Umstrit­tene See­ab­sen­kung Thu­ner­see führt zu einem Son­der­fahr­plan der BLS.

Alle vier Jahre pas­siert am Thu­ner­see etwas Son­der­ba­res. Der See­spie­gel wird so stark abge­senkt, dass die Schiff­fahrt in den Kanä­len von Thun und Inter­la­ken sowie die Zufahrt zur Werft nicht mehr mög­lich sind. Der sonst schon tiefe Win­ter­pe­gel, der bereits in Nor­mal­fall zu Schwie­rig­kei­ten für die grös­se­ren Schiffe der Thu­ner-Flotte führt, wird dann um wei­tere 20 cm auf 557,00 Meter über Meer abge­senkt. Ich frage mich nach dem Sinn die­ser Aktion, die aus­ser dem Bri­enz­er­see sonst schweiz­weit nie­mand kennt. Laut dem Amt für Was­ser und Abfall AWA des Kan­tons Bern kön­nen damit Bau­fir­men ihre Arbei­ten an Ufer­bö­schun­gen und See­mau­ern für öffent­li­che Kör­per­schaf­ten oder Pri­vate aus­füh­ren. Es seien für den Win­ter 2016 fünf Gesu­che ein­ge­gan­gen, berich­tet die Ber­ner Zei­tung. Sie hat sich die Mühe genom­men, eini­gen die­ser Bau­stel­len nach­zu­ge­hen und ver­öf­fent­lichte in ihrer Aus­gabe vom 20. Januar das Ergeb­nis, dass alle Arbei­ten auch ohne See­ab­sen­kung mög­lich gewe­sen wären. Die Fir­men und Bau­her­ren geben an, dass es aber etwas kos­ten­güns­ti­ger sei bei tie­fe­rem Wasserstand.

In die Dis­kus­sion über Sinn und Unsinn der See­ab­sen­kung hat sich auch der Natur­schutz ein­ge­schal­tet. Bei den lang­jäh­ri­gen win­ter­li­chen Was­ser­vo­gel­zäh­lun­gen ist laut Pro Natura Sek­tion Thun kein Ein­fluss der See­ab­sen­kung auf die Anzahl der Was­ser­vö­gel fest­stell­bar. «Es stö­ren höchs­tens die Men­schen, die in den Natur­schutz­ge­bie­ten auf den neuen Ufer­strei­fen her­um­lau­fen und ins Schilf ein­drin­gen», gibt eine Spre­che­rin von Pro Natura der Ber­ner Zei­tung zur Aus­kunft. Ger­hard Ammann, Spre­cher des AWA Bern gegen­über der Schiffs-Agen­tur: „Die Auf­zeich­nun­gen der Was­ser­stände des Thu­ner­sees zei­gen, dass sol­che Absen­kun­gen seit Beginn der Mes­sun­gen im Jahr 1904 in regel­mäs­si­gen Abstän­den durch­ge­führt wor­den sind. Die Regu­lie­rung des Sees wurde ein­ge­führt, nach­dem der Aus­fluss aus dem See ver­grös­sert wor­den ist. Mit der Regu­lie­rung wird ver­sucht, den natür­li­chen Ver­lauf des See­spie­gels nach­zu­bil­den.“ Akzen­tu­iert hat sich nun ein Inter­es­sens­kon­flikt seit der Ein­füh­rung der durch­aus erfolg­rei­chen Win­ter­schiff­fahrt im Jahr 2012/13.

