His­to­ri­sches Schiffs­mo­dell wie­der in Zug

Der Ein­druck ist irri­tie­rend: man erkennt auf den ers­ten Blick das Erschei­nungs­bild der „Stadt Luzern“, ein in die­ser Art ein­zig­ar­ti­ges Dampf­schiff und liest auf dem Rad­kas­ten „Stadt Zug“. Ich habe bis­her das zwei Meter lange Modell in alten Abbil­dun­gen gese­hen, wie es auf dem Zuger­see schwimmt sowie vor weni­gen Jah­ren im Büro von Man­fred Wen­ger in Zug. Das Modell war in der Tat ein Hin­gu­cker, inter­es­sierte mich aber nicht weiter.

Dank den umfang­rei­chen Recher­chen von Oskar Ricken­ba­cher, einem pas­sio­nier­ten Samm­ler und Lokal­his­to­ri­ker der Stadt Zug, hat nun das Schiffs­mo­dell auch bei mir das Inter­esse geweckt. An der GV des Orion­clubs* vom 26. Januar 2016 wurde beschlos­sen, das Modell in die Samm­lung auf­zu­neh­men und künf­tig im Zuger Depot für Tech­nik­ge­schichte ZDT in Neu­heim aus­zu­stel­len. Für den Kauf des Modells und die Prä­sen­ta­tion im Museum ste­hen rund 15 000 Fran­ken zur Ver­fü­gung, die durch Spen­den zusam­men gekom­men sind. Oskar Ricken­ba­cher: „Die­ses Ergeb­nis ist unglaub­lich und zeigt, wie die Erin­ne­run­gen der Zuger Bevöl­ker­ungan an ein ver­traute Bild aus den Fünf­zi­ger­jah­ren wie­der wach wurden.“

Das Modell­schiff Stadt Zug wurde durch den Zuger Mar­tin Weiss-Elmi­ger (1889−1973) in Ori­gi­nal­ma­te­ria­lien kunst­voll gebaut: die Schale und Auf­bau­ten aus Blech, das Deck und die übri­gen Bau­ten aus Holz und das Zelt­dach aus Jute. Mar­tin Weiss war Zuger­see-Schiffs­füh­rer auf der „Schwan“ und dem DS Rigi. Aus­ser­halb der Schiff­fahrts­sai­son las er für die Was­ser­werke Zug Gas­zäh­ler ab. Er war oft in Luzern und auf den DGV-Damp­fern. Ricken­ba­cher: „Dank einer wei­te­ren Lei­den­schaft, näm­lich jene des Foto­gra­fie­rens und sei­ner Dis­zi­plin, die Bil­der minu­tiös zu beschrif­ten, las­sen sich heute gesi­cherte Recher­chen anstel­len.“ Die 1928 erbaute „Stadt Luzern“ hat Mar­tin Weiss der­art impo­niert, dass er ein sol­ches Schiff auch auf dem Zuger­see wollte – und wenn es nur als Modell war. Ent­spre­chend sollte es eine „Stadt Zug“ wer­den. Im Dach­ge­schoss sei­ner Woh­nung am Reif­fer­gässli 7 in Zug hatte er eine mecha­ni­sche Werk­statt, wo er zusam­men mit sei­nem Bru­der August Weiss-Burri (1891−1978) das Modell von 1929 bis 1931 erbaute, also bloss ein Jahr nach dem Sta­pel­lauf des Vor­bil­des „Stadt Luzern“. August Weiss war Emailma­ler in der Metall­wa­ren­fa­brik Zug (Metalli).

Im Som­mer lag das Modell­schiff ab 1931 bis in die Fünf­zi­ger­jahre jeweils in der Kata­stro­phen­bucht in Zug vor Anker und war vor allem für die Kin­der ein fas­zi­nie­ren­der Anzie­hungs­punkt. Es gibt heute kein Zuger, der sich nicht dran erin­nern kann, vor­aus­ge­setzt sie oder er ist älter als 60. Ent­spre­chend gross war die Reso­nanz, als das ver­schol­len geglaubte Schiff wie­der auf­tauchte. Ricken­ba­cher: „Ich habe dies in mei­ner Jugend­zeit immer wie­der bewun­dert. Es ist für mich ein Zeit­zeuge, Denk­mal und Kul­tur­ob­jekt“. Im Win­ter war es jeweils am Reif­fer­gässli hin­ter den Vor­stadt­häu­sern in Zug unter Dach auf­ge­stellt. In Abbil­dun­gen kommt das Modell vor allem in den Dreis­si­ger­jah­ren immer wie­der zu Ehren: an den Jugend­fes­ten der Stadt­schu­len 1934 und 1935, auf einem Umzugs­wa­gen beim 75-Jahr­ju­bi­läum der Kan­tons­schule und vie­lem mehr. Oskar Ricken­ba­cher: „Anfangs der 70-er-Jahre wurde dann das Schiff ver­schenkt und in einem Gar­ten der Fami­lie Diet­schy an der Albis­strasse 5 in Cham auf­ge­stellt. Durch die Wit­te­rungs­ein­flüsse litt das Schiff sehr, es ros­tete und ver­lor Farbe und Glanz.“

