Rei­se­be­richt: Fas­zi­nie­rende Neckar­fahrt Bad Wimp­fen nach Mann­heim mit Natur und Kultur.

Mit einem Fünf­ster­ne­bus von Roland Zemp ging es im Nu von Luzern via Zürich nach Bad Wimp­fen, 10 km nörd­lich von Heil­bronn. (Fünf Sterne bedeu­ten für die 15 Teil­neh­men­den der drei­tä­gi­gen Reise der Schiffs-Agen­tur 80 cm Bein­frei­heit im soeben in Betrieb genom­men VDL-Futura-Bus.) Das Stadt­bild von Wimp­fen als grösste Kai­ser­pfalz nörd­lich der Alpen wird durch ihre schon weit­her sicht­ba­ren Türme bestimmt. Die drei Stun­den Auf­ent­halt wer­den indi­vi­du­ell ganz ver­schie­den genutzt: Ent­de­ckungs­tou­ren durch die von den Römern gegrün­dete Stadt, Spa­zier­gänge zur andern Ort­schaft Wimp­fen im Tal oder kul­tu­relle und kuli­na­ri­sche Exkurse im Rah­men des jähr­lich statt­fin­den­den Zunft­mark­tes, der laut Pro­spekt der 626. sein soll. Die­ser his­to­ri­sche Hand­wer­ker­markt im Burg­vier­tel der Stauf­fa­cher­stadt war dann auch indi­rekt der Grund, unsere Reise an die­sem Datum anzu­bie­ten. Denn die Weisse Flotte Hei­del­berg fährt im Som­mer ein ein­zi­ges Mal hin­auf nach Bad Wimp­fen, näm­lich mit Gäs­ten für den Besuch die­ses Marktes.

Wir bestei­gen nach dem Ver­las­sen der her­ge­brach­ten 190 Pas­sa­giere das MS Alt Hei­del­berg und genies­sen nun die soge­nannte „Leer­fahrt“ nach Hei­del­berg, durch sechs Schleu­sen, gegen Wes­ten und der Sonne ent­ge­gen. Ein ange­neh­mer Fahrt­wind und hoch­som­mer­li­che Tem­pe­ra­tu­ren gestat­ten ein Draus­sen­sit­zen bis zur Ankunft um halb Zehn abends in Neckar­stein­ach. Kapi­tän Lud­wig Neuer gibt auf der fünf­stün­di­gen Fahrt inter­es­sante Erklä­run­gen zu Land und Leu­ten ab und ist mit einem offe­nen Steu­er­haus ein her­vor­ra­gen­der Gast­ge­ber. Auch das übrige Bord­per­so­nal lässt nichts anmer­ken, dass nun bloss 15 Per­so­nen auf dem Drei­deck-Schiff zu bedie­nen sind und gibt ihr Bes­tes. Zahl­rei­che Bur­gen und Schlös­ser, Wein­berge und Fels­for­ma­tio­nen, Ort­schaf­ten mit Fest­zel­ten am Ufer und Wäl­der zie­hen an uns vor­bei. Diese Bil­der und ein tol­les Schiff­fahrts­er­leb­nis wer­den für alle lange in Erin­ne­rung bleiben.

Dank freier Fahrt bei allen Schleu­sen haben wir eine halbe Stunde Zeit­vor­sprung, der dann in Neckar­stein­ach durch den ver­spä­te­ten loka­len Bus wie­der dahin­schmilzt. Da die ins­ge­samt 27 Neckar-Schleu­sen ab 22.00 Uhr nicht mehr bedient wer­den, endet hier unsere Schiff­fahrt. Nach 20 Minu­ten Busf­trans­fer geht im Hotel Mar­riott ein lan­ger Tag zu Ende. Diese Unter­kunft liegt stra­te­gisch für uns güns­tig, zumal sie von ganz Hei­del­berg als ein­zige direkt am Neckar liegt. Hier endet 50 Meter vom Hotel­aus­gang ent­fernt die Linie der Neckar­fähre Lise­lotte von der Pfalz (II), die als Stadt­schiff im Stun­den­takt fünf Ufer­orte von Hei­del­berg ver­bin­det. Obschon das Pro­gramm am zwei­ten Rei­se­tag aus­ser dem gemein­sa­men Abend­essen auf der schwim­men­den Platt­form Pier 4 fakul­ta­tiv ist, lässt es sich nie­mand neh­men, bereits bei der ers­ten Schiffs­ver­bin­dung an Bord der „Lise­lotte“ (ex-Hall­statt vom Hallstättersee/​A) zu gehen. Bei der Alten Brü­cke erwar­tet uns Stef­fen Schmid, Mar­ke­ting­lei­ter von Hei­del­berg Tou­ris­mus zu einer excel­len­ten Stadtführung*.

