Spa­ni­sches Fluss­kreuz­fahrt­schiff La Belle de Cadix: ich bin auch ein Meerschiff

Start und End­punkt der hier­zu­lande unbe­kannten Schiff­fahrt ist die his­to­rische und kul­tu­relle Welt­stadt Sevilla am Canal de Alfonso VIII resp. am Rio Gua­d­al­quivir gelegen. Das einzige in Spanien fah­rende Fluss­kreuz­fahr­ten­schiff, La Belle de Cadix, befährt während einer Woche vier Flüsse in Anda­lusien und stösst an ein­zelnen Wochen im Jahr bis zum por­tu­gie­si­schen Alcoutim am Rio Gua­diana vor (siehe Karte). Das Ver­bin­dungs­ge­wässer ist nichts Gerin­geres als der weite Atlantik und so wird die «La Belle de Cadix» zwi­schen­zeitlich zum Meerschiff.

Davon liest man weder im Schweizer Pro­spekt von Croi­si­Europe mit Sitz in Lau­sanne etwas noch in den ori­gi­nalen Aus­schrei­bungen des Strass­burger Unter­nehmens. Das kann daran liegen, dass die Angebote der fran­zö­si­schen Ree­derei auf die fran­ko­phonen Kun­den­wünsche aus­ge­richtet sind. Diese sehen nau­tische Erleb­nisse eher im Hin­ter­grund, für sie sind aus­giebige Aus­flüge und (zeitlich) kuli­na­rische Eska­paden wichtig.

Der spa­nische Kapitän J. Velasco klärt auf: „Sobald die Wellen im Atlantik die 1,5 m Amplitude über­steigen, dürfen wir nicht mehr aufs Meer“. Auf unserer Fahrt kündigt sich in der zweiten Wochen­hälfte ein „ibe­ri­sches Tief­druck­gebiet“ (Zitat Meteo Schweiz vom 10. Sept. 2022) an, sodass schon am Anfang der Reise die Fahrt zum portugiesisch/​spanischen Grenz­fluss Gua­diana abgesagt wird. Der wahre Grund ist, dass der Hafen in Alcoutim wegen eines grossen Festes belegt ist, denn trotz ange­kün­digtem (und auch ein­ge­tre­tenem) Sturm befahren wir bei der Anfahrt von Huelva und anschliessend noch El Puerto de Santa Maria den Atlantik mehrfach. Und tat­sächlich: die Roll­be­we­gungen des rund 100 m langen Fluss­schiffes sind auf dem Meer deutlich spürbar, aber angenehm. Nur das Wasser im Pool wird der­massen in Bewegung gesetzt, dass drei Viertel des Inhaltes über das Son­nendeck ausfliessen…

Im äus­sersten Süd­westen von Spanien unterwegs

Land­schaftlich muss man nicht viel erwarten, doch die jewei­ligen Über­gänge von Fluss zum Meer sind sehr stim­mungsvoll. Die über sechs Stunden dau­ernden „Mee­res­pas­sagen“ sind erholsam und lassen die viel­fäl­tigen und inten­siven Ein­drücke der Land­aus­flüge ver­ar­beiten; je nach Pro­gramm finden die Atlan­tik­fahrten auch nachts statt. Die Höhe­punkte dieser Kreuz­fahrt sind einer­seits die erwähnte Kom­bi­nation von Fahrten auf den Flüssen und dem Atlantik und ander­seits das Anfahren von aus­ser­ge­wöhn­lichen Orten mit langer Tra­dition und Kul­turen, die zum Teil auf die Zeit der Phö­nizier im 7. Jahr­hundert vor Chr. zurückgehen.

Sevilla ist schlicht eine Wucht; das Schiff liegt zentral direkt am monu­men­talen, 100 Hektaren grossen Park Maria Luisa, der unter anderem auch den Plaza de Espana, den grössten Platz von ganz Spanien, beher­bergt. Ob als Jog­gingstrecke (nach einer Stunde hat man noch lange nicht alle Wege ent­deckt), auf einem Mor­gen­spa­ziergang oder bei einem nächt­lichen Besuch: Ein mehr­ma­liger Besuch dieses Parks lohnt sich. Sevilla hat noch weit mehr zu bieten: Hier stehen die welt­grösste Kathe­drale und der his­to­risch wert­vollste Bau, der Alcazar. Modernes lehnt sich an das Zeitlose ver­gan­gener Zeiten an, wie zum Bei­spiel das grösste Holz­bauwerk der Welt, das «Metropole Parasol», das aus 3 500 Kubik­metern fin­ni­schem Holz kon­struiert ist. Von einem auf dem Dach ange­legten mehrere Hundert Meter langen Wan­derweg geniesst man eine atem­be­rau­bende Aussicht.

