Reisebericht: Mit MS Murten auf Eisfahrt zum Raddampfer Fribourg.
Solches Winterwetter waren wir uns nicht mehr gewohnt: seit 14 Tagen stiegen die Temperaturen im Mittelland nicht über den Gefrierpunkt hinaus, der Nebel hielt den Kaltluftsee stabil. Dies war kein Hinderungsgrund für die Teilnehmenden der Schiffs-Agentur-Reise, die Fahrt von Murten über den zum Teil bereits zugefrorenen Broyekanal nach Portalban zu geniessen. Nomen est omen: Peter Gast war als Fahrgast dabei und übermittelte für uns folgende Impressionen: „An diesem nebligen Wintertag trafen sich 27 reiselustige Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Bahnhof in Murten: für die meisten wurde damit die Schifffahrtssaison 2017 eingeläutet. Im Hafen wartete das MS Murten schön vorgeheizt auf uns. Etliche Fans wollten noch ihre Bilder von diesem und von den anderen Schiffen im Hafen* machen, bevor auch wir uns in den Salon an die Wärme zurückzogen. Die Fahrt führte in Richtung Sugiez, wo wir in den Broyekanal einfuhren.“
Obschon der Neuenburgersee, der flächenmässig grösste See, der ganz in der Schweiz liegt, wie ein Meer wirkte und das Ufer hinter den angelaufenen Fenster von MS Murten verschwand, lockte zumindest die Fahrt durch den Kanal umso mehr Teilnehmende aufs Freideck, um dem mystischen Geschehen beizuwohnen. Links und rechts brachen die Bugwellen die zugefrorenen Uferpartien des Kanals auf, akustisch begleitet mit einem unüberhörbaren Swington. Gegen den Neuenburgersee hin wirkte die „Murten“ für eine kurze Distanz gar als Eisbrecher. Auf der Rückfahrt nahm die Eisbildung zu. Peter Gast: „Nach der Durchfahrt vom Broyekanal stachen wir in den Neuenburgersee: unser Ziel war Portalban. So hatten wir den Mont Vully, den wir wegen dem Nebel nur mit gutem Vorstellungsvermögen ‚sahen’, umfahren. Während der Fahrt konnten wir einen Apéro geniessen, welcher uns vom Geschäftsleiter Beat Schär persönlich serviert wurde.
DS Fribourg von aussen in Portalban.
In Portalban war ein ca. 10-minütiger Fussmarsch angesagt. Wir gingen alle in Richtung Dorf, wo wir im Restaurant „Le Bateau“ zum gemeinsamen Mittagessen angemeldet waren. Das „Le Bateau“ ist der ehemalige Raddampfer Fribourg vom Neuenburgersee. Dieses Dampfschiff wurde 1966 ausser Dienst gestellt und anschliessend auf der Strasse ins Dorf an den heutigen Ort geholt. Im Schiff gibt es eine Ausstellung, welche die Geschichte der ‚Fribourg’ erzählt.
So eine Winterfahrt mit dem Schiff ist immer wieder eine ganz spezielle Angelegenheit. Die Landschaft und auch das Wasser haben so eine mystische Art an sich. Man kann sich in den Gedanken verlieren. Auf der Rückfahrt wurde uns ein „Niedlekuchen“ zum Dessert serviert. Als wir in Murten eintrafen war es schon fast 17 Uhr. So ging eine ganz schöne und gemütliche Schifffahrt zu Ende.“
MS Murten ist ein geschichtsträchtiges Schiff. Zwischen 1925 und 1945 kam es als „Hindenburg“ in Schwerin in Betrieb, wobei es wegen dem 2. Weltkrieg die letzten fünf Jahre ausser Betrieb war. 1946 bis 1949 hiess es dann „Schwerin“, 1950 bis 1989 dann war es unter dem Namen „Sowjetfreundschaft“ unterwegs. Die Namensgebung war ein politischer Schachzug der Eigner, damit sie ihr Schiff behalten konnten. Nach der Wende kam die erneute Umtaufe zu „Mecklenburg“. Ab 2005 wurde das Schiff noch wenig eingesetzt, bis es 2012 erstmals nach 87 Jahren (!) das Gewässer wechselte. In den folgenden drei Jahren fuhr es als „Liselotte von der Pfalz“ in Heidelberg im Kurs-Fährbetrieb auf dem Neckar. Seit 2016 ist das Schwerin-Schiff nun in der Schweiz gelandet: als „Murten“ in Murten stationiert und auf den Juraseen unterwegs erfreut es sich eines weiteren „Lebensabschnitts“.
