Rei­se­be­richt: Dampfer­fahrten durchs Elbsandstein­gebirge – Sach­sen von der schöns­ten Seite

Die Säch­si­sche Dampf­schiff­fahrt SDS stand ganz im Zen­trum unse­rer Jubi­lä­ums­reise «10 Jahre Schiffs-Agen­tur» in und rund um Dres­den. Obwohl das Pro­gramm etwas über­la­den schien und wir sämt­li­che Mög­lich­kei­ten des (nach dem Defi­zit­jahr 2018 noch übrig übrig­ge­blie­be­nen) SDS-Fahr­pla­nes im Ange­bot hat­ten, war es eine aus­ge­spro­chen gemüt­li­che Mehr­ta­ges­reise. Zum einen lau­tete das Motto: «Die Elbe Dres­dens für Ein­stei­ger», zum andern waren die Teil­neh­men­den durch­aus Pro­fis und Viel­be­su­cher die­ser Gegend, die es aber schätz­ten, in guter Gesell­schaft Schiff­fahr­ten zu erle­ben und «nichts stu­die­ren zu müs­sen», wie es ein Teil­neh­mer ausdrückte.

Einen gelun­ge­nen Start erleb­ten bereits am Ankunfts­abend die 14 Teil­neh­me­rin­nen und Teil­neh­mer mit der Abend­fahrt der «Kur­ort Rathen». Ein kräf­ti­ges Gewit­ter kurz davor ver­scheuchte viele Pas­san­ten, sodass wir die Platz­ver­hält­nisse genos­sen. Ansons­ten wun­der­ten wir uns, dass auch in der Hoch­sai­son der letzte Damp­fer sonst bereits um 16.00 Uhr Dres­den ver­lässt*. Die Sach­sen kür­zen ihre Rad­damp­fer mit «PD» ab, was soviel heisst wie Per­so­nen­damp­fer. PD Kur­ort Rathen ist sel­ten in Dres­den anzu­tref­fen, nor­ma­ler­weise fährt der 123-jäh­rige, in Bla­se­witz erbaute Zwei­de­cker, ab Pirna oder Bad Schandau, zusam­men mit dem PD Pirna (121 Jahre alt). Beide sind, zusam­men mit dem PD Stadt Weh­len Publi­kums­lieb­linge, weil sie nebst dem Bug- und Heck­sa­lon drei offene Decks auf­wei­sen, die im Som­mer begehrt sind. In Lau­be­gast erken­nen wir auf der Fahrt den PD Meis­sen auf der Werft an Land.

Ver­schärfte Abgasvorschriften

Die SDS ersetzt zur­zeit sämt­li­che Die­sel­mo­to­ren der Flotte, so auch alle Gene­ra­to­ren der neun Schau­fel­rad­damp­fer. Alle Schiffe sol­len mög­lichst ähn­li­che Aggre­gate bekom­men, um den Ser­vice zu ver­ein­fa­chen. Man setzt dabei auf den Mari­ne­mo­tor Volvo Penta Typ D5 für die Dampf­schiffe und den Typ D9 (Gene­ra­to­ren) und D13 (Antrieb) für die Motor­schiffe Grä­fin Cosel und August der Starke. Erste Umbau­ten zum Bei­spiel auf PD Dres­den oder PD Stadt Weh­len sind bereits als Pilot­pro­jekte erfolgt und ich konnte erfreut fest­stel­len, dass seit die­ser Aktion der Die­sel­ge­ne­ra­tor an und unter Deck nicht mehr zu hören ist. Da hat die Hand­wer­ker­crew, bestehend haupt­säch­lich aus den Maschi­nis­ten der Damp­fer, gute Arbeit geleistet.

