Rei­se­be­richt: Good­bye MS For­tuna und The Thrill of Speed auf dem Hallwilersee.

Das Hall­wi­ler­see­schiff For­tuna legt am 22. Dezem­ber 2017 nach 16 Uhr in Mosen ab zu einer Son­der­fahrt der Schiffs-Agen­tur. „For­tuna“ ist der Name der Glücks- und Schick­sals­göt­tin der Römer. Die 21 Teil­neh­men­den füh­len sich an Bord des weih­nacht­lich geschmück­ten Schif­fes glück­lich und genis­sen die win­ter­li­che Fahrt bei ange­reg­ten Gesprä­chen. Und das Schick­sal des Schif­fes scheint besie­gelt zu sein: es fährt zu sei­ner letz­ten Fahrt auf dem Hall­wi­ler­see aus.* Nach gut einer Stunde hat es ein­ge­dun­kelt und das üppig weih­nachts-beleuch­tete Hotel Schifflände in Birr­wil ist unser Ziel.

Davor gilt es, letzte Bil­der zu schies­sen, einen Besuch im Steu­er­haus bei Kapi­tän Man­fred Sie­grist abzu­stat­ten, jeden Win­kel des Schif­fes aus­zu­kund­schaf­ten und zwi­schen­durch die sanf­ten Hügel des luzer­ni­schen und aar­gaui­schen See­tals zu bewun­dern. Erstaun­lich, wie natur­be­las­sen die Ufer gerade in einem Gebiet der Schweiz sind, wo der Sied­lungs­druck beson­ders hoch ist. Die­ser Schutz der Ufer rund um die­sen Mit­tel­land­see geht auf ein Dekret aus dem Jahr 1986 zurück. Darin steht, dass die­ser Erho­lungs­raum so gestal­tet, gepflegt und ent­wi­ckelt wer­den soll, „dass Eigen­art und Schön­heit von Natur und Land­schaft nach­hal­tig gesi­chert sind“.

In vie­len Quel­len (so auch bei der SGH) wird das Erbau­da­tum der „For­tuna“ mit 1963 ange­ge­ben. Dies ist jedoch bloss das Umbau­da­tum: vor 55 Jah­ren hat die Lux-Werft die „For­tuna“ für die Ree­de­rei Jean Gil­les in Vallendar/​Koblenz zur heu­ti­gen Form umge­baut. Die „For­tuna“ könnte in der Grund­kon­struk­tion 100-jäh­rig sein: Aus dem Fir­men­ar­chiv der Ree­de­rei Gil­les ist nach­ge­wie­sen, dass Fried­rich Gil­les 1920 seine Firma mit zwei Schif­fen gegrün­det hat, mit der „Gre­tula“ und… mit jener „For­tuna“, die nun auf dem Hall­wi­ler­see Abschied feiert.

Die Schiff­fahrts­ge­sell­schaft Gil­les fährt heute mit sechs Schif­fen in der 5. Gene­ra­tion im Gebiet Koblenz auf dem Rhein; Sitz der Firma ist Val­len­dar. 1969 ent­schied sich Jean Gil­les, seine „For­tuna“ durch einen grös­se­ren Neu­bau zu erset­zen. So kam das Grün­der­schiff der Ree­de­rei Gil­les auf den Hall­wi­ler­see, wo es sozu­sa­gen ohne wei­tere Anpas­sungs­ar­bei­ten in den Ein­satz kam. 1992 bekam es ein neues Steu­er­haus. 2018 wird es nun durch einen Neu­bau ersetzt. Betriebs­lei­ter Ueli Hal­ler über die Gründe des Ersat­zes: „Die SGH muss eben­falls mit der Zeit gehen und hat sich inten­siv mit ihrer Zukunft befasst. Die erar­bei­tete Stra­te­gie wird in den nächs­ten Jah­ren umge­setzt. Der Erhalt von MS For­tuna und auch stren­gere Auf­la­gen des BAV wür­den nun beträcht­li­che Sum­men nötig machen. Der VR hat sich ent­schlos­sen, keine wei­te­ren Inves­ti­tio­nen zu täti­gen, da es sich betriebs­wirt­schaft­lich nicht rech­net. Aus­ser­dem tritt im Jahr 2023 das Behin­der­ten­ge­setzt in Kraft, wo wei­tere Anpas­sun­gen fol­gen wür­den. Die ‚For­tuna’ ist und war für die SGH ein wun­der­ba­res Schiff und wir hof­fen, dass sie auf einem ande­ren See auch wie­der in den Ein­satz kommt.“

