Reisebericht: Frühstücksfahrt am Cheminée der „Emily“ und Schifffahrtsgeschichte im Dachstock des alten Zollhauses.
Einmal mehr hat sich erwiesen, wie reizvoll eine Winterschifffahrt sein kann. Es gehört schon zur Tradition, dass die Schiffs-Agentur ein, zwei ihrer Tagesevents im Winterhabjahr durchführt. Dieses Mal ging es auf das Schwäbische Meer, das besonders im Winter als solches wirkt, da oft nebelartige Wetterstimmungen für die grosse Weite sorgen. Als einziger Nachteil zeigte sich der frühe Start: das Frühstücksschiff Emily legte um 09.30 Uhr in Horn ab, was zum Beispiel für unsere Berner Teilnehmenden eine Tagwache um fünf Uhr bedeutete. Kaum waren wir aber auf dem Schiff wussten wir: es hat sich gelohnt. Auch Kulinarisch wurden die insgesamt 38 Gäste von der fünfköpfigen Crew des Hotels Bad Horn verwöhnt.
Der Name des Schiffes Emily hat einen Zusammenhang mit der Geschichte des Hotels. Diese geht zurück aufs Jahr 1827. Vor allem deutsche Gäste liessen sich hier für Molkekuren nieder und genossen die eisen- und schwefelhaltigen Mineralbäder in Kombination von frischer Appenzeller Ziegen- oder Kuhmilch. Der heutige Gastgeber Stephan Hinny (CEO): „Die stürmische Weltgeschichte machte auch vor dem Bad Horn nicht Halt und bescherte dem Haus in den letzten 180 Jahren manches Auf und Ab.“ 1974 erwarb der Autoimporteur Emil Frey den Betrieb aus einer Konkursmasse. Urs Hatt war danach der Gastgeber, der das Hotel in mehreren Umbauphasen zum Themenhotel über Nautik, Schiffe, See und Meer ausbauen konnte.
Es war schon immer ein Wunsch von Emil Frey, ein eigenes Schiff zu haben. Bernadette Hinny, die heutige Gastgeberin: „Das Hotel Bad Horn organisiert seit vielen Jahren ein Package mit dem Besuch der Bregenzer Festspiele. Dazu wurde früher ein Schiff der Bodensee-Schifffahrt gechartert. Daraus entstand die Idee, die Nachfrage durch ein eigenes Schiff abdecken zu können, da der Hafen ja bereits vorhanden war.“
Von der Idee bis zur Realisierung war es dann ein langer Weg. Noch in der Planungsphase verstarb Emil Frey (1995); 1997 verfügte man über die notwendigen Bewilligungen; in Fahrt kam das Schiff dann im Jahr 2000. Hinny: „Der Name Emily – die weibliche Form von Emil – wurde in Gedenken an Emil Frey gewählt. Ausserdem erinnert der Name an die stolze Kühlerfigur des Rolls-Royce, welche auch so heisst.“
Zuerst war die Idee, ein vorhandenes Schiff vom Bodensee für diesen Zweck umzubauen. Man fand aber keines, das folgende Voraussetzungen erfüllen konnte: eine Kapazität von ca. 50 Passagieren, Wintertüchtigkeit mit einer Heizung und mit einer dem Hotelhafen angepassten Grösse. So wurde die Bodan-Werft beauftragt, ein Neubau zu realisieren. Als Vorbild galt die wunderschöne „Principia“ aus Seattle/USA. Urs Hatt kannte diese Holzyacht und konnte die Pläne des Schiffes organisieren. Diese waren dann die Basis für den Bau der „Emily“. Dem Hotel Bad Horn ist das Schiff inzwischen ans Herz gewachsen: „Die Motoryacht Emily gehört zu uns und ist unser USP.“
Martin Neubauer ist seit 2015 auf der „Emily“ Kapitän. Er ist damit das ganze Jahr voll beschäftigt. Zum einen ist das Partyschiff im Jahr durchschnittlich 150 Tage unterwegs, zum andern macht Neubauer in der übrigen Zeit Service- und Unterhaltsarbeiten. Der in Langenargen wohnhafte Emily-Nautiker pendelt zur Arbeitsstelle in Horn mit seinem Boot. Er durchlief bei der BSB alle Ausbildungsschritte, vom Matrosen über den Maschinisten bis zum Schiffsführer: „Mein Lieblingsschiff ist die ‚Schwaben’, wo ich hauptsächlich eingeteilt war.“ Auf der Fahrt weiss er viel zu erzählen. So fahren wir am Europas grössten Bootshafen vorbei, wobei vom Schiff aus fast nichts zu sehen ist. „In Gohren wurde früher Kies gebaggert. Nach der Einstellung der Arbeiten verband man dann die Baggerseen mit dem Bodensee und entstand ein Hafen für 7 000 Segelyachten.“
Nach der Rückkehr und einem kurzen Transfer von Horn nach Romanshorn empfängt uns dort Max Brunner, Präsident der Museumsgesellschaft und früherer Gemeindeammann von Romanshorn. Er öffnet für uns „sein“ Museum am Hafen und führt uns in den Dachstock des alten Zollhauses, wo ein kleines aber feines Hafen‑, Orts- und Schiffsmuseum eingerichtet ist. Seine Ausführungen bringen auf sympathische Art ins Bewusstsein, dass Romanshorn ab 1855 Hundert Jahre lang einer der ganz grossen Verkehrsknotenpunkte in der Schweiz war, auf der Achse Lombardei (Mailand) – Süddeutschland (München) liegend.
