Reisebericht: Mit Dampfmaschine und Solarpaneels auf dem Murten- und Schiffenensee
Vor 200 Jahren: In der Schweiz verkehrt ab 1823 auf der Linie Genf – Lausanne das erste mit Maschinen betriebene Kursschiff. Der Raddampfer Guillaume Tell feiert auf dem Genfersee seinen grossen Einstand. «Wo Rauch ist, ist Fortschritt», war einst mehr als nur ein Slogan, es war ein Sprichwort. Die (rauchende) Dampfkraft läutete nach der Erfindung des Rades (vor 5 000 Jahren) eine zweite, technische Entwicklungs-Revolution der Menschheit ein. Knapp 2 Millionen Einwohner hatte damals die Schweiz, die es in der heutigen politischen Form damals noch gar nicht gab.
Vor zwei Jahren: Die jüngste Kursschifffahrt der Schweiz nimmt Gestalt an und ein Jahr später verbindet das Solarboot D’Grandfey auf der Saane (franz. Sarine) und dem anschliessenden Schiffenensee die Stadt Fribourg mit dem Campingplatz Düdingen. 8,7 Millionen Menschen leben inzwischen hierzulande. «Wo Rauch ist, ist Verschmutzung» galt vor 50 Jahren, heute müssen alle Anstrengungen unternommen werden, den (rauch- und geruchlosen, aber die Atmosphäre schädlichen) CO2-Ausstoss zu senken.
Als Stellvertreter der mit Dampfkraft betriebenen Schifffahrt dient auf der heutigen Exkursion der Schiffs-Agentur die «Sirius», die mit einer 1885 von Simpsons & Denison (Grossbritannien) erbauten, stehenden 2 Zylinder Tandem-Verbund-Maschine ausgerüstet ist. Thomas und Antoinette (Mimi) Schmid, Miteigentümer und Kapitän des Schraubendampfers, begrüssen uns mit einer Charterfahrt auf dem Murtensee.
Das elektrisch betriebene Solarschiff D’Grandfey bildet am heutigen Tag den krassen Gegenpol. Thomas Aebischer steuert die «D’Grandfey», die dem Verein Ausflugschiff Schiffenensee gehört, und auch von diesem, mit Unterstützung von Tourismus Fribourg, betrieben wird. Es gibt Gemeinsamkeiten bei den beiden Schiffen: Beide sind für 12 Personen zugelassen, haben etwa die gleichen Abmessungen (11,3 x 2,8 m Sirius, resp. 8,6 x 2,4 m), fahren mit 6 bis 10 km/h etwa gleich schnell und beide stehen heute für uns exklusiv zur Verfügung. Auffallend dann die Unterschiede: gemütlich und eng versus kühl und weiträumig, das leise Stampfen der Dampfzylinder versus das lautlose Dahingleiten des Elektrobootes, 100 cm versus 34 cm (beladenen) Tiefgang, 11 m3 Verdrängung versus 1,3 m3… Zwischen den beiden Antriebsarten liegen fast fünf (Menschen-) Generationen.
Die 1909 erbaute «Sirius» fährt seit 1984 mit Dampf
Thomas Schmid fasst die Geschichte des Schiffes auf seiner Website gekonnt zusammen: «Das bewegte Leben dieses Schiffes begann bei der Società La Vedetta in Lugano, bei welcher es als ‘Monte Brè’ von 1909 bis 1912 verkehrte und dann auf den Lac de Joux im Waadtländer Jura kam. Dort hiess das Boot ‘Le Matin’, bis es 1916 die Fahrten einstellen musste und 1917 an den Hallwilersee verkauft wurde. Bei der SGH bekam das Schiff zwei Namen: 1918 ‘Seethal’ II. 1960 musste es diesen Namen an die von Neuenburg kommende ‘Romandie’ abtreten und dann als ‘Hallwil’ III weiterfahren. Als ein neues Schiff mit diesem Namen in Betrieb genommen wurde, kaufte ein Antiquar das Boot und stellte es (1977, Anm. HA) in Müswangen auf einem Spielplatz auf, bis der Zürcher Garagist Peter Schmidli es erwarb.
Er baute auf der Schale der ‘Hallwil’ III das stattliche Dampfschiff Sirius. Der Dampf-Stapellauf erfolgte 1984 auf dem Zürichsee. Im Jahr 2007 kauften acht Dampfbegeisterte unter der Leitung von Beat Schär das Schiff als Eigner Gemeinschaft und verlegten es an den Murtensee. In Murten wurde es bis zum Jahr 2018 durch die Reederei Olagomio AG als Charterschiff betrieben. Dann folgten unsichere Jahre. Die Eigner wollten sich auflösen und gaben das Schiff zum Verkauf frei.» Dank den 2022 gefundenen Käufern Mimi und Thomas Schmid-Blösch sowie Manfred und Christiane Glaser konnte das Schiff für den Standort Murten bewahrt werden. Für den Erhalt und Betrieb wurde schliesslich die Dampfschiff SIRIUS AG gegründet.
