Turbulente Zeiten für die «Hohentwiel»: neuer Geschäftsführer, neue Firmenstruktur, neuer Unterwasseranstrich
Die Vorarlberger Nachrichten melden am 20. Februar 2021, dass Adolf Konstatzky als Geschäftsführer der Hohentwiel seinen Rücktritt erklärt hat. Am 1. März steht der neue Geschäftsführer der Reederei HSB (Historische Schifffahrt Bodensee)1 anlässich der Auswasserung des letzten Raddampfers auf dem Bodensee vor den Medien. Er heisst Benno Gmür und ist u.a. Delegierter des Verwaltungsrates der Schweizerischen Bodensee Schifffahrt SBS. Sein Beruf ist Sanierer und als solcher beschäftigt er sich seit rund 10 Jahren auch mit der Schifffahrt. In dieser Funktion wurde er vom Hauptaktionär der SBS, Hermann Hess, engagiert und bald darauf war er auch bei der URh in Schaffhausen tätig.
Auf meine Frage, ob die Betreibergesellschaft der beiden Schiffe Hohentwiel und Oesterreich HSB in finanziellen Schwierigkeiten stecken, um einen Sanierer zu engagieren, verweist mich Benno Gmür an den Bürgermeister von Hard, Martin Staudinger. Die Gemeinde Hard ist zurzeit noch mit 75 % die Mehrheitseigentümerin der Betreibergesellschaft HSB und somit hat Martin Staudinger in seiner Funktion als Bürgermeister Benno Gmür angestellt.
Der erst seit diesem Jahr neu gewählte Bürgermeister beruhigt: «Natürlich war das Geschäftsjahr 2020 schlimm, die endgültigen Zahlen liegen noch nicht vor2. Benno Gmür ist interimistisch Geschäftsführer und hat nun die Aufgabe, die sehr komplexen Strukturen zu durchleuchten und zu vereinfachen. Zurzeit gibt es mit vielen GmbHs, zwei Schiffen mit unterschiedlichen Eignern und verschiedensten Vereinen viel Potential für Reibungsverluste und Konflikte. Wir wollen schlanker werden.» Er zeigt sich begeistert vom Tempo des neuen Geschäftsführers: «Im Frühling 2021 sollen die neuen Strukturen stehen»3.
Die «Hohentwiel» gehört einem Verein4. Dieser hat in den drei Bodensee-Anrainerländern je eigene Sektionen mit entsprechenden Vorständen und Präsidenten. Die «Oesterreich» gehört einem anderen Verein und einer privaten Eigentümerschaft. Betrieben werden beide von einer gemeinsamen GmbH, heute HBS genannt. Diese hat seinerseits eine Tochtergesellschaft für die Gastronomie gegründet, die wiederum finanziell verhängt ist mit der MS Oesterreich-GmbH, die ja ihrerseits von verschiedenen Eignern abhängig ist.
Nährboden für Konflikte
Die Probleme begannen vor vier Jahren, als es darum ging, das damals noch zukünftige Projekt «Art-Décor-Schiff Oesterreich» sinnvoll zu betreiben. Zugleich kam der Rechnungshofbericht (Revisorenbericht) des Betriebsjahres 2016/17 an die Öffentlichkeit, der einige Mängel in den Bereichen Formfehler, Nachtragsbeschlüsse und Haftungsfragen aufdeckte. Mir entstand dann der Eindruck, dass der Aufsichtsrat der Hohentwiel GmbH (HSG) die Verantwortung nicht übernehmen wollte und den «Schuldigen» beim Geschäftsführer Adi Konstatsky fand. Dieser Konflikt gipfelte in der Abberufung des Geschäftsführers auf Ende Januar 2020 und die Einstellung einer neuen Geschäftsführerin. Diese trat dann die Stelle nicht an. Ausserdem zeigte sich, dass diese Wahl ohne Beteiligung der Mehrheitsaktionärin Hard erfolgte. Somit war man froh, dass Konstatsky die beiden Schiffe auch durchs Corona-Jahr 2020 navigierte.