Die lokale Schiff­fahrt1 bietet stündlich bis 22.00 Uhr Rund­fahrten auf dem Canal de Alfonso VIII an, wobei eine Nacht­fahrt zu emp­fehlen ist. Bezüglich Ästhetik und Komfort der fah­renden „Alp­hütten“ darf man nicht allzu viel erwarten. Man merkt deutlich, dass Spanien eine See­fah­rer­nation ist und eine design­ge­prägte Bin­nen­schiff­fahrt weniger pflegt. Der 13,5 km lange Canal de Afonso VIII wurde erst 1946 gebaut und dabei wurde der ursprüng­liche Lauf des Rio Gua­d­al­quivir nach Westen verlegt. Im Norden ist der Kanal abge­schlossen (das Frisch­wasser gelangt über Röhren in den Kanal), im Süden gibt es eine Schleuse, so dass Meer­schiffe rund 100 km auf dem Rio Gua­d­al­quivir bis nach Sevilla fahren können.

Christoph Kolumbus2 ver­folgt mich auf Schritt und Tritt: Kaum ein Ort in Anda­lusien, der dem ita­lie­ni­schen See­fahrer nicht in irgend­einer Form huldigt. Huelva widmet dem Ent­decker ein eigenes Museum, denn von dort aus starte Kolumbus 1492 seine erste Ent­de­ckungs­fahrt nach Amerika. Das 1992 eröffnete Frei­licht­museum ist sehenswert. Die drei Repliken La Pinta, La Niña und La Santa María laden zum Besuch ein und lassen erahnen, welch unglaub­liche Leistung das war, mit solchen „Nuss­schalen“ über die Welt­meere zu segeln. Kein Wunder, sind diese See­leute nicht gesund alt geworden sind. In El Puerto de Santa Maria bereitete sich Kolumbus im Cas­tello de San Marcos auf seine zweite Expe­dition nach Amerika vor. Nach Cádiz kehrte Kolumbus von seiner dritten Expe­dition als Gefan­gener zurück und wurde dann dort am 20. November 1500 vom spa­ni­schen Königspaar begnadigt. In der Kathe­drale Santa María de la Sede in Sevilla ist er begraben.

Hin­weise zur Reise

Zum Schluss ein paar prak­tische Bemer­kungen3 für all jene, die dieses nau­tische Erlebnis auch buchen möchten. Es gibt keine tou­ris­ti­schen Angebote, die nicht auch Nach­teile oder Irri­tie­rendes auf­weisen. Es kommt wie immer darauf an, welche Schwer­punkte einem wichtig sind. Wer das fran­zö­sische Kuli­narik-Pro­zedere zum Bei­spiel nicht mag (das Abend­essen dauerte mit Aus­nahmen stets bis 22.00 Uhr…), dem seien fol­gende Vari­anten emp­fohlen: Ver­langen Sie am Mittag ein Sandwich und Früchte aufs Son­nendeck. Solche Wünsche werden ohne Wenn und Aber erfüllt. Melden Sie sich ab und zu vom Diner am Abend ab und machen Sie statt­dessen einen Abend­spa­ziergang durch den Ort. Dazu kommt, dass sich der „Salle à manger“ im Unterdeck befindet und nur Bull­augen einige Blicke nach aussen ermög­lichen. Wer aber das fran­zö­sische Savoir-Vivre dieser Essens­kultur mag, der wird sich im „7. Himmel“ fühlen, wobei die Qua­lität durchaus ver­gleichbar ist mit den Ange­boten anderer Ree­de­reien, also weder besser noch schlechter ist.

