Rei­se­be­richt: Von vene­zia­ni­schem Flair Prags bis zur Pfer­debahn Budweis – Gmunden (2).

Erst seit wenigen Jahren ermög­licht die Gesell­schaft Prague Venice Boat jenen Tou­risten, die wenig Zeit haben, einen Blick auf die Karls­brücke aus der Mol­dau­per­spektive. Am heu­tigen, vierten Rei­setag unserer nau­ti­schen Ent­deckungsreise durch Süd­tsche­chien haben wir am Morgen eben­falls wenig Zeit; dieses Angebot ist ein Ersatz für die aus­ge­fallene Mor­gen­fahrt von gestern. Spannend ist der Start der Schiff­fahrt: Die Fahr­gäste steigen vom Kopf der Karls­brücke hin­unter zum unter­ir­di­schen Dock unter dem Bogen der Karls­brücke und der ehe­ma­ligen Judith-Brücke. Gleich nach der Aus­fahrt gleitet unser Schiff Pušk­vorec wenige Meter neben dem ehe­ma­ligen BPG-Schiff Stras­bourg vorbei, das heute Nepomuk heisst1. Nach den Unter­que­rungen der Karls­brücke geht’s hinein in den Čer­tovka-Kanal, der früher für das Antreiben von Mühlen eine grosse wirt­schaft­liche Bedeutung hatte. Die vier fast typen­gleichen Schiffe sind his­to­rische Nach­bil­dungen, der älteste Bau ist 15-jährig.

Unter einem Teich ver­stehe ich ein künstlich ange­legtes Gewässer mit Spring­brunnen und geringer Tiefe. Deutsch­spre­chende Tschechen, aber auch Wiki­pedia, reden eben­falls von einem „Teich“, wenn sie dessen schönsten im ganzen Land meinen, dem Máchasee. Fran­tišek Vichta berichtet im Vorfeld, die zwei­stündige Zug­fahrt dorthin lohne sich. Am Nach­mittag ange­kommen liegt der „Teich“ nun vor uns: 278 Hektaren gross (30 ha kleiner als der Lau­er­zersee) mit zwei Inseln und vier veri­tablen Schiffen, eines inter­es­santer als das andere mit einem gesamten Fas­sungs­ver­mögen von 600 Per­sonen. Das Gebiet ist ein Aus­flugs­pa­radies. Heute stehen drei Schiffe im fleis­sigen Einsatz. Wir besteigen in Doksy unser Schiff Jarmila, das früher „Marie“ hiess, mit Baujahr 1924! Michael Bor hat für uns die Geschichte und die Flotte zusam­men­ge­fasst; diese Grund­lagen werden im Herbst Gele­genheit bieten, einen beson­deren Blog darüber zu ver­fassen. Angelegt ist der See im Jahre 1366 worden, wobei der Legende nach der Kaiser Karl IV selbst Hand angelegt habe beim Bauen.

Einer von vielen Höhe­punkten ist am fünften Rei­setag die Fahrt mit dem grossen Old­ti­mer­schiff Malše (Baujahr 1959) durch eine Gegend, wo wir ver­mutlich die erste Schweizer Rei­se­gruppe sind, die das erleben dürfen. Denn die in Budweis star­tende Fluss-Schiff­fahrt mol­dau­ab­wärts ist erst seit dem 4. Mai 2013 über­haupt möglich. Ein Tou­rismus-Impuls­pro­gramm der EU ermög­licht den Bau von meh­reren Schleusen, um damit die Moldau zwi­schen Budweis und Prag, und damit bis zur Mündung der Moldau in die Elbe bei Melnik schiffbar zu machen. Clever bauen die Tschechen diese Schleusen von Budweis aus mol­dau­ab­wärts; somit pro­fi­tiert der Tou­rismus von einer grossen Stadt aus­gehend. Wer weiss schon, wie lange der Geld­hahnen aus Brüssel offen ist? Die Rei­se­teil­neh­merin Barbara Affolter meint zu dieser Fahrt treffend: „Diese fünf­stündige Extrafahrt auf dem obersten schiff­baren Abschnitt der Moldau ist eine gemüt­liche, beru­hi­gende und ent­span­nende Reise durch eine ein­drück­liche Naturlandschaft.“

