Die Kom­bi­na­tion Sils­er­see im Enga­din, Lago di Pos­chiavo im Puschlav und Reschen­see im Vinsch­gau auf einer Drei­ta­ges­reise zu erle­ben begeis­terte viele Teil­neh­mende der aus­ge­schrie­be­nen Reise der Schiffs-Agen­tur. Es ging hoch hin­auf, an die­sen drei Tagen. So erleb­ten wir die höchst gele­gene Post­au­to­sta­tion auf 2757 m über Meer. Die durch­schnitt­li­che Höhen­lage der drei besuch­ten Alpen­seen beträgt 1420 Meter über Meer; auf jedem stand eine Extrafahrt mit einem Schiff auf dem Pro­gramm und dazwi­schen kamen diverse andere Ver­kehrs­mit­tel zum Ein­satz. Rei­se­teil­neh­mer Jakob Pfiff­ner war vom viel­sei­ti­gen Rei­se­pro­gramm in der sehr schö­nen Land­schaft begeis­tert: „Beson­ders gut gefal­len hat mir die Abwechs­lung von Fahr­ten mit Bahn, Schiff, Kut­sche sowie Bus und Post­auto. Dass die ganze Reise mit öffent­li­chen Ver­kehrs­mit­teln durch­ge­führt wurde, finde ich sinn­voll und inter­es­sant. Mir gefiel auch die Mög­lich­keit, am Lago di Pos­chiavo und Reschen­see zu wandern.”

Gros­ser Bahn­hof in Plaun da Lei am Sils­er­see: Senior­ka­pi­tän Franco Giani, sein Nach­fol­ger Igor Bigiolli, beide aus Comer Schif­fer­fa­mi­lien stam­mend sowie David Huber, ehe­ma­li­ger „Gallia“-Kassier der SGV und heute nebst Leh­rer auch Gäs­te­be­ra­ter von Sils-Tou­ris­mus begrüs­sen uns an Bord des Motor­boo­tes Segl-Maria. Auf der Fahrt in alle Buch­ten des Sils­er­sees begrei­fen Wel­ten­bumm­ler unter uns, was der Phi­lo­so­phe Fried­rich Niet­sche zur Land­schaft gemeint hat mit: „hier, wo Ita­lien und Finn­land zum Bunde zusam­men­ge­kom­men sind“. David Huber: „Die Unter­schutz­stel­lung der ein­zig­ar­ti­gen Ober­enga­di­ner Seen­land­schaft ver­dan­ken wir einer Schog­gi­ta­ler-Aktion vor 70 Jah­ren. Der Bund schmolz aus dem Not­vor­rat Scho­ko­lade ein, um dann Taler mit die­ser süs­sen Fül­lung zu ver­kau­fen. Der Erlös reichte, die ganze Land­schaft zu kau­fen und vor den Spe­ku­lan­ten zu ret­ten. Und: der bis heute beliebte Schog­gi­ta­ler war erfun­den und jedes Jahr sam­meln 30 000 Schul­kin­der Geld für nach­hal­tige Pro­jekte von Pro Natura und dem Schwei­zer Hei­mat­schutz.“ Auch andere Anketo­den weiss er zu erzäh­len: „In der Geschichte der Enga­di­ner Schiff­fahrt, die 1896 begann, baute man auch einen Kanal vom Sils­er­see bis zum Hotel Maloja Palace. Auf beson­de­ren Wunsch eines Gas­tes wurde gar ein Spei­se­saal geflu­tet, damit er mit dem Schiff ins Hotel fah­ren konnte.“

Das Hotel Maloja Palace wurde 1884 an einer Bucht des Sils­er­sees erbaut und war damals mit 300 Zim­mer und 450 Bet­ten sowie 20 Ess- und Ball­sä­len das grösste und modernste der Welt.

In Sils hol­ten uns drei Kut­schen ab mit Ziel „Mit­tag­essen im Fex­tal“. Zurück in Pont­resina über­raschte uns ein Rei­se­teil­neh­mer mit einem spe­zi­el­len Fahr­ver­gnü­gen: er spen­dierte den zwei­ach­si­gen Per­so­nen­wa­gen C114, einem reno­vier­ten Dritt­klass aus dem Jahr 1910, für die Fahrt der RhB über die land­schaft­lich präch­tige Ber­nin­al­inie. Als Schluss­wa­gen ange­hängt war nebst dem Apéro der Auf­ent­halt auf der offe­nen Platt­form beson­ders reizvoll.

