Öster­rei­chi­sche Grundl­see­flotte in Luzern zu Gast: Gesamt­erneue­rung auf der Werft Shiptec.

Da ging ein „Rau­nen“ durch die Fach­welt: Wäh­rend das neue Bas­ler Per­so­nen­schiff, jenes für den Bie­ler­see und die neue Zürich­see-Fähre in Linz an der öster­rei­chi­schen Donau gebaut wer­den, gelan­gen drei Schiffe der Grundl­see- und Toplitz­see-Flotte von Öster­reich in die Schweiz zu einer Gene­ral­sa­nie­rung. Die „Rudolf“, „Traun“ und „Gössl“ sind am 5. Dezem­ber 2016 auf dem Stras­sen­weg vom stei­ri­schen Salz­kam­mer­gut in Luzern ein­ge­trof­fen, um sie bei der Shiptec der SGV-Gruppe auf den neus­ten tech­ni­schen Stand zu brin­gen. Um die Gründe zu erläu­tern, muss ich etwas ausholen.

Das Bild zeigt die «Rudolf» im Zustand 1903.

Die Schiffe der Grundl­see- und Toplitz­see­flotte sind vor zwei Jah­ren vom fast 100 Jahre alten Fami­li­en­un­ter­neh­men Zim­mer­mann von der Firma Braun & Co über­nom­men wor­den. Die­ses 1980 gegrün­dete Unter­neh­men gehört zur Diet­rich Mate­schitz Betei­li­gungs-GmbH. Diet­rich Mate­schitz ist der grösste Unter­neh­mer in Salz­burg; er lan­cierte 1987 Red Bull und ist heute Welt­markt­füh­rer bei den Energy-Drinks. Er spon­sert Extrem­sport­ar­ten wie das Cliff-Diving bei Sis­i­kon, wo Was­ser­sprin­ger 23 m vom Axen in den Urner­see sprin­gen und dabei mit 90 km/​h ins Was­ser tau­chen. Mate­schitz unter­stützt dane­ben auch Fuss­ball­klubs und hat einen eige­nen For­mel-1-Renn­stall. Er ist ein Unter­neh­mer und als sol­cher gewohnt, seine Pläne und Ziele in kur­zer Zeit zu rea­li­sie­ren. Ruedi Sta­del­mann, Lei­ter der Shiptec: „Das war unsere Chance. Schiffs­neu- und Umbau­ten sind ein aus­ge­spro­che­nes Pro­jekt­ge­schäft; wir sind uns gewohnt, mit Spit­zen und zeit­lich engen Vor­ga­ben umzu­ge­hen.“ Die­ser Umstand bestä­tigt auch der öster­rei­chi­sche Schiffs­tech­ni­ker und Ken­ner Seve­rin Schen­ner. Er benennt die Hin­ter­gründe, wes­halb die Shiptec sich im Ver­gleich zur Öswag Werft Linz und der Lux-Werft durch­set­zen konnte damit, dass Shiptec für die zwei Schiffe Rudolf und Traun sowie für das Moto­tor­boot Gössl im Gesamt­pa­ket und in einem sehr engen Zeit­fens­ter offe­rie­ren konnte. „Dies ent­sprach dem Wunsch des Auf­trag­ge­bers. Ob sich dies jedoch für die Pro­jekt­ab­wick­lung posi­tiv bewährt, weil nur die Zeit und nicht die opti­male Lösung im Vor­der­grund steht, wird sich zei­gen,“ bemerkt Schen­ner kri­tisch. Die Shiptec hat aller­dings den Anspruch, trotz engem Zeit­plan opti­male Lösun­gen zu realisieren.

Die Schiff­fahrts­ver­ant­wort­li­chen des Grundl­sees sind auf die Luzer­ner Werft auf­merk­sam gewor­den durch das Inter­na­tio­nale Bin­nen­schiff­fahrts­tref­fen, das 2015 in der Zen­tral­schweiz statt­fand. Ich fragte den Lei­ter Werft und für diese Umbau­ten ver­ant­wort­li­che Pro­jekt­lei­ter, Fran­cesco Lapic­ci­rella, nach den Her­aus­for­de­run­gen die­ses Auf­tra­ges: „Ja, der Zeit­druck war enorm, am 11. April ver­las­sen nach bloss vier Mona­ten zwei der drei Schiffe unsere Werft, da am 29. April auf dem Grundl­see wie­der gefah­ren wird. Denn die ganze Flotte weilte in Luzern.“ Schicht- und Sams­tags­ar­beit sowie eine cle­vere Abfol­ge­stra­te­gie der Arbei­ten mach­ten das Unmög­li­che mög­lich. Dabei ist es nicht so, dass die Shiptec nichts ande­res zu tun hätte. Die Hek­tik ist in der Werft spür­bar: Schluss­phase MS 2017 der SGV, Umbau MS Tit­lis (unter ande­rem mit neuem Ober­deck­raum), Neu­mo­to­ri­sie­rung MS Flüelen, Deck­sa­nie­rung DS Schil­ler, Vor­be­rei­tungs­ar­bei­ten des neuen Schif­fes des Bür­gen­stock-Zubrin­gers und in der Halle ste­hen noch die zwei neuen Kabi­nen der Bür­gen­stock­bahn, die Shiptec im Auf­trag der Gara­venta gebaut hat. Die Bude läuft rund.

