Vom Läl­le­könig zum Mosel­prinz: Das Basler Rhein­schiff erlebt den 2. Frühling auf der Mosel

Nicht selten über­trifft die Lebens­er­wartung der in der Schweiz im Dienst ste­henden Schiffe jene der Bevöl­kerung. Das Schiff ist ein sehr nach­hal­tiges Produkt. So kommt es vor, dass Occa­si­ons­schiffe auf einem neuen Gewässer weitere Jahr­zehnte fahren, wenn auf dem «Ori­gi­nal­ge­wässer» sich die Bedürf­nisse ändern und das Schiff aus­ran­giert wird. Bei­spiele sind MS Schwan auf dem Zugersee, das vorher jahr­zehn­telang zuerst auf dem Äge­risee, dann auf dem Thu­nersee sowie Bri­enz­ersee gefahren ist oder MS Ober­hofen, das nach dem Zürich- und Thu­nersee einen 15 Jahre dau­ernden Abstecher nach Holland machte, um 2014 wieder auf den Thu­nersee zurück zu kehren. Ein anderes Bei­spiel stellt MS J. J. Rousseau dar, das nach dem Einsatz auf dem Bie­lersee jah­relang in Holland unterwegs war und nun auf dem Zürichsee anzu­treffen ist. Umge­kehrt gibt es in der Schweiz aber auch Ree­de­reien wie die Basler Per­so­nen­schiff­fahrt BPG, die «berühmt» dafür sind, dass ihre Schiffe schon nach wenigen Jahr­zehnten durch neue ersetzt werden.

Diese «alten», aber qua­li­tativ wert­vollen Schiffe finden dann im Ausland Absatz und können dort ihren zweiten oder gar dritten Frühling erleben. In Anbe­tracht der Lebens­er­wartung solcher Schiffe ist es irri­tierend, wenn ich fest­stelle, dass ich sowohl bei der ersten wie der letzten Fahrt eines Schweizer Schiffes dabei war, so geschehen bei der «Läl­le­könig» der BPG. 1980 kam es hier­zu­lande zu einem sel­tenen Ereignis einer Dop­pel­jung­fern­fahrt: Der BPG gelangen mit MS Bas­ler­dybli*, von der Linzer Öswag-Werft im Damp­ferlook erbaut, und MS Läl­le­könig von der Mei­de­richer Schiffs­werft zwei mar­kante und form­schöne Schiffe, die damals von der Fachwelt aber auch vom Basler Publikum viel Applaus erhielten. Sie ersetzten zuerst das ebenso cha­rak­ter­volle Schiff Stras­bourg, 1992 die «Rhein­felden» und 1993 die «Rhy-Blitz».

Die Archi­tektur der «Läl­le­könig» passte sich schön ein in die Stadt­sil­houette Basels.

Als ich am 22. Sep­tember 2018, am Euro­päi­schen Tag des Denkmals, in Basel einige Rund­fahrten mit der «Läl­le­könig» geniesse, ahne ich noch nicht, dass dies die letzten öffent­lichen Fahrten dieses Schiffes sein würden. BPG-Geschäfts­führer Peter Stalder: «Wegen Bau­stellen ver­hängte der Kanton ein Fahr­verbot im Bereich der Mitt­leren Brücke und damit fielen alle geplanten Rund- und Abschieds­fahrten mit dem Lälli** aus.» An Bord der «Läl­le­könig» sind an diesem Samstag auf ins­gesamt fünf the­ma­ti­schen Fahrten diverse Vor­träge zu hören. Auf einer Fahrt gibt das Blech­bläser-Ensemble des Sin­fo­nie­or­chesters Basel einige Werke aus der Was­ser­musik von Georg Friedrich Händel zum Besten. Die 22 Stücke der Was­ser­musik sind übrigens für eine Schiff­fahrt des eng­li­schen Königs Georg I. vom 17. Juli 1717 auf der Themse ent­standen. Der Leiter der Basler Denk­mal­pflege, Daniel Schneller, macht in seiner Ein­leitung einen geschickten Link zu Basel: «Vor 18 000 Jahren waren der Rhein und die Themse der gleiche Fluss. Die bri­ti­schen Inseln waren eine Halb­insel im Nord­westen Europas. Erst durch das Abschmelzen der Eis­massen im Norden Europas hob sich der Mee­res­spiegel und der Ärmel­kanal ent­stand, der dann die Themse vom Rhein abgetrennte.“