Nach einem fei­nen Drei­gän­ger im Hotel La Roman­tica in Le Prese und der dor­ti­gen Über­nach­tung begann auf dem Lago di Pos­chiavo ein wei­te­rer inten­si­ver Erleb­nis­tag. Fla­vio und San­dra Lardi zau­ber­ten als char­mante Gast­ge­ber ein beson­de­res Früh­stück auf das Motor­schiff Sas­salbo. Lardi: „Alles, was Sie hier an Bord genies­sen kön­nen, stammt von Grün­dungs­mit­glie­dern des Ver­eis Amici del Lago, die das Schiff erwor­ben haben“. Käse, Fisch, Fleisch und Wurst, Yogurt, Früchte, Brot mit But­ter und Konfi sowie Gebäck­wa­ren stam­men alle aus dem Puschlav oder dem angren­zen­den Velt­lin und alle­samt aus Bio­pro­duk­tion. Fla­vio Lardi: „Pos­chiavo hat die höchste Bio-Pro­duk­tion der Schweiz, nahezu 90 % aller land­wirt­schaft­li­cher Pro­dukte sind bio­zer­ti­fi­ziert.“ In Kom­bi­na­tion mit der per­sön­li­chen Betreu­ung der Wirts­leute, der Qua­li­tät und Aus­wahl sowie der reiz­vol­len Fahrt (drei Mal um See) erkürte ich im Anschluss die­ses Erleb­nis als die beste Früh­stücks­fahrt in mei­nem gan­zen bis­he­ri­gen „Schif­fer­le­ben“.

In sei­nen Aus­füh­run­gen wusste Lardi auch detail­liert über die Geschichte „sei­nes“ Schif­fes Bescheid*: Der Name „Rütli“ ist auf dem Bug als Metall­re­lief immer noch dis­kret zu sehen. Erbaut 1917 durch Escher Wyss für die Spreng­stoff-Fabrik Isle­ten kam das Schiff 1959 zu Ferdi Kauf­mann nach Flüelen, 2009 nach Solo­thurn als „Jur­a­blick“ und nun schwimmt der unver­wüst­li­che Oldi in sei­nem vier­ten Leben seit weni­gen Wochen auf dem Puschla­ver­see. Wobei Fla­vio Lardi mit Nach­druck vom „Lago Le Prese“ spricht und ver­mut­lich auch noch die Lan­des­to­po­gra­fie über­zeu­gen wird, dass eben der See gar nicht im Ort Pos­chiavo liegt son­dern in Le Prese… Lardi hatte vor einem Jahr die, wie seine Frau zu sagen pflegt, „ver­rückte“ Idee, auf dem See einen öffent­li­chen Schiffs­ver­kehr zu lan­cie­ren. Er bekam Unter­stüt­zung von Bruno Bäch­lin und die bei­den mein­ten: „Träume nicht dein Leben, lebe den Traum“. Dass sie zusam­men mit 50 Teil­ha­bern innert so kur­zer Zeit ein Schiff zum Fah­ren brach­ten, grenzt in der büro­kra­tisch-ange­hauch­ten und eher regu­lier­ten Schif­fer­welt nahezu an ein Wun­der. Da muss man auch dem Schiff­fahrts­amt in Chur ein Kränz­chen winden.

Nach einer kur­zen Bahn­fahrt nach Tirano führt uns der Post­au­to­ch­auf­feur Gebi auf einer drei­stün­di­gen Fahrt hin­auf zum Stilfs­er­joch. Rei­se­teil­neh­mer Lukas Rein­ann: „Die Fahrt war ein Erleb­nis, dies in ers­ter Linie dank dem Chauf­feur. Er meis­terte ins­be­son­dere die sehr ver­kehrs­rei­che Stre­cke von Bor­mio zum Stel­vio mit der nöti­gen Ruhe. Auch die Infor­ma­tio­nen zur Stre­cke und zur Region waren wert­voll, aber nicht auf­dring­lich – beste Wer­bung für die Region und für Post­auto Schweiz.“ Allein auf der erwähn­ten Stre­cke waren 40 Haar­na­del­kur­ven zu meis­tern, wo das Post­auto jedes Mal die ganze Stras­sen­flä­che brauchte. Span­nend wurde es auch dann, wenn in ein­spu­ri­gen Tun­nels mit Kurve Motor­rad­fah­rer oder gar Autos ent­ge­gen kamen. Die Berge sind auf der ita­lie­ni­schen Seite schroff und steil. Die Pass­strasse liess der öster­reichischen Kei­ser 1820 erbauen, damit er das Süd­ti­rol mit der damals eben­falls zum öster­rei­chi­schen Reich gehö­rende Lom­bar­dei erschlies­sen und damit ita­lie­ni­sches Gebiet umge­hen konnte.