Am drit­ten Rei­se­tag bestei­gen wir die «Germania».Sie macht beim Mar­riott einen ele­gan­ten Bogen, um berg­wärts anzu­le­gen und die Foto­gra­fen unter uns zu beglü­cken. Etwas nach 10 Uhr legen wir los in Rich­tung Mann­heim, das wir in gut zwei Stun­den errei­chen. Wie schon vor­ges­tern genies­sen wir auch die­sen Neckar­ab­schnitt, obschon er weit weni­ger spek­ta­ku­lär ist wie der obere Teil. Doch Schiff­fah­ren bei solch herr­li­chen Bedin­gun­gen macht alle­weil Freude. Heute erle­ben wir drei Schleu­sen und lau­schen den inter­es­san­ten Aus­füh­run­gen von Kapi­tän Gün­ter Oess zu. Die „Ger­ma­nia“ legt ganz in der Nähe des Muse­ums­schif­fes Mann­heim an und nach weni­gen Metern emp­fängt uns Mari­anne Michai­lov vom Tech­no­seum Mann­heim zu einer Son­der­füh­rung auf dem ehe­ma­li­gen KD-Rad­damp­fer Mainz.

Nach einer Ein­füh­rung wird die Rei­se­gruppe geteilt: wäh­rend die eine Gruppe sich span­nende Film­aus­schnitte über die Ket­ten­schiff­fahrt auf dem Neckar anschaut, steigt die andere in den Maschi­nen­raum, um die schrä­g­lie­gende Zwei­zy­lin­der Com­pound­ma­schine und den Kes­sel­raum zu besich­ti­gen. Die fach­kun­di­gen Aus­füh­run­gen inter­es­sie­ren. Ein Elek­tro­mo­tor bringt die Maschine und damit auch die Schau­fel­rä­der in Bewe­gung. Michai­lov beru­higt uns: „Mit 2 Umdre­hun­gen pro Minute wer­den wir nicht von der Leine geris­sen.“ Die „Mainz“ war 1929 zu einer Zeit gebaut wor­den, wo die Dampf­kraft ihren Höhe­punkt bereits über­schrit­ten hatte – DS Rhône war zuvor 1927 der letzte in der Schweiz gebaute und DS Stadt Luzern 1928 der letzte in der Schweiz in Betrieb genom­mene Raddampfer.

Die Schiffs­werft Chris­toph Rut­hof wollte aber mit der „Mainz“ ganz bewusst einen Schluss­ak­zent für den deut­schen Schiffs­bau set­zen. Denn die­ses Schiff war ihr 1000. Neu­bau. Das Inté­ri­eur war vom Feins­ten: man wollte mit Edel­höl­zer und einer Innen­ge­stal­tung, die die Schwei­zer Rad­damp­fer von Escher Wyss und Sul­zer über­tref­fen sollte, einen tou­ris­ti­schen Coup lan­den, was dann auch gelang. Für die Natio­nal­so­zia­lis­ten war das Schiff mit den „Kraft durch Freude“-Fahrten ihr Lieb­lings­schiff. Den 2. Welt­krieg über­stand der Luxus­li­ner als ein­zi­ges KD-Schiff unbe­scha­det, was kaum als Zufall gewer­tet wer­den darf. Ganz exklu­sive Gebäude und Gegen­stände wur­den vom Bom­ben­ge­schwa­der der Alli­ier­ten geschont.

Dass heute der Rad­damp­fer nicht mehr an diese Glanz­zei­ten erin­nert, geht auf einen Unfall vom 12. Juni 1956 zurück, als die „Mainz“ bei einem Wen­de­ma­nö­ver in Koblenz mit einem Motor­gü­ter­schiff zusam­men stiess und sank. Nach der Hebung ent­schied sich die KD, der „Mainz“ einen 50-er-Jahr-Stl zu ver­pas­sen: die Edel­höl­zer wichen Kel­co­plat­ten (Reso­pal, Schicht­stoff­plat­ten), die Koh­le­feue­rung einem Ölbren­ner. 1980 aus­ran­giert wird das Schiff 1986 in ein Museum umge­baut: Küche und koh­len­be­feu­er­ten Antrieb in den Zustand der Dreis­si­ger­jahre zurück ver­setzt, die heu­ti­gen Aus­stel­lungs­räume im Stil der Fünz­i­ger belas­sen und das Restau­rant den Erfor­der­nis­sen der Ach­zi­ger neu gebaut. Diese Kom­bi­na­tion reibt sich heute etwas. Ande­rer­seits ist es nicht selbst­ver­ständ­lich, dass nun das Muse­ums­schiff bereits seit 30 Jah­ren ein musea­ler Anzie­hungs­punkt von Mann­heim ist.

Den Abschluss der erleb­nis­rei­chen, drei­tä­ti­gen Reise bil­det eine def­tige Fleisch­patte auf dem Ober­deck des Muse­ums­schif­fes und eine andert­halb­stün­dige, anschlies­sende Trans­fer­fahrt mit einem Son­der­t­ram der Mann­hei­mer Ver­kehrs­be­triebe vom Schiff bis zum Bahn­hof. Diese Idee ent­stand erst wäh­rend den Rei­se­vor­be­rei­tun­gen, als wir das „Pro­blem“ zu lösen hat­ten, die per pedes zu lange Stre­cke ele­gant zu über­brü­cken. Doch wir mach­ten die „Rech­nung ohne den Wirt“ sprich ohne die Deut­sche Bahn: wegen dem Stre­cken­un­ter­bruch bei Ras­tatt haben wir kurz­fris­tig einen Char­ter­bus gemie­tet, um nach Basel zu gelan­gen. Und der hätte uns auch beim Schiff abho­len kön­nen… Nun, wer eine Reise tut, kann was erzählen.