Von der BPG zur KD

38 Jahre nach der Jung­fern­fahrt fährt die «Lälli», wie das Schiff von den Baslern genannt wird, am 12. November 2018 unter der Leitung von Kapitän Peter Mor­gen­thaler und drei Besat­zungs­mit­gliedern in drei Tagen nach Köln Niehl. Peter Stalder: «Die geplante öffent­liche Über­füh­rungs­fahrt vom 26. Oktober 2018 mit 30 Anmel­dungen war wegen dem Jahr­hun­dert­nie­der­wasser nicht möglich.» Der Abschied der «Läl­le­könig» stand also unter keinem guten Stern, als ob das Schicksal den Baslern sagen wollte, dass man ein solch schönes Schiff nicht einfach weggibt…

Der Ver­wal­tungsrat der BPG beab­sich­tigte schon vor Jahren, einen Neubau für den Basler Rhein in Auftrag zu geben, um vor allem grosse Events und Extrafahrten mit vielen Gästen anbieten zu können. In dieser Beziehung haben «Bas­ler­dybli» und «Läl­le­könig» mit ihren klein­räu­migen Kon­zepten diesen Bedürf­nissen nicht ent­sprochen. Deshalb sind not­wendige Instand­hal­tungs­ar­beiten an den beiden Schiffen aufs Minimum redu­ziert worden. Nach und nach wirkten die Schiffe unge­pflegt und revi­si­ons­be­dürftig. Eine Gesamt­sa­nierung für die „Läl­le­könig“ hätte nun gegen zwei Mil­lionen gekostet, viel Geld, welches die Basler lieber in einen Neubau inves­tieren wollten. So wurde die „Läl­le­könig“ zum Verkauf aus­ge­schrieben und die «Bas­ler­dybli» einem Verein übergeben.

Für die Köln Düs­sel­dorfer Schiff­fahrt (KD) bot diese Offerte eine Gele­genheit, in das Rund­fahr­ten­ge­schäft in Cochem ein­zu­steigen und somit Kon­kurrenz zu bieten zur Schiff­fahrt der Gebr. Kolb. Die Mosel­wein­prin­zessin Denise Wagner nimmt die Namens­taufe vor: MS Läl­le­könig» wird zum MS Mosel­prinz. Mit einer kleinen Gruppe Schiffs­be­geis­terter besuche ich am 10. August 2019 das Schiff auf der Mosel. Angenehm fällt auf, dass der Gas­tro­be­trieb einen guten Service bietet und im Rahmen der stün­digen Rund­fahrt die gas­tro­no­mi­schen Bedürf­nisse abzu­decken weiss. Es scheint aber, dass die KD im letzten Winter nur das Aller­not­wen­digste am Schiff gemacht hat. Eine Innen­treppe achtern ist abge­sperrt, da Kan­ten­leisten her­aus­fallen. Einige Rost­flecken am Geländer warten auf den kom­menden Winter. Die Basler Bilder in den Salons sind durch ein­hei­mische Sujets im gleichen Stil ersetzt worden. Das Innen­mo­biliar ist weit­gehend erhalten geblieben. Der Ersatz der vor­deren Oberdeck-Aus­sen­be­stuhlung wirkt auf das fili­grane Schiff sehr grob.