Eine andere Ein­schränkung betrifft das „Kilo­meter-Bolzen“, wie es die Viel­fahrer nennen. In den sieben Tagen betrug die Gesamt­länge unserer Fahrt 428 km, ver­teilt auf drei Fahrtage mit ins­gesamt 27 Fahr­stunden. Mit Por­tugal wären es etwas mehr Fahr­stunden, ver­teilt auf vier Fahrtage. Das ist eher typisch für die Ree­derei Croi­si­Europe: Ich habe dies auch auf der Loire und auf der Moldau so erlebt. Im Nach­hinein betrachtet sind die relativ beschei­denen Stre­cken­ki­lo­meter kein Nachteil; dank der län­geren Auf­ent­halts­dauer in Sevilla hat man Zeit und Musse, die äus­serst inter­es­sante Stadt aus­giebig zu geniessen. Ausser man geht auf jeden Ausflug mit. Córdoba und Granada sind zum Bei­spiel Ganz­ta­ges­aus­flüge. Wer das mag, nimmt bis zu sechs Stunden Bus-Transfer gerne in Kauf, wer dies weniger schätzt, hat ent­spre­chend mehr Zeit vor Ort zur Verfügung.

Das Schiff ist trotz Baujahr 2005 „im Schuss“ und bietet mit einem Bug- und Heck-Aus­sendeck sowie einem durch­ge­henden Son­nendeck (ohne Ein­schränkung von Steu­erhaus und Mann­schafts­abteil) genügend Aus­sen­plätze, auch bei einer Voll­be­setzung von 176 Pas­sa­gieren (wir waren 136 an Bord). Die Kabinen sind im seriösen „Old-Stile“ gemütlich und prak­tisch ein­ge­richtet. In den Nass­zellen muss man sich mit einem am Körper kle­bendem Plas­tik­vorhang zurecht­finden. Der Pool wird auf diesem Brei­tengrad (immerhin auf gleicher Höhe wie Tunis, Süd­si­zilien oder Athen) geschätzt und das kos­tenlose Mine­ral­wasser4 sorgt für einen gesunden Was­ser­haushalt. Selbst am 10. Sep­tember klet­terte das Ther­mo­meter auf 37 Grad. Die Kli­ma­anlage in den Kabinen funk­tio­niert gut und ist indi­vi­duell ein­stellbar. Bord­sprache ist spa­nisch, fran­zö­sisch und englisch.

MS La Belle de Cadix passt archi­tek­to­nisch gut in die anda­lu­sische Land­schaft und zur Archi­tektur-Sprache der Gegend.

Das Inte­rieur ist ein Mix aus tra­di­tio­nellem Mas­sivholz-Stil (wie hier mit­tel­schiffs beim Treppenhaus) …

… und einem Retro-Look (wie hier im Ein­gangs­be­reich des Salons, wo gerade im Old-Style das Anziehen von Ret­tungs­westen demons­triert wird).

Auf dem Fluss Gua­d­al­quivir begegnen sich Meer- und Fluss­kreuz­fahrt­schiffe, denn Sevilla ist trotz 100 km Ent­fernung zum Atlantik eine Hafenstadt.

Die Über­gänge von Fluss zum Meer sind sanft und fas­zi­nierend, nicht nur beim Sonnenuntergang.

Es wird schnell dunkel, da auf diesem Brei­tengrad die Sonne steil ins Meer absinkt, während im Salon noch «Highlife» herrscht; das fran­zö­sische Publikum liebt den Tanz und die Abendunterhaltung.

Dieser Schnapp­schuss beim Rückflug in die Schweiz zeigt den Canal de Alfonso VIII auf seinem nörd­lichen Teil. Beim Flügel sieht man bei der letzten Brücke das «Stumpen-Ende» des Kanals, während direkt dahinter der heutige Flusslauf des Rio Gua­d­al­quivir ver­läuft (bei der Eisen­bahn­brücke sichtbar). In der Mitte: die Brücke des Star­ar­chi­tekten Santiago Calatrava und links davon die Bar­qutea-Brücke (beide aus dem Jahr 1989 auf Hin­blick auf die Welt­aus­stellung Expo 1992).

Anda­lusien als Was­ser­schloss? Trotz über 200 Son­nen­tagen im Jahr darf man nicht ver­gessen, dass atlan­tische Stö­rungen immer auch Wasser ins Land bringen und Anda­lusien mit der Sierra Nevada (3 480 m ü. M.) ver­mehrt Kon­den­sa­ti­ons­nie­der­schlag hat. Diese unge­wöhn­liche Karte zeigt das Konzept der Ree­derei, mit dem Schiff via Fluss­läufe zu den Sehens­wür­dig­keiten vorzustossen.