MS Alt Hei­del­berg fährt zu Berg mit Besucher/​innen des his­to­ri­schen Hand­wer­ker­mark­tes Bad Wimp­fen (im Bild die Ankunft) und anschlies­send mit uns zurück in Rich­tung Heidelberg.

Kapi­tän Lud­wig Neuer erklärt die Strecke.

Die Schleu­sen am Neckar sind fast Kunst­werke und pas­sen sich gut in die Umge­bung ein, wie hier in Guttenbach.

Ein Teil unse­rer Rei­se­gruppe nimmt das Stadt­schiff für den abend­li­chen Aus­gang am zwei­ten Rei­se­tag ab der Sta­tion Mar­riott, die in bloss 50 m von unse­rem Hotel aus zu errei­chen ist.

Die ehe­ma­lige „Hall­statt“ erlebt in Hei­del­berg ihren zwei­ten Früh­ling: täg­lich ver­bin­det sie, nun als „Lise­lotte von der Pfalz“ II, acht Mal den West- mit dem Ost­teil der lang­ge­streck­ten Stadt am Neckar.

Die kleinste Ein­heit der Weis­sen Flotte Hei­del­berg, die „Ger­ma­nia“, ist immer noch gross genug für unsere 15-köp­fige Rei­se­gruppe auf der Son­der­fahrt nach Mann­heim am drit­ten Reisetag.

Auf der ein­drück­li­chen Füh­rung durch den ehe­ma­li­gen KD-Damp­fer Mainz (heute Muse­ums­schiff Mann­heim des Lan­des­mu­se­ums für Tech­nik und Arbeit) las­sen sich elek­trisch die Kur­bel­wel­len und Schau­fel­rä­der bewegen.

Als Abschluss erwar­tet uns ein Son­der­t­ram aus dem Jahr 1963, das uns auf Umwe­gen vom Muse­ums­schiff zum Haupt­bahn­hof fährt.

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Hin­weise

Hei­del­berg gehört zu den bedeu­tends­ten Barock­städ­ten welt­weit und ver­dankt dies einem Bar­ba­ren­akt der Fran­zo­sen. Aus den Erb­an­sprü­chen von König Louis XIV. resul­tierte ein ver­hee­ren­der Erb­fol­ge­krieg, in des­sen Ver­laufe Hei­del­berg zwei­mal, näm­lich 1688 und 1693, von fran­zö­si­schen Trup­pen ein­ge­nom­men und dabei kom­plett zer­stört wurde. Nach­dem die­ser Krieg 1697 been­det war, stan­den noch acht Gebäude in der gan­zen Stadt. Die Hei­del­ber­ger bau­ten nun ihre Stadt ganz im Stil des Barock wie­der auf. Im Gegen­satz zu allen ande­ren Barock­städ­ten, die typi­scher­weise mit viel Flä­chen und Grün­an­la­gen prun­ken, hat sich Hei­del­berg dies nicht leis­ten kön­nen; sie baute ihre Stadt exakt auf den Grund­mau­ern der mit­tel­al­ter­li­chen Stadt auf, was ihr nun heute ein welt­weit ein­ma­li­ges USP beschert und ver­mut­lich der Grund ist, warum jähr­lich über 10 Mil­lio­nen Tou­ris­ten den Ort überschwemmen.

Auch wie es zur berühm­tes­ten Schloss­ruine von ganz Deutsch­land kam, weiss Stef­fen Schmid zu erzäh­len: Beim Wie­der­auf­bau der Stadt wünschte sich der Pfalz­graf und Kur­fürst Karl III. Phil­ipp von den Hei­del­ber­ger Bür­gern, dass sie ihm das Schloss nicht nur wie­der auf­bau­ten, son­dern auch noch grös­ser als Ver­sailles wer­den liesse. Das emp­fan­den die Hei­del­ber­ger als eigent­li­che Her­ku­les­auf­gabe – und sie bau­ten statt­des­sen selbst­be­wusst einen ent­spre­chen­den Brun­nen, der heute noch auf den Markt­platz steht und wo Her­ku­les gegen das Schloss schaut. Sie konn­ten sie den Befehl erfolg­reich abweh­ren, wor­auf der Kur­fürst den Hei­del­ber­gern den Rücken zukehrte und nach Mann­heim zog, wo er sein Vor­ha­ben umset­zen konnte. Das Schloss dort ist zwar klei­ner als Ver­sailles, hat aber 1 Fens­ter mehr zu bie­ten als das fran­zö­si­sche Pendant.

Quel­len

Text und Bil­der H. Amstad.

Wei­ter im Text

Fahrt mit der „Casa­nova“ auf dem Neckar (Link),

Schiffs-Rocha­den auf dem Neckar (Link).

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