Am Abend komme ich noch zu einem wei­teren per­sön­lichen „Lecker­bissen“. Weil ich das Couvert mit dem Geld zum Begleichen der Extrafahrt im Hotel ver­gessen habe, muss ich per Taxi im Anschluss an die Fahrt nochmals zurück an Bord der „Malše“. Der Matrose, früher an Bord von Elbe­fracht­schiffen an der Arbeit, hilft in seiner Ren­terzeit bei der Bud­weiser Fahr­gast­schiff­fahrt auf der Moldau aus und erzählt mir, das Schiff Altona befinde sich zur Zeit in Revision und sei auf dem Flugfeld von Budweis abge­stellt. Das wollte ich sehen. Dort ange­kommen traute ich meinen Augen nicht: auf­ge­dockt steht exakt das Schwes­ter­schiff der „Schwan“ da und dies nahezu im Ori­gi­nal­zu­stand. Das heisst: ohne Ver­län­gerung und noch mit dem Achtern-Fahr­gastraum in der Schale abge­senkt wie einst die „Mor­garten“ auf dem Äge­risee 1923. Einmal mehr: Tsche­chien ist immer wieder für eine Über­ra­schung gut.

Am fünften Rei­setag ver­halten wir uns wie richtige Tou­risten: mit Bus geht es quer durch Süd­böhmen, mit einer win­digen Ses­sel­bahn­fahrt auf den schönen Aus­sichtsberg Kleť. Das Besondere dieser Bahn ist, dass sie seit 1961 im Ori­gi­nal­zu­stand fährt. Oben steht der älteste Aus­sichtsturm Tsche­chiens, ein kleines aber feines archi­tek­to­ni­sches Bijou! Dann geht’s ab zur Schiff­fahrt, zu einer Bahn­fahrt und der Abschluss bildet der Besuch der mär­chen­haften Stadt Krummau.

Die letzte der acht Schiff­fahrten unserer Tsche­chien-Reise führt auf den Lipno-Stausee. Das Wasser des Sees gehört – drei mal kann man raten – zur Moldau. Hier ist der typischste Fluss aller Flüsse Tsche­chiens die höchst gelegene Stelle der Moldau, die man (in gestauter Form) befahren kann, also noch weiter „oben“ als Budweis. Dass die im Aus­fluss als „Bach“ wir­kende Moldau einen so rie­sigen, 48,7 km² grossen See füllt, kommt daher, dass es in dieser Gegend oft zu aus­ge­prägten Tief­druck­ge­bieten kommt, die intensive Nie­der­schläge pro­du­zieren. Das Gebiet hier gilt trotz der geringen Höhe von 725 m ü M als aus­ge­sprochen schnee­sicher, was es auch von der Infra­struktur her zum „St. Moritz Tsche­chiens“ machen lässt. Dieses meteo­ro­lo­gisch inter­es­sante Gebiet hat berüch­tigte Aus­wir­kungen auf hor­rende Hoch­was­ser­si­tua­tionen in Prag, der säch­si­schen Schweiz und Dresden, hin­unter bis zur Nordsee. Umge­kehrt lässt eine Tro­cken­pe­riode in diesem Gebiet die weit weg lie­gende Elbe aus­trocknen, zumal die Tschechen mit dem Wasser in den Stauseen wegen der Strom­pro­duktion haus­häl­te­risch umgehen.