Ein weiterer Konfliktpunkt war der Vorschlag, die beiden Nostalgieschiffe unter einer Betreibergesellschaft zu führen. Der Vereinspräsident der internationalen Sektion (zugleich Präsident der deutschen Sektion), der ehemalige Bürgermeister von Friedrichshafen Josef Büchelmeier und vor allem der ehemalige Präsident der Schweizer Sektion, Hans Kubat, wehrten sich vehement, dass die «Oesterreich» von der gleichen Reederei bewirtschaftet wird wie die «Hohentwiel». Ich fragte Martin Staudinger, ob er das verstehen kann? «Ja, das verstehe ich. Beide Eigentümer wollen sicherstellen, dass nicht einer finanziell bevorzugt wird. Sie befürchten gegenseitige Konkurrenz und damit für sich Nachteile», ergänzt der SPÖ-Politiker. Heisst das, dass die Gemeinde Hard eine Trennung befürwortet? «Nein, ganz im Gegenteil. Die neuen Strukturen und Verträge müssen so geregelt sein, dass sich diese Probleme nicht mehr stellen. Benno Gmür sieht dies genau so, nur ein gemeinsames Auftreten in ein und derselben Reederei machen wirtschaftlich Sinn. Hard ist stolz auf beide Schiffe. Sie sind Identifikationsstifter und Aushängeschild für unsere Gemeinde. Ausserdem sind viele Harder aus der Geschichte heraus eng mit den beiden Schiffen verbunden.»
Benno Gmür ist es in den ersten 14 Tagen gelungen, die verschiedensten Kontrahenten zu überzeugen, strukturell wie personell «die Uhren auf Null zu stellen». Es wird eine neue Dachgesellschaft geben, an der der Hohentwiel-Verein, die Gemeinde Hard und die MSÖ (Museumsschiff Oesterreich GmbH) beteiligt sind. Adolf Konstatzky hat wie eingangs erwähnt den «Leitungshut» bereits genommen. Auf die Frage, was Konstatzky eigentlich vorgeworfen werde, kann Michael Staudinger nichts Konkretes nennen, meint aber: «Das Klima zwischen dem Vereins-Vorsitz, dem Aufsichtsrat und der Geschäftsführung war schwierig. Das war schrecklich mit anzuschauen.» Es hatte zu viele Könige auf dem Platz, verursacht durch vielfältige Strukturen und Verstrickungen.
Als neu gewählter Bürgermeister von Hard nimmt er die Neustrukturierung der beiden historischen Schiffe zügig an die Hand: Martin Staudinger.
Hans Kubat ist als Präsident bereits letztes Jahr zurückgetreten und Josef Bichelmeier (73) wird dies im kommenden Jahr tun. Operativ hat seit letzter Woche die nautische Leitung Robert Kössler übernommen und Florian Pausch ist als neuer Betriebsleiter eingesetzt. Der Bürostaff hat ihre kollektive Kündigung zurückgezogen. Neu werden Lehrlinge ausgebildet. Die Stimmung an Deck ist nach unschönen Turbulenzen zuversichtlich und man hat Vertrauen in das Wirken von Benno Gmür, wie ich beim Umhören an Deck der nun im Trockendock in Romanshorn liegenden «Hohentwiel» vernehmen konnte. Es wäre allen Beteiligten zu gönnen, dass durch diese personellen wie strukturellen Entscheidungen auch hinter den Kulissen so viel Glanz und Freude zurück kommt wie ich dies an Deck der beiden Schiffe Hohentwiel und Oesterreich vorfinden und erleben darf.
Rieb sich auf und hat die Konsequenzen gezogen: Adi Konstatsky hat als Geschäftsführer gekündigt. Er leitete DS Hohentwiel operativ seit 1990 und war der Nachfolger von Reinhard Kloser.
Ein hübsches Pärchen: das Ensemble Hohentwiel und Osterreich verlässt am 25. Februar den Naturhafen Hard in Richtung Werft Romanshorn.
Um den Dampfer nicht unnötigerweise aus dem «Winterschlaf» zu wecken und aufwändig aufzudampfen schleppt die «Oesterreich» die «Hohentwiel» übers Schwäbische Meer.
Das Ziel ist bald erreicht: der flächenmässig grösste Hafen am Bodensee Romanshorn. Die «Oesterrreich» manöveriert sein «Gspänli» heckwärts zur Werfteinfahrt, damit dieses am 1. März bereits in der richtigen Position liegt.