Zusam­men mit dem Schwes­ter­schiff See­land wur­den die bei­den Pio­nier­schiffe in La Neu­veville am 18. Okto­ber 1932 zu Was­ser gelas­sen und ersetz­ten DS Stadt Biel (1911), das nach Mei­nung des Ver­wal­tungs­rats der Dampf­schiff­fahrts­ge­sell­schaft Union (heute BSG) zu klein und unren­ta­bel war. Als Folge der Welt­wirt­schafts­krise und der Sät­ti­gung des Heim­markts wurde der indus­tri­elle Schwei­zer Schiff­bau von Escher Wyss Zürich und Sul­zer Win­ter­thur in der Zwi­schen­kriegs­zeit (1918 bis 1939) weit­ge­hend auf­ge­ge­ben**. In Zürich hoffte man auf den Auf­trag aus Biel, um den ange­schla­ge­nen Schiff­bau zu unter­stüt­zen. Es war dann eine Über­ra­schung, dass der Bau der bei­den Schiffe nach Deutsch­land ver­ge­ben wurde: Die Bodan­werft im baden-würt­tem­ber­gi­schen Kress­bronn erhielt den Zuschlag als Kom­pen­sa­ti­ons­ge­schäft der Bie­ler Uhren­in­dus­trie mit Deutsch­land***. Im Flot­ten­pro­gramm der Bodan­werft waren die bei­den Schiffe in pro­mi­nen­ter Gesell­schaft: ein Jahr zuvor baute die Werft die SBB-Salon­schiffe Thur­gau und Zürich, ein Jahr danach ver­traute die DB ihren Rad­damp­fer Hoh­ent­wiel der Werft für einen Umbau an.

Die SDS wirft nicht frei­wil­lig noch funk­tio­nie­rende Moto­ren weg. Doch die Abgas­norm CCNR 2 vom Bund schreibt (seit 2007) vor, dass bis zum 31.12.2019 alle Dreck­schleu­de­rer keine Fahr­erlaub­nis mehr bekom­men. Zur­zeit geschieht dies auf der «Meis­sen»; sie wird im August wie­der zu Was­ser gelas­sen, bevor dann die «Dies­bar» an die Reihe kommt. Bei die­sem beschei­de­nen Fahr­plan sind in der Hoch­sai­son nur noch 7 der 11 Schiffe not­wen­dig, sodass – vor­be­hält­lich genü­gen­dem Fach­per­so­nal – gut ein Schiff auf der Werft sein kann.

Land­schaft­lich reizvoll

Auf lan­gen Dampfer­fahrten kann man so rich­tig «die Seele bau­meln» las­sen, so gesche­hen an unse­rem zwei­ten Reisetag.

Idea­les Wet­ter und an Bord des 600-Per­so­nen­damp­fers Dres­den gute Platz­ver­hält­nisse bescher­ten uns über sie­ben Stun­den wah­res Damp­fer­glück. Das Flagg­schiff der SDS ist spe­zi­ell für uns auf die sog. «Säch­si­schen Wein­strasse» nach Seuss­litz ein­ge­setzt wor­den. Der Kapi­tän und seine Mann­schaft, aber auch das Per­so­nal der Bor­gas­tro­no­mie, freu­ten sich mit uns. Maschi­nist Enrico meinte: «Das ist wie Ferien. Nor­ma­ler­weise sind wir auf der stren­gen Schlös­ser­tour ein­ge­setzt, wo wir nicht sel­ten mit der Ladung nach Pill­nitz fah­ren. Ein sol­cher Tag wie heute haben wir im Schnitt ein­mal im Jahr auf dem Pro­gramm.» Zusam­men mit dem Schwes­ter­schiff Leip­zig haben nur diese bei­den Damp­fer eine schrä­g­lie­gende Dampf­ma­schine, wäh­rend die übri­gen sie­ben Damp­fer oszil­lie­rende Anla­gen haben. Die «Dres­den» ist mit 68,7 m über 5 Meter län­ger als die «Stadt Luzern», hat aber bloss die Hälfte des Tief­gan­ges (80 cm).

