Erleb­nis auf dem Gen­fer­see im Okto­ber: vier Rad­schiffe an einem Tag

Das lässt jedes Herz eines Dampf­schiff-Fans höher schla­gen! Welt­weit ein­zig­ar­tig fah­ren auf dem Gen­fer­see auch im Okto­ber wäh­rend 14 Tagen täg­lich drei Dampf­schiffe und ein die­sel­elek­tri­sches Rad­schiff. Auch im 2019 wird dies wie­der mög­lich sein, wie mir die CGN mit­teilt. Drei Rad­schiffe sind jeweils im Kurs­ver­kehr ein­ge­teilt. Ein wei­te­res kommt noch dazu, wenn eines der gros­sen Motor­schiffe, die für den werk­täg­li­chen Grenz­gän­ger­ver­kehr ein­ge­setzt sind, in der jähr­li­chen Revi­sion steht. Nahezu 2 000 Grenz­gän­ger benüt­zen am Mor­gen früh allein von Evian aus den See­weg nach Lau­sanne, um in der Schweiz der Arbeit nach­zu­ge­hen. Dazu steht in die­sem Jahr die „Sim­plon“ im Ein­satz. Mit der vier­ten Quer­fahrt beginnt so mein „Vier­damp­fer­tag“.

Von der Deutsch­schweiz aus gut erreich­bar* besteige ich am Steg 1 den Kurs, der Lau­sanne um 9.25 Uhr nach Evian ver­lässt. Da herrscht in Ouchy am heu­ti­gen Mor­gen, den 10.10.2018, reges Trei­ben: MS Lau­sanne fährt zum Lan­dungs­steg 5, um gleich­zei­tig mit unse­rer Aus­fahrt eine Extrafahrt zu star­ten. MS Ville de Genève erreicht Lau­sanne mit Grenz­gän­gern aus Tho­non am Steg 2. Das Schnell­boot Genève (es gibt auf dem Léman zwei Schiffe mit dem Namen der Kal­vin­stadt) star­tet 10 Minu­ten vor­her vom Steg 4 nach Tho­non, nach­dem die­ses Schiff die „Sim­plon“ sup­ple­men­tiert hat. MS Henri Dun­ant steht an Steg 3 nach einem mor­gend­li­chen Gross­ein­satz bereit, die „Sim­plon“ anschlies­send abzu­lö­sen. In Lau­sanne fühlt man sich in jeder Jah­res­zeit am Mor­gen und Abend „en minia­ture“ wie in Genua oder Ham­burg. Heute ver­mi­schen sich Nebel­schwa­den mit durch­drin­gen­der Mor­gen­sonne, für mich somit auch meteo­ro­lo­gisch ein schö­nes Morgenerlebnis.

Für den Pend­ler­ver­kehr sind wegen dem immensen Pas­sa­gier­auf­kom­men nur die gröss­ten CGN-Schiffe geeig­net. Dabei wird MS Lau­sanne (1 200 Per­so­nen Fas­sungs­ver­mö­gen) nicht ein­ge­setzt, da es bei star­ker Bise mit sei­ner gros­sen Sei­ten­flä­che für die enge Hafen­ein­fahrt in Evian unge­eig­net ist. Das eben­falls in Frage kom­mende Schiff La Suisse ist im Herbst noch im Kurs ein­ge­setzt und das dritte 70-Meter­schiff der CGN, die „Hel­vé­tie“ war­tet auf eine Total­re­no­va­tion, die für die Jahre 2026 bis 2030 vor­ge­se­hen ist**. Neue Schiffe für den Grenz­ver­kehr sind auf das Jahr 2021 geplant.