Max Brunner startete die Führung mit einem Film über den Trajektverkehr, der später durch den Autofährebetrieb abgelöst wurde. Brunner: „Unser Museum präsentiert reichhaltiges Anschauungsmaterial über die Zeit von 1800 bis zur Gegenwart. Es zeigt die spannende Phase der Verkehrsentwicklung am und auf dem Bodensee. Damit wächst es weit über ein konventionelles Ortsmuseum hinaus.“ Die Museumsräumlichkeiten bieten einen unmittelbaren Bezug zum pulsierenden Verkehr von Schiff und Bahn: aus dem Fenster beobachtet man die Ausstellungsthematik unmittelbar in der Gegenwart und schafft so den Übergang zur Vergangenheit. Der Blick ist frei auf die Autofähre nach Friedrichhafen und auf die vier grossen SBS-Schiffe sowie den Bahnhof. Von hier aus sieht man auch den Standort des zukünftigen Hafenhotels. Nach dem Volks-Ja verkaufte die Stadt Romanshorn, die Besitzerin des Grundstücks, eine Teilparzelle an die Investmentfirma von Hermann Hess (Eigentümer der SBS-Flotte). Aufgrund der speziellen Lage muss das geplante Hotel aber hohe Anforderungen erfüllen. Das Romanshorner Stimmvolk hat eine weitere Chance, zum Projekt Stellung zu nehmen, denn für den Gestaltungsplan ist ein fakultatives Referendum vorgesehen.
Max Brunner: „Unser Museum ist im ehemaligen Kornhaus-Estrich untergebracht. Dieses ist das älteste Gebäude am Hafenbecken und wurde 1852 – also noch vor der Eisenbahnzeit – durch den Kanton Thurgau gebaut. In seinen Räumlichkeiten wurde einst das Korn gelagert und ab 1856 eine Kornbörse eingerichtet.“ 1853 bis 1856 erfolgte der Bau des heutigen Hafens und des Bahnhofes gleichzeitig, 1855 erreichte die Bahn Romanshorn. 1869 kommt die erste Trajektfähre zwischen Romanshorn und Friedrichshafen in Betrieb. Man begann, auch Lindau und später Bregenz anzufahren. Das geographische Lexikon der Schweiz schrieb 1906: „Romanshorn ist der grösste schweizerische Lagerplatz für Getreide, Holz und Bretter mit täglich 60 bis 70 ein- und ausfahrenden Zügen.“
Winterstimmung über dem Bodensee, bald legt die „Emily“ zu unserer Frühstücksfahrt ab.
Das um 72 Jahre ältere Vorbild namens Principia hat im direkten Vergleich schon ein bisschen mehr Eleganz; vor allem der ausgeprägte Decksprung macht einen grossen Unterschied gegenüber dem hiesigen Bodan-Schiff aus.
Das Intérieur strahlt mit dem Holz, der Ausstattung und dem Cheminée eine behagliche Atmosphäre aus.
Martin Neubauer steuert die „Emily“ nach Langenargen und nach einer stündigen Längsfahrt, dem deutschen Ufer entlang, zurück nach Horn.
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Max Brunner weiss zum Abschluss der Schiffs-Agenturreise im Museum am Hafen Romanshorn Interessantes zu erzählen über die Schifffahrt von Romanshorn und den Bodensee.
Das Museum hat nebst diversen Dioramen des Hafens und Schiffsmodellen auch eine schöne Bildersammlung.
Durch Klick aufs Bild erscheint dieses im Grossformat.
Hinweise
Die Schiffe im Vergleich:
Emily Baujahr 2000 – Werft Bodan Kressbronn – Baunummer 1058 – L 24.0 m – B 7.1 m – T 1.1, m 79 t – P 180 kW Caterpillar – 60 Personen.
Principia Baujahr 1928 – Werft Lake Union Drydock Seattle WA – Baunummer 227176 – L 29.3 m – B 5.5 m – T 2.4, m 97 t – P 177 kW Caterpillar – ? Personen.
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