Am drit­ten Rei­se­tag ler­nen wir den PD Pirna (Fahrt von Weh­len nach Bad Schandau) und am Abend den PD Stadt Weh­len ken­nen. Dazwi­schen gibt es Zeit für indi­vi­du­elle Wün­sche. Der Gross­teil der Rei­se­gruppe fährt mit der 1898 erbau­ten Stras­sen­bahn bei gros­ser Hitze ins küh­lere Kir­nitzsch­tal bis zum Lich­ten­hai­ner Was­ser­fall. Jeweils frei­tags und sams­tags bie­tet ein Rad­damp­fer nach sei­ner ordent­li­chen Tour durch die Säch­si­sche Schweiz noch eine Schramm­stein­fahrt an. Die Schramm­steine sind eine lang­ge­streckte, von der Elbe aus über 300 Meter hohe und zer­klüf­tete Fels­gruppe des Elb­sand­stein­ge­bir­ges, die sich von Bad Schandau aus bis an die tsche­chi­sche Grenze aus­dehnt. An Bord des PD Stadt Weh­len weht eine Schwei­zer Bug­flagge, die auf Initia­tive des Maschi­nis­ten Michael Kai­ser via Robert Hor­la­cher (und Wal­ter Jau) zur Elbe kam und uns die Refe­renz erwies. Für die nicht-schwei­ze­ri­schen Gäste an Bord wurde mit der Flagge ins Bewusst­sein geholt, dass wir uns hier in der säch­si­schen Schweiz auf­hal­ten. Die­ser geo­gra­fisch heute eta­blierte Begriff ent­stand im 18. Jahr­hun­dert, als die bei­den Schwei­zer Künst­ler Adrian Zingg und Anton Graff 1766 an die Dresd­ner Kunst­aka­de­mie beru­fen wur­den. Von ihrer neuen Wahl­hei­mat aus sahen sie in die­sem Gebirge die Land­schaft ihrer Hei­mat, näm­lich den Schwei­zer Jura.**

Die 1882 erbaute Weis­se­ritz­tal­bahn von Dres­den Frei­tal bis Dip­pol­dis­walde kam 2008, die Stre­cke von Dip­pol­dis­walde bis zum Kur­ort Kips­dorf am 17. Juni 2017, fast 15 Jahre nach deren Ver­wüs­tung durch ein immenses Hoch­was­ser, wie­der in Betrieb. Wir sind am vier­ten Rei­se­tag mit die­ser dienst­äl­tes­ten, öffent­lich betrie­be­nen Schmal­spur­bahn Deutsch­lands unter­wegs. Am Nach­mit­tag heisst es dann «Lei­nen los» für die Cana­letto­fahrt mit dem Rad­damp­fer Num­mer 5 unse­rer Reise, der «Dies­bar» bei Kaf­fee, Kuchen, Hitze und vie­len Leu­ten auf einer live kom­men­tier­ten Stadtrundfahrt.

Kul­tur geht auch durch den Magen

Der zweit­letzte Rei­se­tag war der Stadt Dres­den und deren Kul­tur gewid­met. Ein nost­al­gi­sches Son­der­t­ram, ein Lowa-Trieb­wa­gen 1538 mit Bau­jahr 1956, holt uns am Sonn­tag früh vor unse­rem Hotel ab und kurvt kreuz und quer durch das wie aus­ge­stor­ben wir­kende Dres­den in Rich­tung Bla­se­witz. Die «Leip­zig» bringt uns dann nach Pill­nitz, des­sen wun­der­ba­res Schloss und die beach­tens­wer­ten Gär­ten wir auf einer Füh­rung näher ken­nen ler­nen. Vor­ge­se­hen war dann eine Son­der­fahrt mit der ältes­ten Fähre der Ver­kehrs­be­triebe Dres­den, der «Erna». Doch lei­der hat uns die DVB die Extrafahrt zwei Tage vor Rei­se­be­ginn ersatz­los gestri­chen mit der Begrün­dung «Per­so­nal­man­gel, der Betrieb im Aus­flugs­ver­kehr wird auf unbe­stimmte Zeit ein­ge­stellt». Als Ersatz diente MS August der Starke, das uns nach Elb­flo­renz, wie Dres­den auch genannt wird, zurück­bringt. Auf einer packen­den Stadt­füh­rung von Jür­gen Mothes erfah­ren wir Hin­ter­gründe zur Geschichte und Stadt­ent­wick­lung der säch­si­schen Hauptstadt.

