Reisebericht: Abwechslungsreiche Winterfahrt auf dem Hallwilersee.
Ein Wintertag, wie man ihn wünscht: Die Landschaft rund um den Hallwilersee ist mit Schnee bedeckt und ein Wechselspiel zwischen grellem Sonnenschein und intensivem Schneefall sorgen meteorologisch für Abwechslung. Auch unsere Winterreise an und auf dem Hallwilersee bietet Abwechslung. Der Spaziergang von Bahnhof zur Schiffsanlegestelle Beinwil ist für viele Reiseteilnehmende eine Herausforderung: wir gelangen mehr rutschend als gehend den Hügel hinunter. Das MS Brestenberg empfängt uns mit einem Brunch und einer zweieinhalbstündigen Rundfahrt zum Kennenlernen des über 8 km langen und 1,5 km breiten Mittellandsees.
1888 begann hier die motorenbetriebene Schifffahrt mit dem Schraubendampfer Otto, benannt nach dem Sohn des ersten Präsidenten der Hallwilersee-Schifffahrt Jakob Fischer-Gloor. Der Grund zur Einführung der Dampfschifffahrt war, die Arbeiter in die strohverarbeitenden Betriebe in Meisterschwanden zu bringen. Zuvor war der Plan gescheitert, am rechten Hallwilerseeufer eine Eisenbahn zu errichten. Vielmehr eröffnete 1883 die linksufrige Seetalbahn zwischen Emmenbrücke und Lenzburg Möglichkeiten für einen wirtschaftlichen Aufschwung. Die Konzession erhielt die Schifffahrt aber nur mit der Bedingung, die Seetalbahn nicht zu konkurrenzieren. Somit mussten die Schiffe in den Anfangsjahren jeweils im Zickzackkurs das andere Ufer bedienen; eine Fahrt von Seengen zum benachbarten Birrwil dauerte dadurch 50 Minuten, was zu Fuss zu meistern war. Entsprechend war der Erfolg nicht der erhoffte. Nur dank der wiederkehrenden Unterstützung von Jakob Fischer blieb die Schifffahrt auf dem Hallwilersee am Leben.
Inzwischen hat unser Brunch-Schiff die Gäste der öffentlichen Fahrt in Beinwil wieder ausgeladen, um mit uns nun Meisterschwanden Delphin anzufahren. Hier ist die Schifffahrtsgesellschaft des Hallwilersees SGH zu Hause. Der Geschäftsführer Ueli Haller erwartet uns im schön geheizten Salon der „Seerose“. Er gibt einen historischen Überblick zur Entwicklung der über 125-jährigen Schifffahrt, gewährt uns mit einer Führung durch das Betriebsgebäude einen interessanten Blick hinter die Kulissen und zeigt der knapp 30-köpfigen Schiffs-Agenturgruppe die andern Schiffe – ausser MS Fortuna, die in Birrwil als stationiertes Fondueschiff bereits das zweite Jahr fremdvermietet ist.
Ueli Haller: „Der Markt hat sich verändert: Die Zeit zwischen Bestellung und Ausführung einer Sonderfahrt ist heute kurz, manchmal nur wenige Tage. Was wir verdienen investieren wir gleich wieder. Dieses Jahr sanieren wir die Haltstelle Mosen.“ Eine andere Besonderheit der SGH ist die enge Zusammenarbeit mit den Restaurants rund um den See. Haller: „Wir kochen keine Mahlzeiten selber, auch auf unseren Schiffen nicht. Ausgewählte Caterer bringen uns das Essen, das wir in unserer Basisstation aufbereiteten und dann auf die Schiffe liefern.“
Die SGH hat eine verhältnismässig junge Flotte. So ist kürzlich analysiert worden, ob die 25-jährige „Brestenberg“ zu ersetzen oder zu renovieren sei. Haller: „Wir kamen dann zum Schluss, dass der Vorteil einer Renovation überwiegt. So können wir einen 300 Plätzer behalten, ein Neubau gleicher Grösse könnte wegen neuen Vorschriften nicht mehr diese Kapazitäten bieten.“ Und wieso nicht einfach grössere Schiffe bauen? Haller: „Wir sind von den Dimensionen her limitiert. Wegen den Standplätzen in unserer Werft sind 6,5 m Breite und 34 m Länge die Grenze. Diese sind durch die Zonenvorschriften gegeben. Wir müssen froh sein, den Ist-Zustand zu halten.“
So hat die SGH im letzten Winter 14/15 die „Brestenberg“ für 1,1 Millionen Franken durch ihre Hauswerft (Lux Mondorf) umgebaut. Das Schiff ist dadurch auch wintertauglich geworden, was wir heute erfolgreich testen können. Im kommenden Winter 2016/17 kommt dann MS Seerose dran. Ueli Haller: „Unser Ziel ist der Ausbau des Wintergeschäftes, da haben wir noch Luft nach oben.“ Weiter hat der Verwaltungsrat beschlossen, die „Fortuna“ im Frühling 2018 zu ersetzen. Die Vorbereitungsarbeiten laufen bereits an. „Auch hier bestimmt der Standplatz die Grösse, wir peilen eine Kapazität von 200 Personen ein.“
Zum Abschluss des erlebnisreichen Tages geniesst die Reisegruppe eine weitere Fahrt, diesmal an Bord der „Seerose“, einem schmucken Schiff, das vor allem für Extrafahrten und selten bei Randkursen eingesetzt wird. Da der Steg in Mosen in einer heiklen Bauphase steckt – die Deckplatten des Steges fehlen – muss unser Plan kurzfristig geändert werden. Statt am südlichen Zipfel des Hallwilersees endet die gemütliche Fahrt am nördlichsten Punkt in Seengen beim Schloss Hallwyl. Die Reiseleitung organisiert kurzerhand gute Bus-Anschlüsse. Einige spazieren dann zum Wasserschloss mit Anschluss Richtung Zentralschweiz, andere Richtung Seengen für die Destination Zürich. Mit von der Partie waren auch Cécile und Hans Roth aus Zug: „Uns hat sehr beeindruckt, wie eine Gesellschaft mit fünf Schiffen so erfolgreich sein kann. Aussergewöhnlich war nebst dem Programm die Wetterszenerie, die ebenfalls viel zum heutigen Erlebnis Hallwilersee beigetragen hat.“
Morgendliche Winterstimmung am Hallwilersee: MS Brestenberg empfängt uns in Beinwil.
Obstbäume, Hopfenplantagen und Graswirtschaft bilden einen Teil des typischen Ufers am Hallwilersee, einer gestalteten Kulturlandschaft.
Die Reisegruppe der Schiffs-Agentur geniesst den Brunch.
SGH-Geschäftsführer Ueli Haller gewährt einen Blick ins Steuerhaus der „Seerose“, während im Hintergrund die nächste Schneewand auf uns zukommt.
Die „Fortuna“, noch bis 2017 auf dem See, ist für einige Wochen ans Restaurant Schifflände Birrwil verpachtet; auf ihr können Gäste aus 100 verschiedenen Fondue-Sorten auswählen.
Ein seltenes Bild: die „Seerose“ im Winter in Seengen.
Durch Klick aufs Bild erscheint dieses im Grossformat.
Quellen
Text und Bilder: H. Amstad.
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