Der neue Geschäftsführer der HSB ad interim, Benno Gmür, soll die historischen Schiffe Bodensee in schlanke Strukturen mit klaren Abläufen und transparenten Entscheidungslinien führen.
In der grössten Werft am Bodensee haben auch die grössten Schiffe Platz. Benno Gmür: «Auch MS Sonnenkönigin hätte Platz, aber der Aufzugsschlitten und der Untergrund hat eine Limite von 400 Tonnen, was bei der ‹Sonnenkönigin› nicht mehr geht. Dass unsere Werft zu wenig von den anderen Flotten genutzt wird, liegt am harten Franken.»
Mit aller Vorsicht ist am 1. März 2021 die „Hohentwiel“ ausgewassert und in der Werft der Schweizerischen Bodensee-Schifffahrtsgesellschaft AG (SBS) aufgedockt worden.
Bei der ersten Begutachtung des Rumpfes zeigte sich die Hohentwiel-Crew überrascht, dass der Rumpf teils bis zu sieben Zentimeter dick mit Muscheln belegt war.
Bilder Textteil: 1) Die Morgensonne begleitet die Taucher, die die richtige Lagerung der „Hohentwiel“ auf dem Schlitten der Slipanlage überprüfen. Auf diesem wird das rund 300 Tonnen schwere Schiff in die Werfthalle gezogen.
2) Der ganze Auswasserungsprozess dauert bloss 90 Minuten. Noch gleichentags wird damit begonnen, den Rumpf von den Muscheln zu reinigen. Nach dem Schleifen wird der Rumpf neu lackiert, wie auch die Schaufelräder.
3) Bald ist‘s geschafft. Nebst der Unterwasserrevision sind umfangreiche technische Instandsetzungen vorgesehen.
4) Vier Wochen soll die Schönheitskur dauern, an der sowohl die Mitarbeiter der SBS als auch die der Hohentwiel-Crew beteiligt sind. Für die Kosten in Höhe von rund 150 000 Euro kommt der Verein Internationales Bodensee-Schifffahrtsmuseum als Eigner der Hohentwiel auf.
Durch Klick aufs Bild erscheint dieses im Grossformat.
Hinweise
1) Bis Ende 2020 bestanden die «alte» Hohentwiel Schifffahrtsgesellschaft mbH (HSG), die Museumsschiff Oesterreich-GmbH (MSÖ) und die von beiden gegründete MSG (Museumsschiff Gastronomie, mit je 50 % beteiligt von HSG und MSÖ). HSB war der geplante Name der neuen gemeinsamen Firma, wo MSÖ und HSG gleichberechtigt sind und die Gemeinde Hard nunmehr auf Grund des seinerzeitigen Rechnungshofberichts nur noch einen geringeren Anteil haben darf. Das EU-Recht schreibt den Kommunen vor, Beteiligungen bei privaten Firmen nur unter 25 % zu besitzen, ausser es handle sich um eine Aufgabe, die nur der Staat ausführen kann. Die Umfirmierung in HSB war noch nicht erfolgt. Hingegen trat sie auf der Website, auf Prospekte und in Korrespondenzen bereits als HSB auf. Deshalb verwende ich im Text diese Firmenbezeichnung, wenn ich die Betreibergesellschaft der beiden Schiffe meine.
2) Die «Hohentwiel» hat trotz der «Konkurrenz» durch die «Oesterreich» 2019 das beste Jahr ihrer Geschichte und die «Oesterreich» in der ersten Rumpfsaison (ohne Marketingvorlauf) weit mehr als 50 % Auslastung. Das zeigt, dass die gewünschten Synergien eingetroffen sind.
