Rei­se­be­richt: Win­ter­fahrt auf dem Hoch­rhein mit impo­san­ter Schleuse als tech­ni­sches Denkmal

Schiffs­lieb­ha­ber wis­sen es bereits: Win­ter­schiff­fahr­ten sind etwas Spe­zi­el­les. Zu aus­ser­ge­wöhn­li­chen Erleb­nis­sen wer­den sie, wenn es eine unbe­kannte Schiff­fahrt zum Ent­de­cken gibt. Kurz vor 12 Uhr besam­mel­ten wir uns beim Bahn­hof Lau­fen­burg, der End­sta­tion der S1 Basel – Lau­fen­burg. Auch mit ver­schie­de­nen Post­au­to­kur­sen ab Frick, Döt­tin­gen oder Brugg erreicht man das Habs­bur­ger Städt­chen, das erst durch Napo­leon 1802 geteilt wurde. Das links­rhei­ni­sche Lau­fen­burg wurde dem neu gegrün­de­ten Kan­ton Aar­gau zuge­ord­net, der nörd­li­che Teil unter­stand fortan dem Gross­her­zog­tum Baden. Obschon beide Orte weni­ger als 10 000 Ein­woh­ner haben, erhiel­ten sie von den Habs­bur­gern das Stadt­recht, da sie sich hier auf bei­den Sei­ten des Hoch­rheins ihre stra­te­gi­sche Stel­lung aufbauten.

Schiffs­füh­re­rin Sil­via Bla­ser weiss als Wir­tin vom Hotel Bahn­hof Lau­fen­burg, was eine gute Gast­ge­be­rin aus­macht: Ein net­ter Apéro erwar­tete unsere Rei­se­gruppe, wäh­rend sie das MS Stadt Lau­fen­burg fluss­auf­wärts steu­erte und inter­es­sante Erklä­run­gen abgab. Das Schiff hatte Voll­last und die 50 kW Leis­tung des Volvo Penta-Motors reich­ten gegen den Strom bloss für ein gutes Wan­der­tempo. Jener Teil der Rei­se­gruppe, der auf dem ers­ten Schiff kei­nen Platz mehr fand, spa­zierte in der Zwi­schen­zeit vom schwei­ze­ri­schen zum deut­schen Städt­chen Lau­fen­burg. Auf der deut­schen Seite dann erfolgte nach eine Stunde der Schiffs­wech­sel. Davor und danach gab es kurze Par­al­lel­fahr­ten für die Foto­gra­fen unter uns mit der sel­te­nen Gele­gen­heit, beide Lau­fen­bur­ger Fahr­gast­schiffe ver­eint foto­gra­fie­ren zu können.

Auf dem MS Löwen von Lau­fen­burg begrüsste uns Kapi­tän Jür­gen Schroff mit sei­ner Vie­rer-Crew nun zur zwei­stün­di­gen Schleu­sen­fahrt rhein­ab­wärts. Die erste halbe Stunde war dann die span­nendste des Tages; zum Glück wurde das reich­hal­tige Vor­speise-Buf­fet erst nach­her eröff­net. Gleich nach dem Able­gen bewun­der­ten wir die gut erhal­tene Sub­stanz der zwei Alt­städte und pas­sier­ten nach der Brü­cke die engste Stelle des gan­zen Hoch­rheins. Bis zum Bau des Kraft­wer­kes Lau­fen­burg 1908 waren hier die impo­san­tes­ten Strom­schnel­len des Hoch­rheins zu bewun­dern (Bild 6). Das Fluss­bett war hier zwi­schen den Fel­sen auf 12 bis 13 Meter Breite eingeengt,was zu einem Brü­cken­schlag gera­dezu auf­for­derte. Der Was­ser­spie­gel schwankte hier im Jahr bis zu 15 Meter.

Die Schiffs-Agen­tur machte es mög­lich, dass im Januar gleich beide Schiffe „auf­ge­dampft“ wurden.

Bil­der 2 und im Text­teil: E. Misch­ler, Bild 6 siehe Quelle, Text und übrige Bil­der H. Amstad

Heute über­fah­ren wir diese Stelle mit unse­rem Schiff pro­blem­los, doch trotz Spren­gung der sog. „Lau­fen“ und der Stau­ung durch das Kraft­werk sind Wir­bel und ein rech­ter Zug deut­lich sicht- und spür­bar. Ich war gerade im Steu­er­haus, als der Schiffs­füh­rer 10 Meter vor der Schleu­sen­ein­fahrt dem Jür­gen Schroff zurief, dass das Schiff manö­vrier­un­fä­hig sei. „Es geht nichts mehr“, mel­det er ihm. Ein Blick in den Maschi­nen­raum zeigte aber nichts Aus­ser­ge­wöhn­li­ches, Motor und Getriebe funk­tio­nier­ten und die Schraube drehte beim Ein­kup­peln. Nach weni­gen Minu­ten war die „Löwen von Lau­fen­burg“ wie­der flott und Jür­gen Schroff infor­mierte uns Fahr­gäste: „Wir sind auf eine Sand­bank gefah­ren. Eine sol­che gab es an die­ser Stelle seit 15 Jah­ren noch nie.“ Beson­dere Strö­mungs­ver­hält­nisse, her­vor­ge­ru­fen durch unge­wöhn­lich viel Über­lauf­was­ser (um die Schwei­zer AKWs Strom pro­du­zie­ren zu las­sen) führ­ten ver­mut­lich zu die­sem bis dicht unter die Was­ser­ober­flä­che gebil­de­ten Sand­hau­fen. Durch Abdre­hen und geschick­tes Manö­vrie­ren konnte das Schiff sich selbst­stän­dig aus sei­ner miss­li­chen Lage befreien. Das Schiff* wurde 1952 in Königswinter/​Rhein als letz­ter Neu­bau der Werft J. Stauf erstellt und fuhr als Fähre Kriem­hild in Königs­win­ter. Es sank 1961 nach einer Hava­rie und kam nach der Hebung als „Roland“ wie­der in Fahrt. Vor dem Ver­kauf nach Lau­fen­burg ver­kehrte es als „Stadt Ander­nach“ bis zum Jahr 2000 bei der Per­so­nen­schiff­fahrt Collée.