Bilder im Textteil: 1) Auch moderne Archi­tektur hat im 2 500 Jahre alten Sevilla Platz: Das Metropol Parasol ist der grösste Holzbau der Welt. 2) Der Plaza de Espana liegt im Parque de Maria Luisa und ist nebst der Kathe­drale und Real Alcazar eine bemer­kens­werte Sehens­wür­digkeit. 3) Die ele­gante Schiffsform der „La Belle de Cadix“ kommt auch in der leichten Heck­an­sicht schön zur Geltung, hier am Qui von El Puerto de Santa Maria. 4) Geruhsame Fluss­fahrt auf dem Rio Gua­d­al­quivir. 5) Die auf­merk­samen Bar­keeper sorgten für gute Stimmung und einen exzel­lenten Service.

Durch Klick aufs Bild erscheint dieses im Grossformat.

Am Schluss des Blogs ist Ihr Kom­mentar willkommen.

Hin­weise

1) Namen aller Schiffe der Gesell­schaft Cro­ceros Torro del Oro: Luna de la Giralda, Luna de la Mac­arena, Luna del Gua­d­al­quivir, La Perla del Gua­d­al­quivir, Villa de Cangas, Torro del Oro

2) Der in Genua geborene und später für Spanien fah­rende Ent­decker und Segler Christoph Kolumbus erscheint in den his­to­ri­schen Berichten unter ver­schie­denen Namen: Cris­toforo Colombo, Cris­tóbal Colón, Cris­tóvão Colombo oder Chris­to­phorus Columbus. Details zu seiner Geschichte siehe Link «Weiter im Text»

3) Dieser Bericht ist keine Public-Reportage; der Autor schreibt unab­hängig von wirt­schaft­lichen Interessen.

4) Croi­si­Europe ver­folgt, wie die Viva­Cruise (ein Direkt­ver­käufer der Scylla) die Politik des „All-Inclusive“, was beim Schweizer Publikum in der Regel schlecht ankommt. Im Falle der nicht-alko­ho­li­schen Getränke finde ich das Angebot der freien Getränke, besonders in heissen Ländern, sehr angenehm. Der Besuch im nächsten Super­markt beim Landgang, wo eine grosse PET-Flasche gekauft wird, fällt somit weg. Bei den alko­ho­li­schen Getränken sehe ich das All-inclusive kri­ti­scher. Dies weniger aus gesund­heit­licher Sorge (dafür ist jeder Mensch selbst ver­ant­wortlich), sondern weil das Angebot qua­li­tativ im Schnitt schlechter ist, als wenn die Getränke extra bezahlt werden müssen. Wer beim «All-Inclusive»-Angebot hin­gegen Mar­ken­pro­dukte bevorzugt, greift dann trotzdem zum Portemonnaie.

Quellen

Karte (Bear­beitung H. Amstad) (Link)

Weiter im Text

Zu Kolumbus hier eine gute Zusammenfassung

Die tech­ni­schen Daten des MS La Belle de Cadix: Chantier naval Meuse et Sambre, Namur (BE), L 103,32 m (über alles), B 11.42 m, T 1,80 m, m 780 t (leer), 3 x 440 kW auf Ruder­pro­peller, 210 pax (176 Gäste und 35 Besatzung). Das Schiff kam von Namur via Nij­megen zum Hauptsitz der Croi­si­Europe nach Stras­bourg, wo es am 23. Januar 2005 ein­ge­troffen ist. Im April fuhr der Neubau dann wie­derum aus eigener Kraft über Belgien, Rot­terdam, dem Ärmel­kanal zur Bucht von Biskaya. Imma­tri­ku­liert ist die „La Belle de Cadix“ in Bru­xelles. Das Schiff steht in der Regel im Pen­del­dienst zwi­schen Sevilla und Cádiz, unter­brochen von einer Service- und Unter­halts­pause von Mitte Januar bis Ende Februar. Im Frühling und Herbst erweitert sie ihr Fahr­gebiet nord­west­wärts zum Grenzfluss …

Ivo H. aus Basel macht mich darauf auf­merksam, dass der Name des Schiffes sich an eine berühmte, fran­zö­sische Ope­rette aus dem Jahr 1945 anlehnt; hier mit dem Titelsong von Luis Mariano.

Impressum

Text und Bilder H. Amstad

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