Nach der Rück­kehr der „Sim­plon“ in Lau­sanne bleibt schön Zeit, einen Spa­zier­gang in die Werft zu unter­neh­men, wo nebst der erwähn­ten „Hel­vé­tie“ auch die „Rhône“ an der „Revi­si­ons­mole“ abge­stellt liegt. Das Inter­esse der Schiffs- und Damp­fer­freunde ist in die­sen Tagen beson­ders auf das jüngste in der Schweiz gebaute Dampf­schiff gerich­tet. Dem­nächst soll näm­lich das Kan­tons­par­la­ment des Kan­tons Waadt für die „Rhône“ einen Kre­dit von 7,6 Mil­lio­nen Fran­ken spre­chen, nach­dem bereits der Kan­ton Genf rund 4,2 Mil­lio­nen bewil­ligt hat. Der dritte Haupt­ak­tio­när, der Kan­ton Wal­lis, nimmt zwei Tran­chen von je CHF 500 000 in das Kan­tons­bud­get 2019 und 2020 auf. „Die ABVL wird wei­tere 3 Mil­lio­nen bei­steu­ern müs­sen,“ erklärt ABVL-Prä­si­dent Mau­rice Decop­pet (Asso­cia­tion des amis des bateaux à vapeur du Léman). Ins­ge­samt beträgt der Auf­wand 15,8 Mil­lio­nen***, wobei allein die Mehr­wert­steuer 1,1 Mil­lio­nen ver­schlingt… Wird das Waadt­län­der Par­la­ment den Kre­dit spre­chen, kön­nen mit den Arbei­ten im April 2019 begon­nen wer­den. Die Wie­der­in­be­trieb­nahme ist auf Ende März 2021 geplant.

Um 11.40 Uhr besteige ich das für heute bereits zweite „Grossraum“-Dampfschiff der CGN, die 2009 voll­stän­dig reno­vierte „La Suisse“. Der Ruf, dass die „La Suisse“ als schöns­tes Dampf­schiff bezeich­net wird, kommt aus dem Jahr 1908, wo die CGN den Auf­trag an die Firma der Gebrü­der Sul­zer in Win­ter­thur erteilte, „den gröss­ten und schöns­ten Damp­fer in Europa zu bauen“. In der Tat: nicht nur das äus­sere Erschei­nungs­bild mag zu über­zeu­gen. Es ist auch ein wah­res Ver­gnü­gen, den Salon sowohl der 2. wie der 1. Klasse zu betre­ten. Gross­zü­gig­keit und eine durch und durch stim­mige Raum­ar­chi­tek­tur bezüg­lich Pro­por­tio­nen, Farb­ge­bung und Möblie­rung zeich­nen den bald 120-jäh­ri­gen 1.-Klasssalon aus. Auf der Rück­fahrt des Kurs­paa­res 920 – 921 steige ich nach zwei Stun­den Fahrt in Vevey La Tour aus, wo ein schlan­ker Anschluss besteht auf das Rad­mo­tor­schiff Italie.

Auf die­sem drit­ten Schiff von heute erfahre ich, dass die­ses direkt nach Sai­son­schluss bis Weih­nach­ten nach zwei Jah­ren Ein­satz in die Werft­halle kommt, um grös­sere Arbei­ten aus­zu­füh­ren. Ein­zig am 25. und 30. Dezem­ber 2018 sind beide Rad­mo­tor­schiffe im öffent­li­chen Ein­satz. Denn gleich anschlies­send kommt die „Vevey“ in die Halle für einen über­ra­schen­den Ein­griff, näm­lich für einen Ersatz der Elek­tro­mo­to­ren. Mau­rice Decop­pet: „Die Luft­küh­lung der bis­he­ri­gen Aggre­gate mit den star­ken Ven­ti­la­to­ren ist bekannt­lich laut, was viele Pas­sa­giere stört und zu Rekla­ma­tio­nen führt. Aus­ser­dem sind die Elek­tro­mo­to­ren der ‚Vevey’ mit 500 kW schwä­cher als die­je­ni­gen der ‚Ita­lie’ mit 540 kW.“ Nun wurde beschlos­sen, bei der “Vevey” die luft­ge­kühl­ten durch was­ser­ge­kühlte und stär­kere Elek­tro­mo­to­ren zu erset­zen. Decop­pet: „Führt dies zu einem Erfolg, so könnte spä­ter auch die ‚Ita­lie’ auf was­ser­ge­kühlte Moto­ren umge­rüs­tet werden.“