Wir besteigen mit MS Adalbert Stifter das „modernste“ unserer besuchten Schiffe dieser Woche, aber auch dieses hat bereits eine inter­es­sante Ver­gan­genheit hinter sich. Es feiert in diesem Jahr den 50. Geburtstag und gehört mit Bau­nummer 25 zu den Pio­nier­schiffen der Lux-Werft2. Das gepflegte Inte­rieur lädt zum Mit­tag­essen und gemüt­lichen Bei­sam­mensein im Bugrondell ein. MS Adalbert Stifter ist zuerst als «Undine» unter der Flagge des Schiffs­be­triebes Botsch in Cochem/​Rhein gefahren. Es ist vom Typ her ver­gleichbar mit der «Bres­tenberg» auf dem Hall­wi­lersee. 1973 kauft sie die Marksburg-Schiff­fahrt Vomfeil in Spay3. Das Schiff heisst nun «Marksburg» und wird später 1981 ver­längert. Die Inhaber der Lipno-Schiff­fahrt der Familie Dorn-Fus­se­n­egger kauft das Schiff 2011. Seit dem 6. Juni 2012 ist dieses Flagg­schiff des Lip­nosees nun in Betrieb.

Das Kraftwek Lipno ist 1959 in Betrieb genommen worden, seine Mauer staut die Moldau zum grössten See Tschechiens4. Seit 1959 fahren Per­so­nen­schiffe, damals war der Betreiber die staat­liche Bus­un­ter­nehmung ČSAD České Budě­jovice. Auf der andern Seite waren einige Kilo­meter Öster­reich, somit verlief der Eiserne Vorhang, der Ost- von West­europa strikte trennte, durch den See. Unser Rei­se­leiter Fran­tisek Vichta dazu: „Man begann mit dem Bau bestimmter Grenz­bar­rieren und der Schliessung des Grenz­raums für die Öffent­lichkeit bereits nach dem 2. Welt­krieg und ins­be­sondere ab 1948. Wirklich unpas­sierbar und strengstens beob­achtet war die Grenze dann ab 1952, nachdem zahl­reiche tsche­cho­slo­wa­kische Bürger über die ‚grüne’ Grenze nach Öster­reich flüch­teten. Auf der nor­malen Grenze waren drei Bar­rieren instal­liert, die mittlere war von 1953 bis 1965 mit Hoch­spannung auf­ge­laden. Dies funk­tio­nierte natürlich auf der Was­ser­fläche nicht. Die Grenzzone war bis 6 km breit, ich erinnere mich, dass sie noch bis 1989 bestand. Ab 1990 waren dann die Grenz­räume wieder bis zur Staats­grenze zugänglich.“

Lipno ist sowohl im Winter wie mit ent­spre­chenden Outdoor-Akti­vi­täten im Sommer ein bedeu­tender Tou­ris­tenort. Deshalb sind die drei Schiffs­kurse sehr gut besucht. Im oberen Seeteil fährt noch ein Hydrobus (unga­ri­scher Bauart) namens «Vltava». Die andern zwei, ehe­ma­ligen Hydro­busse Rozmberk und Lipno sind heute auf der Mol­dau­tal­sperre Orlík im Einsatz. Ein kleiner Spa­ziergang führt uns vom Lipno-Staudamm hin­unter zur zweit­äl­testen elek­tri­schen Bahn Tsche­chiens. Aus einem alten DDR-Wagen heraus sehen wir die Teu­felswand und ahnen hinter Bäumen und Gebü­schen die früher gefürch­teten Strom­schnellen. In Vyssi Brod ange­kommen geht’s per Bus weiter nach Krummau, wo wir die erleb­nis­reiche Woche mit einem gemein­samen Nacht­essen aus­klingen lassen.