Spe­zi­ell am Grundl­see-Auf­trag war auch, dass man den klas­si­schen Pro­jekt­ab­lauf mit einem Vor­pro­jekt und den übli­chen Pro­zes­sen ver­ges­sen konnte. Die Schiffe sind auf zwei Tief­la­dern nach Luzern gerollt, ohne dass man genau wusste, wie und in wel­chem Umfang die Sanie­rung erfol­gen sollte. Gene­ral­pläne oder ein Auf­trags­ka­ta­log gab es nicht. Die Absichts­er­klä­rung war immer­hin bekannt: Gene­ral­sa­nie­rung, Neu­mo­to­ri­sie­rung, die Tech­nik auf den neus­ten Stand brin­gen und die ins Alter gekom­me­nen Schiffe zu drei Schmuck­stü­cken machen.

Ich bin vor Jah­ren mit der „Rudolf“ gefah­ren und habe bemerkt, dass die Auf­bau­ten die­ses Schif­fes in Alu­mi­nium in kei­ner Weise mit dem Bau­typ des Schif­fes zu ver­ein­ba­ren sind. Die Nie­der­gänge ins Vor- und Ach­tern­schiff waren steil, die Fens­ter­auf­tei­lung des Steu­er­hau­ses passte stil­mäs­sig nicht zum Schiff, die „Rudolf“ war vor dem Luzer­ner Auf­ent­halt im Gros­sen und Gan­zen ein Flick­werk ohne Liebe zum Detail, wie man das bei­spiels­weise von der SGV-Damp­fer­flotte her kennt. Und die „Gössl“ stand als Holz­boot in den letz­ten 50 Jah­ren im Tro­cke­nen, ver­staubt in einem Schup­pen. So ver­wun­dert es nicht, dass da etli­che öster­rei­chi­sche Schiff­fahrts­freunde und Exper­ten kri­tisch nach Luzern geschaut haben.

Fran­cesco Lapic­ci­rella: „Es zeigte sich nach einer ers­ten Ana­lyse, dass MS Rudolf kom­plett neu auf­ge­baut, MS Traun saniert und die Reno­va­tion MB Gössl auf den Som­mer ver­scho­ben wer­den soll.“ Mit die­sem Ent­scheid konn­ten die Par­al­lel­bau­stel­len zeit­lich güns­tig gestaf­felt wer­den. Ent­schei­dun­gen, die Lie­fer­ter­mine zur Folge hat­ten, muss­ten zuerst und schnell getrof­fen wer­den, wäh­rend andere erst im Ver­laufe des Bau­fort­schrit­tes nötig waren. Die zwei nun reno­vier­ten Schiffe bekom­men eine die­sel­elek­tri­sche Antriebs­an­lage; sie wird durch Sie­mens Nau­tica Ita­lien gelie­fert. In der Halle hört man oft ita­lie­nisch; sicher auch ein Grund, warum Lapic­ci­rella aus­ser Plan die Pro­jekt­lei­tung über­neh­men musste, obwohl er als Werft­chef genug andere Arbeit hätte. „Diese Her­aus­for­de­rung mit den drei Schif­fen macht Freude, das wird eine tolle Sache,“ meint er mit einem Stah­len im Gesicht. Par­al­le­len zum Umbau „Unter­wal­den“, den er eben­falls lei­tete, sind – ein­fach im andern Mas­stab – offen­sicht­lich. Betrach­ten wir die drei Schiffe etwas näher.

Die „Rudolf“, vor­mals „Fürs­tin Kin­sky“ und wäh­rend der Nazi­zeit „Rudolf Erl­ba­cher“ genannt, wurde im Jahre 1903 von der Schiffs­werft Linz mit der Bau­num­mer 456 abge­lie­fert. Bis 1954 wurde das Schiff durch eine Dampf­ma­schine mit einer Gesamt­leis­tung von 25 PS ange­trie­ben, dann kam ein Die­sel­mo­tor ins Schiff. 1965 erhielt das Schiff das Aus­se­hen bis kurz zu sei­ner Schwei­zer Reise. Es war 19,5 m lang und 3,5 m breit, die heu­ti­gen Masse sind noch nicht bekannt. Die seit je her schlechte Sta­bi­li­tät und Heck­las­tig­keit wer­den nun in Luzern ver­bes­sert; der Rumpf wird des­halb auf jeder Seite mit sog. Side­spon­sons um je rund 75 cm ver­brei­tert. Side­spon­son sind zusätz­li­che Schwimm­kör­per, die auf eine bestehende Schale auf­mon­tiert wer­den. Ich muss im Bild 3 genau hin­schauen, dass ich dies optisch merke. Die Fens­ter­ein­tei­lung wird dem Damp­fer von 1903 nach­emp­fun­den. Holz, Mes­sing und Leder sol­len zu einem „Wau-Effekt“ füh­ren: Das Täfer im Innern ist aus Nuss­baum, die Boden­be­läge aus Eichen, das Steu­er­haus aus Maha­goni. Lapic­ci­rella: „Die ‚Rudolf’ ist aus­ser der Schale ein Neubau.“