Meine Win­ter­fahrt beginnt in Spiez. Nach Ankunft des Zuges aus Bern errei­che ich mit zügi­gem Schritt die Schifflände. Das Kurs­schiff legt um 11.20 Uhr ab, der grosse Ansturm steht noch aus, die Über­fahrt nach Hüni­bach ist aus­se­ro­den­t­lich geruh­sam, ein Genuss. Für MS Bea­tus und MS Schilt­horn ist wäh­rend der gan­zen Zeit der See­ab­senke vom 4. Januar bis zum 24. März Spiez der Hei­mat­ha­fen. Die «Bea­tus» dient in ers­ter Linie als Fahr­schul- und Extrafahr­ten­schiff und die «Schilt­horn» ist auf den vier Kur­sen ein­ge­teilt. An son­ni­gen Tagen, von denen es anfangs die­sem Win­ter über­durch­schnitt­lich viele gege­ben hat, wird es jeweils eng auf dem 300-Per­so­nen­schiff Schilt­horn mit rund 120 Essens­plät­zen, wie mir die Restau­ra­ti­ons­fach­frau bestä­tigt: „Vor allem in der 1. Klasse.“ Heute ist es ange­nehm, jeder Tisch ist zwar belegt, aber es kommt keine Hek­tik auf. Feuch­tes West­wind­wet­ter hält die Fahr­gäste nicht ab, eine Win­ter­fahrt zu unter­neh­men und wegen der See­ab­sen­kung Umwege in Kauf zu neh­men. Fahr­gäste von Thun fah­ren zuerst 11 Minu­ten mit dem Bus nach Hil­ter­fin­gen (und zurück), jene nach Inter­la­ken ebenso lang nach Neu­haus (und umge­kehrt). Diese Umständ­lich­keit scheint aber kein Nach­teil zu sein. Nach Aus­kunft der BLS ist man mit den Fre­quen­zen zufrie­den. Die tolle Fre­quenz von 58 000 Fahr­gäs­ten vom letz­ten Win­ter wird man aber nicht errei­chen kön­nen. Um die Aus­fälle in der Gas­tro­no­mie zu mini­mie­ren, haben sich die BLS ent­schie­den, vom 15. Januar bis zum 20. März die „Stadt Thun“ an der Lände in Thun fest­zu­ma­chen. Zusam­men mit dem Schiff­ca­te­ring Thu­ner­see betreibt sie auf dem Schiff jeweils von Frei­tag­abend bis Sonn­tag­nach­mit­tag eine Lounge und ein Restaurant.

Diese der See­ab­sen­kung ange­pass­ten Ange­bote sind erst­ma­lig. Die Option, den Schiffs­ver­kehr für drei Monate kom­plett ein­zu­stel­len, kam nicht in Frage, wie der CEO der Schiff­fahrt Claude Mer­lach gegen­über der Ber­ner Zei­tung aus­führt: „Wir wol­len nicht das, was wir in den letz­ten Jah­ren auf­ge­baut haben, jetzt wie­der gefähr­den.“ Die Tak­tik scheint auf­zu­ge­hen, das Publi­kum hono­riert die Bemü­hun­gen der BLS. Geht es nach dem Wunsch der BLS soll der «alte Zopf abge­schnit­ten» wer­den; die See­ab­sen­kung 2016 wäre dann die letzte in der Geschichte des Thu­ner­sees. Ger­hard Ammann, Spre­cher des AWA gibt zu beden­ken: „Ob die Mög­lich­keit der aus­ser­or­dent­li­chen See­ab­sen­kung am Thu­ner­see auf­ge­ho­ben wird oder nicht kön­nen wir zur­zeit nicht beur­tei­len. Regu­lier­re­gle­mente kön­nen geän­dert wer­den, wenn sich die Rah­men­be­din­gun­gen oder die Ansprü­che ändern. Ände­run­gen von sol­chen Regle­men­ten müs­sen ein ordent­li­ches Bewil­li­gungs­ver­fah­ren durch­lau­fen, inklu­sive einer Umweltverträglichkeitsprüfung.“

Spiez ist in die­sem Win­ter der wich­tigste Hafen am Thu­ner­see: MS Bea­tus (links) und MS Schilt­horn haben hier ihre tem­po­räre Basisstation.

Durch die See­ab­sen­kung ist die Zufahrt zur Werft unpassierbar.

Fau­len­see bekommt einen Strand, nur die Jah­res­zeit passt nicht für ein Strandleben.

An min­des­tens vier Orten kann ich Bau­stel­len rund um den Thu­ner­see aus­ma­chen wie hier in Faulensee.

Sand­bänke ragen zum Teil weit in den Thu­ner­see hin­aus, wie hier in Gun­ten (eine Woche zuvor bei strah­len­dem Wetter).

Nicht alle die­ser Fak­to­ren, die für oder gegen eine See­ab­sen­kung spre­chen, sind von glei­cher Bedeutung.

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Quel­len

Bild 2 M. Bisegger,

Gra­fik: AWA Kan­ton Bern,

Text und übrige Bil­der H. Amstad.

Wei­ter im Text

Zur See­ab­sen­kung des Bri­enz­er­sees gibt eine Bro­schüre ver­tiefte Infor­ma­tio­nen (Link). Dar­aus lässt sich ent­neh­men, dass dort zwi­schen der garan­tier­ten See­spie­gel­höhe (regu­liert) und dem Hoch­was­ser aus dem Jahr 2005 beacht­li­che 3,20 m Unter­schied liegen.

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