Am siebten Rei­setage heisst es Abschied nehmen, auch von der ein­drück­lichen Stadt Budweis (Bude­jovice). Bekannt ist hier das Bier, ebenso ein­drücklich aber der über 100 000 m² grosse, qua­dra­tische Markt­platz, an dessen jeder Seite sich bis zu 14 Barock- und Renais­sance-Häuser mit Lau­ben­gänge reihen. Die České dráhy (tsche­chische Bahn, ČD) bringt uns elegant nach Linz. Inter­essant ist hier das 130 km lange Trassee: es war bereits anfangs des 19. Jahr­hun­derts gebaut und diente der ersten „Eisenbahn“ auf dem euro­päi­schen Kon­tinent. Aller­dings zogen seit 1827 50 Jahre lang Pferde die Wagen auf den Schienen. Von Linz ging diese Pfer­debahn bis Gmunden und diente vor allem dem Salz­transport. Oder wie for­mu­lierte es Barbara Affolter am Schluss der Reise: „Und immer wussten die beiden Rei­se­leiter Fran­tišek und Heinz sowie auch viele der Teil­neh­menden Span­nendes über Schiffe, Land­schaft und Städte zu erzählen.“

Der Start­punkt der Tou­ris­ten­fahrt „Prague Venice Boat“ ist unter der ehe­ma­ligen Judith-Brücke, auf dem Bild eines der fünf typen­gleichen Schiffe Vodouch, Vodouš, Bla­touch, Pušk­vorec und Blatouš, gebaut von „pře­vozník Pražský“ („Prager Fährmann“) Zdenek Bergman.

Gemüt­liche „Teich­rund­fahrt“ auf dem Machasee an Bord der „Jarmila“, im Hin­ter­grund die „Hynek“.

Wenig später begegnen wir der „Maj“, einem 30-Meter­schiff mit einer 250 Personen-Kapazität.

Fach­simpeln unter den tsche­chi­schen Schiff­fahrts­experten: Fran­tisek Vichta und Michael Bor (rechts).

Die „Malše“ ist die ehe­malige „Soli­darita“ der Prager Dampf­schiff­fahrts­ge­sell­schaft PPS und fährt heute ab Budweis mol­dau­ab­wärts bis zum schönen süd­böh­mi­schen Dorf Purkarec.

Auf dem Berg Kleť hat es eine Fern­sicht bis zu den öster­rei­chi­schen Alpen gegeben; auf dem Bild wartet die Gruppe auf den Start tal­wärts: die Ses­selbahn fährt jeweils zur vollen Stunde.

Auf dem Lip­nosee dreht die „Adelbert Stifter“ ihre Runden.

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Hin­weise

1) Das Fahr­gast­schiff Nepomuk liegt seit 2008 unterhalb der Karls­brücke in Prag. Es wurde 1930 in Belgien unter den Namen «Rho­dania» erbaut und war zuerst auf der Rhone im Einsatz (Hei­matort Lyon). Ab 1937 führte es den Namen «Ville de Stras­bourg» und fuhr bis 1980, später nur noch als «Stras­bourg», bei der Basler Per­so­nen­schiff­fahrt. Anschliessend wurde das Schiff in «Nepomuk» umge­tauft und an die Per­so­nen­schiff­fahrt Woditsch in Sasbach am Rhein ver­kauft. Diese wurde 1993 von Manfred Kunze über­nommen. Er ver­kaufte das Schiff etwa 2000 wie­derum nach Düs­seldorf, wo es als sta­tio­näres Restaurant-Schiff diente. Im Juli 2006 wurde es an einen neuen Eigner in Prag ver­kauft. Quelle: Bin​nen​schif​fer​forum​.de.

2) 250 Per­sonen, 33.00 m L, 5.90 m B, 2 x 260 PS lt. Typen­schild der Luxweft an Bord (nach der Verlängerung).

3) Quelle: H. Heil­meier, Donau­rund­schreiben Nr. 30/31.

4) 725 m ü Meer, 42 km Ufer­länge, brei­teste Stelle 5 km, max. Tiefe 21 m, mittlere Tiefe 6,5 m.

Quellen

Text und Bilder H. Amstad.

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