3) SBS neu mit 20 % Beteiligung an der HSB – Nachtrag vom 6. April 2021: Bei der Auswasserung der «Hohentwiel» am 1. März war die Überraschung gross, als Benno Gmür als neuer Geschäftsführer der HSB den Medien vorgesteellt wurde (siehe Hauptartikel). Er stellte an der damaligen Pressekonferenz in Aussicht, die Probleme rund um die verstrickten Zuständigkeiten zügig an die Hand zu nehmen. Beim Einwassern des Raddampders am 6. April, also nach bloss fünf Wochen, wurden die neuen Strukturen bereits präsentiert. Auch dieses Mal gab es eine Überraschung: die schweizerische Bodensee-Schifffahrt SBS mit dem Hauptaktionär Herrmann Hess, der ebenfalls anwesend war, übernimmt 20 % des Aktienkapitals der HSB-GmbH. Die neuen Besitzerverhältnisse der Reederei HSB (Historische Schifffahrt Bodensee) sieht so aus: 35 % die IBSM (Internationales Bodensee Schifffahrtsmuseum e.V., Inhaberin der «Hohentwiel»), 35 % die MSOE (Museumsschiff Oesterreich, Inhaberin des Art-Deco-Schiffes), 20 % die SBS und 10 % die bisherige Hauptaktionärin (vormals 75 %), die Gemeine Hard. Der ebenfalls anwesende Bürgermeister von Hard, Martin Staudinger: «Wir wollen als Standortgemeinde noch ein Bein in der Betreibergrsellschaft behalten, aber im Rahmen der EU-Vorgaben nicht mehr als Hauptinhaber. Die beiden Schiffe sind zum Wahrzeichen von Hard gewoden.» Die SBS ihrerseits hat sich strategisch in eine gute Position gebracht: sie wird künftig mit 20 % den Ausschlag geben, wenn sich die beiden Vereine nicht einig sind.
4) Der Verein „Internationales Bodensee-Schifffahrtsmuseum» mit Sitz in Bregenz wurde mit dem Ziel gegründet, den Schaufelraddampfer Hohentwiel zu retten. Er ist seit 1984 Eigentümer des Dampfers. Der Internationale Verein besteht aus einer schweizerischen Sektion mit 1 541 Mitgliedern (!) und einer deutschen Sektion mit 461 Mitglitgliedern. Die 85 österreichischen Mitglieder werden vom Internationalen Verein mitbetreut. Der Präsident des Vereins ist seit 2016 der ehemalige Oberbürgermeister von Friedrichshafen, Josef Büchelmeier. Er löste den Landrat des Bodenseekreises Lothar Wölfle ab. Der Präsident der Schweizer Sektion ist seit diesem Jahr Kurt Reich, ehemaliger Leiter des Schiffsbetriebes Rorschach.
Um den 1990 fertiggestellten Schaufelraddampfer zu betreiben, wurde die Hohentwiel Schifffahrtsgesellschaft (HSG) gegründet. Gesellschafter sind zu 24,8 Prozent der Verein „Internationales Bodensee-Schifffahrtsmuseum“ und mit 75,2 Prozent die Gemeinde Hard. Diese war damals als einzige Bodenseegemeinde bereit, dem historischen Schiff einen festen Liegeplatz zu bieten. Der Verein „Internationales Bodensee-Schifffahrtsmuseum“ verpachtet die «Hohentwiel» an die HSG. Mit den Pachteinnahmen von jährlich 70 000 Euro muss der Verein für den Erhalt des Schiffes sorgen, die HSG ist für dessen Betrieb und Bewirtschaftung zuständig.
Im April 2019 lief das restaurierte MS Oesterreich mit Heimathafen Hard zur Jungfernfahrt aus. Um Kompetenzen zu bündeln und die sich daraus ergebenden Synergien zu nutzen, stieg der Verein 2018 ins INTERREG-Kooperationsprojekt mit dem MS Oesterreich ein, mit dem Ziel, auf der Basis von Kooperationsverträgen die beiden Schiffe gemeinsam zu vermarkten und zu bewirten. Seitdem heisst die GmbH HSB (Historische Schifffahrt Bodensee). Die neu von der HSB gegründete „Museumsschiff-Gastronomie-GmbH“ mit eigener Küche gehört dem Verein Internationales Bodensee-Schifffahrtsmuseum und dem Eigentümer der MS Oesterreich, der MSOE-GmbH zu gleichen Teilen. Dieses komplizierte Konstrukt wird nun rückwirkend auf den 1.1.2021 schlankeren Strukturen Platz machen (siehe Grafik in der Bildspalte unten).
Impressum
Bilder 1 bis 3, 5 und 7 M. Haefner, Bild Textteil 5 HSB
Text und Bilder 4, 6 und Textteil 1 bis 4 H. Amstad (aktualisiert am 6. April 2021)
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Sehr informativer Artikel, wunderbar, danke!