Erich Hör­ner (1920−2005), ein lei­den­schaft­li­cher Hobby-See­mann und Samm­ler nau­ti­scher Gegen­stände mit Beruf Wer­be­fach­mann aus Uster, ent­deckte das Modell in Cham und kaufte es in den 90-er-Jah­ren. An Hand von Fotos restau­rierte Hör­ner das Schiff in vie­len Arbeits­stun­den, gab nach Aus­kunft sei­ner Toch­ter Susi Hör­ner dem Schiff zwei Ret­tungs­boote und ver­voll­stän­digte den Innen­aus­bau des Steu­er­hau­ses. Susi Hör­ner: „Es hat schon sehr lange gedau­ert, bis aus dem Rost­hau­fen ein ansehn­li­ches Modell wurde.“ Am 27. Januar 2005 ver­starb Erich Hör­ner und seine Toch­ter und ihre Söhne muss­ten die umfang­rei­che Samm­lung auf­lö­sen. Das Schiff Stadt Zug gelangt in der Folge an Die­ter Hoh­ei­sel, einem in Deutsch­land täti­gen Bro­ker, der auch mit gros­sen Schif­fen han­delte. Sein Sohn Jens Christ stellte es dann durch seine Firma ins Netz, wo es dann der Zuger Man­fred Wen­ger im Jahr 2008 ent­deckte und erwarb. Man­fred Wen­ger: „Als Kind habe ich Fotos vom Modell­boot gese­hen und wollte es schon immer haben, lei­der – oder zum Glück – konnte ich es dann erst im ‚hohen’ Alter kau­fen.“ Er stellte es in sein Büro. Damit schloss sich der Kreis der Wan­der­jahre des Modells Stadt Zug.

Oskar Ricken­ba­cher hat nun bei einem Besuch bei Man­fred Wen­ger das Schiffs­mo­dell ent­deckt. Ricken­ba­cher: „Im Früh­ling 2015 infor­mierte er mich, dass er das Schiff ins Ric­cardo stelle. Ich suchte dann Mög­lich­kei­ten, das Modell zu kau­fen und einer öffent­li­chen Insti­tu­tion zukom­men zu las­sen.“ Dies gelang dem rüs­ti­gen 77-jäh­ri­gen auf Anhieb, mit viel Ein­satz und Enga­ge­ment, sodass nun die Geschichte des his­to­ri­schen Rad­damp­fer­mo­dells Stadt Zug wei­ter­geht. Es gibt weit und breit kaum ein ande­res so altes Schiffs­mo­dell, das so gut und lücken­los doku­men­tiert ist wie dieses.**

Oskar Ricken­ba­cher hat in auf­wän­di­gem und enga­gier­tem Ein­satz das geschichts­träch­tige Schiffs­mo­dell für die Öffent­lich­keit geret­tet, das 45 kg schwere und 1.95 m lange Modell wird künf­tig im Museum Zuger Tech­nik­ge­schichte in Neu­heim zu besich­ti­gen sein.

Mar­tin Weiss, der Schöp­fer des Model­les, schrieb in sei­nem Foto­al­bum unter die­sem Bild: „DS Stadt Luzern – das Vor­bild“ abge­bil­det mit Frau und Sohn um 1933.

Mar­tin Weiss auf einer der zahl­rei­chen Aus­fahr­ten, wo er die „Stadt Zug“ im Schlepp­tau mitführte.

In den Win­ter­mo­na­ten war das Modell am Reif­fer­gässli in Zug aus­ge­stellt (Bild aus dem Jahr 1934).

Jeden Früh­ling gab es einen Stapellauf.

Die „Rigi“ mit Dampf­an­trieb trifft auf die „Stadt Zug“ ohne Antrieb, 1938 in der Kata­stro­phen­bucht in Zug.

Aus­fahrt mit der „Stadt Zug“ bis nach Immensee (1939).

Jugend­fest 1934 am Umzug an der Abzwei­gung Alpenstrasse/​Chamerstrasse in Zug.

Erich Hör­ner restau­rierte und ergänzte das Modell in den Neun­zi­ger­jahre, hier ein Blick in seine Woh­nung. Die Toch­ter Susi Hör­ner: „Unser Ein­fa­mi­li­en­haus wurde lang­sam aber sicher zu einem Schiff. Nur das Schlaf­zim­mer mei­ner Mut­ter war ‚nor­mal’.“

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Hin­weise

*) Unter dem Namen Orion-Club Zuger­land besteht seit 1994 ein Ver­ein mit dem Zweck, alte Fahr­zeuge sowie wei­tere Erin­ne­rungs­ge­gen­stände des zuge­ri­schen Ver­kehrs­we­sens zu restau­rie­ren, zu pfle­gen und zu unter­hal­ten. Link

**) Das Modell wird künf­tig im ZDT zu sehen sein (Sihl­bruggstrasse 51 in Neu­heim) Link

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