Im Semi­nar­raum des Hotels Schifflände in Birr­wil zeigt uns im zwei­ten Teil des Events Heinz Bert­schi sei­nen Film „The thrill of speed“. Bert­schi hat einen Dok-Film über den Motor­boot-Welt­re­kord von Sir Mal­colm Camp­bell zusam­men gestellt, den die­ser am 17. Sep­tem­ber 1938 mit sei­nem selbst kon­stru­ier­ten Renn­boot auf dem Hall­wi­ler­see auf­ge­stellt hat. Bert­schi in sei­nem Vor­trag: „Es gibt nur 22 Plätze auf der Welt, an denen Welt­re­korde auf­ge­stellt wur­den – sei es zu Land, Luft oder zu Was­ser. 20 die­ser Orte wer­den heute tou­ris­tisch genutzt. Es gibt aber zwei Orte, deren his­to­ri­sche Bedeu­tung in Ver­ges­sen­heit gera­ten ist: Locarno und der Hall­wi­ler­see. In bei­den Fäl­len war es der Eng­län­der Mal­colm Camp­bell, der jeweils mit unter­schied­lich schnel­len Gefähr­ten einen Rekord brach. Am Hall­wi­ler­see wurde am 17. Sep­tem­ber 1938 Geschichte geschrie­ben: Mit sei­nem selbst kon­stru­ier­ten Renn­boot erreichte er mit einer Geschwin­dig­keit von 210.67 km/​h einen Welt­re­kord. Camp­bell wurde gefei­ert – den­noch geriet der Tag am Hall­wi­ler­see schnell in Ver­ges­sen­heit, weil einen Tag vor dem Ereig­nis der 2. Welt­krieg aus­brach und die Men­schen exis­ten­zi­el­lere Sor­gen hatten.

Der fol­gende Aus­schnitt aus Wiki­pe­dia zeigt, dass der Brite bis 1950 den Rekord hal­ten konnte. Der heu­tige Speed­re­kord auf dem Was­ser wurde am 8. Okto­ber 1978 durch Ken Peter Warby auf­ge­stellt: mit 511,13 km/​h bret­terte er über den Blo­we­ring-Dam-Stau­see im Süd­wes­ten Australiens.

Vor rund 18 Jah­ren begann das Inter­esse von Heinz Bert­schi an die­sem Ereig­nis auf Grund eines Zei­tungs­ar­ti­kels. Ent­täuscht stellte er in all den Jah­ren der Recher­chen fest, dass sehr wenige Infor­ma­tio­nen zu fin­den waren. Im Jahr 2008 erhielt er schliess­lich einen anony­men Brief. „Ich erhielt einen Umschlag mit vier Ori­gi­nal­fo­tos die­ses Tages“, ver­rät er. Das habe ihn rie­sig Auf­schub gege­ben. Im Jahr 2009 stiess er auf 800 Blät­ter Schreib­ver­kehr. Es kam immer mehr dazu: Sta­tu­ten, Modelle, Wer­be­ar­ti­kel von damals, Mäscheli, die sich die Zuschauer damals ange­steckt hat­ten und vie­les mehr. Bert­schis gröss­ter Stolz: Der Besitz eines Pen­nys, der sich wäh­rend des Welt­re­kords in der Hosen­ta­sche von Mal­colm Camp­bell befand.