Das Motor­fahr­gast­schiff Traun wurde im Jahre 1972 von der Schiffs­werft Linz mit der Bau­num­mer 1223 gebaut. Die „Traun“ ist 13,95 m lang, 3,05 m breit und ist zuge­las­sen für 50 Per­so­nen, wovon 30 Fahr­gäste im Innen­raum wet­ter­un­ab­hän­gig ihren Sitz­platz fin­den. Ursprüng­lich war vor­ge­se­hen, auch bei der „Traun“ die Auf­bau­ten völ­lig neu zu machen. Der Eig­ner konnte aber von der Shiptec über­zeugt wer­den, dass die Holz­auf­bau­ten in einem reno­va­ti­ons­wür­di­gen Zustand waren. Die ganze Tech­nik wird auch hier völ­lig neu erstellt. Die Innen­ein­rich­tung wird eben­falls kom­plett erneu­ert und mit edlen Mate­ria­lien aus­ge­führt. Die Boden­be­läge wer­den ähn­lich den SGV-Damp­fern in Dous­sie-Holz ausgeführt.

Der Rumpf der „Gössl“ steht bereit für die nächs­ten Arbeiten.

Die „Gössl“ wurde bei der Schiffs­werft Klos­ter­neu­burg 1930 erbaut und fuhr wäh­rend 36 Jah­ren bis 1967 für die Schiff­fahrt Zim­mer­mann. Bene­dikt von Heben­streit* berich­tet: „Das Boot wurde dann in einem Holz­schup­pen abge­stellt. Wäh­rend Peter Zim­mer­mann das Schiff ver­schrot­ten wollte, plä­dierte seine Frau für die Erhal­tung. Die Patt­si­tua­tion führte zum glück­li­chen Umstand, dass das Schiff nun nach 50 Jah­ren Still­stand wie­der zum Fah­ren kommt.“ Das wun­der­schöne, 8,5 m lange Holz­boot wird nun eben­falls total saniert. Es wird im Ver­laufe des Som­mers die Schweiz ver­las­sen und auf dem Grundl- und Toplitz­see als Son­der­schiff ein­ge­setzt. Der Inha­ber der Flotte, Diet­rich Mate­schitz, ist von sei­nem Ent­scheid über­zeugt. Er sei sehr zufrie­den mit den Leis­tun­gen der Luzer­ner und meinte bei einem kürz­li­chen Besuch in der Leuch­ten­stadt mit Blick auf die Reno­va­tion der Rad­damp­fer, dass er die rich­tige Werft für seine Schiffe aus­ge­wählt habe.

Die „Rudolf“ hat in sei­nem 115-jäh­ri­gen Dasein eine eigent­li­che Meta­mor­phose durch­ge­macht. Die Post­karte zeigt den Zustand nach 1946.

Die „Rudolf“ vor der Reno­va­tion 2017 …

… und am ers­ten „Schwimm­tag“ nach den Umbauarbeiten.

Die «Rudolf» in der Werft­halle der Shiptec in Luzern.

Pro­jekt­lei­ter Fran­cessco Lapic­ci­rella besich­tigt den Bau­fort­schritt im Innern der „Rudolf“.

Die „Traun“ in ihrem letz­ten Zustand vor der Reno­va­tion auf einer Postkarte.

Die Holz­auf­bau­ten wur­den von Grund auf renoviert.

Durch Klick aufs Bild erscheint die­ses im Grossformat.

Am Schluss des Blogs ist Ihr Kom­men­tar willkommen.

Hin­weise

*) Bene­dikt von Heben­streit ist der Autor von der umfas­sends­ten Dar­stel­lung der öster­rei­chi­schen Schiff­fahrt, die es je gab. Bei uns bei der Schiffs-Agen­tur exklu­siv ver­öf­fent­lich unter „Schiff­pe­dia“ (Link).

Nach dem Ver­fas­sen die­ses Blogs schrieb uns Seve­rin Schen­ner: „Die neuen hel­len Auf­bau­ten geben im Inne­ren ein ange­neh­mes Raum­ge­fühl, die Mate­ria­li­sie­rung ist hoch­wer­tig und gedie­gen, die Abgänge nun aus­rei­chend breit und ange­nehm zu gehen. Kurzum, die Schiffe haben sicher­lich viele Ver­bes­se­run­gen erhal­ten. Die Antriebs­kon­zepte sind eben­falls zeit­ge­mäss und wer­den sich auch inner­halb kür­zes­ter Zeit amor­ti­sie­ren. Es bleibt der Grundl­see-Schiff­fahrt zu wün­schen, dass sie lange mit den Schif­fen Freude hat und sie lie­be­voll pflegt.“

Video der Ein­was­se­rung der Schiffe Rudolf und Traun am Grundl­see (Link).

Quel­len

Bild 2 und 3 S. Schenner,

Bil­der 1 und im Text­teil oben Samm­lung H. Amstad,

übrige Bil­der und Text H. Amstad.

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