Fahren auf dem Röstigraben
Szenenwechsel: Die Bemühungen, auf dem 1963 gestauten Schiffenensee eine öffentliche Schifffahrt anzubieten, gehen auf das Jahr 2018 zurück. Düdingen und Freiburg Tourismus trieben das Projekt voran und gaben als Erstes eine Machbarkeitsstudie in Auftrag. «Viele Leute fahren täglich mit dem Auto oder mit dem Zug über die Brücke beim Schiffenensee, kennen aber die Landschaft rund um den See nicht. Das wollen wir mit dem neuen Angebot ändern», sagte damals Armin Haymoz, Präsident von Düdingen Tourismus, gegenüber den Medien. Die Kosten von rund 150 000 Franken wurden von Freiburg Tourismus, Düdingen Tourismus und dem Camping Schiffenen sowie weiteren Sponsoren getragen. Die Jungfernfahrt der «D’Grandfey» fand am 7. Juni 2022 statt.
Auf der heutigen Fahrt spürt man die Begeisterung unseres Käptens Thomas Aebischer für seine Heimat, den See und die Schifffahrt: «Zwischen Fribourg Neiglen und der Staumauer in Düdingen fahren wir genau auf dem Röstigraben: Westlich vom Gewässer spricht man Französisch, östlich Deutsch.» Zwischenhalte gibt es (noch) keine. «Da das Schiff eine Rampe hat, ist es gut möglich, dass wir in Zukunft einen Zwischenhalt bei der Einsiedelei Magdalena anbieten.» Der heutige Fahrplan sieht im Sommerhalbjahr an jedem Wochenende ein Kurspaar vor; Reservationen sind wegen dem beschränkten Platzangebot sehr empfohlen.
Die Fahrt zwischen der Hauptstadt des Kantons Freiburg und der rund 15 km entfernten Staumauer des Schiffenensees bietet für schweizerische Verhältnisse neue Wassererlebnisse. Zwar erinnern die Felsformationen und die völlig unverbauten Ufer etwas an den Lac des Brenets, doch die Abwechslung zwischen den verschiedenen Abschnitten ist für Naturliebhaber einzigartig. Thomas Aebischer unterscheidet vier Streckenteile: «Vom Wasserlauf her von unten nach oben, sprich von Nord nach Süd sind dies die Burgenfahrt, die Langeweile, der Brückenabschnitt und schliesslich der Fribourger Amazonas.» Vielleicht liesse sich für den «Langeweile»-Abschnitt noch ein PR-mässig geschickterer Begriff finden; z.B. Durststrecke. So könnte auf diesem Abschnitt der Bord-Kühlschrank die Fahrgäste mit kalten Getränken erheitern.
See, wo man sich einschifft
Der Schiffenensee liegt ganz im Kanton Freiburg und staut die Saane in einem schmalen Talabschnitt zwischen den Gemeinden Barberêche, Düdingen, Freiburg, Granges-Paccot und Kleingurmels. Ursprünglich war die Staumauer so geplant, dass der Abfluss durch einen Stollen zum Murtensee geleitet würde. Da dies dann auch den Kanton Bern betroffen hätte, liess man das eigentlich wirtschaftlichere Projekt fallen, weil man sich die interkantonalen Auseinandersetzungen sparen wollte. Thomas Aebischer ist aber überzeugt, dass das alte Projekt wieder aufgelegt wird: «Der Strommangel wird in absehbarer Zeit diesen Stollen vorantreiben.»
Die Namensgebung des Stausees war ein Politikum. Als Bezeichnung für den neuen See waren mindestens 15 Vorschläge im Gespräch. Die definitive Benennung durch den Freiburger Staatsrat erfolgte 1964 nach einem Gutachten des Freiburger Germanistik-Professors Eduard Studer. Dieser lehnte sich an den Namen jenes Weilers, wo die Talsperre zu liegen kam: Schiffenen (siehe Kartenvergleich, Doppelklick zum Vergrössern). Hier führte in alten Zeiten eine Fähre vom einen zum andern Ufer der Saane, resp. der Sarine. Ob Studer bei der Namensgebung schon voraussah, dass hier einst ein öffentliches Schiff («Schiff-enensee») fahren würde?
3 Schlösser, 3 Landschaftstypen, 3 Brücken
Am Rand des Plateaus der Gemeinde Barberêche erhebt sich das gleichnamige Schloss. Unweit davon befinden sich die beiden weiteren, ebenfalls privaten Schlösser Grand und Petit Vivy. Auf dieser Höhe befand sich das berühmte Bad Bonn1, das nun 47 m unter der Wasseroberfläche liegt und nur noch für Erinnerungen sorgt. Bei Granges-Paccot überquert die Autobahn A12 den Stausee. Unterhalb der Autobahn befindet sich die Magdalena-Einsiedelei. Nach einem weiteren Kilometer Fahrt taucht dann von Weitem sichtbar die bekannte Grandfey-Eisenbahnbrücke auf, wohl die schönste Brücke der Schweiz. Erst als ich dann am Abend von Fribourg mit dem Zug Richtung Olten fuhr wurde mir das erste Mal bewusst, über welch technisches Kunstbauwerk man da fährt. Und natürlich auch über den Schiffenensee.
