Rei­se­be­richt: Herr­li­che Schiff­fahr­ten auf der Mol­dau und auf drei wei­te­ren exklu­si­ven Gewäs­sern Tsche­chi­ens (1).

Wer an die Kom­bi­na­tion «Schiffe und Tsche­chien» denkt kommt reflex­ar­tig auf Prag mit ihrem einst­wei­len noch ein­zi­gen Rad­damp­fer Vltava zu spre­chen. Viele, wie auch ich sind damit „am Ende ihres Lateins“. Das ist nicht ver­wun­der­lich: aus­ser den Flüs­sen Mol­dau und Elbe gibt es kaum natür­li­che Seen mit einer Schiff­fahrt in ganz Tsche­chien. Schiff­bare Seen sind alle­samt gestaute Flüsse oder Bäche. Grös­sere Seen kann man auch ohne Schiffe an einer Hand abzäh­len. Und dort­hin soll nun die Schiffs-Agen­tur hin­rei­sen? Rei­se­teil­neh­me­rin Bar­bara Affol­ter: «Es war im Vor­feld schwie­rig, jeman­dem diese Reise zu erklä­ren.» Am Schluss der Woche sind sich aber alle einig: so exo­tisch das klin­gen mag, Tsche­chien vom Schiff aus zu erle­ben ist span­nend und ein­ma­lig. Zum Erfolg bei­getra­gen haben auch fas­zi­nie­rende Städte und ein ange­neh­mes Sommerwetter.

Drei Fak­to­ren bewo­gen uns, diese Reise zu unter­neh­men. Auf alten Ansichts­kar­ten sah ich inter­es­sante Klein­schiffe auf diver­sen Tal­sper­ren, die den Lauf der Mol­dau unter­bre­chen. Die Bekannt­schaft mit Fran­tišek Vichta, nebst Michael Bor dem bes­ten Ken­ner der Schiff­fahrt in Tsche­chien führte zur Idee die­ser Reise, die er dann vor Ort in pro­fes­sio­nel­ler Art und Weise für uns vor­be­rei­tete. Schliess­lich wusste ich, dass es im gan­zen Land aus finan­zi­el­len Grün­den fast keine Neu­bau­ten gibt, wes­halb jedes Schiff eine inter­es­sante Geschichte auf­zu­wei­sen hat.

Die Reise begann in Wien. Für die meis­ten war die Anreise dort­hin eine Her­aus­for­de­rung, im Schnitt stan­den die Rei­se­teil­neh­men­den um fünf Uhr in der Früh «auf der Matte». Je nach Wohn­ort und Rei­se­art waren sie bis zu 10 Stun­den unter­wegs, dies bei bis zu 34 Grad. Der Zug von Wien nach Brno, zu deutsch Brünn, war sehr gut belegt. Dies alles war schnell ver­ges­sen beim Bestei­gen des Son­der­t­rams mit Bau­jahr 1950, eines der schöns­ten Exem­plare der his­to­ri­schen Brün­ner Stras­sen­bahn­flotte und aus der letzte Reihe des Brün­ner Maschi­nen­baus in Königs­felde (Brno-Krá­lovo pole)*. So viel Platz zu haben im Abend-Stoss­ver­kehr war ein Luxus­ge­fühl. Nach einer klei­nen Stadt­rund­fahrt fuhr die 15-köp­fige Rei­se­gruppe auf dem Trasse der Linie 1 zur Brün­ner Tal­sperre, wo uns das zweite High­light des Abends erwar­tete: eine genuss­rei­che Schiff­fahrt mit dem gechar­ter­ten MS Brno (II, 1949) auf dem Brün­ner Stausee.

Zuvor hat uns ein Mit­ar­bei­ter der Schiff­fahrts­ge­sell­schaft Dopravní pod­nik města Brna a.s. begrüsst und uns die Werft gezeigt. Hier gibt es seit dem 5. Mai 1946 eine Schiff­fahrt. Jeweils die Hälfte der sechs Schiffe über­win­tert in den Hal­len für Revi­si­ons­ar­bei­ten. Die andere Hälfte wird an Land gezo­gen, weil der fla­che See regel­mäs­sig zufriert. Zur Zeit ver­keh­ren die fünf neue­ren Schiffe Utrecht, Vídeň, Stutt­gart, Dal­las (II) und Lipsko (Bau­jahr 2010 und spä­ter, benannt nach den Part­ner­städ­ten von Brünn) sowie die his­to­ri­sche Ein­heit Brno (II). Sie alle sind mit einem Elek­tro­an­trieb aus­ge­rüs­tet. An Land abge­stellt sind die Schiffe Veveri (als Restau­rant) und Dal­las (I). Zur Freude der Lieb­ha­ber alter Schiffe ist kürz­lich beschlos­sen wor­den, die «Dal­las» I (1955) nach denk­mal­ge­schütz­ten Kri­te­rien zu renovieren.