Laut Aus­kunft des Kapitäns soll das Schiff im kom­menden Winter nochmals auf die Werft; die Rede ist vom Einbau einer Kli­ma­anlage. Obschon nun in Cochem ver­mutlich ein Über­an­gebot an Schiffs­rund­fahren besteht, passt die ehe­malige «Läl­le­könig» wun­derbar in das roman­tische Mos­eltal. Cochem wird von vielen Bus­un­ter­nehmen ange­fahren und für solche Bedürf­nisse eignet das Schiff aus­ge­zeichnet. Die «Mosel­prinz» fährt, nebst den Extrafahrten, sechs Mal täglich von Mitte April bis zum 20. Oktober. Don­nerstags bis samstags gibt es zusätzlich zwei­stündige Abend­fahrten ab 20.00 Uhr.

BPG-Schiffe in halb Europa

Auch weitere Schiffe der Basler Per­so­nen­schiff­fahrt sind noch woanders anzu­treffen***. Die 1980 aus­ran­gierte «Stras­bourg» kam zuerst als «Nepomuk» zur Schiff­fahrt Woditsch in Sasbach am Kai­ser­stuhl, dann ca. im 2000 nach Düs­seldorf und 2006 nach Prag, wo sie heute noch unter dem gleichen Namen exklusive Son­der­fahrten durch­führt. Die «Rhein­felden» mit Baujahr 1925 war bis 1991 in Basel im Einsatz und wurde danach zur Brei­sacher Per­so­nen­schiff­fahrt ver­kauft. Dort ver­kehrte sie unter dem Namen «Schloss Mun­zingen» bis 2010. Sie ist bis heute im Einsatz im nord­deut­schen Bremen bei der Ree­derei Hal Över. Dort kennt man das Schiff unter dem neuen Namen «Gräfin Emma». Die 1993 aus­ran­gierte «Rhy-Blitz» kam nach Holland zur Rederij Wind­kracht in Kin­derdijk, anschliessend zu Put Beheer in Grouw und heisst seither «Nost­algie». Das letzte Schiff, das die BPG ver­kauft hatte, war die «Stadt Basel». Sie fährt seit 2006 unter dem Namen «Stadt Rees» in der gleich­na­migen deut­schen Klein­stadt am unteren Nie­der­rhein in Holland.

Die ehe­malige BPG-«Rhy-Blitz» ver­kehrt heute als «Nost­algie» in Grouw/​Holland.

MS Läl­le­könig an seinem letzten Betriebstag mit öffent­lichen Fahrten am Euro­päi­schen Tag des Denkmals vom 22. Sep­tember 2018

Sowohl die BPG wie auch diese Basler Fahr­gäste wissen an diesem Tag nicht, dass es die letzten Fahrten mit MS Läl­le­könig sind.

Nun fährt das Schiff auf der Mosel ab Cochem; die massive Ober­deck­mö­blierung erinnert etwas an Alpwirtschaften.

Im Inte­rieur erkennt man die ursprüng­liche Archi­tektur des Mei­de­richer Schiffes noch gut, nur die Bilder und die Maske des «Läl­le­könig» sind ausgewechselt.

Bis zu sieben Mal am Tag legt die «Mosel­prinz» ab, um die car­weise her gekarrten Tou­risten auf der Mosel zu beglücken. Die klein­räumige Raum­auf­teilung, die in Basel dem Schiff zum Ver­hängnis wurde, wird hier geschätzt.

Die «Mosel­prinz» legt nach der ein­stün­digen Rund­fahrt berg­wärts fahrend wieder in Cochem an.

Die reiz­volle Land­schaft der Mosel ist eine tou­ris­tische Perle.

Text und Bilder H. Amstad

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Hin­weise

*) MS Bas­ler­dybli war das erste Schiff des Inge­nieurs Reinhard Rath von der Öswag. Er zeichnete auch für den Bau der «Rhy­stärn» ver­ant­wortlich – dieses Schiff war dann sein letztes Projekt vor seiner Pensionierung.

**) Der Lälli ist im «Basler Diitsch» die Bezeichnung für die Zunge; der Läl­le­könig streckt als freche Figur am Bug des Schiffes tra­di­tionell dem Klein­basel die Zunge raus.

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