Der dritte Rei­se­tag begann auf dem Vinsch­gauer Reschen­see. Senior­ka­pi­tän Artur Wink­ler steu­erte das aus Eichen­holz 1931 erbaute und weit­ge­hend im Ori­gi­nal­zu­stand belas­sene Schiff Huber­tus rund um den See. Er stoppte auch mal die Maschine, um uns ein Mär­chen vor­zu­le­sen, das er selbst gedich­tet hat. Beim Zuhö­ren wurde bald klar, dass bloss die Worte etwas fan­ta­sie­voll gewählt waren, der Inhalt aber der bit­te­ren Wahr­heit ent­sprach. Die Geschichte han­delt von der Schaf­fung des gröss­ten künst­li­chen Sees vom Süd­ti­rol (eröff­net 1950), auf des­sen Flu­ten wir nun fah­ren. Unter uns befan­den sich ganze Dör­fer wie Reschen, Graun und Arlund. Der denk­mal­ge­schützte Kirch­turm von Graun schaut noch aus dem Was­ser: er ist Mahn­mal und Tou­ris­ten­at­trak­tion zugleich. Kapi­tän Wink­ler: „Es ist das meist foto­gra­fier­teste Foto­sujet vom gan­zen Vinschgau.“

Auf der anschlies­sen­den Bus­fahrt Rich­tung Zer­nez und im Erst­klass­wa­gen der RhB nach Land­quart wusste dann der eine oder andere Rei­setei­neh­mende zu erzäh­len, dass an der Flu­tung des Reschen­ta­les die Schweiz eine wesent­li­che Rolle spielte. Ursprüng­lich plante die faschis­ti­sche Regie­rung 1939 einen Stau­see und lei­tete die ers­ten Ent­eig­nun­gen ein. Nach Kriegs­ende stockte der Wei­ter­bau zunächst wegen finan­zi­el­ler Schwie­rig­kei­ten. Die Schwei­zer Elek­tri­zi­täts­ge­sell­schaf­ten brauch­ten jedoch drin­gend „Win­ter­strom“, nach­dem das Pro­jekt des Spei­cher­kraft­wer­kes Rhein­wald bei Splü­gen 1946 geschei­tert war. Sie boten der ita­lie­ni­schen Betrei­ber­ge­sell­schaft eine Finan­zie­rung von 30 Mil­lio­nen Fran­ken an gegen Lie­fe­rung von 120 Giga­watt­stun­den elek­tri­scher Ener­gie pro Nied­rig­was­ser­pe­ri­ode für zehn Jahre. Im März 1947 wur­den die Ein­woh­ner über das Aus­mass des Stau­sees mit­tels eines in ita­lie­ni­scher Spra­che abge­fass­ten Aus­han­ges infor­miert. Alle Pro­teste waren zu spät, die Eröff­nung erfolgte unter Poli­zei­schutz. 70 % der Bevöl­ke­rung sind aus­ge­wan­dert, 163 Gebäude wur­den gesprengt, 514 ha Kul­tur­flä­che wur­den geflutet.

Ein­stei­gen bitte – MS Segl Maria betreibt auf dem Sils­er­see die höchst gele­gene Kursschiff­fahrt Euro­pas (1797 m ü M).

Idyl­li­sche Kut­schen­fahrt ins Fextal.

Im 116-jäh­ri­gen Eisen­bahn­wa­gen La Bucunada rum­peln wir über die Bernina.

Über das Schiff Sas­salbo, des­sen Name dem 2862 m ü M hohen Haus­berg von Pos­chiavo gewid­met ist, wird es wert sein, einen beson­de­ren Blog-Bei­trag zu ver­fas­sen. Das Schiff ist zwar bald 100-jäh­rig, doch auf dem Lago di Pos­chiavo ver­kehrt es erst seit dem 1. Juni 2016 und ist somit die jüngste Kursschiff­fahrt der Schweiz.

Blick ins Steu­er­haus mit dem Schiffs­füh­rer Adriano Betti, dem Initi­an­ten Fla­vio Lardi und Peter Stau­fer, der die Mann­schaft aus­ge­bil­det hat.

Grup­pen­bild mit Schiff Huber­tus auf dem Reschen­see und dem berühm­ten Kirch­turm von Graun.

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Quel­len

*) Quel­len: Hans­ja­kob Burk­hardt, Meg­gen. **) Die „Huber­tus“ fuhr von 1931 bis 1999 auf dem Tegern­see, wo es auch erbaut wurde (siehe Schiff­pe­dia Kapi­tel Bayern/​Tegernsee der Schiffs-Agen­tur). Aus Anlass der Aus­stel­lung „Inter­re­gio 2000“ kam die Idee auf, eine Aus­flugs­schiff­fahrt auf dem Reschen­see zu betrei­ben, Eig­ne­rin des Schif­fes ist die Gemeinde Graun.

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