Rei­se­be­richt: Erleb­nis­rei­che Fahr­ten von Ham­burg zum Dampf-Rundum Flensburg

Als wir Teil­neh­men­den der Schiffs-Agen­tur­reise in Ham­burg ankom­men, erle­ben wir den heis­ses­ten Tag des Jah­res. Die geplante „Auf­wärm­runde“ am Tag dar­auf wäre also min­des­tens wet­ter­mäs­sig nicht nötig gewe­sen. Trotz­dem: Mit der alten HADAG-Fähre Kirch­dorf eine klas­si­sche Hafen­rund­fahrt zu unter­neh­men und eine Runde auf der Als­ter mit DS St. Georg zu machen darf ein­fach nicht feh­len. Andreas West­pha­len beglei­tet uns als ört­li­cher Rei­se­füh­rer und Schiff­fahrts­experte in den kom­men­den Tagen. Ein Teil der Gruppe führt er anschlies­send durch die Elb­city und Spei­cher­stadt, wäh­rend andere auf der „St. Georg“ eine wei­tere Als­ter­tour vor­zie­hen. Wie­derum andere besu­chen das Minia­tur Wun­der­land, wo am Mon­tag gegen 1600 Uhr die sonst übli­che War­te­schlange keine mehr ist*.

Am Diens­tag heisst uns der Kapi­tän Gerd Peters und die sym­pa­thi­sche Crew auf sei­nem 1888 erbau­ten Feu­er­schiff Elbe 3 herz­lich will­kom­men**. Das 1936 ein­ge­baute MWM-6-Zylin­der Urge­stein eines Lang­sam­läu­fers an Die­sel­mo­tor mag bei Still­was­ser gerade mal 6 Kno­ten (11 km/​h) auf die Schraube brin­gen. Doch die Abfahrt war so getimt, dass wir den Vor­gang von Ebbe zur Flut aus­nut­zen und auf der Stre­cke von 90 km förm­lich nach Bruns­büt­tel „geschwemmt“ wer­den. Herr­li­cher Son­nen­schein täuscht hin­weg, was die Wet­ter­pro­gno­sen für die kom­men­den Tage mel­den… Bedeu­tet die Strö­mung für uns Glück, ist sie für das andere noch exis­tie­rende Feu­er­schiff Elbe 1 ein Pech; die­ses Schiff muss nach Bruns­büt­tel gegen die Strö­mung kämp­fen. So ist die Sen­sa­tion per­fekt. Gerd Peters: „Beide Feu­er­schiff in der glei­chen Schleuse, das gab noch nie und das wird es auch nicht mehr so schnell wie­der geben.“ Uns freut die erste, unge­plante Überraschung.

Aus Angst vor Atten­ta­ten dür­fen seit Kur­zem in Bruns­büt­tel, dem stra­te­gi­schen „Kopf“ des Nord-Ost­see-Kana­les keine Schiffe mehr anle­gen, was in den letz­ten 150 Jah­ren immer mög­lich war. Das bedingt eine Impro­vi­sa­tion unse­rer­seits. Unser Schiff fährt nun bis nach Hoch­donn, 20 km bereits im Kanal drin. Der Bus, der auch unser Gepäck mit­führt, bringt uns dann wie­der nach Bruns­büt­tel zurück. Ein inten­si­ver Tag endet mit einem fei­nen Essen in der Strand­halle mit Blick auf die Nordsee.

