Unterwegs auf Flüssen: das Kreuzfahrten-ABC (2. Teil)
Ein Handbuch als „Gebrauchsanweisung“ für Gäste einer Flusskreuzfahrt
Im Jahr 2018 waren allein auf den europäischen Flüssen 350 Flusskreuzfahrtschiffe unterwegs, davon rund 150 unter Schweizer Flagge. Millionen geniessen diese geruhsame Reiseart, wo Koffer und Bett gleich mitreist. In der 2. Folge des Kreuzfahrten-ABC begeitet uns die «Thurgau Ultra». Das Schiff ist ein Twin-Cruiser war früher das einzige europäische 6*-Schiff der Reederei Premicon (unter dem Namen „Premicon Queen“). Die „Sterne“ sind zwar unter dem Schweizer Anbieter Thurgau Travel (Dauercharter-Vertrag) etwas weniger, aber das Schiff strahlt wie eh und je eine Grosszügigkeit aus, wie man es selten antrifft.
J Jahreszeit zum Reisen
Von März bis Dezember ist durchgehend Kreuzfahrtensaison, jede Jahesrzeit hat ihren besonderen Reiz. Im Frühling und Spätherbst sind die Preise nachfragebedingt deutlich tiefer. Ich wähle in der Regel im Sommerhalbjahr eine Kabine im günstigeren Unterdeck, da ich nur die Nacht in der Kabine verbringe und sonst das Bordleben auf dem Sonnendeck geniesse. Im Winterhalbjahr wähle ich hingegen eine mit französischen Balkonen, weil der Aufenthalt auf dem Freideck witterungsbedingt weniger attraktiv ist.
K Kabinenwahl
Kabinen unterscheiden sich hauptsächlich darin, auf welchem Deck sie sich befinden. Es gilt: Mit jeder höheren Etage (Unterdeck, Hauptdeck, Oberdeck) wird der Preis deutlich teurer. Wegen der Nähe der Motoren, resp. Generatoren sind Heckkabinen oft günstiger. Die Grösse der Kabine unterscheidet sich innerhalb eines Schiffes in der Regel nicht. Einzelkabinen sind selten anzutreffen, jedoch gibt es Rabatte beim Bezug einer Doppelkabine zur Alleinbenützung. Es gibt einige Veranstalter, die auf einen Aufschlag für Alleinreisende verzichten, hingegen nur in der Kabinenkategorie des unteren Decks. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal besteht zwischen Kabinen mit zu öffnenden Fenstern (meist mit französischen Balkonen) und jenen mit nicht zu öffnenden Fenstern (Klimaanlage mit zureichender Frischluftzufuhr). Entscheidend für die Wahl (Deck und Fenster) sind die individuellen Bedürfnisse und die Möglichkeiten des Portemonnaies.
L Landausflüge
Mich erstaunt immer wieder, wie beliebt Landausflüge sind. Ich bestelle sie jeweils nicht im Voraus. Einen ruhigen Moment auf dem Schiff zu haben ist sehr wohltuend, weil ich auf der Fahrt immer was zu sehen habe. Oft legen die Schiffe mitten in den Städten an, wo man zu Fuss auch alleine die Umgebung entdecken kann. Und schliesslich kommt es vor, dass während des Landausfluges das Schiff weiterfährt und die Landausflügler später wieder an Bord kommen.* Die meisten Ausflüge können auch an Bord gebucht werden. Wer alle Ausflüge machen will zahlt voraus im sog. Ausflugspaket weniger als bei jedem einzelnen Ausflug an Bord.
M Mannschaft
Die nautische Crew besteht aus einem bis drei Schiffsführern, wobei einer davon den Status als Kapitän hat. Diese Anzahl ist abhängig von der Fahrdauer, rsp. Längen der Pausen des Schiffes pro 24 Stunden. Meistens sind fünf Personen für die Nautik zuständig: nebst den Schiffsführern ein Maschinist, der für alles Technische an Bord verantwortlich zeichnet und zwei Matrosen. Der Anteil an Frauen ist hier auffallend tief.