Bei Rhein­ki­lo­me­ter 122 brachte uns nun die Schleuse Lau­fen­burg (Länge 30 m, Breite 12 m, Inhalt 3600 Kubik­me­ter) beacht­li­che 10 Meter in die Tiefe. Der Schleu­sungs­vor­gang dau­erte 20 Minu­ten – die Mecha­nik funk­tio­niert in ori­gi­na­lem Zustand wie vor 101 Jah­ren, als die Anlage gebaut wurde. Schroff: „Des­halb geht das so lange“. Wir bestaun­ten die hand­ge­fer­tig­ten Steine der Schleu­sen­wände, tau­sende an der Zahl, einer wie der andere ein hand­werk­li­ches Kunst­werk. Oder das genie­tete Schleu­sen­tor, wel­ches mit sei­nen fünf Metern nur die Hälfte der Aus­fahrt frei gibt und damit die Höhe des Fahr­gast­schif­fes bestimmt. Der Schleu­sen­wär­ter zählt 100 bis 150 Schleu­sun­gen im Jahr. Ein Blick zurück zeigt, dass das Maschi­nen­haus und das Wehr mit vier Öff­nun­gen auf einer Linie ste­hen. Nebst der Schleuse gibt es noch zwei Fisch­trep­pen. Das Maschi­nen­haus und die erste Weh­r­öff­nung ste­hen auf der schwei­ze­ri­schen Seite, wäh­rend der Rest des Weh­res und die Schleuse auf deut­schem Boden lie­gen. „Links ist Europa, rechts das Aus­land“, kom­men­tiert Schroff schmun­zelnd. Das Kraft­werk Lau­fen­burg steht unter Denk­mal­schutz und ist in der Schweiz als Kul­tur­gut von natio­na­ler Bedeu­tung dekla­riert – für uns Teil­neh­men­den der Fahrt ein nach­voll­zieh­ba­res Verdikt.

Mit an Bord war auch Hans-Peter Sche­fer, der wie viele im Anschluss an die Reise auf einen erleb­nis­rei­chen Tag zurück­blickte: „Win­ter­li­cher Rhein – warum nicht? Drei Flie­gen auf einen Schlag: als Stif­tungs­rat und Ver­ant­wort­li­cher für die Öffent­lich­keits­ar­beit bei der Stif­tung zum Betrieb des Dampf­schif­fes Greif konnte ich die Crew der Schiffs-Agen­tur per­sön­lich ken­nen zu ler­nen, das Dampf­schiff Greif einem wei­te­ren Kreis bekannt machen und erst noch geo­gra­fi­sches Neu­land ent­de­cken. Alle drei Ziele wur­den erreicht; es war eine schöne Begeg­nung in einer ange­neh­men und gemüt­li­chen Atmo­sphäre. Ein durch­aus gelun­ge­ner Anlass.“

MS Stadt Lau­fen­burg legt mit Voll­last am Schwei­zer Ufer ab …

… wäh­rend der ers­ten Stunde wird ein Apéro mit ein­hei­mi­schen Reben­saft genossen.

An Bord des zwei­ten Schif­fes Löwen von Lau­fen­burg begrüsst Kapi­tän und Eig­ner Jür­gen Schroff die 30 Gäste der Schiffs-Agentur.

Die „Löwen von Lau­fen­burg“ fährt rhein­ab­wärts der Schleuse Lau­fen­burg ent­ge­gen, am Steuer Jochen Kist­ner (die Schleu­sen­ein­fahrt erkennt man rechts im Bild).

Mit 10 Metern Höhen­un­ter­schied ist sie die höchste Schleuse des Hoch­rheins, ein­drück­lich sicht­bar die von Hand gefer­tig­ten Stein­blö­cke und das genie­tete Schleu­sen­tor aus dem Jahr 1913. Vor der Flu­tung sah die engste Stelle des Hoch­rheins mit Strom­schel­len (= Lau­fen genannt) impo­sant aus.

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Hin­weise

*) Zum Schiff MS Löwen von Lau­fen­burg: Werft J. Stauf Königs­win­ter 1952, Umbau/​Verlängerung Rumpf (4 m) 1986, Auf­bau­ver­län­ge­rung 2000 (bei Col­lée Ober­win­ter), L 23.67 m, B 4.58 m, Tief­gang 0.8 m, 34 t, Mer­ce­des Benz OM 355 (1997) mit 169 kW/​200 PS, 75 Passagiere

Wei­ter im Text

Wei­ter im Text: Quel­len­an­gabe his­to­ri­sches Bild Link, Quelle Geschichte MS Löwen von Lau­fen­burg Link, Schiff­fahrt Lau­fen­burg DE: Link, Schiff­fahrt Lau­fen­burg CH: Link

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