Nun genies­sen wir das urige Schiff Brno. Es ist im Eigen­bau der Brün­ner Werft mehr­fach umge­baut wor­den und besteht eigent­lich aus zwei Schif­fen. Die Schale stammt von der „Úderník“ (zu deutsch: Held der Arbeit, Stoss-Arbei­ter) aus dem Jahr 1949 (1967 still­ge­legt, ab 1989 „Brno“ II) und die Auf­bau­ten von der „Mir“ (1950). Seit 2006 sind die bei­den Schiffe ver­eint in einem unter dem Namen Brno (II) wie­der im Lini­en­dienst. Die „Brno“ II ist mit einem 15 kW-Tram-Elek­tro­mo­tor ange­trie­ben und etwa 15 km/​h schnell.

Auf der Fahrt wech­selt die land­schaft­li­che Sze­ne­rie stän­dig: zuerst durch­fährt man den seit 1940 gestau­ten See, dann das frei flies­sende Flüss­chen Svratka, kommt vor­bei an der Burg Veveří und durch den enge­ren Ober­teil des Was­ser­lau­fes nach Vever­ská Bítýška. Blitze eines sich nähern­den Gewit­ters und span­nende Wol­ken­bil­der tra­gen ebenso zur guten Laune bei wie der impro­vi­sierte Apéro riche mit Pilzcrèmesuppe.

Am zwei­ten Tag stand am Mor­gen die Punk­va­höh­len und am Abend eine Abend­rund­fahrt auf dem Pra­ger Stadt­ab­schnitt der Mol­dau auf dem Pro­gramm. Ich habe zuvor noch nie eine so schöne Höhle besucht wie hier in der mäh­ri­schen Karst­land­schaft. Wir begin­nen auf der Anhöhe der Maco­cha-Schlucht und fah­ren mit einer der weni­gen Pen­del­bah­nen Tsche­chi­ens hinab zur Aus­gangs­punkt der Höh­len­wan­de­rung. Etwa in der Hälfte der Höh­len­tour bestei­gen wir eines von 11 Elek­tro­boo­ten, von denen in der Sai­son neun im täg­li­chen Ein­satz ste­hen. Die Punk­va­höh­len sind die meist­be­such­ten in Tsche­chien. Fast einen hal­ben Kilo­me­ter lang schlän­gelt sich unser Schiff durch den unter­ir­di­schen Lauf des Punkva-Flus­ses: eine bizarre Unter­welt mit Kal­kaus­bil­dun­gen mit Kunst­licht herr­lich in Szene gesetzt, glei­ten wir ins Unge­wisse: oft nur mit 50 cm Was­ser-Tiefe, an einer Stelle aber 40 Meter, manch­mal so eng, dass die Rei­sen­den auf den äus­se­ren Sitz­rei­hen den Kopf ein­zie­hen müs­sen. Nach einer Stunde „Aben­teuer“ ver­las­sen wir mit dem Schiff den Unter­grund. Das Höh­len­sys­tem wurde spät ent­deckt, seit 1910 ist es zugäng­lich, eine Schiff­fahrt gibt es mit dem heu­ti­gen Ver­lauf seit 1933.

Anschlies­send bringt uns die tsche­chi­sche Bahn ele­gant nach Prag. Auf MS Ham­burg schauen wir bei der Mol­dau-Stadt­rund­fahrt dem abend­li­chen Trei­ben Dut­zen­der von Schif­fen zu. In der Smi­chov-Schleuse kön­nen wir fast in den Tel­ler eines Hoch­zeit­paa­res grei­fen, das ihren schöns­ten Tag des Lebens auf dem Cabrio­schiff Bohe­mia Rhap­sody der Schiffs­werft Bolle Der­ben fei­ert. Da geht es auf unse­rem BIFA-Schiff Typ III der ehe­ma­li­gen DDR-Yacht­werft Ber­lin etwas weni­ger for­mell zu und her. Aber etwas Schmack­haf­tes gibt es auch zu essen. Gegen Schluss der drei­stün­di­gen Fahrt ver­wan­delt sich das ein­dun­kelnde Ufer von Prag mit der Burg im Hin­ter­grund in ein spek­ta­ku­lä­res Lichtspiel.