Der ganze Hotelbereich steht unter der Leitung des Hotelmanagers, resp. der Hotelmanagerin. Je nach Anzahl Betten schwankt diese Besatzung zwischen 8 und 20 Gastgeber und Gastgeberinnen. Dazu gehören der Küchen-Staff, der Restaurant- und Barservice, das Housekeeping, die Rezeptionistin und ein Nachwächter. Grundsätzlich sind sowohl die nautische wie die Gastro-Crew multikulturell, bestehend aus bis zu 10 Nationen. Aus fiskalischen Gründen stammen viele Arbeitnehmer/innen aus Osteuropa oder Asien.
Die Reiseleitung hat einen Sonderstatus und ist nicht von der Reederei angestellt, sondern vom Reiseveranstalter (Charter).
N Nachtfahrten
Nachtfahrten sind ein viel diskutiertes Thema unter den vielfahrenden Kunden. Die Einen lieben sie, weil sie dadurch viel Zeit haben für die Landgänge, die nur tagsüber stattfinden können. Die Anderen hassen Nachtfahrten, weil sie sich beim Schlafen an den Schiffs-Geräuschen stören und sie vor allem wegen der Flusslandschaft und dem Schifffahren an Bord sind. Die Angebotspalette von „nur nachts“ bis „nie nachts“ ist breit; ein genauer Blick aufs Programm lohnt sich.
Es gibt der Fall, wo externe Umstände bestimmen, ob nachts gefahren wird oder nicht. Wer in sieben Tagen von Passau zur serbisch-kroatischen Grenze bei Mohàcs und zurück fahren will, muss nachts fahren, da es 1556 km zurückzulegen gilt! Oder: Auf dem Neckar z.B. wird nachts nie gefahren, da dann die Schleusen nicht bedient werden.
O Omas und Opas
Der Kreuzfahrt im Allgemeinen und der Flussschifffahrt im Speziellen haftet das Image der fahrenden Altersheime. Dieses Urteil gilt oft als Vorwand, auf solche Reisen ganz zu verzichten. Ich entdecke eine Gegend per Schiff regelmässig seit 40 Jahren und ich fühlte mich auf keiner einzigen Fahrt eingeschränkt oder gar belästigt durch ältere Leute mit besonderen Bedürfnissen. Rein ferientechnisch haben in den Nebensaisons Rentner mehr Zeit für Reisen; das Durchschnittsalter ist an Bord in der Regel hoch. In den Schulferien findet man aber vermehrt Familien mit Kinern vor.
Nach einer Erhebung von River Cruise waren 2015 im deutschen Markt 10 % über 76, je 30 % der Kunden zwischen 66 und 75 resp. 56 und 65. 20 % waren jünger als 55. Ich sehe den Hauptgrund dieser Altersstruktur in erster Linie in den zeitlichen und finanziellen Möglichkeiten. Noch nie zuvor ging es im Schnitt älteren Leuten wirtschaftlich so gut wie heute.
P Preise und Kosten
Nebst der Wahl des Fahrgebietes und des Schiffes ist der Preis ein weiteres ( – >) Wahlkriterium. Grob kann man folgende Faustregel anwenden: Wenn ein Angebot unter 200 Franken ist pro Tag und pro Person gilt das als sehr günstig (Neben- oder Wintersaison, Einschränkungen im Service oder besondere Umstände wie Pandemien). Ein interessantes Preis-/Leistungsverhältnis bewegt sich zwischen 200 und 300 Franken pro Tag und Person. Angebote über 300 Franken pro Tag bieten gute Leistungen wie Kabine mit französischen Balkonen.