Den Abschluss des sog. Kul­tur­ta­ges bil­dete ein Besuch des Blauen Wun­ders und der ein­zig­ar­ti­gen Schwe­be­bahn*** Losch­witz, bevor wir uns im Körn­er­gar­ten bei bes­ten Wet­ter-Ver­hält­nis­sen kuli­na­risch ver­wöh­nen lies­sen. Ste­fan Hells­tern, Orga­ni­sa­tor der Reise, ver­stand es, uns täg­lich mit abwech­seln­den Menues in unter­schied­li­chen Loka­li­tä­ten auch kuli­na­risch einen Quer­schnitt durch die säch­si­schen (Ess-) Kul­tur zu zei­gen. Dabei konnte er nicht mehr auf die SDS zurück­grei­fen. Aus­ser auf der kuli­na­ri­schen Abend­fahrt, die am Abend des zwei­ten Rei­se­ta­ges unter dem Motto Spar­geln stand und keine Wün­sche offen liess – ist die Spei­se­karte auf den Kurs­schif­fen nur noch «einen Schat­ten sei­ner selbst», ver­gli­chen mit dem Vorjahr.

Die Rad­damp­fer gehö­ren zur Stadt­sil­hou­ette von Dres­den wie die Frau­en­kir­che oder die Canaletto-Skyline.

Das Flagg­schiff Dres­den auf der Fahrt vom Wein­bau­dorf Seuss­litz nach Diesbar.

Enrico ist Maschi­nist auf der «Dres­den» und erklärt uns pro­fes­sio­nell die Funk­ti­ons­wese sei­ner Zwei­zy­lin­der-Heiss­dampf-Ver­bund­ma­schine mit Ein­spritz­kon­den­sa­tion und Ven­til­steue­rung sowie des 2‑Flamm­rohr-Zylin­der­kes­sels.

Ein sel­te­ner Anblick: die «Stadt Weh­len», nor­ma­ler­weise im Stadt­ge­biet ein­ge­setzt, auf der Schramm­stein­fahrt, an Bord die Rei­se­gruppe der Schiffs-Agentur.

Michael Kai­ser betreut als Maschi­nist die oszy­lie­rende Antriebs­an­lage auf dem heuer 140-jäh­ri­gen und somit ältes­ten Rad­damp­fer Deutsch­lands; Kai­ser ist aus­ser­dem dem Fach­pu­bli­kum ein Begriff als Mit­glied des HES (His­to­ri­ker­kreis Elbe-Schif­fahrt Dresden).

Immer wie­der ein Erleb­nis: eine Fahrt durch die Säch­si­sche Schweiz, hier mit PD Stadt Weh­len in Bad Schandau.

Froh­ge­laun­tes Rei­se­team vor dem Extrat­ram am 16. Juni 2019.

Bild 4 R. Hor­la­cher, Text und übrige Bil­der H. Amstad.

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Hin­weise

*) Ein Ver­gleich zu Luzern ist ange­bracht, da beide Städte tou­ris­ti­sche Magnete mit ver­gleich­ba­ren tou­ris­ti­schen Schön­hei­ten und Logier­näch­ten sind: Dres­den hatte 2018 4,6 Mil­lio­nen Über­nach­tun­gen, Luzern zählte 2,2 Mil­lio­nen Logier­nächte. In Dres­den gibt es nach 16.00 Uhr nur an eini­gen Tagen in der Woche eine ein­zige Schiffs­ab­fahrt; ent­spre­chend ist die­ses Ange­bot oft früh aus­ge­bucht. In Luzern gibt es zur glei­chen Zeit 17 Schiffs­ab­fahr­ten. Da fragt sich der Kunde, wel­che markt­wirt­schaft­li­chen Über­le­gun­gen hin­ter sol­chen Reduk­ti­ons­mass­nah­men der SDS liegen.

**) Quelle: Link

***) Tech­nisch kor­rekt bezeich­net han­delt es sich um eine Ein­schie­nen­hän­ge­bahn. Sie ist 274 Meter lang und über­win­det einen Höhen­un­ter­schied von 84 Metern. Sie wurde am 6. Mai 1901 eröff­net und 2007 zur Aus­zeich­nung als His­to­ri­sches Wahr­zei­chen der Inge­nieur­bau­kunst in Deutsch­land erkürt.