Offene Schwei­zer Werf­ten am Boden­see und Rhein

Im Abstand einer Woche prä­sen­tier­ten sich die bei­den schwei­ze­ri­schen Werf­ten am Boden­sees und Rhein der Öffent­lich­keit. Mitte März lies­sen die Romans­hor­ner einen Blick in die erwei­terte SBS-Werft gewäh­ren und am 21./22. März öff­nete die Schiff­fahrts­ge­sell­schaft Unter­see und Rhein in Schaff­hau­sen die Tore zu ihrer Werft.

Einen über­wäl­ti­gen­den Besu­cher­strom hatte die Schwei­ze­ri­sche Boden­see Schiff­fahrt SBS in Romans­horn zu bewäl­ti­gen. Bereits bei der Tür­öff­nung um acht Uhr stan­den Tau­sende bereit, um ja einen guten Beob­ach­tungs­platz zu haben für die eine Stunde spä­ter geplante Aus­was­se­rung des MS St. Gal­len. Die­ser Ansturm hatte zur Folge, dass der Auf­zug des SBS-Flagg­schif­fes in die Werft­halle frü­her als geplant star­tete. Im Werft­ha­fen war die „Eure­gia“ als Restau­rant- und am Abend als Party-Schiff an der Mole fest­ge­macht, dahin­ter die eigens für die­sen Anlass her­ge­schleppte „Hoh­ent­wiel“ im Win­terlook und die „Emily“, eine im Jahr 2000 nach­ge­baute Motor­yacht mit Wur­zel-Maha­goni-Aus­bau des Hotels Bad Horn. Alle vier Schiffe waren den gan­zen Tag zugäng­lich, bei der „Eure­gia“ sogar der Maschi­nen­raum. Der See­ret­tungs­dienst und die See­po­li­zei Thur­gau nutz­ten den Tag, um eben­falls Wer­bung in eige­ner Sache zu machen.

Für mich war die Hafen­rund­fahrt mit MS Alte Rhy das High-Light. Im Stun­den­takt befuhr das wen­dige Schiff mit dem Schot­tel­an­trieb alle drei Romans­hor­ner Häfen. Mit kun­di­gen Kom­men­ta­ren des Schiffs­füh­rers Urs Näf gab es zuerst ein Wen­de­ma­nö­ver im Yacht­ha­fen, dann einen Schwen­ker in den Werft­ha­fen, einen Abste­cher auf den Boden­see vor­bei am Leucht­turm vor der Hafen­ein­fahrt, wo sich eine gefähr­li­che Untiefe, die sog. Romans­hor­ner Platte, zusam­men mit dem See­zei­chen 22 befin­det. Bei Nacht, Nebel oder unsich­ti­gem Wet­ter leuch­tet ein Dreh­schein­wer­fer auf und zusätz­lich kann eine Sirene ein­ge­schal­tet wer­den, die als akus­ti­scher Weg­wei­ser dient. Schliess­lich „spiel­ten“ wir Fähre, sahen die Auto­fähre-Rampe auf einen Meter Distanz aus der Frosch­per­spek­tive und beach­te­ten, dass der Auf­bau der Platt­form mit den zukünf­ti­gen Lan­de­plät­zen für alle SBS-Schiffe schon weit fort­ge­schrit­ten ist

Eine Woche spä­ter bin ich in Schaff­hau­sen einer der Ers­ten, nach­dem ich vor zwei Jah­ren bei einem ähn­li­chen Anlass der­mas­sen ins Getüm­mel kam, dass es keine Tickets mehr gab für die „Konstanzerli“-Rundfahrten. Anders die­ses Jahr, als küh­les, bedeck­tes Wet­ter und mein Früh­start mir Platz liess, alle Annehm­lich­kei­ten die­ses sehr gut vor­be­rei­te­ten Anlas­ses zu genies­sen, inklu­sive den fei­nen Fisch­knus­per­lis aus dem Unter­see… So fand Betriebs­lei­ter Lukas Rei­mann Zeit, den Inter­es­sier­ten den letz­ten regel­mäs­sig ein­ge­setz­ten 2‑Takt-Sul­zer-Die­selo­mo­tor der Schweiz auf MS Stein am Rhein zu erklä­ren. Er kommt rich­tig­ge­hend ins Schwär­men: „Es ist fas­zi­nie­rend, diese 60 Jahre alte Maschine im Betrieb zu erle­ben und zu hören. Mit einem Ver­brauch von 2,1 Liter pro Kilo­me­ter ist sie spar­sa­mer als die neuen Moto­ren des MS Munot. Die maxi­male Tou­ren­zahl von 450 U/​min wird heute nicht mehr gefah­ren, 370 sind aus­rei­chend. Das Schiff ist für uns unver­zicht­bar, eine Neu­mo­to­ri­sie­rung steht nicht zur Debatte.“ Die URh über­legt sich, den 11 Ton­nen schwe­ren 6‑Zy­lin­der-Motor im Mit­tel­deck für die Fahr­gäste bes­ser erleb­bar zu machen; der Zeit­punkt des Umbaues ist aber noch offen.