Bedingt durch das Anle­ge­ver­bot kann uns am Mitt­woch der Dampf­eis­bre­cher Wal nicht wie geplant in Bruns­büt­tel abho­len. Unser Rei­se­lei­ter bie­tet ein inter­es­san­tes Alter­na­tiv­pro­gramm: mit unse­rem Bus über­que­ren wir einige Kanal-Brü­cken, set­zen bei Olden­büt­tel mit der Fähre über und errei­chen so nach inter­es­sant kom­men­tier­ten 50 km Rends­burg, wo Zeit bleibt, wei­tere nau­ti­sche Ein­rich­tun­gen zu besich­ti­gen. Zum einen fas­zi­niert mich die Schwe­be­fähre: eine Mischung aus Fähre und Gon­del­bahn, ein Schiff, das in Sei­len hängt und vom einen zum andern Ufer fährt, ohne das Was­ser zu berüh­ren. Welt­weit gibt es nur noch acht von sol­chen Schwe­be­fäh­ren. Wei­ter führt uns Alfred Gudd durch sein ört­li­ches Schiff­fahrts-Archiv, das eigent­lich ein Museum ist. Der ehe­ma­lige See­mann ist ein begna­te­ter Erzäh­ler und weiss Geschich­ten um Geschich­ten – das Museum erwacht so zum Leben.

Alle drei Erleb­nisse (Kanal vom Land aus, Schwe­be­fähre und das Schiff­fahrts-Archiv) hät­ten wir mit der „Wal“-Passage nicht gehabt. Trotz­dem freue ich mich jetzt auf die Fahrt mit dem impo­san­ten Dampf­eis­bre­cher von Rends­burg nach Kiel. Kräf­ti­ger Regen, ein lau­ni­scher Kapi­tän und man­gelnde Infor­ma­tio­nen über den Ver­lauf der Fahrt drü­cken dann etwas auf meine Laune. Nach drei Stun­den Fahrt wol­len wir uns gerade güt­lich machen am ver­spro­che­nen Kaf­fee und Kuchen, als die „Wal“ vor der Schleu­sung Hol­tenau am Indus­trie­quai anlegt. „Alle Fahr­gäste haben das Schiff hier zu ver­las­sen“, war die unmiss­ver­ständ­li­che Bot­schaft des Kapi­täns. Die Crew ist ebenso kon­ster­niert wie jene andern bezah­len­den Fahr­gäste, die nun weit weg von Kiel „in der Pampa“ lan­den. Da gibt es keine Dis­kus­sion mehr; kaum hat der letzte Fahr­gast den Fuss an Land, dampfte die „Wal“ schon weg. Was wir (noch) nicht wis­sen: ein Orkan ist ange­sagt und so will die „Wal“ über Nacht so schnell wie mög­lich nach Flens­burg. Unser Bus nimmt dann auch die andern gestran­de­ten Gäste mit Rich­tung Kiel.

Von Kiel nach Flens­burg steht nun das dritte Schiff für uns auf dem Plan: die „Bus­sard» (1906). Am Don­ners­tag-Mor­gen kommt Andreas West­pha­len bleich zu mir und zieht mich auf die Seite: „Die ‚Bus­sard’ fährt heute nicht. Ein star­ker Sturm ist ange­sagt.“ Ende der Durch­sage. Als neu­gie­ri­ger Samm­ler habe ich ges­tern im Hotel in Bruns­büt­tel den Fahr­plan der „Freya“ in den Sack gesteckt. Ein Blick hin­ein ver­rät: „Sie fährt heute und zwar ab Kiel… – aller­dings wie­der nach Rends­burg.“ Hat es noch Platz? Unsere Rei­se­gruppe ist sich inzwi­schen an Über­ra­schun­gen gewohnt; wir besich­ti­gen zuerst die fest­ge­zurrte „Bus­sard“ und fah­ren dann zum Rad­damp­fer Freya, wo wir ange­sichts der Umstände für­sorg­lich emp­fan­gen wer­den. Da die Fahr­stre­cke ja bekannt ist, besucht ein Teil der Gruppe Laboe am Ost­ufer der Kie­ler­förde mit dem Marine-Ehren­mal und einem U‑Boot. Die andern erfreuen sich einem aus­gie­bi­gen Buf­fet an Bord des Zwit­ter-Rad­damp­fers, der nebst der Dampf­ma­schine (mit 140 PS) auch noch einen Die­sel­mo­tor mit Schrau­ben­an­trieb hat. Der Wind kommt, erreicht eine 9, aus der Zei­tung lesen wir, dass selbst Kreuz­fahrt­schiffe in Kiel not­lan­den müs­sen. Auch auf dem Kanal gibt es Schaum­kro­nen und Gischt. Der Bus holt die Gruppe in Rends­burg ab und bringt uns auf dem Land­weg nach Flensburg.