Der Durch­bruch, die­ses Ereig­nis doku­men­ta­risch auf­zu­ar­bei­ten, kam schliess­lich, als er den Sohn eines Man­nes der dama­li­gen Renn­kom­mis­sion ken­nen­lernte. „Ich erfuhr, dass sein Vater damals Film­auf­nah­men gemacht hatte“, so Bert­schi. „Neun Jahre lang habe ich gebohrt, bis er mir das Film­ma­te­rial über­liess.“ Dies sei defi­ni­tiv eine Rari­tät, betont Bert­schi. Dar­aus hat er nun ein Zeit­do­ku­ment zusam­men geschnit­ten, das die Blue­bird-Rekord­fahrt von Sir Mal­colm Camp­bell vom 17. 09.1938 dokumentiert.

Die „For­tuna“ legt ein letz­tes Mal in Mosen an, um 21 Teil­neh­mende des Schiffs-Agen­tur-Events an Bord zu begrüssen.

Ursula Wid­mer und Man­fred Sie­grist von der SGH heis­sen uns willkommen.

Auf der Däm­mer­fahrt kom­men wir auch an der HSG-Werft vor­bei, wo MS See­rose für eine andere Char­ter­fahrt vor­be­rei­tet wird.

Heinz Bert­schi hat einen Dok-Film über den Welt­re­kord von Sir Mal­colm Camp­bell zusam­men gestellt, der den Rekord am 17. Sep­tem­ber 1938 mit sei­nem selbst kon­stru­ier­ten Renn­boot auf dem Hall­wi­ler­see auf­ge­stellt hatte. Hier zeigt Bert­schi das Modell des „Blue­bird“; auf der Lein­wand ist der Welt­re­kord­hal­ter Camp­bell zu sehen. Nach einer Stunde Mix aus Vor­trag und Film gibt es im drit­ten Teil des Abends ein Fon­due, wie­derum an Bord der „For­tuna“. Das Schiff ist noch bis zum 27. Januar 2018 beim Hotel Schifflände in Birr­wil ver­täut und bie­tet jeweils von Mitt­woch bis Sams­tag die Käse­spe­zia­li­tät an.

Nach einer Stunde geht es für uns zurück an Bord der an der Schifflände Birr­wil fest ver­täu­ten „For­tuna“.

Mit einem Käse­fon­due und einem guten Schluck Wein ein­hei­mi­schen Schaf­fens las­sen wir den Abend aus­klin­gen, bevor die Teil­neh­men­den um 22 Uhr den Weg in alle Rich­tun­gen antreten.

Drei Per­so­nen aus der West­schweiz haben es beson­ders geschickt gemacht: sie über­nach­ten grad vor Ort.

Durch Klick aufs Bild erscheint die­ses im Grossformat.

Am Schluss des Blogs ist Ihr Kom­men­tar willkommen.

Hin­weise

Bemer­kun­gen: *) Die Ver­si­che­rung läuft Ende 2017 aus. Ob allen­falls diese noch­mals erneu­ert wer­den muss hängt mit der Inbe­trieb­nahme des neuen Hall­wi­ler­see-Schif­fes zusam­men. Die Lie­fer­werft hat näm­lich zeit­li­che Ver­zö­ge­run­gen ange­kün­digt, die unter Umstän­den ein erneu­tes „Come­back“ der „For­tuna“ nötig machen.

Tech­ni­sche Daten.

Bau­jahr vor 1920, Umbau 1963 Lux werft Mondorf/​Bonn, 1969 auf Hall­wi­ler­see / L 23.70 m / B 5.30 m / T 0.71 m / Fas­sungs­ver­mö­gen 170 pax / Antrieb GM/­De­troit-Die­sel 6 – 71M / P 130 kW bei 1800 U/​min / Schot­tel­pro­pel­ler SRP 100 / v 18 km/​h

Wei­ter im Text

Zur Geschichte des Schiff­fahrt Gil­les siehe Link.

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