Die Idee war, unse­ren drit­ten Rei­se­tag mit etwas Ruhi­gem zu begin­nen: das letzte Mal erlebte ich die impo­sante Karls­brü­cke eben­falls an einem Sonn­tag-Mor­gen fast alleine, was ich vor­gän­gig der Rei­se­gruppe als beson­ders mys­ti­sches Erleb­nis anpries. Aus­ge­rüs­tet mit einer Papier­tüte mit dem Früh­stück darin – wir star­te­ten deut­lich vor den Früh­stück­zei­ten des Hotels – und nach einer rasan­ten U‑Bahnfahrt waren wir nach 7 Uhr bereits nicht mehr die ers­ten auf der zweit­äl­tes­ten Stein­brü­cke Tsche­chi­ens. Bereits hüpf­ten Hoch­zeits­paare (schon wie­der) vor Foto­gra­fen umher, die­ses mal aber japa­ni­sche. Als es dann wenig spä­ter hiess, der Kapi­tän des MS König­stein (heute „Kar­lš­tejn“) habe sich ver­schla­fen, war defi­ni­tiv Impro­vi­sa­ti­ons­kunst der Rei­se­lei­tung gefragt. Wie alles hatte diese Panne auch sein Gutes: der Bus brachte uns eine Stunde frü­her nach Zbras­lav, was dann unter dem Strich eine deut­lich län­gere Fahrt mit dem Rad­damp­fer Vltava bedeu­tete. Auf dem schön reno­vier­ten Dampf­schiff genos­sen wir wort­wört­lich die Gast­freund­schaft des Kapi­täns Karel Mikšovský, der uns sowohl den Besuch der Dampf­ma­schine wie jener auf der Kom­man­do­brü­cke ermög­lichte. Trotz wirk­lich sehr guten Fre­quen­zen hatte jeder stets einen Sitzplatz.

Die Fahrt zwi­schen den Stau­stu­fen von Stecho­vice und Slapy gilt für mich welt­weit zu den Top-Ten der Dampfer­fahrten. Schon rund ein Dut­zend mal erlebt, bin ich jedes Mal fas­zi­niert von deren Natur­schön­heit, wie sich hier die Mol­dau durch den unbe­bau­ten Böh­mer­wald mäan­driert. Nach­weis­lich hat an die­ser Stelle – aller­dings vor dem Bau der Stau­mau­ern – Bed­rich Sme­tana mit sei­ner Mol­dau-Sym­pho­nie dem Fluss und sich ein musi­ka­li­sches Denk­mal gesetzt. Die Mit­tags­pause der Damp­fer­fahrt benut­zen wir mit der Ein­nahme einer böh­mi­schen Spe­zia­li­tät: Sau­er­bra­ten mit Knö­del, Prei­sel­bee­ren und viel Sauce – super fein gekocht. Bei schö­nem Wet­ter – und die­ses haben wir trotz eini­gen Regen­sprit­zern – gefällt mir die Rück­fahrt jeweils noch bes­ser. Zum einen hat es stets weni­ger Leute an Bord und zum andern steht die Sonne im Rücken und lässt die zum Teil fel­si­gen Ufer­par­tien im bes­ten Licht erschei­nen. Den zwei­ten Teil des Erleb­nis­be­rich­tes erscheint im nächs­ten Blog.

Am drit­ten Rei­se­tag besteigt die Gruppe der Schiffs-Agen­tur in Zbras­lav den ein­zi­gen Rad­damp­fer Tsche­chi­ens, die „Vltava“. An Bord kommt dann von einer gesich­ter­ten Quelle die frohe Nach­richt, dass nun Gel­der frei gespro­chen wur­den, die Ren­no­va­ti­ons­pläne für das zur Zeit abge­stellte DS Vyse­rad zu erstel­len. Die Vor­ga­ben sind, wie beim DS Vltava denk­mal­pfle­ge­ri­sche Gesichts­punkte stark zu gewichten.

Blick vom Steu­er­haus der Vltava in der Schleuse Stechovice.

Ein Teil der Rei­se­gruppe ist jeweils Gast beim Kapi­tän Karel Mikšovský, der das Schiff durch den unbe­rühr­ten böh­mi­schen Wald steuert.

Am zwei­ten Rei­se­tag war eine lange, unter­ir­di­sche Boots­tour auf dem Fluss Punkva …

… eines der High­lights auf unse­rer Reise.

Am ers­ten Rei­se­tag emp­fing uns MS Brno (1949) für eine Abend­rund­fahrt auf der Brün­ner Tal­sperre und dem Flüss­chen Svratka.

Am ers­ten Abend näch­tig­ten wir in der ehe­ma­li­gen Dar­le­hens­kasse, das im kubis­ti­schen Still mit Nach­klang der Sezes­sion 1914/15 erbaut wurde und heute als Hotel dient.

Durch Klick aufs Bild erscheint die­ses im Grossformat.

Am Schluss des Blogs ist Ihr Kom­men­tar willkommen.

Hin­weise

*) Das Tram wurde 1950 erbaut / Her­stel­ler mecha­ni­scher Teil: Krá­lo­vo­pol­ská stro­jírna Brno (Maschi­nen­bau in Brünn-Königs­felde) / Her­stel­ler elek­tri­scher Teil: Škoda Werke Plzeň / Länge über alles: 11370 mm / Breite: 2450 mm / max. Fahr­gast­zahl ursprüng­lich: 21 Sitz- + 43 Steh­plätze / Trak­tion: Moto­ren Škoda AD 2748, Výkon: 2 x 72 kW / Aus­ser Dienst: 1974, ab 1983 his­to­ri­scher Betrieb.

Quel­len

Bild 3 F. Vichta,

Text und übrige Bil­der H. Amstad.

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