Diese Faustregel beinhaltet die Vollpension sowie die Übernachtungskabine mit Vollservice und gilt mit der An- und Rückreise zum und vom Schiff auf der Basis Bus oder Bahn. Bei teureren Angeboten handelt es sich in der Regel um besondere Leistungen wie inkludierte Flüge (z.B. Duoro in Portugal, russische oder Flüsse im fernen Osten), sehr luxuriöse Schiffe oder kleinere, individuellere Schiffe mit bis 30 Personen (z.B. kroatische Küste, Götakanal oder das Kanalsystem von Edingburgh).
Wer individuell anreisen oder an Ort länger bleiben möchte bieten die Veranstalter in der Regel Preisnachlässe.
Die Grundleistungen werden im Voraus bezahlt. Eine Reiseversicherung ist in jedem Fall zu empfehlen (oft obligatorisch), falls man kurzfristig auf das Erlebnis verzichten muss. An Bord kommen persönliche Auslagen, die Kosten der Ausflüge (falls nicht vorgängig gebucht) und die Getränke dazu und werden per Kreditkarte bezahlt. Dazu kommen –> Trinkgelder, die einen festen Lohnbestandteil für die Besatzung sind.
Fortsetzung (Link)
Auch im Winter sind Fluss-Kreuzfahrten spannend. In dieser Jahreszeit lohnt es sich, eher luxuriösere Schiffe zu wählen, wie z.B. die „Thurgau Ultra“. Hier verlässen wir das abendliche Basel und unterqueren bei Sonnenuntergang die Fussgängerbrücke zwischen dem deutschen Weil am Rhein und dem französischen Huningue.
Im Hintergrund links ist das Dreiländereck zu sehen mit der Basler Personenschifffahrt. Auf dem 10 Are grossen Sonnendeck erwartet ein Schach entsprechende Spieler.
Ein holländischer Partikulier begegnet uns vor der Kulisse einer winterlichen Allee des oberrheinischen Seitenkanals.
Der attraktivste Platz auf der „Thurgau Ultra“ ist der grosse Salon, der sich über zwei Stockwerke stufenartig vom Bug zum Mittelschiff aufbaut und für jede Loungereihe freie Sicht nach aussen gewährt.
Das Restaurant ist edel materialisiert.
Ein Blick ins abendliche Schiff zeigt auf dem Mitteldeck das Ende des abgestuften Salons und auf dem Hauptdeck die Sauna und den Fitnessraum.
Die „Thurgau Ultra“ ist ein Twincruiser, auch wenn man das auf den ersten Blick nicht sieht. D.h. die ganzen Energie- und Antriebsaggregate befinden sich in einem 25 m langen, separaten Schiff am Heck. Die blaue Vertikale kaschiert den Übergang zum Schubverband mit dem Hotelteil.
Text und Bilder H. Amstad
Durch Klick aufs Bild erscheint dieses im Grossformat.
Weiter im Text
Teil 1 des Kreuzfahrten-ABC (Link), Teil 3 (Link)
Ergänzung
*) Ausnahmen bestätigen die Regel, wo ich Ausflüge ebenfalls buche. So ist zum Beispiel das Ausflugspaket beim Angebot des Donaudeltas empfehlenswert: fast alle Ausflüge werden mit einem kleineren Schiff unternommen. Macht mich ansonsten ein Landgang trotzdem „gluschtig“, so sind Einzelbuchungen auch an Bord noch möglich, wie z.B. auf der Loire mit dem Angebot, eine der grössten Schiffswerften der Welt zu besichtigen (St-Nazaire).
Techn. Daten MS Thurgau Ultra
2008 („Premicon Queen“ bis 2011, „Tui Queen“ bis 2013, „Queen Maxima“ 2014, „Thurgau Ultra“ ab 2015), Neptun Werft Rostock, Erstellungskosten 28 Mio EUR, L 135,00 m, B 11,40 m, T 1,6 m, 2 x MTU 8 V 4000M60, P 1 600 kW, 21 km/h, 120 pax (und ca. 40 Crew), Inhaber: Premicon München, Reederei: RiverAdvise Basel, Charter: Thurgau Travel Weinfelden
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