Wie Beat Schär, Inhaber der Olagomio AG** zu diesem Schiff kam, erzählt er gleich selber: „Seit 2003 betrieben wir das MS Albatros. Dieses übernahmen wir mit dem Kauf des Schifffahrtsbetriebes von Max Stadler (Werft Max Stadler AG in Muntelier, heute Marine Solutions AG). Im Jahr 2007 kam dann das DS Sirius dazu. Die ‚Albatros’ war ein sehr zuverlässiges und zweckmässiges Schiff. Es gefiel uns und dem Verwaltungsrat Olagomio aber nie richtig, denn wir bevorzugen traditionelle, klassische Schiffe und sind gar nicht Fans der heute vielfach verkehrenden ‹Kisten› ohne nautischem Flair.“
So suchte Schär während vielen Jahren vor allem in Holland und Deutschland nach einem geeigneten Schiff. Ursprünglich wollte er die „J. J. Rousseau“***, die bereits früher auf diesen Jura-Gewässern schon mal fuhr, erwerben. Doch es kam nicht zum Deal. Beat Schär: „Im 2014 stiess ich zufälligerweise im Web auf das FGS Liselotte von der Pfalz. Ich nahm mit dem Eigner Karl Hofstätter Kontakt auf und vereinbarte einen Besuch, obschon Herr Hofstätter keine Verkaufsabsichten hegte. Im Frühherbst 14 – anlässich einer Rückreise von der Nordsee – machten meine Frau und ich einen Zwischenhalt in Heidelberg. Dort zeigte ich ihr die ‚Liselotte’ und wir fuhren lange mit ihr herum – als normale Passagiere, inkognito sozusagen. Meine Frau sagte: ‚Dies und kein anderes!’ Am nächsten Tag besuchten wir Karl Hofstätter und konnten ihn schliesslich (aber nicht schon beim ersten Besuch) zum Verkauf bewegen, nachdem ich ihm ein Ersatzschiff vom Hallstättersee vermitteln konnte. Einer der Vorteile der ‚Liselotte’ war, dass sie die EU-Zulassung besass, welche quasi heute die Voraussetzung für die Zulassung in der Schweiz ist … Es war zeitweise spannend wie in einem Krimi.“
92-jährig und noch munter unterwegs: MS Murten der Gesellschaft olagomio.
Gemütliches Beisammensein im Salon der „Murten“.
Wer sich nach draussen wagte brauchte gute Kleider: die Kälte hatte die Schweiz im Griff.
Auch für Steuermann Ueli Siegenthaler eine neue Erfahrung: eine Eisfahrt durch den Broyekanal.
In einem Film ist der Transport der „Fribourg“ dokumentiert; auf dem Bild wird gerade der Radkasten abmontiert, da sonst der Dampfer von der Breite her nicht auf den Dorfplatz von Portalban gekommen wäre.
Schifffahrtsexperte Sébastien Jacobi unterhält die Reisegruppe mit interessanten Erklärungen, während der Wirt René Keusen sich ab dem interessierten Publikum wundert.
Am Ziel seiner nautischen Träume angelangt: ein richtiger Oldtimer ist das Eigen von Beat Schär.
Das Bild zeigt die heutige «Murten» als «Sowjetfreundschaft» in Schwerin.
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Hinweise
*) Wegen des Murten-Licht Festivals war der Hafen mit Passagierschiffen gut belegt: MS Rousseau der BSG lag im Becken wie auch die Einheiten Romandie I und Romandie II der Drei-Seen-Schifffahrt Vully. Impressionen vom Licht-Festival siehe Link.
**) Olagomio AG, Schifffahrt – Navigation, Ryf 91, CH-3280 Murten, 0041 26 670 03 03, www.olagomio.ch, boating@olagomio.ch
***) Die „J.J. Rousseau» befindet sich wieder in der Schweiz. Die Eigner suchen nun einen Investor, der die bereits vorhandenen Pläne umsetzen kann. Wenn dies nicht gelingt werden die Eigner das historisch wertvolle Schiff abwracken.
Quellen
Bilder 1 und 2 P. Gast,
Redaktion und übrige Bilder H. Amstad,
Bild 8 B. Schwarz.
Technische Angaben MS Murten:
Baujahr 1925, Schiffswerft Georg Schuldt, Stralsund (Ostsee), Rumpf aus Stahl. L ü.a. 21.3 m, B ü.a. 4.4 m, T 1.10 – 1.35 m, Verdrängung 34.0 t, Antrieb 1 x Deutz BF6 M 1013 MC Diesel, 130 kW (2012), Bugstrahler hydraulisch, v 13 – 15 km/h, Verbrauch ca. 7 l/h. Salon 40 Sitzplätze, gedecktes Heck 15 Sitzplätze, offenes Vordeck 30 Sitzplätze, Zulassung 60 P. Einsatz als Charterschiff auf Murtensee, Broyekanal, Neuenburgersee, Zihlkanal, Bielersee. Liegeplatz im Schiffshafen Murten (Quai 6).
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Neckar, Heidelberg Link, DS Fribourg Link
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