalisierung und Bau von Schleusen, um von der stark unausgeglichenen Wasserführung unabhängiger zu sein. 1935 waren 11 Schleusen bis Heilbronn fertig erstellt, 1958 weitere 16 bis zum Stuttgarter Hafen. Die Fahrrinne wurde zwischen 1970 und 2000 auf 2,80 m vertieft. Die «Casanova» wird auf dem Neckar 22 Mal geschleust, auf der ganzen Reise also 38 Mal. Das ist für eine achttägige Schifffahrt rekordverdächtig. Das könnte den Eindruck erwecken, die Fahrt sei dadurch langweilig. Bei Nichten: die landschaftlichen Szenerien sind so abwechslungsreich und spannend, dass mich sogar die abendlichen Essenszeiten im Unterdeck-Esssaal reuen. Da sind die Schleusungen direkt erholsam, auch mal etwas anderes zu machen als «Hinausschauen».
Am Schluss der Reise will die Reederei* wissen, wie es uns gefallen hat. Ich notiere auf dem Bogen: lockere Atmosphäre an Bord, guter Teamgeist der Kellner, Kompliment an den Kapitän, der einen guten Mittelweg fährt zwischen Sicherheit (z.B. Temporeduktionen bei Gegenverkehr) und Dienstleister für die Fahrgäste, gediegene Materialisierung an Bord (die «Casanova» ist definitiv kein Plastikschiff), nur eine Nachtfahrt (damit hohe Schlafqualität). Die Optimierungsmöglichkeiten: in den kommenden Jahren hat das Schiff eine sanfte Innenrennovation nötig, einige Elemente sind in die Jahre gekommen.
Auf dem Nackar sind die meisten Haltestellen idyllisch gelegen (hier im Bild Ludwigsburg; per öffentlichen Bus mit der City gut erschlossen) und im Fall von Bad Wimpfen ohne jegliche Infrastruktur; das Schiff wird durch die Böschung und Seile festgehalten, die Passagiere steigen über eine Gangway vom Oberdeck aus direkt auf den Uferweg.
Zell ist eines der vielen malerischen Orte an der Mosel.
Das Moseltal im Abendlicht.
Kapitän Jaroslav Drozdik am Galaabend auf dem Neckar.
Die Uferpartien sind sehr abwechslungsreich.
Sowohl der Salon wie der Speisesaal haben viele Elemente, die dem Jugendstil nachempfunden sind.
Ungewöhnlicher Blick von aussen in den Speisesaal.
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Hinweise
*) In der Schweiz buchbar über ThurgauTravel, Weinfelden. Als Autor bestätige ich, dass ich den Text unabhängig von jeder Art von Sponsoring verfasst habe.
Quellen
Text und Bilder H. Amstad.
Weiter im Bild.
Willi von Arb hat diese Reise vom 10. bis zum 17. August 2013 in umgekehrter Richtung unternommen. Er hat speziell für die Schiffs-Agentur seine Videoproduktion überarbeitet und auf rund 30 Minuten gekürzt. Die nautischen Bilder zeigen die landschaftlichen Reize sehr schön; hier zum Link.
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