Ein zwei­tes inter­es­san­tes Gespräch ergibt sich im Salon von MS Are­nen­berg, das in der Halle im Tro­cke­nen liegt und kurz vor dem Abschluss einer Total­sa­nie­rung steht. Kurt Stei­ner ist für die Innen­raum­ge­stal­tung der „Are­nen­berg“ zustän­dig, so wie Jahre zuvor auch beim Umbau der „Schaff­hau­sen“ und „Thur­gau“. Wände, Mobi­liar und Beleuch­tung leh­nen sich dabei an das Thema Schloss Are­nen­berg an. Der in hel­lem Braun­ton gehal­tene Salon fällt auf durch die in Gold gehal­te­nen Fens­ter­pa­nelen und die dort plat­zier­ten Kunst­fi­gu­ren. Kurt Stei­ner erläu­tert die Aus­gangs­lage: „Grund­sätz­lich war es mir wich­tig, eine Ver­bin­dung zwi­schen Schloss Are­nen­berg und dem Schiff her­zu­stel­len. Es ging dabei nicht darum, alte Struk­tu­ren auf das Schiff Are­nen­berg zu impor­tie­ren, son­dern die Stim­mung des Schlos­ses auf­zu­neh­men und sie neu zu insze­nie­ren – in der heu­ti­gen Spra­che und mit ent­spre­chen­den Mate­ria­lien.“ Der Salon ist mit 2,02 m sehr tief, damit das Schiff die Brü­cken­durch­fahr­ten von Dies­sen­ho­fen und Kon­stanz meis­tern kann. Mit einer ent­spre­chen­den Decken­ge­stal­tung ver­län­gert Stei­ner die gol­de­nen Fens­ter­pa­nelen, so dass sie sich im Spie­gel­bild der Decke ver­dop­peln. Dadurch wird der Raum höher wahr­ge­nom­men als er ist.

Nebst einem völ­lig neu gestal­te­ten Salon sind die Arbei­ten der letz­ten sechs Monate auf dem Rund­gang gut sicht­bar: Die Treppe zum Ober­deck wurde ver­setzt und eine wei­tere im Heck neu gebaut, die Wand zur Küche ist schall­iso­liert und die Toi­lette neu behin­der­ten­ge­recht, neue Fens­ter sind mit Iso­lier­ver­gla­sung aus­ge­stat­tet, ein Holz­deck auf dem Ober­deck ist anstelle der bis­he­ri­gen Kunst­stoff-Abde­ckung ver­legt, das ganze Schiff neu gestri­chen. Lukas Rei­mann: „1,2 Ton­nen Farbe wur­den in vier bis sechs Lagen ver­ar­bei­tet, drei Ton­nen Stahl neu ver­baut, 1,8 km Holz­lat­ten für die neuen Bänke mon­tiert, 2,5 km neue Ore­gon­pine-Plan­ken und 1,7 km neue Elek­tro­ka­bel ver­legt.“ Diese fun­dierte Aktion schlug mit 7 500 Arbeits­stun­den zu Buche – der Fahr­gast wird den Mehr­wert schätzen.

Beleb­ter Yacht­ha­fen mit dem See­ret­tungs­boot, dem Schiff der See­po­li­zei Thur­gau und MS Alte Rhy von der SBS, im Hin­ter­grund DS Hoh­ent­wiel und rechts die Fähre Euregia.

Haupt­ak­tio­när und Ver­wal­tungs­rats­prä­si­dent der SBS Herr­mann Hess hat in den letz­ten Jah­ren viel bewegt; anstatt auf den Reflex „neue Schiffe anschaf­fen“ zu set­zen über­legte er, wel­che Diver­si­fi­ka­tio­nen er zu ren­ta­blen Geschäfts­zwei­gen aus­bauen kann, um damit die öffent­li­che Schiff­fahrt zu halten.

Die Werf­ter­neue­rung ist unter die­sem Aspekt ebenso eine Inves­ti­tion in die Zukunft wie ein gedie­ge­nes Hafen­re­stau­rant mit einer öffent­li­chen Fla­nier­zone über dem Was­ser des Romans­hor­ner Hafens (Bild Text­teil). MS St. Gal­len ver­lässt am Abend die erneu­erte Halle wie­der, umsäumt mit vie­len Schau­lus­ti­gen und den Schif­fen Alte Rhy, Rhyn­egg, Eure­gia und Hoh­ent­wiel (Vor­der­grund).

Die Schall­schutz­de­cke von MS Are­nen­berg ist im Roh­bau fer­tig erstellt, der neue Tex­til-Boden bereits ver­legt. Der Coray-Stuhl vom berühm­ten Landi-Design aus dem Jahr 1939 wird aber in braun kom­men (für die Werft­füh­rung wurde der gelbe von MS Thur­gau zu Demo­zwe­cken hingestellt).

Kurt Stei­ner ist unter den Innen­ar­chi­tek­ten kein Unbe­kann­ter; wäh­rend 20 Jah­ren arbei­tete er mit Verena Huber zusam­men, die z.B. für die Albis-Klasse auf dem Zürich­see den Innen­raum gestaltete.

Am Tag der Offe­nen Werft waren sämt­li­che URh-Schiffe zu besich­ti­gen: MS Munot, MS Thur­gau, MS Schaff­hau­sen vor der Werft (rechts im Hin­ter­grund sicht­bar) und auch MS Stein am Rhein, MS Kon­stanz (für Rund­fahr­ten) und MS Are­nen­berg (in der Halle) waren zu besichtigen.

Text und Bil­der H. Amstad

Durch Klick aufs Bild erscheint die­ses im Grossformat.

Am Schluss des Blogs ist Ihr Kom­men­tar willkommen.

Bewer­tung abgeben 🙂

[ratings]