In Flens­burg erle­ben wir dann an zwei Tagen das 12. Dampf Rundum mit dem Dampfer­ren­nen um das „Blaue Brau­er­band“. Wir sind auf dem nor­we­gi­schen Damp­fer Børø­sund. Der Hei­zer ist vor­be­rei­tet, der über­schüs­sige Dampf muss über das Über­druck­ven­til abge­las­sen wer­den. Das macht einen sol­chen Lärm, dass unser Kapi­tän den Start­schuss des Ren­nens nicht hört. Bis er dies rea­li­siert ist es schon zu spät: wäh­rend dem Ren­nen sehen wir die andern sechs Schiffe nur von hin­ten… Nicht das schnellste Schiff gewinnt jeweils das Ren­nen. Der Sie­ger wird nach einer For­mel errech­net, die von mal zu mal ändert. Ver­gli­chen mit andern Jah­ren zuvor prä­sen­tiert sich 2015 das Dampf Rundum mit einer abge­speck­ten Ver­sion; auf ein land­sei­ti­ges Dampf-Pro­gramm hat man ganz ver­zich­tet. Ich höre mun­keln, dass dies unter Umstän­den die letzte Aus­gabe die­ses Gross­an­las­ses gewe­sen sein könnte.

Einer der 15 Teil­neh­men­den war Alain Vuis­ti­ner aus Lau­sanne, der zu den Pro­gramm­än­de­run­gen meint: „Es gab etli­che Über­ra­schun­gen, die mir gefie­len. So lernte man den Nord­ost­see-Kanal viel inten­si­ver ken­nen als wenn man ihn ein­fach durch­fährt. Ich genoss die Damp­fer­fahrt mit der ‚Freya’. Auch der Besuch der Mari­ne­schule Mür­wik, in die man sonst nicht hin­ein­kommt, war eine inter­es­sante, vor­her nicht geplante Alter­na­tive zum ver­kürz­ten Pro­gramm auf der ‚Wal’.»

Die Reise zu den Damp­fern im Nor­den Deutsch­lands war ein Feu­er­werk an schö­nen Erleb­nis­sen; Bild in Flens­burg auf­ge­nom­men mit DS Schaar­hörn im Vordergrund.

Die Gruppe unter­nahm auch einen Über­land­aus­flug mit einem Setra Bau­jahr 1954; auf dem Bild feh­len zwei Teil­neh­mer, die noch an einem andern Pro­gramm teilnahmen.

Blick von der „Elbe 3“ auf die „Elbe 1“ im Nord-Ost­see-Kanal, auf dem seit der wirt­schaft­li­chen Öff­nung von Ost­eu­ropa wie­der reger Ver­kehr herrscht.

Aus­fahrt der Damp­fer Stet­tin, Schaar­hörn, Bus­sard und Alex­an­dra zum Dampfer­ren­nen am Dampf-Rundum Flensburg.

Aus­ser Pro­gramm kön­nen wir die Mari­ne­schule Mür­wik in Flens­burg besu­chen (im Hintergrund).

Letzte Sai­son für den ori­gi­na­len Alex­an­dra-Kes­sel: im kom­men­den Win­ter wird der Flens­bur­ger För­de­damp­fer generalsaniert.

Text und Bil­der H. Amstad

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Wei­ter im Text

*) Das Mini­ta­tur-Wun­der­land ist mit einer Mil­lion Besu­cher pro Jahr das meist­be­suchte Museum Ham­burgs. Auf 1300 m2 zeigt es die grösste Modell­ei­sen­bahn­an­lage der Welt (mit 13 km Gleis­an­lage, 200 000 Figu­ren, 300 000 LED-Lich­ter, 260 Mit­ar­bei­ten­den) Video: Link

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