Des­halb steht für den Win­ter­fahr­plan 2018/19 (mit Aus­nahme der zwei erwähn­ten Tage) lei­der kein Rad­schiff ab Lau­sanne zur Ver­fü­gung. Das zweite die­sel­elek­tri­sche Rad­schiff wird – abwechs­lungs­weise zuerst die „Vevey“, dann die „Ita­lie“ – ab Genf ein­ge­setzt. Warum nicht ab Lau­sanne? Für Mau­rice Decop­pet gibt es dazu Gründe: „MS Henry-Dun­ant muss in Lau­sanne zusätz­lich zum MS Géné­ral-Gui­san für Grenz­gän­ger­kurse ein­setz­bar sein, soll­ten uner­war­tet und kurz­fris­tig MS Léman oder MS Ville-de-Genève aus­fal­len. Man will im Win­ter keine zusätz­li­chen Rad­schiffe ein­set­zen, dies im Gegen­satz im Herbst oder Frühling.“

In Vevey bringt mich nun die SBB nach Nyon, wo der vierte „Damp­fer“ des Tages von Genf her an der Sta­tion anlegt. DS Savoie ver­lässt Nyon um Vier­tel nach vier und fährt via Yvoire in zwei Stun­den nach Genf zurück. Im Gegen­satz zum vor­züg­li­chen Ser­vice auf den bei­den vor­an­ge­hen­den Schif­fen gibt es hier auf der „Savoie“ gar nichts zu essen. Kell­ner sind zwar durch­aus vor­han­den, aber weder ein Käse­plätt­chen noch ein Sand­wich ist sich der Ster­ne­gas­tro­nom Phil­ippe Che­vrier (2001 Koch des Jah­res nach Gault Mil­lau) wür­dig, auf die Spei­se­karte des Damp­fers zu neh­men; wahr­lich eine schlechte Reklame für ihn wie für die CGN. Gute Stim­mung hin­ge­gen ver­brei­tet sich beim Gedan­ken, im kom­men­den Okto­ber 2019 sol­che oder ähn­li­che Erleb­nisse wie heute zu wie­der­ho­len. Dann, wenn wie­der ein „Grossraum“-Dampfschiff zusätz­lich zum nor­ma­len Herbst­an­ge­bot dazu stösst.

DS Sim­plon in Evian und im Herbstlicht.

Auch um den Maschi­nen­raum herum neh­men viele der bis zu 500 Grenz­gän­ger auf der Fahrt zum Arbeits­ort Schweiz Platz.

MS Lau­sanne im Wech­sel­spiel der Mor­gen­sonne und Dampf­schwa­den der „Sim­plon“.

An DS Rhône wird im kom­men­den Jahr gear­bei­tet: der Start der Total­sa­nie­rung ist für den April 2019 vorgesehen.

Die ele­gante „La Suisse“ ver­lässt Vevey …

… wo bald dar­auf die „Ita­lie“ erwar­tet wird.

DS Savoie kommt in Nyon an.

Text und Bil­der H. Amstad

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Bemer­kun­gen

*) Eine genuss­rei­che Vari­ante bie­tet ein Zwei­ta­ges­auf­ent­halt mit Über­nach­tung in Evian, zum Brei­spiel in einem See­zim­mer des Hotels Alize (ca. EUR 100 das EZ). Mit freier Sicht auf den CGN-Hafen kann man so mor­gens um 7 Uhr beob­ach­ten, wie sich das Dampf­schiff innert 10 Minu­ten mit 500 Leu­ten füllt…

**) Mau­rice Decop­pet, Ver­wal­tungs­rats­prä­si­dent der CGN-Filiale Belle Epo­que, zur SA: „Der Zeit­punkt der Total­re­no­va­tion ist noch offen. Ideal wäre, wenn wir 2026 zum ‘Hun­ders­ten’ star­ten könn­ten. Vor­her wol­len wir aber noch DS Rhône noch DS Sim­plon einer letz­ten und wich­tigs­ten Teil­re­no­va­tion unterziehen.“

***) Zum Ver­gleich: Die Reno­va­tion des fast gleich alten Dampf­schif­fes, jene der „Stadt Luzern“ auf dem Vier­wald­stätter­see, kos­tet rund CHF 12,5 Mil­lio­nen und fin­det in Luzern in der glei­chen Zeit statt. Die Inbe­trieb­nahme ist für den April 2021 geplant.

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