1884 die Maschine, 1909 das Schiff, seit 1984 Dampf, 2015 der Kessel: der Schraubendampfer Sirius verbirgt Schifffahrtsgeschichte und viele Geschichten.
Thomas und Mimi Schmid (rechts) sowie Ralph und Isabelle Sahli (als Heizer) begrüssen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Schiffs-Agentur-Exkursion.
Kontrapunkt: «D’Grandfey» bei der Anlegestelle Camping/Staumauer Schiffenen
Thomas Aebischer weiss über seinen See und sein Schiff bestens Bescheid und gibt interessante Streckenerklärungen ab; Im Hintergrund das Schloss Barberêche.
Unterhalb der Autobahnbrücke präsentiert sich am Schiffenensee eine weitere Sehenswürdigkeit: die Magdalena-Einsiedelei, im Hintergrund ersichtlich. Eine Teilnehmerin zeigt aus einem Buch, wie die Felsen-Wohnung aussieht.
Die «D’Grandfey» auf der Sarine auf der Höhe des Murtentores in Fribourg
Ein Fotosujet wert: die Kathedrale von Fribourg, vom Schiff aus betrachtet.
Bilder im Textteil: Die zweite Gruppe, die am Morgen von Fribourg her den Schiffenensee befuhr, besteigt am Nachmittag bei brütender Hitze das Dampfschiff Sirius im Hafen von Murten.
So sah die „Sirius“ in den Jahren von 1960 bis 1977 als „Hallwil“ III aus (Hintergrund)
Die Brücke Grandfey einmal von oben und einmal vom Schiff aus betrachtet
Die erste «Topographische Karte des Kantons Freiburg» aus dem Jahr 1850, die sog. Stryienski-Karte, zeigt den ursprünglichen Lauf der Sarine/Saane.
Geografische Übersicht der jüngsten Kursschifffahrt der Schweiz.
Durch Klick aufs Bild erscheint dieses im Grossformat.
Hinweise
1) Bis ins 19. Jahrhundert erlebte das Bad Bonn eine Blütezeit. Hunderte von Heilungen wurden festgestellt und nachgewiesen. Zum Bad gehörten noch ein Mitteltrakt mit Saal, ein Wirtshaus und eine kleine Kapelle. Insgesamt wurden 427 Hektar Land unter dem Schiffenensee begraben.
2) Die Magdalena-Einsiedelei besteht aus auf einer Länge von 120 in die Felsen eingegrabenen Räumen. Bereits 1448 wird eine Einsiedlerwohnung erwähnt. Ab 1609 ist der «Waldbruder zu Sankt Marien Magdalenen» aktenkundig. Zur Gestaltung haben jedoch vor allem die Einsiedler Johann Dupré und sein Gehilfe Johann Liecht in den Jahren zwischen 1680 und 1708 beigetragen. Um heute die Räume vor einem Einsturz zu bewahren und für die Öffentlichkeit zu erhalten, wurden im Auftrag der Pfarrei Düdingen in den Jahren 2005/06 umfangreiche Sanierungsarbeiten durchgeführt. Die Einsiedelei beherbergt auch ein besonderes geologisches Phänomen: Der wellenartig geformte Sandsteinboden zeugt von fossilen Sanddünen, die in einem tertiären Meer entstanden sind. Demnach bewegen sich die Besucher auf Sandsteindünen, die vom Vorhandensein eines Meeres in Freiburg vor ungefähr 20 Millionen Jahren zeugen.
3) Der schmale fjordähnliche Schiffenensee (532 m ü. M.) ist einer der jüngsten Stauseen der Schweiz. Im September 1963 wurde begonnen, die Saane in der Gemeinde Düdingen aufzustauen. Die 47 Meter hohe Mauer staut seither die Saane auf einer Länge von 13 Kilometern. Der See ist 4,25 Quadratkilometer gross und bis zu 38 Meter tief. Die Ufer sind nur an wenigen Stellen mit einem Stichweg zugänglich, Uferwege gibt es gar nicht. Somit haben wir vom Schiff aus grösstenteils einen seltenen, urtümlichen Blick auf die abwechslungsreiche Uferlandschaft.
Weiter im Text
Zum Bau der Staumauer (Link)
Impressum
Text H. Amstad
Bilder 1 und 1 im Textteil E. Mischler, Bild 3 im Textteil und Karte Tourismus Fribourg, übrige Bilder H. Amstad
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